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28.05.2010 · IWW-Abrufnummer 101648

Landgericht Baden-Baden: Urteil vom 20.05.2010 – 3 S 78/09

1. Eine Abtretungsvereinbarung, nach der ein Mietwagenunternehmen, das einem Geschädigten nach einem Verkehrsunfall einen Mietwagen zur Verfügung stellt, ist nicht nach §§ 134 BGB, 3 RDG nichtig, wenn das Mietwagenunternehmen hierbei nicht geschäftsmäßig Schadensregulierungen fortführt.



2. Die Schwackeliste 2008 kann gemäß § 287 ZPO zur schätzweisen Bestimmung des Normaltarifs für einen nach einem Verkehrsunfall angemieteten Mietwagen herangezogen werden, es sei denn, es werden mit konkreten Tatsachen Mängel dieser Schätzgrundlage aufgezeigt, die sich auch auf den konkret zu entscheidenden Fall auswirken.


LG Baden-Baden Urteil vom 20.5.2010
3 S 78/09
Tenor
1. Das Urteil des Amtsgerichts Bühl vom 16.10.2009, Az. 7 C 104/09, wird im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1075,86 EUR Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 14.01.2009 zu bezahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt der Kläger zu 36 % und die Beklagte zu 64 %, die Kosten der zweiten Instanz trägt die Beklagte.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Parteien des Rechtstreits streiten um die Bestimmung der Höhe eines Normaltarifs für einen nach einem Verkehrsunfall gemieteten Ersatzwagen.
Im erstinstanzlichen Verfahren machte die Berufungsbeklagte und Klägerin (im Folgenden: Klägerin), die dem Unfallgeschädigten als Mietwagenunternehmerin ein Ersatzfahrzeug für 21 Tage zur Verfügung stellte, aus abgetretenem Recht insgesamt 1546,93 Euro nebst Zinsen und weiteren 10,00 Euro Mahnkosten auf Grundlage des nach der Schwackeliste 2008 errechneten Normaltarifs, Berechnungsart „Modus“, geltend.
Die Berufungsklägerin und Beklagte, die die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers ist, regulierte hierauf lediglich 1146,00 Euro auf Grundlage des Marktpreisspiegels des Fraunhofer-Instituts.
In beiden Instanzen macht die Beklagte geltend, dass die Schwackeliste 2008 keine geeignete Schätzgrundlage sei, weil sie für das relevante Postleitzahlengebiet elf Nennungen ausweise, obwohl nach ihren Ermittlungen lediglich zwei Unternehmen in dem Gebiet zu finden seien, bei denen eine Fahrzeuganmietung regulär möglich sei.
Das Amtsgericht hat die Beklagte zur Zahlung von insgesamt 1089,29 Euro nebst Zinsen verurteilt.
Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, dass die Schwackeliste 2008 eine geeignete Schätzgrundlage darstelle und die Beklagte nicht konkret aufgezeigt habe, warum die vorgenannte Liste nicht zur Schätzung herangezogen werden könne. Ferner seien Ab- und Abholkosten des konkret betroffenen Mietfahrzeuges ebenfalls nach dieser Liste zu schätzen, da eine Vermischung zwischen konkret angefallenen Schadensposten und fiktiver Berechnungsweise nicht zulässig sei.
Soweit darüber hinaus Kosten für eine Winterbereifung geltend gemacht worden seien, seien diese Kosten nicht ersatzfähig. Da die Anmietung im November erfolgt sei, gehörten Winterreifen zum Ausstattungsstandard eines Mietfahrzeugs.
Die Beklagte verfolgt mit ihrer Berufung den erstinstanzlich gestellten Antrag auf Klageabweisung weiter.
Sie vertieft hierbei den erstinstanzlichen Vortrag und rügt, dass das Amtsgericht die Darlegungs- und Beweislast verkannt habe, wenn es zu ihren Lasten berücksichtigt habe, dass sie nicht aufgezeigt habe, dass für den Geschädigten bei den von ihr genannten beiden Mietwagenunternehmen im streitgegenständlichen Postleitzahlengebiet eine günstigere Anmietmöglichkeit bestanden habe.
Die Klägerin ist der Berufung entgegen getreten.
Im Übrigen wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung ist nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
1.) a.) Soweit das Amtsgericht auf den Ersatz der An- und Abholung des streitgegenständlichen Mietfahrzeuges auf Grundlage einer Schätzung nach Schwackeliste 2008 erkannt hat, beruht die Entscheidung auf einem Rechtsfehler, §§ 513 Abs. 1, 546 ZPO.
Denn die Klägerin begehrt in erster Linie den Ersatz eines konkret angefallenen Schadens, der ihr nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB auch zu ersetzen ist.
Es liegt auch keine unzulässige Vermischung einer konkreten mit einer fiktiven Berechnungsweise vor. Dies ergibt sich bei einer Vergleichsbetrachtung zu den geltend gemachten Mietwagenkosten. Denn auch hinsichtlich deren Höhe behauptet die Klägerin zunächst einen konkret entstandenen Schaden.
Der Rückgriff auf die Schwackeliste 2008 als Schätzgrundlage erfolgt jedoch dann vor dem Hintergrund des § 287 ZPO, der es dem Tatrichter erlaubt, eine Schätzung des entstandenen Schadens vorzunehmen, weil andernfalls die Beweiserhebung über die Schadenshöhe einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde
– vgl. Greger, in: Zöller, 29. Auflage 2010, § 287, Rn. 1 –.
Ein derartiger unverhältnismäßiger Aufwand liegt für die konkrete Fallkonstellation vor. Denn in den Fällen, in denen es um die Frage der Höhe des Normaltarifs für ein Mietfahrzeug geht, wären die Instanzgerichte andernfalls regelmäßig gehalten, kostenintensive Sachverständigengutachten zu dieser Frage einzuholen. Dies ist aber gerade vor dem Hintergrund, dass diese Frage ein häufig anzutreffenden Problem in Verkehrsunfallprozessen ist, nicht hinzunehmen.
Eine Schätzung unter den Voraussetzungen des § 287 ZPO ist aber hinsichtlich der Anlieferungs- und Abholungskosten nicht erforderlich. Der Klägerin stehen demnach lediglich die konkret angefallenen Kosten für das Zuliefern und Abholen des Fahrzeugs in Höhe von jeweils 15,13 Euro netto zu.
2.) Im Übrigen bleibt die Berufung ohne Erfolg. Das erstinstanzliche Urteil beruht weder auf einem Rechtsfehler (§§ 513 Abs. 1, 546 ZPO) noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung.
a.) Rechtsfehlerfrei ist das Amtsgericht zunächst davon ausgegangen, dass die Abtretung der Schadensersatzansprüche des Unfallgeschädigten an die Klägerin als Mietwagenunternehmerin nicht nach § 134 BGB i. V. m. § 3 RDG nichtig ist.
Nach dieser Vorschrift ist die selbständige Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen nur in dem Umfang zulässig, in dem sie durch dieses Gesetz oder durch oder aufgrund anderer Gesetze erlaubt wird.
Voraussetzungen ist daher, dass eine Rechtsdienstleistung vorliegt. Nach § 2 Abs. 1 RDG ist dies jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert.
Der Begriff der fremden Angelegenheit ist gleichlautend mit Wortlaut des Art. 1 § 1 Abs. 1 S. 1 RBerG. Demnach kann zur Auslegung dieses Begriffs auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum RBerG zurückgegriffen werden
– so auch Landgericht Mönchengladbach, Urteil vom 20.01.2009, Az. 5 S 110/08 (zitiert nach juris); zur Rechtsprechung des BGH zu Art. 1 § 1 Abs. 1 S. 1 RBerG vgl. Ellenberger, in: Palandt, BGB, 69. Auflage 2010, § 134, Rn. 21 ff. –.
Nach dieser war eine Sicherungszession, wie vorliegend, dann nach § 134 BGB, Art. 1 § 1 Abs. 1 S. 1 RBerG nichtig, wenn das Mietwagenunternehmen geschäftsmäßig Schadensregulierungen durchführt.
Eine derartige Geschäftsmäßigkeit wurde aber seitens der Beklagten nicht behauptet.
b.) aa.) Hinsichtlich der Mietwagenkosten und der Kosten für die Vollkaskoversicherung hat das Amtsgericht rechtsfehlerfrei eine Schätzung auf Grundlage der Schwackeliste 2008 vorgenommen.
(1) Bereits zu älteren Schwackelisten wurde seitens der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass diese eine geeignete Schätzgrundlage für die Bestimmung des sog. Normaltarifs für Mietwagen darstellen
– vgl. zur Schwackeliste 2003 BGH NJW 2009, 58; zur Schwackeliste 2006 BGH NJW 2008, 1519 sowie OLG Karlsruhe, Urteile vom 18. September 2007, Az. 13 U 217/06 (juris) und vom 17.03.2008, Az. 1 U 17/08 (juris) –.
Ihnen geht die Eignung als Schätzgrundlage nur dann abhanden, wenn mit konkreten Tatsachen Mängel der betreffenden Schätzgrundlage aufgezeigt werden, die sich auf den zu entscheidenden Fall auswirken
– vgl. nur BGH, Urteil vom 14.10.2008, Az. VI ZR 308/07, Rn. 19 (juris) m. w. N. –.
Diesen Vorgaben, denen sich die Kammer anschließt, ist die Beklagte nicht gerecht geworden. Sie hat zwar einen Mangel der Schätzgrundlage insoweit aufgezeigt, als sie behauptet hat, im streitgegenständlichen Postleitzahlengebiet seien lediglich zwei Anbieter verfügbar, obwohl die Schwackeliste 2008 hier insgesamt elf Nennungen aufzählt.
Wie sich dies für den zu entscheidenden Streitfall auswirkt, hat die Beklagte jedoch nicht aufgezeigt, beispielsweise dergestalt, dass eine Anmietung unter Angabe von konkreten Werten und Tarifen bei den von ihr benannten beiden Anbietern wesentlich günstiger möglich gewesen wäre und die von der Schwackeliste 2008 ausgewiesenen Werte daher nicht richtig ermittelt sein können.
(2) Das Urteil beruht auch nicht deshalb auf einem Rechtsfehler, weil das Amtsgericht die Beweislastverteilung unrichtig angenommen hat.
Es kann dahinstehen, ob bei der hier nur streitigen Bestimmung des Normaltarifs der Geschädigte darauf verwiesen werden kann, ihm sei eine günstigere Anmietmöglichkeit zugänglich gewesen und der verlangte Schadensersatzbetrag daher nicht erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB sei. Es kann weiter dahinstehen, ob bei dieser Bestimmung der Schädiger einwenden kann, dass dem Geschädigten ohne Weiteres eine günstigere Anmietmöglichkeit zur Verfügung stand.
Denn dies sind sämtlich Einwendungen, die nur bei der Frage der Ersatzfähigkeit des sog. Unfallersatztarifs eine Rolle spielen. Dieses Rechtsproblem ist aber im vorliegenden Fall gar nicht Streitgegenstand.
Jedenfalls stellt dies, soweit sich die Beklagte darauf beruft, dass eine günstige Anmietung bei den von ihr genannten zwei Anbietern möglich gewesen sein soll (vgl. Berufungsschrift, dort S. 3, Ziff. 6 = AS II/17), Vortrag zu einer Verletzung der Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 BGB dar. Deren Darlegung und Beweis obliegt dem Schädiger, hier der Beklagten
– vgl. BGH, Urteil vom 02.02.2010, Az. VI ZR 139/08 –.
bb.) Zutreffend ist das Amtsgericht weiter davon ausgegangen, dass ein Abzug für ersparte Aufwendungen nicht zu erfolgen hat, wenn – wie hier – die Anmietung eines klassentieferen Fahrzeugs durch den Geschädigten erfolgt.
cc.) Zutreffend führt das Amtsgericht schließlich aus, dass bei einer Anmietung im November Kosten für Winterreifen nicht gesondert zu berechnen sind, da sie wegen § 2 Abs. 3a S. 2 StVO als Ausstattungsstandard im Winter gelten dürfen.
c.) Es ergibt sich demnach folgender ersatzfähiger Schaden:
Mietwagenkosten lt. Schwacke 2008 für 21 Tage 2140,00 EUR brutto
entspricht 1798,32 EUR netto
Vollkaskoversicherung 468,00 EUR brutto
entspricht 393,28 EUR netto
Zuliefern 15,13 EUR netto
Abholung 15,13 EUR netto
Zwischenergebnis 2221,86 EUR netto
abzgl. Zahlung von 1146,00 EUR netto
Gesamtergebnis 1075,86 EUR netto
3.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
4.) Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor, § 543 Abs. 2 ZPO.

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