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07.07.2010 · IWW-Abrufnummer 101981

Arbeitsgericht Düsseldorf: Beschluss vom 16.03.2010 – 5 BV 215/08

Eine gemeinnützige Gesellschaft, die die Förderung des Blutspendewesens zum Gegenstand hat, ist nicht ohne weiteres ein Tendenzunternehmen, das karitativen Bestimmungen dient. Die Gemeinnützigkeit eines Unternehmens ist nach § 118 BetrVG nicht ausreichend. Ein karitativer Zweck erfordert einen sozialen Dienst am Einzelnen. Die Sicherstellung der allgemeinen Grundversorgung mit Blutpräparten genügt nicht.


Arbeitsgericht Düsseldorf

5 BV 215/08

Tenor: Es wird festgestellt, dass die Beteiligte zu 2) kein Tendenzunternehmen im Sinne von § 118 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ist.

G r ü n d e
I.
Die Beteiligten streiten über die Tendenzeigenschaft der Beteiligten zu 2.
Bei der Beteiligten zu 2, der Arbeitgeberin, handelt es sich um eine gemeinnützige GmbH (gGmbH), die 1951 gegründet worden ist. Sie ist kooperatives Mitglied des M. des E. Das E. ist nach § 1 Abs. 3 seiner Satzung (Blatt 141 der Akte) ein Spitzenverband der freien Wohlfahrtspflege. Aufgaben des E. sind nach § 2 seiner Satzung folgende Aufgaben:
?Verbreitung der Kenntnisse des humanitären Völkerrechts sowie der Grundsätze und Ideale der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung,
?Hilfe für die Opfer von bewaffneten Konflikten, Naturkatastrophen und anderen Notsituationen,
?Verhütung und Linderung menschlicher Leiden, die sich aus Krankheit, Verletzung, Behinderung oder Benachteiligung ergeben,
?Förderung der Gesundheit, der Wohlfahrt und der Jugend,
?Förderung der Entwicklung nationaler Rotkreuz- und Rothalbmond-Gesellschaften.
Nach § 2 Abs. 6 Nummer 3 der Satzung des E.-M. e. V. verwirklicht der M. die gemeinnützigen und mildtätigen Zwecke, insbesondere durch den Blutspendedienst.
Die Rechtstellung sowie die Aufgaben des E. sind auch im Gesetz über das E. und andere freiwillige Hilfsgesellschaften im Sinne der H. (E.-Gesetz) vom 05.12.2008 (BGBl I 2008, 2346) geregelt. Nach § 1 des E.-Gesetzes ist das E. die nationale Gesellschaft des S. auf dem Gebiet der C. und freiwillige Hilfsgesellschaft der deutschen Behörden im humanitären Bereich. Nach den Statuten des Internationalen S. verkörpert die Rotkreuzbewegung die freiwillige und uneigennützige Hilfe ohne jedes Gewinnstreben.
Nach § 1 des Transfusionsgesetzes (TFG) ist Zweck dieses Gesetzes, nach Maßgabe seiner Vorschriften zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen von Menschen und zur Anwendung von Blutprodukten für eine sichere Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und für eine gesicherte und sichere Versorgung der Bevölkerung mit Blutprodukten zu sorgen und deshalb die Selbstversorgung mit Blut und Plasma auf der Basis der freiwilligen und unentgeltlichen Blutspende zu fördern. Nach § 2 Nr. 3 TFG sind Blutprodukte Blutzubereitungen im Sinne von § 4 Abs. 2 des Arzneimittelgesetzes. Nach § 3 TFG haben Spendeeinrichtungen die Aufgabe, Blut und Blutbestandteile zur Versorgung der Bevölkerung mit Blutprodukten zu gewinnen. Nach § 3 Abs. 3 TFG leisten die spendenden Personen einen wertvollen Dienst für die Gemeinschaft. Nach § 4 Abs. 2 des Arzneimittelgesetzes (AMG) sind Blutzubereitungen Arzneimittel, die aus Blut gewonnene Blut-, Plasma- oder Serumkonserven, Blutbestandteile oder Zubereitungen aus Blutbestandteilen sind oder als Wirkstoffe enthalten.
Deutschlandweit gibt es 7 Blutspendedienste mit mehr als 30 Blutspendezentren. Das E. trägt insgesamt ungefähr 75 % der Versorgung mit Blutkonserven in Deutschland.
Die Arbeitgeberin ist zuständig für das Blutspendewesen für die Bundesländer NRW, Rheinland-Pfalz und das Saarland. Die Arbeitgeberin beschäftigt insgesamt 988 Arbeitnehmer. In § 2 ihrer Satzung heißt es:
" § 2 Gegenstand der Gesellschaft
Der Gegenstand der Gesellschaft ist die Förderung des Blutspendewesens und der Transfusionsmedizin. Er wird insbesondere verwirklicht durch die Entnahme, Sammlung und Aufbereitung von menschlichem Blut und Bestandteilen, die Versorgung mit menschlichem Blut und Blutbestandteilen zum Zwecke der Heilung durch Bluttransfusionen, die Mitwirkung an Maßnahmen der Hämotherapie, die Erbringung von transfusionsmedizinischen Labor- und Serviceleistungen sowie die wissenschaftliche Betätigung und Forschung zur Erreichung des Gesellschaftszweckes und der Fortentwicklung des Blutspendewesens. Soweit mit dem Gesellschaftszweck vereinbar, können sowohl Beteiligungen als auch Vereinsmitgliedschaften eingegangen und Stiftungen errichtet werden."
§ 4 der Satzung der Arbeitgeberin lautet:
" § 4 Gemeinnützigkeit
1.Die Gesellschaft verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Sinne der geltenden Rechtsvorschriften; sie ist selbstlos tätig und verfolgt nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke.
2.Die Gesellschaft strebt keine Gewinne an. Etwaige Überschüsse sind zur Erfüllung der Gesellschaftszwecke zu verwenden. Keine Person darf durch Verwaltungsausgaben, die den Zwecken der Gesellschaft fremd sind, oder durch unverhältnismäßig hohe Vergütungen begünstigt werden.
Mittel der Gesellschaft dürfen nur für satzungsmäßige Zwecke verwendet werden. Die Gesellschafter dürfen keine Gewinnanteile erhalten.Die Gesellschaft kann, sofern es zur nachhaltigen Erfüllung ihres Zweckes gemäß § 2 erforderlich ist, Rücklagen im Sinne von § 58 AO bilden..."
Die Arbeitgeberin erhält keine staatlichen Zuschüsse. Die Gemeinnützigkeit der Arbeitgeberin wurde vom Finanzamt I. anerkannt (Anerkennung nach § 44 a EStG, vgl. Blatt 208 der Akte). Sie ist nach § 4 Nr. 18 UStG von der Umsatzsteuer befreit (Blatt 209 der Akte).
Die Arbeitgeberin hat insgesamt fünf Zentren für Transfusionsmedizin eingerichtet. Zwei Zentren werden als rechtlich selbständige Tochtergesellschaften geleitet. Die weiteren drei Betriebe sind in N., I. und C.. Die dort eingerichteten Betriebsräte sind die Beteiligen zu 3. bis 5.. Antragsteller ist der Gesamtbetriebsrat. In C. arbeiten 247 Arbeitnehmer, in I. 216 und in N. 240 Arbeitnehmer. Daneben werden weitere 113 Mitarbeiter zentral in I. in den Bereichen Zentrallabor und zentrale Dienste beschäftigt. Insgesamt werden bei der Arbeitgeberin 33.460,47 Arbeitsstunden pro Woche erbracht. Auf den unmittelbaren Entnahmedienst fallen ca. 40 % der täglich anfallenden Arbeitszeit.
Der Blutspendedienst der Arbeitgeberin gewährt den Blutspendern keine finanziellen Aufwandsentschädigungen, sondern eine kostenlose Verpflegung. Durchgeführt werden die Blutspendedienste von freiwilligen Helfern der regionalen Untergliederungen des E.. Die Termine werden so ausgerichtet, dass einer möglichst großen Anzahl von Spendewilligen ermöglicht wird, den Termin wahrzunehmen, insbesondere abends und am Wochenende. Die Untergliederungen des E. stellen dabei die Verpflegung zur Verfügung. Dafür zahlt die Arbeitgeberin eine Aufwandspauschale in Höhe von 7,40 € pro Spende. Weitere Kosten, etwa für Räumlichkeiten, trägt die Arbeitgeberin.
Zu den Tätigkeiten der Arbeitgeberin zählen:
?Organisation und Durchführung von Blutspendeterminen in Zusammenarbeit mit den regionalen Untergliederungen des E..
?Untersuchung, Aufbereitung, Erfassung und Lagerung gesammelter Blutspenden, Test und Aufteilung von Vollblutspenden.
?Weitergabe an Ärzte und Krankenhäuser nach spezifischen medizinischen Anforderungen; Vorhalt von Blutkonserven in Transfusionszentren. Krankenhäuser bestellen dabei grundsätzlich tagesaktuelle Konserven nach entsprechenden Kriterien (Krankenhäuser selbst halten nur eine geringe Anzahl von Blutkonserven vor, in der Regel der neutralen Blutgruppe 0).
?Unterhalt an allen drei Standorten von sogenannten "Kreuzprobenlaboren", um vorhandene Blutkonserven mit Blutproben eines Patienten abgleichen zu können und passende Blutkonserven zu ermitteln.
?Labordienste zur Vorbereitung von Bluttransfusionen im Zusammenhang mit der Vergabe von Blutkonserven.
?Serologischer Dienst wegen besonderer Expertise bzgl. des Stoffes "Blut".
?Betreuung von Leukämiepatienten (Untersuchung für Auswahl geeigneter Thrombozytenkonzentrate, gezielte Einstellung von Spendern).
?Aktive Forschung zur Weiterentwicklung des Blutspendewesens einschließlich Beratung der Ärzte und Krankenhäuser.
Der Antragsteller hatte bislang einen Wirtschaftsausschuss gem. §§ 106 ff BetrVG gebildet. Mit Schreiben vom 28.03.2008 (Blatt 6 ff der Akte) wandte sich der Antragsteller an die Arbeitgeberin und bat um die Beantwortung einiger Fragen. Unter dem 29.05.2008 teilte der Prozessbevollmächtigte der Arbeitgeberin mit, dass die §§ 106 ff BetrVG auf die Arbeitgeberin keine Anwendung fänden, da es sich um ein Tendenzunternehmen handele.
Der Antragsteller meint, die Arbeitgeberin sei kein Tendenzunternehmen. Sie diene nicht unmittelbar und überwiegend karitativen Bestimmungen. Sie versorge nicht hilfsbedürftige Menschen, sondern Krankenhäuser. Zudem verkaufe sie die Blutpräparate, was unstrittig ist. Sie finanziere damit die Untergliederungen des E. im Sinne von Quersubventionen. Es komme auf die Tätigkeit an, nicht auf die dahinterstehende Motivation der beteiligten ehrenamtlichen Helfer. Es komme auch nicht auf den Zweck des E. an. Die mittelbare Förderung einer Tendenz reiche nicht aus.
Der Antragsteller sowie die Beteiligten zu 3. und 5. beantragen
festzustellen, dass die Beteiligte zu 2. kein Tendenzunternehmen im Sinne von § 118 Abs. 1 Ziffer 1 BetrVG ist.
Die Arbeitgeberin beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, sie sei ein Tendenzunternehmen im Sinne des § 118 Abs. 1 BetrVG. Sie diene karitativen Bestimmungen. Es sei anerkannt, dass das E. eine Einrichtung in diesem Sinne sei. Eine Aufgabe des E. sei auch das Blutspendewesen. Zur Erfüllung dieses Zweckes sei sie gegründet worden, was unstreitig ist. Ihr Ziel sei es, die Sicherung der Grundversorgung der Bevölkerung mit Blutprodukten sicherzustellen, was ebenfalls unstreitig ist. Sie leiste damit einen Beitrag zur Daseinsfürsorge. Die gesamte Organisation des Blutspendewesens basiere auf dem Prinzip der Fürsorge für notleidende Menschen. Auch die vorbeugende Abwehr von Nöten sei in diesem Sinne anerkannt und die Arbeitgeberin verweist insoweit auf eine Entscheidung des BAG vom 08.12.1970.
Ihr Gesellschaftszweck sei auf die Heilung, zumindest aber auf die Mitwirkung zur Heilung körperlich leidender Menschen gerichtet. Auf den Grad der Hilfsbedürftigkeit komme es nicht an. Bei der Behandlung von Leukämiepatienten sei sie für die individuelle Versorgung mit Blutpräparaten zuständig, was unstreitig ist.
Die Arbeitgeberin macht geltend, sie sei auf die dauerhafte Mitwirkung einer großen Anzahl freiwilliger Spender angewiesen. Motiviert seien die Spender durch das menschliche Miteinander. Sie befürchte, dass die Motivation der Spender beeinträchtigt werden könnte, sollte ihre Tätigkeit als kommerziell wahrgenommen werden. Sie müsse glaubhaft vermitteln können, dass ihre Tätigkeit humanitären Zielen diene.
Die Arbeitgeberin behauptet, sie strebe keine Gewinne an und nutze solche auch nicht zu Quersubventionen. Sie arbeite allein nach dem Prinzip der Kostendeckung. Etwaige Gewinne würden nach § 4 Abs. 2 der Satzung in Investitionen für Forschung und Entwicklung des Blutspendewesens sowie zur Abdeckung von Reserven zur Risikoabdeckung genutzt. Ihre Verkaufspreise lägen sowohl national als auch international unter den üblichen Marktpreisen für Blutkonserven. Sie sorge dafür, dass die Versorgung mit Blutkonserven nicht marktwirtschaftlichen Mechanismen überlassen werde. Karitativ im Sinne des § 118 BetrVG bedeute nicht, dass die Hilfeleistung unentgeltlich erfolgen müsse.
Die Arbeitgeberin meint, sie diene auch unmittelbar karitativen Zwecken. Entscheidend sei, dass der Tendenzzweck im Unternehmen selbst verwirklicht werde. Es käme auch nicht auf die ausgeübte Tätigkeit, sondern vielmehr auf die Zielsetzung an. Diese sei anhand der Satzung zu bestimmen. Bei ihr diene alles unmittelbar dem einzigen Satzungszweck, dem Blutspendewesen. Ihre Zielsetzung komme direkt hilfsbedürftigen Menschen zugute. Der Blutspendedienst lebe durch das Bewusstsein des menschlichen Miteinanders und er sei allein aufgrund des sozialen Bewusstseins zahlreicher freiwilliger Blutspender durchführbar.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Beteiligtenschriftsätze sowie den gesamten weiteren Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag ist begründet.
1. Der Antrag ist zulässig. Das BAG hat seine frühere Rechtsprechung, wonach ein Antrag auf Feststellung, dass ein Arbeitgeber kein Tendenzunternehmen sei, unzulässig ist (BAG 13.07.1955 AP Nr. 2 zu § 81 BetrVG 1952), aufgegeben. Nach der nunmehrigen Auffassung des BAG (BAG 21.07.1998 - 1 ABR 2/98; BAG 23.03.1999 - 1 ABR 28/98) liegen die Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO vor. Mit einer Entscheidung darüber, ob es sich beim Arbeitgeber um ein Tendenzunternehmen handelt, werde zugleich die Art des zwischen ihm und dem Betriebsrat bestehenden betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsverhältnisses im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO bestimmt. Die Kammer schließt sich dieser Auffassung an. Das erforderliche Feststellungsinteresse liegt ebenfalls vor. Die Arbeitgeberin hat unter dem 29.05.2008 erklärt, sie sei kein Tendenzunternehmen. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Gesamtbetriebsrat einen Wirtschaftsausschuss gem. §§ 106 ff BetrVG bilden kann.

2. Der Antrag ist auch begründet. Die Arbeitgeberin ist kein Tendenzunternehmen im Sinne des § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG.
a) Tendenzunternehmen sind nach § 118 Abs. 1 Satz 1 BetrVG u. a. solche, die unmittelbar und überwiegend karitativen Bestimmungen dienen. Zweck des gesetzlichen Tendenzschutzes ist es, dem Arbeitgeber die Verwirklichung seiner Ziele nach eigener Vorstellung zu ermöglichen (BAG 05.10.2000 - 1 ABR 14/00). Dabei ist zu beachten, dass die meisten Tendenzunternehmen der Verwirklichung bestimmter Grundrechtspositionen dienen, etwa politischen, konfessionellen oder wissenschaftlichen Bestimmungen (vgl. § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG). Die Vorschrift dient einer ausgewogenen Regelung zwischen dem Sozialstaatsprinzip und den Freiheitsrechten der Tendenzträger (BT-Drs. VI/2729,17; Hess in: Hess/Schlochauer/Worzalla/Glock/Nicolai, § 118 BetrVG Rdn. 2; Fitting § 118 BetrVG Rdn. 2). Dieser Grundrechtsbezug, also die Konkordanz zwischen den grundgesetzlichen Freiheitsrechten und den sozialstaatlichen Anforderungen einer Mitbestimmung, fehlt bei karitativen oder erzieherischen Zielsetzungen (Fitting § 118 BetrVG Rdn. 2). Das BAG (BAG 05.10.2000 - 1 ABR 14/00; BAG 31.01.1995 - 1 ABR 35/94) hat insoweit bereits entschieden, dass eine Arbeitgeberin mit karitativen oder erzieherischen Zwecksetzungen auf den Tendenzschutz verzichten kann, da Grundrechtsbezüge nicht ersichtlich seien, die einen so weit gehenden Schutz erfordern könnten (zustimmend Beck OK/Werner § 118 BetrVG Rdn. 2).
aa) Nach Auffassung des BAG (vgl. etwa BAG 15.03.2006 - 7 ABR 24/05) dient ein Unternehmen karitativen Bestimmungen, wenn es sich den sozialen Dienst an körperlich oder seelisch leidenden Menschen zum Ziel gesetzt hat und seine Tätigkeit auf die Heilung oder Milderung oder die vorbeugende Abwehr von inneren oder äußeren Nöte solcher hilfsbedürftiger gerichtet ist, sofern diese Betätigung ohne die Absicht der Gewinnerzielung erfolgt und das Unternehmen selbst nicht von Gesetzes wegen unmittelbar zu derartiger Hilfeleistung verpflichtet ist. Karitatives Handeln in diesem Sinne setzt keine besonders schwerwiegende Hilfsbedürftigkeit voraus. Entscheidend ist allein, ob die Menschen, denen die Hilfe dienen soll, überhaupt in dem beschriebenen Sinne hilfsbedürftig sind. Auf den Grad der Hilfsbedürftigkeit kommt es nicht an (BAG 15.03.2006 - 7 ABR 24/05). Das Ziel der Betätigung des Unternehmens muss sich in der Hilfe an bedürftigen Menschen erschöpfen (BAG 24.05.1995 - 7 ABR 48/94; BAG 29.06.1988 - 7 ABR 15/87). Die Gemeinnützigkeit eines Unternehmens vermag hingegen die Tendenzeigenschaft nicht zu begründen (BAG 21.06.1989 - 7 ABR 58/87).
Das E. ist aufgrund der karitativen Zielbestimmung vom BAG als Tendenzträger anerkannt (vgl. etwa BAG 12.011.2002 - 1 ABR 60/01; Hess a.a.O. § 118 BetrVG Rdn. 17, Werner a.a.O. § 118 BetrVG Rdn. 9; Wedde in: Däubler/Kittner/Klebe, § 118 BetrVG Rdn. 29).
bb) Fehlende Gewinnerzielungsabsicht bedeutet nicht, dass die Hilfeleistung für leidende Menschen unentgeltlich oder allenfalls zu einem nicht kostendeckenden Entgelt geschieht. Es genügt, dass der Träger des Unternehmens seinerseits mit seiner Hilfeleistung keine eigennützigen Zwecke im Sinne einer Gewinnerzielungsabsicht verfolgt. Das ist auch dann der Fall, wenn er bis zur Höhe der Kostendeckung Einnahmen aus der Betätigung erzielt (BAG 15.03.2006 - 7 ABR 24/05).
Das BAG hat bei der Herausarbeitung des Kriteriums Unentgeltlichkeit ausgeführt, dass der ursprüngliche Begriff des karitativen kirchlich geprägt war. Der Gesetzgeber hat aber in § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG einerseits und in Abs. 2 andererseits zwischen den karitativen Einrichtungen der Religionsgemeinschaften und nicht von ihnen getragenen karitativen Unternehmen und Betrieben unterschieden (BAG 29.06.1988 - 7 ABR 15/87). Vor diesem Hintergrund verbietet es sich, den historisch, kirchlich geprägten Begriff der D. für das Verständnis von § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG zugrunde zu legen.
cc) Das Tatbestandsmerkmal der Unmittelbarkeit in § 118 Abs. 1 Satz 1 BetrVG bedeutet, dass der Tendenzzweck in dem Unternehmen oder Betrieb selbst verwirklicht werden muss. Es genügt nicht, dass der Unternehmenszweck nach seiner wirtschaftlichen Tätigkeit geeignet ist, ein Tendenzunternehmen oder einen Tendenzbetrieb zu unterstützen (BAG 15.03.2006 - 7 ABR 24/05).
b) Vor diesem Hintergrund ist die Kammer der Auffassung, dass die Voraussetzungen des § 118 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nicht vorliegen. Die Arbeitgeberin dient nicht karitativen Bestimmungen. Die Förderung des Blutspendewesens und der Transfusionsmedizin ist kein karitativer Zweck in diesem Sinne. Karitativ im Sinne des § 118 Abs. 1 Satz 1 BetrVG bedeutet nach Auffassung des Gerichts den sozialen Dienst am Einzelnen, also an der konkreten hilfsbedürftigen Person und nicht ein Dienst für die Gemeinschaft. Eine karitative Zweckbestimmung erfordert einen unmittelbaren sozialen Dienst am leidenden Menschen, d. h. eine konkrete Hilfe für Menschen in Not. Nicht ausreichend ist die Sicherstellung der allgemeinen Grundversorgung mit Blutpräparaten. Dies ergibt eine Auslegung des § 118 Abs. 1 Satz 1 BetrVG.
aa) Das BAG hat, wie bereits ausgeführt, darauf hingewiesen, dass der Begriff der D. ursprünglich christlich geprägt ist. D. bedeutet letztlich praktizierte Nächstenliebe im christlichen Sinne. Bereits hieraus ergibt sich, dass es sich um die Hilfe am Einzelnen und nicht um das Gemeinwohl geht.
Nach der Präambel des Leitbildes des E. ist D. die konkrete Hilfe in Not. Hiervon abzugrenzen sind Einrichtungen, die der Daseinsfürsorge oder Grundversorgung dienen, zu denen nach Auffassung des Gerichts auch die Arbeitgeberin zählt. So ist etwa Zweck des Transfusionsgesetzes nach § 1 TFG eine gesicherte und sichere Versorgung der Bevölkerung mit Blutprodukten. Nach § 3 TFG haben die Spendeeinrichtungen, zu denen die Arbeitgeberin zu zählen ist, die Aufgabe, Blut und Blutbestandteile zur Versorgung der Bevölkerung mit Blutprodukten zu gewinnen. Damit geht es nicht um einen sozialen Dienst am Einzelnen, sondern um einen Dienst für die Gemeinschaft. § 3 Abs. 3 TFG bescheinigt den spendenden Personen, dass sie einen wertvollen Dienst für die Gemeinschaft leisten.
Gegen diese Auffassung spricht nicht, dass das BAG in der bereits aufgeführten Entscheidung vom 29.06.1988 (7 ABR 15/87) klargestellt hat, dass es auf die christliche Herkunft des Begriffes nicht ankommt. Der Hinweis des BAG erfolgte im Rahmen der Frage, ob Einnahmen zur Kostendeckung gegen eine karitative Bestimmung sprechen. Zu der Frage, ob die karitative Bestimmung einen Dienst am Einzelnen erfordert, hat das BAG ausdrücklich nicht Stellung genommen. Im vorliegenden Fall geht es um die eigentliche Bedeutung des Begriffes, was also den karitativen Dienst seinem Wesen nach ausmacht. Dies kann nicht ohne die ursprüngliche Bedeutung bestimmt werden. Soweit ersichtlich betreffen die Entscheidungen, in denen das BAG karitative Tendenzunternehmen angenommen hat, Unternehmen, die auch Dienst am einzelnen Menschen leisten.
Gegen die Auffassung der Kammer spricht auch nicht die Entscheidung des BAG vom 08.12.1970 (1 ABR 20/70). Im Rahmen dieses Beschlusses hat das BAG den Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge e. V. als ein Tendenzunternehmen angesehen. Eine konkrete Begründung erfolgte allerdings nicht. Vielmehr beschränkte sich das BAG darauf, dass es keinen begründeten Zweifel geben könne, dass es sich bei diesem Verein um ein Tendenzunternehmen handele. Ausdrücklich hat das BAG allerdings in seiner Entscheidung aufgeführt, dass der Verein nicht mit dem E. und sonstigen ähnlichen Wohlfahrtsverbänden verglichen werden könne. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass nach der Satzung des Volksbundes Deutscher Kriegsgräberfürsorge e. V. auch die Betreuung der Angehörigen der Kriegstoten zählte und damit auch ein sozialer Dienst am konkreten hilfsbedürftigen Menschen geleistet worden ist.
Die Zielsetzung der Arbeitgeberin ist hiermit nicht vergleichbar. Die Förderung des Blutspendewesens und der Transfusionsmedizin dient nicht dem konkret einzelnen Hilfsbedürftigen. Die Arbeitgeberin nimmt vielmehr eine Aufgabe der Grundversorgung der Bevölkerung wahr, wie sich dies auch aus §§ 1, 3 Abs. 1 TFG ergibt. Das Gericht stimmt auch dem Antragsteller bei der Kontrollüberlegung zu, dass ein Pharmaunternehmen, das nach seiner Satzung keine Gewinnerzielungsabsicht hat, kein karitatives Unternehmen ist. Die Unentgeltlichkeit ist nur ein Kriterium.
Auf die konkrete Betreuung der Spendewilligen ist nicht abzustellen. Hierbei handelt es sich nicht um notleidende Menschen.
bb) Ebenso wenig ist entscheidend, dass das E. selbst ein Tendenzunternehmen im Sinne des § 118 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist. Entscheidend ist auf die satzungsgemäße Zielbestimmung der Arbeitgeberin, also der Beteiligten zu 2. abzustellen.
Eine Ausnahme besteht bezüglich der konkreten Betreuung und Behandlung von Leukämiepatienten. Dabei handelt es sich aber nicht um die überwiegende Zielsetzung der Arbeitgeberin.
cc) Letztlich kann der Arbeitgeberin auch nicht darin gefolgt werden, dass den Spendewilligen nicht zu erklären sei, wenn sie nicht als karitative Einrichtung angesehen werde. Vorliegend geht es allein um eine Einschränkung der Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte bzw. des Gesamtbetriebsrates. Es geht nicht um die Frage, ob die Arbeitgeberin gemeinnützig ist. Dies ist sie. Mit der Entscheidung spricht die Kammer der Arbeitgeberin dies nicht ab. Gemeinnützigkeit allein ist aber nicht für die Tendenzeigenschaft ausreichend (BAG a.a.O.). Ebenfalls spricht die Kammer mit ihrer Entscheidung der Arbeitgeberin nicht ab, dass sie humanitäre Ziele verfolgt. Der Gesetzgeber hat bereits in §§ 1, 3 TFG festgehalten, dass die Versorgung der Bevölkerung mit Blutprodukten ein wertvoller Dienst für die Gemeinschaft ist. Gegenstand der Entscheidung ist allein die Frage, ob die Arbeitgeberin ein karitatives Tendenzunternehmen ist, so dass die Mitbestimmungsrechte nach §§ 118 BetrVG eingeschränkt sind.
c) Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob die Voraussetzung der Unentgeltlichkeit der Dienste vorliegt. Es wird insoweit darauf hingewiesen, dass dies nur dann zu verneinen wäre, wenn die an die Untergliederungen gezahlten Aufwandspauschalen offensichtlich überdimensioniert wären.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss kann von der Arbeitgeberseite / Beteiligte zu 2.
B e s c h w e r d e
eingelegt werden.
Für die Betriebsräte ist gegen diesen Beschluss kein Rechtsmittel gegeben.
Die Beschwerde muss
innerhalb einer N o t f r i s t* von zwei Wochen nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Beschlusses
beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf, Fax: 0211 7770 2199 eingegangen und begründet worden sein.
Die Beschwerdeschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
1.Rechtsanwälte,
2.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
3.Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nr. 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder dieser Organisation oder eines anderen Verbandes oder Zusammenschlusses mit vergleichbarer Ausrichtung entsprechend deren Satzung durchführt und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.

RechtsgebietArbeitsrechtVorschriften§ 118 BetrVG, §§ 1, 3 TFG

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