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07.07.2010 · IWW-Abrufnummer 102100

Finanzgericht Niedersachsen: Urteil vom 27.05.2010 – 16 K 290/09

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


NIEDERSÄCHSISCHES FINANZGERICHT
URTEIL
vom 27.05.2010
Az.: 16 K 290/09
Tatbestand
Der Kläger ist selbständiger Musiker. Im Streitjahr war er auf folgenden Veranstaltungen tätig.
1. 20.01.2007 Kameradschaftsabend Feuerwehr H
Die Freiwillige Feuerwehr H veranstaltete jedes Jahr einen Kameradschaftsabend. Hierfür wurde der Kläger von X von der Freiwilligen Feuerwehr H für den 20.01.2007 engagiert. Veranstalter war die Freiwillige Feuerwehr H.
2. 27.10.2007 Feuerwehr N
Die Freiwillige Feuerwehr N veranstaltete am 27.10.2007 ein Kinderfest und einen Tag der offenen Tür. Bei dieser Veranstaltung, die im Feuerwehrgerätehaus in N stattfand, wurde auch ein neues Fahrzeug der Feuerwehr eingeweiht. Der Kläger wurde zu dieser Veranstaltung von B engagiert. Veranstalter war die Freiwillige Feuerwehr N.
3. 03.11.2007 Schützenball A
Am 18.10.2007 wurde über ein Internetportal ein Musiker für den Schützenball in A gesucht. Der Kläger wurde nach einer entsprechenden Kontaktaufnahme vom damaligen Schützenkönig Hans G am 19.10.2007 verbindlich für den Schützenball am 03.11.2007 engagiert. Veranstalter war der Schützenverein A.
4. November/Dezember 2007 Veranstaltung "Winterzauber"
Der Felsenkeller in Z veranstaltete vom 30.11.2007 bis zum 02.12.2007 das Event/die Veranstaltung "Winterzauber". Die Veranstaltung wurde über den Radiosender und über einen vor Ort ansässigen regionalen Radiosender sowie über die regionale Presse und Flyer des Veranstalters "Felsenkeller Z" beworben. Für diese Veranstaltung incl. eines Casting der Schneekönigin wurde der Kläger von H für den 18.11.2007 und 30.11. bis 02.12.2007 Anfang November 2007 engagiert. Veranstalter war Felsenkeller Z H GmbH.
5. 27.12.2007 im P Hof in L
Am 18.10.2007 wurde der Kläger verbindlich vom Inhaber des Hotels P Hof in L D junior als Musiker für den am 27.12.2007 stattfindenden 75. Geburtstag von Frau K im "G… Zimmer" im P Hof in R engagiert.
6. Silvester-Veranstaltung im P in R
Der P Hof veranstaltet jährlich in R für seine Gäste eine Silvesterveranstaltung mit einem festlichen Silvester-Gala-Menü (Mehr-Gänge-Menü) Live-Musik. Veranstalter, der auch für die Veranstaltung warb, war das Ringhotel P Hof in R. Der Kläger wurde für die Silvesterveranstaltung 2007/2008 vom Inhaber des Hotels mit Vertrag vom 22.01.2007 engagiert.
Der Kläger erzielte aus diesen Veranstaltungen Umsätze i.H.v. brutto 3.246,24 €. Die abzugsfähigen Vorsteuern betrugen 348,27 DM.
Der Kläger hatte zunächst keine Umsatzsteuererklärung abgegeben. Der Beklagte schätzte daher die Umsätze und setzte die Umsatzsteuer mit Bescheid vom 5. Januar 2009 fest. Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein. Im Rahmen des Einspruchsverfahrens gab er eine Umsatzsteuererklärung ab, in der er die erzielten Umsätze unter Anwendung des ermäßigten Steuersatzes von 7 % der Umsatzsteuer unterwarf. Der Beklagte folgte dem nicht, sondern unterwarf die erklärten Umsätze dem Regelsteuersatz von 19 % und setzte die Umsatzsteuer mit Bescheid vom 29.01.2009 unter Berücksichtigung der vom Kläger erklärten Vorsteuern entsprechend fest. Der dagegen eingelegte Einspruch war erfolglos. Hiergegen richtet sich die Klage.
Der Kläger ist der Auffassung, seine Umsätze unterliegen gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 7 a Umsatzsteuergesetz (UStG) dem ermäßigten Steuersatz von 7 %, da er als Musiker künstlerisch tätig sei.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Umsatzsteuer 2007 auf ./. 136,03 € festzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Auffassung, der Kläger erfülle nicht die Voraussetzung für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes, da er nicht zu den darin bezeichneten Einrichtungen gehöre. Er habe auch keine Theatervorführungen und Konzerte veranstaltet. Die Tätigkeit als Alleinunterhalter sei nicht als Konzert zu werten.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
1. Nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchstabe a) UStG 2004 ermäßigt sich die Steuer für die Eintrittsberechtigung für Theater, Konzerte und Museen sowie die den Theatervorführungen und Konzerten vergleichbaren Darbietungen ausübender Künstler. Die Ermächtigung des nationalen Gesetzgebers zur ermäßigten Besteuerung ergibt sich aus Art. 12 Abs. 3 Buchst. a Unterabsatz 3 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (6. EG-Richtlinie, heute Art. 98 Abs. 2 der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie
- Mehrwertsteuer-SystRL -).
a) Die Umsätze aus den Leistungen des Klägers unterliegen als Konzerten vergleichbare Darbietungen eines ausübenden Künstlers dem ermäßigten Steuersatz von 7 %.
aa. § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG wurde durch das Gesetz zur Umsetzung von EU-Richtlinien in nationales Steuerrecht und zur Änderung weiterer Vorschriften (Richtlinien-Umsetzungsgesetz - EURLUmsG, BGBl I 2004, 3310) neu gefasst. Die Neufassung beruht auf der Umsetzung des EuGH-Urteils vom 23. Oktober 2003 im Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland (Rs. C-109/02, Slg. 2003 I-12691). In dieser Entscheidung beanstandete der EuGH die durch die Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 26.04.1995 XI R 20/94, BFHE 177, 548, BStBl II 1995, 519) begründete umsatzsteuerliche Ungleichbehandlung zwischen begünstigten Leistungen von Solisten, die ihre Leistungen direkt für die Öffentlichkeit erbringen bzw. Musikensembles, die für einen Konzertveranstalter tätig werden gegenüber Leistungen von Solisten, die für einen Veranstalter tätig sind und für die der Regelsteuersatz Anwendung finden sollte. Der EuGH hatte die Gleichstellung der Leistungen der Solisten gegenüber Veranstaltern damit begründet, dass die Entscheidung über die Ausübung dieses Rechts zwar in den Zuständigkeitsbereich der Mitgliedsstaaten falle, diese aber bei der Ausübung ihrer Zuständigkeit den Grundsatz der steuerlichen Neutralität zu beachten hätten. Dieser Grundsatz verbiete insbesondere, gleichartige und deshalb miteinander in Wettbewerb stehende Waren oder Dienstleistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich zu behandeln und den Kreis derer, deren Leistungen dem ermäßigten Satz unterliegen, willkürlich zu beschränken (EuGH-Urteil vom 23. Oktober 2003 Rs. C-109/02, amtliche Sammlung 2003 I-12691, vgl. auch BFH-Urteil vom 18. August 2005 V R 50/04, BStBl II 2006, 101). Zweck der Gesetzesänderung war daher, dass auch für Solistenleistungen an Veranstalter der ermäßigte Steuersatz zu gewähren ist (BR-Drs. 605/04, S. 72).
Danach steht der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nicht entgegen, dass der Kläger nicht selbst als Veranstalter auftrat, sondern seine Leistungen gegenüber Veranstaltern erbrachte (vgl. auch FG Hessen, Urteil vom 08.07.2009 6 K 3559/08, n.V.; Klenk in Sölch/Ringleb, § 12 Rdn. 260 m.w.N. aus der Rechtsprechung).
bb. Veranstalter ist derjenige, der im eigenen Namen und für eigene Rechnung handelt. Die Veranstaltungsleistungen können nicht nur einer Mehrzahl von Personen gegenüber erbracht werden, sondern auch gegenüber nur einem Auftraggeber (vgl. Klenk in Sölch/Ringleb, § 12 Rdn. 242 m.w.N.). Der Kläger erbrachte seine Leistungen gegenüber Veranstaltern, da er von Dritten engagiert und im Rahmen von Veranstaltungen tätig wurde, die von ihnen ausgerichtet wurden.
cc. Bei den Leistungen des Klägers handelte es sich um Konzerte i.S.d. § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchstabe a UStG. Der Begriff „Konzerte“ ist nicht auf Orchesterkonzerte beschränkt. Unter Konzerte in diesem Sinne sind nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhof (Urteil vom 18.08.2005 V R 50/04, BFHE 211, 557 BStBl II 2006, 101) vielmehr Aufführungen von Musikstücken zu verstehen, bei denen Instrumente und/oder die menschliche Stimme eingesetzt werden. Auch Pop- und Rockkonzerte, die den Besuchern die Möglichkeit bieten, zu der im Rahmen des Konzerts dargebotenen Musik zu tanzen, können Konzerte sein (vgl. Finanzgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 22. Mai 2003 6 K 1712/01, EFG 2003, 1275). Aufführende können auch einzelne Personen sein (vgl. BFH, Urteil vom 18.02.2010 V R 28/08, BFHE nn, DStR 2010, 869).
dd. Der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes steht ferner nicht entgegen, dass die Darbietungen des Klägers ggf. nicht den eigentlichen Zweck der Veranstaltungen ausmachten. Grundsätzlich kann die Steuerermäßigung für die Veranstaltung von Konzerten zwar nur in Anspruch genommen werden, wenn das Konzert den eigentlichen Zweck der Veranstaltung ausmacht. Daher müssen Leistungen anderer Art, die in Verbindung mit diesen Veranstaltungen erbracht werden, von so untergeordneter Bedeutung sein, dass dadurch der Charakter der Veranstaltung als Konzert nicht beeinträchtigt wird.
Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Voraussetzungen bei den Veranstaltungen, auf denen der Kläger seine Leistungen erbracht hat, gegeben waren. Denn wenn – wie im Fall des Klägers - die Leistung des Künstlers, die er gegenüber dem Veranstalter erbringt, eine begünstigte Leistung ist, bleibt für diese Leistung die Steuerermäßigung erhalten (vgl. Klenk in Sölch/Ringleb, UStG, § 12, Rdn. 244). Die Steuerermäßigung findet also auch dann Anwendung, wenn der Künstler seine Darbietung im Rahmen einer nicht begünstigten Veranstaltung, z.B. im Rahmen einer Tanzbelustigung, einer sportlichen Veranstaltung oder zur Unterhaltung der Besucher von Gaststätten erbringt. Insofern bezieht sich die Einschränkung der Steuerermäßigung in Abschnitt 166 Abs. 2 Satz 5 und 6 UStR nur auf Leistungen im Rahmen der Veranstaltung von Konzerten durch andere Unternehmer (vgl. Sölch/Ringleb UStG, § 12 Rdn. 261).
b) Die Steuer war daher unter Berücksichtigung von Bruttoumsätzen i.H.v. 3.244,24 € wie folgt festzusetzen:
Umsätze (7 %) 3.032 € 212,24 €
Vorsteuern 348,27 €
Umsatzsteuer 2007 ./. 136,03 €
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtordnung - FGO -.
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten folgt aus § 151 Abs. 1 und 3 FGO i.V.m. § 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung - ZPO -.

RechtsgebietUmsatzsteuer Vorschriften§ 12 Abs. 2 Nr. 7 a UStG

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