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25.06.2010 · IWW-Abrufnummer 101949

Finanzgericht Köln: Urteil vom 28.01.2010 – 2 K 3527/02

1) § 44d Abs. 2 S. 1 EStG i.V.m. Anlage 7 zu § 44d EStG erfasste bis zur Änderung der Mutter-Tochter-Richtlinie durch die Richtlinie 2003/123/EG des Rates vom 22.12.2003 nicht die „Société par actions simplifiée” französischen Rechts.



2) Eine vollständige Freistellung von der Pflicht zur Einbehaltung von Kapitalertragsteuern kann nur nach § 8b Abs. 1 S. 1 KStG i.V.m. § 50d Abs. 1 EStG gegenüber dem örtlich zuständigen Finanzamt geltend gemacht werden.


FG Köln v. 28.01.2010

2 K 3527/02

Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin für Gewinnausschüttungen ihrer im Inland ansässigen Tochtergesellschaft die vollständige Freistellung von der Kapitalertragsteuer beanspruchen kann.

Die Klägerin ist eine in Frankreich ansässige Kapitalgesellschaft. Bis zum Jahr 2002 war sie eine Gesellschaft in der Rechtsform einer „société par actions simplifiée” (S.A.S.). Seit 2002 ist sie eine „société anonyme”. Sie ist alleinige Anteilseignerin der N GmbH mit Sitz in U (im Folgenden: N-GmbH).

Aufgrund eines Bescheids vom 28. Dezember 1998 des Bundesamts für Finanzen – BfF – (seit dem 1. Januar 2006 Bundeszentralamt für Steuern – BZSt –) war die N-GmbH berechtigt, den Steuerabzug für Kapitalerträge i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz – EStG – i.H.v. 5 % vorzunehmen.

Am 16. Juni 1999 schüttete die N-GmbH einen Gewinn i.H.v … DM an die Klägerin aus. Von dieser Gewinnausschüttung behielt die N-GmbH Kapitalertragsteuer i.H.v. … DM sowie einen Solidaritätszuschlag i.H.v. … DM ein und führte die Steuerabzugsbeträge an das zuständige Finanzamt ab.

Am 16. August 1999 stellte die Klägerin beim BfF einen Antrag auf Erstattung der einbehaltenen Kapitalertragsteuer inkl. Solidaritätszuschlag i.H.v. … DM.

Mit Bescheid vom 6. September 1999 lehnte das BfF die beantragte Erstattung ab. Zur Begründung verwies das BfF darauf, dass eine Erstattung der deutschen Kapitalertragsteuer nicht möglich sei, da die Klägerin keine Muttergesellschaft i.S.d. § 44d Abs. 2 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung – EStG 1999 – i.V.m. Art. 2 der Richtlinie des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten (90/435/EWG, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften – Abl. EG – Nr. L 225, 6, im Folgenden: Richtlinie 90/435/EWG) sei. Die Rechtsform der „société par actions simplifiée” sei in der Liste der unter Art. 2 Buchst. a) der Richtlinie 90/435/EWG fallenden Gesellschaften nicht genannt. Die Aufzählung der Rechtsformen sei abschließend.

Die Klägerin legte hiergegen Einspruch ein. Das Einspruchsverfahren verlief erfolglos. Durch Einspruchsentscheidung vom 27. Mai 2002 wies das BfF den Einspruch als unbegründet zurück.

Mit der hiergegen erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Im Laufe des Klageverfahrens hat der erkennende Senat dem EuGH gemäß Art. 234 Abs. 2 EG zur Auslegung und Vereinbarkeit der Richtlinie 90/435/EWG mit den europarechtlichen Grundfreiheiten folgende Fragen vorgelegt (vgl. Beschluss vom 23. Mai 2008, EFG 2008, 1391):

Ist Art. 2 Buchst. a) i.V.m. dem Anhang Buchst. f) der Richtlinie des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten (90/435/EWG, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 225, 6) dahingehend auszulegen, dass auch eine französische Gesellschaft in der Rechtsform einer „société par actions simplifiée” bereits in den Jahren vor 2005 als „Gesellschaft eines Mitgliedstaats” im Sinne dieser Richtlinie angesehen werden kann und ihr somit für einen von ihrer deutschen Tochtergesellschaft im Jahr 1999 ausgeschütteten Gewinn nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 90/435/EWG die Befreiung vom Steuerabzug an der Quelle zu gewähren ist?

Für den Fall, dass die Frage 1. zu verneinen ist:

Verstößt Art. 2 Buchst. a) i.V.m. dem Anhang Buchst. f) der Richtlinie des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten (90/435/EWG, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 225, 6) insoweit gegen Art. 43 EG und Art. 48 EG oder Art. 56 Abs. 1 und Art. 58 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 3 EG als er in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 90/435/EWG zwar für eine französische Muttergesellschaft in der Rechtsform einer société anonyme, société en commandite par actions oder société à responsabilité limitée, nicht aber für eine französische Muttergesellschaft in der Rechtsform einer société par actions simplifiée bei Gewinnausschüttungen einer deutschen Tochtergesellschaft eine Befreiung vom Steuerabzug an der Quelle vorschreibt?

Mit Urteil vom 1. Oktober 2009 (C-247/08, IStR 2009, 774) hat der EuGH die Fragen des erkennenden Senats wie folgt beantwortet:

Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 90/435/EWG des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten ist in Verbindung mit Buchst. f ihres Anhangs dahin auszulegen, dass eine französische Gesellschaft in der Rechtsform einer „société par actions simplifiée” nicht als „Gesellschaft eines Mitgliedstaats” im Sinne der Richtlinie angesehen werden kann, bevor diese durch die Richtlinie 2003/123/EG des Rates vom 22. Dezember 2003 geändert wurde.

Die Prüfung der zweiten Frage hat nichts ergeben, was die Gültigkeit von Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 90/435 in Verbindung mit Buchst. f ihres Anhangs und mit Art. 5 Abs. 1 dieser Richtlinie beeinträchtigen könnte.

Auf der Grundlage dieses Urteils des EuGH vom 1. Oktober 2009 trägt die Klägerin im Wesentlichen folgende Gesichtspunkte vor:

Zwar sei nach der Entscheidung des EuGH Art. 2 der Richtlinie 90/435/EWG dahingehend auszulegen, dass eine französische SAS nicht als „Gesellschaft eines Mitgliedstaates” i.S. dieser Richtline angesehen werden könne. Der EuGH weise jedoch außerdem darauf hin, dass es für nicht von der Richtlinie 90/435/EWG erfasste Beteiligungen den Mitgliedstaaten obliege, festzulegen, ob und in welchem Umfang die wirtschaftliche Doppelbesteuerung der ausgeschütteten Gewinne vermieden werden solle und dazu Mechanismen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung einzuführen.

Besonders deutlich bringe der EuGH die den Mitgliedstaaten nach der Richtlinie 90/435/EWG verbleibenden Handlungsalternativen in seinem Beschluss vom 4. Juni 2009 (Rs. C-439, 499/07, „KBC Bank”) zum Ausdruck. Danach sei es Sache der Mitgliedstaaten unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen Rechtsordnung zu bestimmen, wie das von einer Richtlinie vorgesehene Ergebnis erreicht werde. Diese Gestaltungskompetenz erstrecke sich auch auf die Kompetenzen der nationalen Gerichte.

Demnach könne vorliegend auch das Finanzgericht Köln eine ergänzende Auslegung des § 44d Abs. 2 EStG 1999 in Verbindung mit der Anlage 7 vornehmen. Diese ergänzende Auslegung sei sachlich geboten, da kein Rechtfertigungsgrund dafür ersichtlich sei, die SAS anders als die SA von der nach § 44d EStG 1999 eingeräumten Entlastung von der Kapitalertragsteuer auszunehmen.

Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass entsprechend den Grundätzen im EuGH-Urteil vom 19. November 2009 (Rs. C-540/07, „Kommission/Italienische Republik”, DStRE 2009, 1444) auch die Erhebung von deutscher Kapitalertragsteuer im Jahr 1999 auf grenzüberschreitende Dividendenzahlungen, die die Voraussetzungen der Richtlinie 90/435/EWG nicht erfüllt hätten, nicht europarechtskonform gewesen sei. Habe im Jahr 1999 eine inländische Muttergesellschaft eine Dividende ihrer inländischen Tochtergesellschaft empfangen, so habe sie die Kapitalertragsteuer anrechnen können. Die inländische Dividende sei wirtschaftlich bei in Deutschland unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtigen Muttergesellschaften zudem von der Körperschaftsteuer befreit gewesen, da sie mit der empfangenen Dividende die Körperschaftsteuervorbelastung auf die eigene Körperschaftsteuerschuld habe anrechnen können. Demgegenüber habe eine in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Muttergesellschaft, die – wie die Klägerin – nicht unter die Richtlinie 90/435/EWG gefallen sei, eine Entlastung von der ggf. nach einem DBA bereits reduzierten deutschen Kapitalertragsteuer nur im Rahmen einer Anrechnung durch den anderen Mitgliedstaat gemäß einem DBA erlangen können. Zu dieser Entlastung sei es jedoch regelmäßig nur gekommen, wenn die Dividende auch im anderen Mitgliedstaat einer hinreichenden Besteuerung unterlegen habe. Dieses Prinzip sehe das DBA-Frankreich in Art. 20 Abs. 2 Buchst. a Doppelbuchst. bb) i.V.m. Art. 9 Abs. 2 auch für aus Deutschland nach Frankreich ausgeschüttete Schachteldividenden vor. Damit habe die Bundesrepublik Deutschland in ihrem DBA mit Frankreich aber nicht dafür Sorge getragen, dass in jedem Fall eine volle Anrechnung der deutschen Kapitalertragsteuer wie in einem rein inländischen Fall stattfinde. Auch das deutsche System der Dividendenbesteuerung habe somit – insbesondere im Verhältnis zu Frankreich – wirtschaftlich der vom EuGH in der Rechtssache Rs. C-540/07 als nicht europarechtskonform angesehenen italienischen Rechtslage entsprochen.

Aufgrund des Anwendungsvorrangs des Europarechts seien die dargelegten gemeinschaftsrechtlichen Erfordernisse in die betroffene Norm des § 44d Abs. 2 EStG 1999 nebst Anlage 7 zum EStG 1999 hineinzulesen. Indem in diese Regelung die SAS „hineingelesen werde” lasse sich für den vorliegenden Fall eine europarechtliche unbedenkliche Dividendenbesteuerung herstellen. Dabei gehe es somit nicht mehr um eine entsprechende Anwendung des § 44d Abs. 2 EStG 1999 oder des § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG 1999 wie in dem vom BFH in seinem Urteil vom 22. April 2009 (I R 53/07, BFHE 224, 556, BFH/NV 2009, 1543) entschiedenen Fall, sondern um eine europarechtskonforme unmittelbare Anwendung des § 44d Abs. 2 EStG 1999 und des § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG 1999. Bei dem gegebenen Anwendungsvorrang des Europarechts komme es auch nicht mehr auf die mögliche Absicht des Gesetzgebers an, mit § 44d Abs. 2 EStG 1999 und der Anlage 7 EStG 1999 nur die Richtlinie 90/435/EWG umzusetzen. Aufgrund der unmittelbaren Anwendung des § 44d Abs. 2 EStG 1999 und des § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG 1999 sei für die Erstattung der streitigen Kapitalertragsteuer auch das BZSt zuständig.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 6. September 1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. Mai 2002 den Beklagten zu verpflichten, einbehaltene und abgeführte Kapitalertragsteuer i.H.v. … DM zu erstatten.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt zur Begründung im Wesentlichen folgende Gesichtspunkte vor:

Auf der Grundlage des EuGH-Urteils vom 1. Oktober 2009 (Rs. C-247/08, a.a.O.) könne die streitige Dividendenzahlung nicht nach der Richtlinie 90/435/EWG, sondern nur nach den bilateralen Vereinbarungen des DBA-Frankreich von der deutschen Kapitalertragsteuer freigestellt werden. Nach den bilateralen Vereinbarungen im DBA-Frankreich sei jedoch nur die vom Beklagten bereits ausgesprochene beschränkte Freistellung zu gewähren.

Die bilateralen Vereinbarungen im DBA-Frankreich würden entgegen der Rechtsansicht der Klägerin auch weder die Niederlassungsfreiheit ( Art. 43 EGV ) noch die Kapitalverkehrsfreiheit ( Art. 56 EGV ) verletzen. Insoweit sei auf das zu einer dem Streitfall ähnlichen Sachverhaltskonstellation ergangene BFH-Urteil vom 22. April 2009 (I R 53/07, a.a.O.) zu verweisen.



Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.

I. Der Ablehnungsbescheid vom 6. September 1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. Mai 2002 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 101 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –).

1. Der Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, der Klägerin die von der N-GmbH einbehaltene und abgeführte Kapitalertragsteuer i.H.v. … DM nach § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG 1999 i.V.m. § 44d EStG 1999 zu erstatten.

a) Können Einkünfte, die dem Steuerabzug vom Kapitalertrag unterliegen, u.a. nach § 44d EStG 1999 nicht besteuert werden, so kann der Gläubiger der Kapitalerträge gemäß § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG 1999 die Erstattung der einbehaltenen und abgeführten Steuer beanspruchen.

b) Gemäß § 44d Abs. 1 EStG 1999 wird auf Antrag die Kapitalertragsteuer für Kapitalerträge im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 und des § 43 Abs. 1 Satz 1 EStG 1999, die einer Muttergesellschaft, die weder ihren Sitz noch ihre Geschäftsleitung im Inland hat, aus Ausschüttungen einer unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Körperschaftsteuergesetzes oder aus der Vergütung von Körperschaftsteuer zufließen, nicht erhoben. Muttergesellschaft im Sinne des Absatz 1 ist nach § 44d Abs. 2 Satz 1 EStG 1999 eine Gesellschaft, die die in der Anlage 7 zu diesem Gesetz bezeichneten Voraussetzungen des Artikel 2 der Richtlinie Nr. 90/435/EWG des Rates vom 23. Juli 1990 (ABl. EG Nr. L 225, 6) erfüllt und die im Zeitpunkt der Entstehung der Kapitalertragsteuer gemäß § 44 Abs. 1 Satz 2 EStG 1999 nachweislich mindestens zu einem Viertel unmittelbar am Nennkapital der unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft beteiligt ist. Weitere Voraussetzung ist nach § 44d Abs. 2 Satz 2 EStG 1999, dass die Beteiligung nachweislich ununterbrochen zwölf Monate besteht. Wird dieser Beteiligungszeitraum nach dem Zeitpunkt der Entstehung der Kapitalertragsteuer gemäß § 44 Abs. 1 Satz 2 EStG 1999 vollendet, so ist nach § 44d Abs. 2 Satz 3 EStG 1999 die einbehaltene und abgeführte Kapitalertragsteuer nach § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG 1999 zu erstatten; das Freistellungsverfahren nach § 50d Abs. 3 EStG 1999 ist ausgeschlossen.

c) In Anlage 7 zum Einkommensteuergesetz 1999 ist Folgendes ausgeführt:

„Gesellschaften im Sinne des Artikels 2 der Richtlinie Nr. 90/435/EWG des Rates vom 23. Juli 1990 (ABl. EG Nr. L 225, 6) über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten, ergänzt durch die Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden und die Anpassung der die Europäische Union begründenden Verträge vom 24. Juni 1994 ( BGBl 1994 II S. 2031).

Gesellschaft im Sinne des Artikels 2 der genannten Richtlinie ist jede Gesellschaft, die

eine der aufgeführten Formen aufweist:



Gesellschaften französischen Rechts mit der Bezeichnung:

société anonyme, société en commandite par actions, société à responsabilité limitée sowie die staatlichen Industrie- und Handelsbetriebe und -unternehmen;



nach dem Steuerrecht eines Mitgliedstaats in Bezug auf den steuerlichen Wohnsitz als in diesem Staat ansässig und auf Grund eines mit einem dritten Staat geschlossenen Doppelbesteuerungsabkommens in Bezug auf den steuerlichen Wohnsitz nicht als außerhalb der Gemeinschaft ansässig betrachtet wird und

ohne Wahlmöglichkeit einer der nachstehenden Steuern



impôt sur les sociétés in Frankreich



oder irgendeiner Steuer, die eine dieser Steuern ersetzt, unterliegt, ohne davon befreit zu sein.”

d) Im Streitfall liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 44d Abs. 2 Satz 1 EStG 1999 nicht alle vor. Denn die Klägerin war im streitigen Jahr 1999 keine Gesellschaft, die die in der Anlage 7 Nr. 1 zu diesem Gesetz bezeichneten Voraussetzungen des Art. 2 der Richtlinie 90/435/EWG erfüllte.

aa) Der erkennende Senat ist dabei der Ansicht, dass die Regelung in § 44d Abs. 2 Satz 1 EStG 1999 i.V.m. der Anlage 7 Nr. 1 zu § 44d EStG 1999 in Übereinstimmung mit Art. 2 der Richtlinie 90/435/EWG auszulegen ist. Dafür spricht nach Überzeugung des Senats schon der eindeutige Wortlaut der nationalen Regelung, die ausdrücklich auf die Voraussetzungen des Art. 2 der Richtlinie 90/435/EWG verweist. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass der nationale Gesetzgeber durch die Regelung des § 44d EStG 1999 die Richtlinie 90/435/EWG, mit der zur Schaffung binnenmarkähnlicher Strukturen in der EU die Unterschiede bei der Besteuerung von Gewinnausschüttungen einer Tochter- an ihre Muttergesellschaft beseitigt werden sollen (vgl. v. Beckerrath, in Kirchhof, EStG, 8. Auflage, § 43b, Rn. 1), in nationales Recht umsetzen wollte. Nach dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers sollten damit durch die Regelung in § 44d Abs. 2 Satz 1 EStG 1999 i.V.m. der Anlage 7 Nr. 1 zu § 44d EStG nur die unter die Richtlinie 90/435/EWG fallenden Gesellschaftsformen begünstigt werden.

bb) Mit dem oben zitierten Urteil vom 1. Oktober 2009 (C-247/08, a.a.O.) hat der EuGH jedoch entschieden, dass Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 90/435/EWG in Verbindung mit Buchst. f ihres Anhangs dahin auszulegen ist, dass eine französische Gesellschaft in der Rechtsform einer „société par actions simplifiée” nicht als „Gesellschaft eines Mitgliedstaats” im Sinne der Richtlinie angesehen werden kann, bevor diese durch die Richtlinie 2003/123/EG des Rates vom 22. Dezember 2003 geändert wurde. Da die von der Richtlinie 90/435/EWG erfassten Gesellschaftsformen des französischen Rechts in Buchst. f ihres Anhangs abschließend aufgezählt werden, kann die Anwendung dieser Richtlinie nach der Auffassung des EuGH auch nicht im Wege der Analogie auf andere Arten von Gesellschaften des französischen Rechts wie z.B. die „société par actions simplifiée” ausgedehnt werden, mögen sie auch vergleichbar sein (vgl. Rdnr. 43 des Urteils).

cc) Entgegen der Rechtsansicht der Klägerin kann im Streitfall § 44d Abs. 2 Satz 1 EStG 1999 i.V.m. der Anlage 7 Nr. 1 zu § 44d EStG 1999 auch nicht aufgrund einer rein nationalen Regelungslücke analog dahingehend ausgelegt bzw. ergänzt werden, dass abweichend von der Richtlinie 90/435/EWG auch die Rechtsform einer „société par actions simplifiée” als „Gesellschaft eines Mitgliedstaats” i.S. dieser nationalen Regelung angesehen werden könnte. Zwar kann auch bei einem eindeutigen Gesetzeswortlaut eine Gesetzeslücke entstehen, die durch eine Analogie geschlossen werden kann (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 2. Juli 1997 I R 32/95, BFHE 183, 496, BStBl 1998 II S. 176 m.w.N.). Voraussetzung für eine Analogie ist in diesem Fall jedoch, dass das Gesetz, gemessen an dem zugrunde liegenden Plan des Gesetzgebers, lückenhaft geblieben ist (vgl. BFH-Urteil vom 2. Juli 1997 I R 32/95, a.a.O., m.w.N.). Wie oben ausgeführt wurde, wollte der nationale Gesetzgeber durch die Regelung in § 44d Abs. 2 Satz 1 EStG 1999 i.V.m. der Anlage 7 Nr. 1 zu § 44d EStG aber gerade nur die unter die Richtlinie 90/435/EWG fallenden Gesellschaftsformen begünstigen. Eine planwidrige Regelungslücke im nationalen Recht liegt daher nicht vor.

dd) Aus dem gleichen Grund sieht der erkennende Senat auch keine Möglichkeit, die Vorschrift des § 44d Abs. 2 Satz 1 EStG 1999 i.V.m. der Anlage 7 Nr. 1 zu § 44d EStG 1999 im Wege einer verfassungskonformen Auslegung zu Gunsten der Klägerin anzuwenden. Der Klägerin ist zwar zuzugestehen, dass ihre Benachteiligung gegenüber den vergleichbaren Gesellschaftsformen einer „société anonyme” oder einer „société à responsabilité limitée” unter Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgrundsatzes des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz – GG – verfassungsrechtlich bedenklich sein könnte. Jede verfassungskonforme Auslegung findet ihre Grenze aber dort, wo sie mit dem Wortlaut der Vorschrift und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde (vgl. z.B. Beschluss des BVerfG vom 19. Januar 1999 1 BvR 2161/94 , BVerfGE 99, 341, 358). Daher darf ein Gericht einem nach Wortlaut und Sinn eindeutigem Gesetz nicht durch Berufung auf verfassungsrechtliche Grundsätzen einen entgegengesetzten Inhalt geben (vgl. BFH-Urteil vom 24. Oktober 2000 VI R 65/99, BFHE 193, 361, BStBl II 2001, 109).

e) Im Ergebnis scheidet damit die begehrte vollständige Erstattung der Kapitalertragsteuer durch das beklagte BZSt auf der Grundlage des § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG 1999 aus, da die Klägerin keine Muttergesellschaft im Sinne des § 44d Abs. 2 Satz 1 EStG 1999 ist.

2. Eine weitere Anspruchsgrundlage auf vollständige Erstattung der von der N-GmbH einbehaltenen und abgeführten Kapitalertragsteuer steht der Klägerin zumindest gegenüber dem beklagten BZSt nicht zu.

a) Die Klägerin weist zwar zu Recht darauf hin, dass nach der inzwischen gefestigten Rechtsprechung des EuGH die Richtlinie 90/435/ EWG es einem Mitgliedstaat nicht gestattet, an Gesellschaften aus anderen Mitgliedstaaten, die nicht unter den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen, ausgeschüttete Gewinne ungünstiger zu behandeln als die an vergleichbare inländische Gesellschaften ausgeschütteten Gewinne (vgl. EuGH-Urteil vom 1. Oktober 2009 C-247/08, a.a.O., Rz. 59). Für nicht von der Richtlinie 90/435/EWG erfasste Beteiligungen obliegt es danach den Mitgliedstaaten, festzulegen, ob und in welchem Umfang die wirtschaftliche Doppelbesteuerung der ausgeschütteten Gewinne vermieden werden soll, und dazu einseitig oder durch Abkommen mit anderen Mitgliedstaaten Mechanismen zur Vermeidung oder Abschwächung dieser wirtschaftlichen Doppelbesteuerung einzuführen, doch erlaubt dieser bloße Umstand es ihnen nicht, Maßnahmen anzuwenden, die gegen die vom Vertrag garantierten Verkehrsfreiheiten verstoßen (vgl. EuGH-Urteil vom 12. Dezember 2006 C-374/04, „Test Claimants in Class IV of the ACT Group Litigation”, Slg. 2006, I-11673, Rz. 54; vom 8. November 2007 C-379/05, „Amurta”, Slg. 2007, I-9569, Rz. 24; vom 18. Juni 2009 C-303/07, „Aberdeen Property Fininvest Alpha”, Slg. 2009, I-0000, Rz. 28 und vom 1. Oktober 2009 C-247/08, a.a.O., Rz. 60). Will ein Mitgliedstaat die gebietsansässigen Muttergesellschaften vor einer mehrfachen Belastung der von einer gebietsansässigen Tochtergesellschaft ausgeschütteten Gewinne bewahren, so muss er zur Vermeidung eines Verstoßes gegen die in den Art. 43 und 56 EG garantierten Verkehrsfreiheiten entweder die für gebietsansässige Muttergesellschaften geltenden Regelungen auf die gebietsfremden Muttergesellschaften ausdehnen oder aber durch den Abschluss von entsprechenden Doppelbesteuerungsabkommen sicherstellen, dass die von ihm auf die Gewinnausschüttungen erhobenen Quellensteuern in den Ansässigkeitsstaaten der gebietsfremden Muttergesellschaften tatsächlich angerechnet werden ( EuGH-Urteil vom 14. Dezember 2006 C-170/05, „Denkavit International und Denkavit France”, Slg. 2006, I-11949, Rz. 37, 45 ff., und vom 18. Juni 2009 C-303/07, „Aberdeen Property Fininvest Alpha”, Slg. 2009, I-0000, Rz. 44).

b) Auf der Basis dieser Rechtsprechung des EuGH kann die Klägerin jedoch keinen Anspruch auf Erstattung der Kapitalertragsteuer gegenüber dem BZSt geltend machen. Als gebietsfremde Muttergesellschaft hat sie gegenüber der Bundesrepublik Deutschland vielmehr „allenfalls” einen Anspruch darauf, dass die dort für gebietsansässige Muttergesellschaften geltenden Regelungen auf sie ausgedehnt werden. Unter Berücksichtigung des im Streitjahr 1999 in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Körperschaftsteuer-Vollanrechnungsverfahrens könnte die Klägerin damit aber „nur” beanspruchen, dass die Körperschaftsteuer ihrer inländischen Tochtergesellschaft auf ihre im Wege des Kapitalertragsteuerabzugs erhobene Steuerschuld insoweit angerechnet wird, als die deutsche Quellensteuer nicht auf der Grundlage des DBA-Frankreich auf ihre in Frankreich bestehende Steuerschuld angerechnet werden kann (vgl. Benecke, IStR 2009, 777). Für diese Anrechnung der Körperschaftsteuer ihrer inländischen Tochtergesellschaft auf die einbehaltene Kapitalertragsteuer müsste die Klägerin aber einen Antrag auf Erlass eines entsprechenden Steuerbescheids stellen. Zuständig für den Erlass dieses Steuerbescheids wäre das örtlich zuständige Finanzamt und nicht das BZSt (vgl. Benecke, IStR 2009, 777, 778). Denn das BZSt ist nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Finanzverwaltungsgesetz – FVG – 1999 nur für die Entlastung von deutschen Abzugsteuern (Erstattung und Freistellungen) in den – im Streitfall nach den obigen Ausführungen nicht gegebenen – Fällen des § 44d EStG 1999 sowie auf Grund von Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung zuständig.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

III. Die Revision zum Bundesfinanzhof war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.

RechtsgebieteFVG, EStGVorschriftenFVG § 5 Abs 1 Nr 2 EStG § 44 Abs 1 S 2 Mutter-Tochter-Richtlinie Art 2 EStG § 44d Abs 2 EStG § 50d Abs 2 S 1

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