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15.04.2010 · IWW-Abrufnummer 101148

Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen: Urteil vom 25.11.2009 – 13 A 1536/09

Ausnahmen von der Pflicht, Rückstellmuster aufzubewahren, können nur bei Arzneimitteln zugelassen werden, deren Herstellung für den Einzelfall oder in kleinen Mengen erfolgt und deren Lagerung besondere Probleme bereitet.§ 18 Abs. 1 Satz 6 AMWHV ist mit Art. 11 Abs. 4 Richtlinie 2003/94/EG vereinbar.



Eine Ausnahme von der Pflicht, Rückstellmuster aufzubewahren, kann nicht „für alle im pharmazeutischen Unternehmen in bestimmter Stückzahl hergestellten Arzneimittel“ erteilt werden.



Eine Anschlussberufung eines Beteiligten ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil seine zuvor eingelegte Berufung wegen Nichtwahrung der Begründungsfrist unzulässig (geworden) ist.



Wird die Berufungsbegründung ohne Zustellungswillen mit einfachem Brief an den Prozessgegner übersandt, wird die einmonatige Frist zur Einlegung der Anschlussberufung nicht in Gang gesetzt. Eine Heilung nach § 56 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 189 ZPO scheidet aus.



Die Auslegung einer Rechtsnorm ist kein feststellungfähiges Rechtsverhältnis i. S. v. § 43 Abs. 1 Alt. 1 VwGO.


Oberverwaltungsgericht NRW

13 A 1536/09

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 27. Mai 2009 wird zurückgewiesen.

Auf die Anschlussberufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 27. Mai 2009 geändert.

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Voll-streckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:
Die Klägerin importiert und vertreibt Arzneimittel. Sie führt Fertigpräparate, die in anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union zugelassen sind, in die Bundesrepublik ein, konfektioniert sie (soweit für den deutschen Markt erforderlich) neu und bringt sie sodann im Geltungsbereich des Arzneimittelgesetzes in den Verkehr. Von jeder im Ausland produzierten Charge (Auslandscharge) bewahrt sie ein "Originalpräparat" (Rückstellmuster) beim erstmaligen Teilimport aus der Auslandscharge auf, während sie bei allen folgenden Teilimporten aus derselben Auslandscharge ("Inlandscharge") nur Kopien/Fotos der Packmaterialien festhält.
Mit Anhörungsschreiben vom 28. August 2008 beanstandete die Beklagte diese Rückstellungspraxis. Sie entspreche nicht den Vorgaben des § 18 der Verordnung über die Anwendung der Guten Herstellungspraxis bei der Herstellung von Arzneimitteln und Wirkstoffen und über die Anwendung der Guten fachlichen Praxis bei der Herstellung von Produkten menschlicher Herkunft (AMWHV) vom 3. November 2006 (BGBl. I S. 2523). Es sei deshalb die Anordnung beabsichtigt, Rückstellmuster entsprechend den Vorgaben des § 18 AMWHV aufzubewahren.
Mit Schreiben vom 4. September 2008 trat die Klägerin der Auffassung der Beklagten entgegen. Die betriebliche Rückstellpraxis verstoße nicht gegen § 18 AMWHV. Sofern eine Charge in zwei oder mehreren Arbeitsgängen endgültig verpackt werde, sei zwar grundsätzlich jeweils mindestens ein Rückstellmuster pro Verpackungsvorgang aufzubewahren. Bei parallel importierten oder parallel vertriebenen Arzneimitteln könne davon aber im Einzelfall abgewichen werden. Nach Sinn und Zweck des § 18 AMWHV sollten Produktvermischungen während des Zusammenstellungsprozesses nachvollzogen werden können. Durch die Rückstellpflicht pro Verpackungsvorgang könne schnell geklärt werden, ob der ursprüngliche Hersteller oder der Parallelimporteur hierfür verantwortlich sei und in welchem Umfang produzierte Ware zurückgerufen werden müsse. Die Gefahr der Produktvermischung sei im Übrigen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen. Die Klägerin lasse pro Tisch nur ein einziges Produkt fertigen. Soweit sie mehrere Chargen eines Fertigarzneimittels gleichzeitig herstelle, geschehe dies unter strenger räumlicher und personeller Trennung. Dies sei ohne Weiteres möglich, da die Klägerin über mehrere Produktionsräume verfüge. Die von der Klägerin bislang geübte Praxis werde von anderen Aufsichtsbehörden gebilligt.
Die Beklagte könne jedenfalls eine Ausnahme von der (grundsätzlichen) Pflicht zur Aufbewahrung eines Rückstellmusters pro Verpackungsvorgang erteilen, auf die die Klägerin einen Rechtsanspruch habe und die hiermit beantragt werde. Die bearbeiteten Chargen lägen in aller Regel deutlich unter 50 Stück. Aufgrund der daraus resultierenden großen Anzahl an Rückstellmustern bestünden erhebliche Probleme bei der Lagerung.
Mit Bescheid vom 21. Oktober 2008 lehnte die Beklagte den Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung ab (Ziffer 1). Zudem verfügte sie unter Anordnung der sofortigen Vollziehung an, die Klägerin habe ab Zugang des Bescheids für jede Charge aller Fertigarzneimittel Rückstellmuster entsprechend den Regelungen des § 18 AMWHV aufzubewahren (Ziffer 2). Ferner gab sie der Klägerin auf, bis zum 7. November 2008 eine schriftliche Aufstellung darüber vorzulegen, für welche Arzneimittel Rückstellmuster aufbewahrt werden müssten (Ziffer 3). Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die in Ziffer 2 auferlegte Maßnahme drohte sie ein Zwangsgeld i. H v. 1.000,- Euro an (Ziffer 5).
Zur Begründung führte die Beklagte aus: § 18 AMWHV finde Anwendung. Hiernach sei die Klägerin verpflichtet, von jeder Charge der von ihr neukonfektionierten und in Verkehr gebrachten Arzneimittel ein vollständiges Rückstellmuster aufzubewahren. Dabei bedeute Charge nach § 4 Abs. 16 AMG die jeweils aus derselben Ausgangsmenge in einem einheitlichen Herstellungsvorgang oder bei einem kontinuierlichen Herstellungsverfahren in einem bestimmtem Zeitraum erzeugte Menge eines Arzneimittels. Aufgrund des weiten Herstellungsbegriffs (§ 4 Abs. 14 AMG) stelle daher jedes von der Klägerin in einem einheitlichen Vorgang neu konfektionierte Fertigarzneimittel eine eigene arzneimittelrechtliche Charge dar, für die ein Rückstellmuster aufzubewahren sei.
Die in Ziffer 2 aufgegebene Maßnahme sei verhältnismäßig. Die wirtschaftlichen Interessen der Klägerin müssten hinter der Arzneimittelsicherheit zurücktreten. Entgegen der Auffassung der Klägerin sei auch in ihrem Betrieb der Gefahr einer Produktvermischung nicht ausgeschlossen. So sei etwa bei einer Inspektion am 10. Juni 2008 festgestellt worden, dass das Herstellungsprotokoll für Q. 75 mg Filmtabletten, Ch.-B. 7Y140, vom 27. Februar 2008 für die 28er- und 100er-Packung gemeinsam geführt worden sei, obwohl dafür verschiedene Packmittel zu verwenden seien und zwei verschiedene Produkte entstünden. Dass diese Produktionsweise fehlerträchtig sei, zeige u. a. die Beanstandung der Arzneimittelkommission der deutschen Apotheker vom 7. Mai 2008, wonach eine 100er-Packung mit "28 Stück" gekennzeichnet gewesen sei.
Ein Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung bestehe nicht. Die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 Satz 6 AMWHV lägen nicht vor. Die Lagerung der fraglichen Rückstellmuster bereite keine besonderen Probleme. Die Klägerin könne gegebenenfalls externe Lagerflächen anmieten oder externe Dienstleister heranziehen.
Am 6. November 2008 hat die Klägerin um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 9. Dezember 2008 (Az.: 16 L 1780/08) abgelehnt. Die Beschwerde der Klägerin hat der Senat mit Beschluss vom 26. Februar 2009 (Az.: 13 B 1885/08) zurückgewiesen.
Ebenfalls am 6. November 2008 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung hat sie ihre Ausführungen im Verwaltungsverfahren wiederholt und ergänzend ausgeführt: § 18 AMWHV könne nicht in dem von der Beklagten geforderten Umfang auf den hier in Rede stehenden Parallelimport von Arzneimitteln angewendet werden. Die jahrelange Praxis der Klägerin, nur vom ersten Verpackungsvorgang ein vollständiges Rückstellmuster zu bilden und bei weiteren Verpackungsvorgängen Kopien/Fotos der Packmaterialien festzuhalten, gewährleiste die Arzneimittelsicherheit in gleicher Weise. Diese Vorgehensweise belaste die Klägerin weniger als die permanente Bildung von vollständigen Rückstellmustern. Die analytische Nachtestung und die Erbringung des Kennzeichnungsnachweises seien auch bei ihrem bisherigen Vorgehen ohne Weiteres möglich. Die Ordnungsverfügung sei zudem gänzlich unbestimmt.
Die restriktive Auslegung von § 18 AMWHV beeinträchtigte die Klägerin in existenzgefährdender Weise und verstoße gegen Art. 28 EG. Bei den von der Klägerin importierten Fertigarzneimitteln handele es sich um kleine Mengen, so dass permanent eine verhältnismäßig große Anzahl von Rückstellmustern zu bilden sei. Dies belaste sie wirtschaftlich erheblich, insbesondere dann, wenn der Einkaufswert der Fertigarzneimittel sehr hoch liege.
Die Klägerin habe ungeachtet der vorstehenden Ausführungen einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung. Maßnahmen zur Arzneimittelsicherheit, die den Hersteller belasteten, bedürften einer besonderen Rechtfertigung. Sie müssten erforderlich und zumutbar sein, um verfassungsrechtlich Bestand zu haben. Daran fehle es jedoch, wenn die durch die Notwendigkeit der Lagerung hervorgerufenen erheblichen Kosten für die Arzneimittelsicherheit ohne messbaren Nutzen seien. Die Beklagte habe deshalb eine Ausnahmegenehmigung jedenfalls für diejenigen Herstellungsvorgänge erteilen müssen, die eine Stückzahl von 20 bzw. – der Praxis der Beklagten entsprechend – 50 unterschritten. Besondere Probleme bei der Lagerung der Arzneimittel seien keine Tatbestandsvoraussetzung des § 18 Abs. 1 Satz 6 AMWHV, wenn eine Kleincharge in Rede stehe. Dies folge aus den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben, die eine Ausnahme bei einer Kleincharge "oder" bei Lagerproblemen vorsehen würden.
Die Zwangsgeldandrohung sei nicht notwendig. Die Klägerin habe ihr Qualitätssicherungssystem in Abstimmung mit der Beklagten seit 2007 vollständig überarbeitet und die festgestellten Mängel beseitigt. Die Beklagte übersehe auch, dass die in der Vergangenheit erfolgten Rückrufe rein vorsorglich veranlasst worden seien.
Die Klägerin hat beantragt,
die Ziffern 1, 2 und 5 des Bescheids der Beklagten vom 21. Oktober 2008 aufzuheben und festzustellen, dass die Klägerin nicht verpflichtet ist, für jede Charge aller Fertigarzneimittel Rückstellmuster entsprechend den Regelungen des § 18 AMWHV aufzubewahren,
hilfsweise,
die Beklagte unter Aufhebung von Ziffer 1 des Bescheids vom 21. Oktober 2008 zu verpflichten, der Klägerin die am 4. September 2008 beantragte Ausnahme von der Verpflichtung, für alle "Inlandschargen" Rückstellmuster aufzubewahren, zu genehmigen,
hilfsweise,
die Beklagte zu verpflichten, den Antrag vom 4. September 2008 auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gemäß § 18 Abs. 1 Satz 6 AMWHV unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden,
weiter hilfsweise,
festzustellen, dass das Vorliegen besonderer Lagerungsprobleme keine zusätzliche Voraussetzung für das Erteilen einer Ausnahmegenehmigung gemäß § 18 Abs. 1 Satz 6 AMWHV ist, wenn diese für Arzneimittel, deren Herstellung für den Einzelfall oder in kleinen Mengen erfolgt, beantragt wird.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat sie auf ihre Ausführungen im angefochtenen Bescheid Bezug genommen. Ergänzend hat sie ausgeführt: Die Klägerin müsse sich auch als Parallelimporteurin an die Vorgaben des § 18 AMWHV halten. Sie missverstehe den Begriff der "Ausgangsmenge". Damit sei nicht die Originalcharge des Originalherstellers gemeint. Ausgangsmenge sei vielmehr jede Teillieferung im Lager der Klägerin, die aus einem Transport stamme. Von gleicher Ausgangsmenge könne demnach bei verschiedenen Lieferungen aus der Originalcharge des Originalherstellers nicht gesprochen werden. Dies werde verständlich, wenn man berücksichtige, dass die Teillieferungen beim Parallelimporteur unterschiedlichen Transportbedingungen und Transportwegen ausgesetzt sein könnten. Daher sei auch eine analytische Nachprüfungsmöglichkeit des ersten gelieferten und umkonfektionierten Arzneimittels nicht ausreichend, wenn zum Beispiel bei der nächsten Lieferung die Kühlkette nicht eingehalten werde. Entgegen der Auffassung der Klägerin setzte § 18 Abs. 1 Satz 6 AMWHV tatbestandlich voraus, dass eine Kleincharge in Rede stehe "und" besondere Lagerprobleme bestünden.
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht dem letzten Hilfsantrag stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Klägerin sei grundsätzlich verpflichtet, von jeder Charge der von ihr neu konfektionierten und in Verkehr gebrachten Arzneimittel ein Rückstellmuster aufzubewahren. Sie habe keinen Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung. Die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 Satz 6 AMWHV lägen nicht vor. Danach komme eine Ausnahmegenehmigung nur bei Arzneimitteln in Betracht, deren Herstellung für den Einzelfall oder in kleinen Mengen erfolge. Diese gesetzliche Einschränkung decke sich mit der einschlägigen europäischen Richtlinie. Eine Ausnahme im begehrten Sinne komme daher nicht generell, sondern nur für bestimmte Produkte in Betracht. Die Klägerin habe indessen nicht präzisiert, für welche Arzneimittel sie eine Ausnahmegenehmigung begehre. Eine generelle Ausnahmeerteilung sei nicht möglich, weil es sich bei der Klägerin um ein mittelständisches Unternehmen handele, das (überwiegend) kleine Chargen herstelle. Die Größe eines Betriebs und die Organisation der Betriebsabläufe allein rechtfertige es nicht, die Arzneimittelsicherheit zu unterlaufen. Eine generelle Ausnahmeerteilung komme auch nicht unter dem Gesichtspunkt in Betracht, dass es sich um parallel importierte Arzneimittel handele. Dies sei mit den gesetzlichen Vorgaben in § 18 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. Satz 4 AMWHV nicht vereinbar. Da die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nicht erfüllt seien, komme die hilfsweise von der Klägerin beantragte Verpflichtung der Beklagten zur Neubescheidung nicht in Betracht.
Die Klage mit dem letzten Hilfsantrag sei jedoch begründet. Die zulässige Feststellungsklage sei begründet. Nach § 18 Abs. 1 Satz 6 AMWHV könne die Behörde Ausnahmen zwar nur zulassen bei Arzneimitteln, deren Herstellung für den Einzelfall oder in kleinen Mengen erfolgt sei und deren Lagerung besondere Probleme bereite. Art. 11 Abs. 4 der Richtlinie 2003/94/EG vom 8. Oktober 2003 (ABl. L 262/22) verknüpfe die Voraussetzungen, unter denen eine Ausnahme in Betracht komme, nicht mit dem Wort "und", sondern sehe sie als alternative Ausnahmetatbestände an. Da § 18 Abs. 1 AMWHV ausweislich seiner Begründung Art. 11 Abs. 4 Richtlinie 2003/94/EG entsprechen solle, sei es naheliegend, dass es sich insoweit um ein Redaktionsversehen handele. Der Wortlaut der deutschen Rechtsverordnung sei deshalb richtlinienkonform auszulegen.
Hiergegen richten sich die vom Senat mit Beschluss vom 21. September 2009 zugelassenen Berufungen der Beteiligten. Die Zulassungsentscheidung ist der Beklagten am 24. September 2009 zugestellt worden. Ihre Berufungsbegründung ist beim Oberverwaltungsgericht am 6. November 2009 eingegangen. Am 24. November 2009 hat sich die Beklagte der Berufung der Klägerin angeschlossen.
Zur Begründung ihrer Berufung wiederholt und vertieft die Klägerin ihre erstinstanzlichen Ausführungen. Ergänzend führt sie aus: Sie importiere ein Fertigarzneimittel, in dem sich zehn Arzneimittelblister mit je zehn Arzneimitteln befänden. Aus diesem Fertigarzneimittel stelle die Klägerin sodann eine 50er-Packung, zwei 20er-Packungen und eine 10er-Packung her. Für diesen Fall wäre die Klägerin nach Auffassung der Beklagten und des Verwaltungsgerichts dazu verpflichtet, ein Rückstellmuster sowohl für die 50er-Packung, für die 20er-Packung als auch für die 10er-Packung zu bilden. Dem mit § 18 Abs. 1 Satz 1 AMWHV verfolgten Zweck, eine analytische Nachtestung zu ermöglichen, wäre indessen ohne Weiteres dadurch Genüge getan, dass die Klägerin ein vollständiges Rückstellmuster von der 50er-Packung oder von der 20er-Packung oder von der 10er-Packung bilde, weil es sich insoweit jeweils um das aus einer einheitlichen Ausgangsmenge stammende Arzneimittel handele. Da der Begriff des Rückstellmusters nicht näher definiert werde, sei die Regelung im Übrigen unbestimmt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorfs vom 25. Mai 2009 zu ändern und Ziffern 2 und 5 des Bescheids der Beklagten vom 21. Oktober 2008 aufzuheben,
hilfsweise Ziffer 1 des Bescheids der Beklagten vom 21. Oktober 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die unter dem 4. September 2008 beantragte Ausnahmegenehmigung zu erteilen, hilfsweise über ihren Antrag vom 4. September 2008 erneut zu entscheiden,
und die Berufung der Beklagten zu verwerfen, hilfsweise zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 25. Mai 2009 zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Zur Begründung nimmt sie auf ihren bisherigen Vortrag Bezug und verteidigt insbesondere ihre Auffassung, dass eine Ausnahme von der Pflicht zur Aufbewahrung eines Rückstellmusters in ausreichender Menge tatbestandlich nur in Betracht komme, wenn auch besondere Lagerprobleme bestünden.
Wegen der weitere Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Die Anschlussberufung der Beklagten ist zulässig und begründet.
I. Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage, soweit sie noch Gegenstand des Berufungsverfahrens der Klägerin ist, zu Recht abgewiesen.
1. Die mit dem Hauptantrag erhobene Anfechtungsklage ist unbegründet. Die Ziffern 2 und 5 der Ordnungsverfügung der Beklagten vom 21. Oktober 2008 sind rechtmäßig (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
a) Rechtsgrundlage für die in Ziffer 2 des Bescheids auferlegte Pflicht, für jede Charge aller Fertigarzneimittel Rückstellmuster entsprechend den Regelungen des § 18 AMWHV aufzubewahren, ist § 69 Abs. 1 Satz 1 AMG. Hiernach treffen die zuständigen Behörden die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. Diese Ermächtigung bezieht sich, wie sich aus § 64 Abs. 3 Satz 1 AMG ergibt, unter anderem auf Verstöße gegen die Vorschriften über den Verkehr mit Arzneimitteln, zu denen auch die auf der Grundlage von § 54 AMG erlassenen Betriebsverordnungen für Betriebe und Einrichtungen zählen, die Arzneimittel in den Geltungsbereich des Gesetzes verbringen oder in denen Arzneimittel entwickelt, hergestellt, geprüft, gelagert, verpackt oder in den Verkehr gebracht werden. Um eine solche Betriebsverordnung handelt es sich bei der Verordnung über die Anwendung der Guten Herstellungspraxis bei der Herstellung von Arzneimitteln und Wirkstoffen und über die Anwendung der Guten fachlichen Praxis bei der Herstellung von Produkten menschlicher Herkunft.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. Februar 2009 – 13 B 1885/08 –, Pharma Recht 2009, 254.
b) Dass die Ordnungsverfügung inhaltlich hinreichend bestimmt ist (vgl. § 37 Abs. 1 VwVfG), hat der Senat bereits in seinem Beschluss vom 26. Februar 2009 – 13 B 1885/08 –, a. a. O., ausgeführt. Hieran hält er fest. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird daher auf die dortigen Ausführungen verwiesen. Soweit die Klägerin im Klageverfahren ergänzend einwendet, der angegriffenen Regelung lasse sich nicht die konkret aufzubewahrende Arzneimittelmenge entnehmen, verhilft dies der Berufung ebenfalls nicht zum Erfolg. Nach § 18 Abs. 1 Satz 1 AMWHV müssen Rückstellmuster "in ausreichender Menge zum Zwecke einer gegebenenfalls erforderlichen analytischen Nachtestung und zum Nachweis der Kennzeichnung ... aufbewahrt werden". Die von der Klägerin für die Freigabe nach § 16 betraute verantwortliche sachkundige Person nach § 14 AMG verfügt insoweit über die erforderliche Sachkenntnis, um auf der Grundlage des EG-GMP-Leitfadens bestimmen zu können, welche Arzneimittelmenge für vollständige analytische Nachtestungen zurückzuhalten sind. Die Rückstellung lediglich eines Arzneimittelblisters genügt insoweit – bei weitem – nicht, wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung unter Hinweis auf die (im Rahmen einer vollständigen analytischen Nachtestung erforderlichen) zahlreichen Prüfungen und den daraus resultierenden erheblichen Mengenbedarf überzeugend dargetan hat.
c) Die Praxis der Klägerin, nicht von jeder so umschriebenen Inlandscharge ein Rückstellmuster aufzubewahren, stellt einen Verstoß gegen § 18 Abs. 1 Satz 1 AMWHV dar. Nach dieser Vorschrift ist sicherzustellen, dass Rückstellmuster von jeder Charge eines Fertigarzneimittels in ausreichender Menge zum Zwecke einer gegebenenfalls erforderlichen analytischen Nachtestung und zum Nachweis der Kennzeichnung einschließlich der Packungsbeilage mindestens ein Jahr über den Ablauf des Verfallsdatums hinaus aufbewahrt werden. Klärungsbedürftig sind daher die Merkmale "Charge" und das "Herstellen" eines Arzneimittels.
Eine Charge ist die jeweils aus derselben Ausgangsmenge in einem einheitlichen Herstellungsvorgang oder bei einem kontinuierlichen Herstellungsverfahren in einem bestimmten Zeitraum erzeugte Menge eines Arzneimittels (§ 4 Abs. 16 AMG). Herstellen ist das Gewinnen, das Anfertigen, das Zubereiten, das Be- und Verarbeiten, das Umfüllen einschließlich Abfüllen, das Abpacken, das Kennzeichnen und die Freigabe (§ 4 Abs. 14 AMG).
Hiervon ausgehend ist die von der Klägerin ausgeübte Tätigkeit zunächst ein Herstellen von Arzneimitteln, da zumindest das Abpacken, das Kennzeichnen und die Freigabe in ihrem Betrieb erfolgen. Auch aus der Regelung in § 18 Abs. 1 Satz 5 AMWHV liegt dieses Begriffsverständnis zugrunde, denn diese Ausnahmevorschrift basiert auf der Annahme, dass der Parallelimporteur oder -vertreiber grundsätzlich der Pflicht zur Aufbewahrung von Rückstellmustern unterliegt. Soweit die Klägerin die von ihr importierten Originalarzneimittel im Inland neu konfektioniert, also sie entsprechend den Kennzeichnungsvorschriften deutschsprachig kennzeichnet, ihnen deutschsprachige Packungsbeilagen beifügt und sie neu verpackt oder umverpackt, erfüllt sie den Begriff des "Herstellens". Dementsprechend ist jede von der Klägerin im Inland in einem einheitlichen Vorgang neu konfektionierte Menge eines Fertigarzneimittels eine eigene Charge.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. Februar 2009 – 13 B 1885/08 –, a. a. O.; BayVGH, Beschluss vom 24. Juli 2006 – 25 ZB 02.2387 –, NVwZ-RR 2007, 24; VG München, Urteil vom 29. Juli 2002 – M 3 K 02.1823 –, juris.
§ 4 Abs. 16 AMG stellt die Möglichkeiten eines kontinuierlichen Herstellungsverfahrens und eines (einzelnen) einheitlichen Herstellungsvorgangs einander gegenüber. Da im Betrieb der Klägerin in gewissen zeitlichen Abständen einzelne (regelmäßig kleinere) Mengen eines Arzneimittels konfektioniert und freigegeben werden, handelt es sich um einzelne Herstellungsvorgänge, die jeweils als Charge im Sinne des Gesetzes einzuordnen sind. Dass es sich dabei um verschiedene Chargen handelt, ergibt sich auch daraus, dass die Klägerin die Originalarzneimittel offenbar jeweils separat aus dem Ausland bezieht. Demnach wird bei den einzelnen Herstellungsvorgängen auch nicht "dieselbe Ausgangsmenge" verarbeitet, wie in § 4 Abs. 16 AMG vorausgesetzt.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. Februar 2009 – 13 B 1885/08 –, a. a. O.
Selbst wenn man aber entgegen den vorstehenden Überlegungen annähme, dass mit dem Begriff "Charge" in § 18 Abs. 1 AMWHV durchgehend die Originalcharge und nicht eine im Inland durch Neukonfektionierung entstandene Menge von Arzneimitteln gemeint ist, ergäbe sich kein anderes Ergebnis. Denn § 18 Abs. 1 Satz 4 AMWHV ordnet an, dass grundsätzlich jeweils mindestens ein Rückstellmuster pro Verpackungsvorgang aufzubewahren ist, wenn eine Charge in zwei oder mehreren Arbeitsgängen endgültig verpackt wird. § 18 Abs. 1 Satz 5 AMWHV wiederum erklärt diesen Satz auch im Falle des Parallelimports oder vertriebs für anwendbar, wenn die Sekundärverpackung geöffnet wird. Da die Klägerin die Sekundärverpackung öffnet und das Arzneimittel "endgültig verpackt", ergäbe sich aus diesen Regelungen selbst dann die Pflicht zur Aufbewahrung von Rückstellmustern für jeden Verpackungsvorgang, wenn man als Charge die im Ausland produzierte Originalcharge ansähe.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. Februar 2009 – 13 B 1885/08 –, a. a. O.
Neben dem Wortlaut sprechen auch Sinn und Zweck der Regelungen für ein solches Verständnis. Ausweislich der Ziffer 9 des Anhangs 19 zum EG-Leitfaden über Gute Herstellungspraxis, die der Regelung des § 18 Abs. 1 Satz 5 AMWHV zugrundeliegt,
vgl. die Verordnungsbegründung, BR-Drucks. 398/06, S. 73,
dient die Pflicht zur Aufbewahrung eines Rückstellmusters beim Parallelimporteur oder Vertreiber in erster Linie der Rekonstruierbarkeit der Abläufe, wenn sich beim Endprodukt ein Problem zeigt. Es sei wichtig, so der Leitfaden, im Falle einer Produktverwechselung die Verantwortlichen schnell identifizieren zu können. Da diese Gefahr jedesmal aufs Neue besteht, wenn mehrere Verpackungsvorgänge stattfinden, ergibt die Verpflichtung zur Aufbewahrung jeweils eines Musters, das den einzelnen Verpackungsvorgang repräsentiert, einen Sinn.
Die von der Klägerin befürwortete einschränkende Auslegung des § 18 Abs. 1 Satz 1 AMWHV über den dort verwendeten Begriff der "ausreichenden Menge" kommt nicht in Betracht. Der Begriff der "ausreichenden Menge" bezieht sich erkennbar nicht auf die Frage, bei welchen Anlässen jeweils Rückstellproben angelegt werden müssen, sondern auf den Umfang der einzelnen Proben. Die von der Klägerin verfochtene Sichtweise, der zufolge bei weiteren, aus einer Originalcharge hergestellten Inlandschargen auf Rückstellproben verzichtet werden könne, lässt sich auf den Begriff der "ausreichenden Menge" jedenfalls nicht stützen, weil § 18 Abs. 1 Satz 1 AMWHV unmissverständlich regelt, dass "von jeder Charge" Rückstellmuster aufbewahrt werden müssen und weil sich dies vorliegend – wie vorstehend erläutert – auf die Inlandscharge bezieht.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. Februar 2009 – 13 B 1885/08 –, a. a. O.
Ebenso wenig überzeugt der Hinweis der Klägerin auf das Wort "grundsätzlich" in § 18 Abs. 1 Satz 4 AMWHV. Dieses kann nur als Hinweis auf die in § 18 Abs. 1 Satz 5 und 6 AMWHV geregelten Ausnahmen verstanden werden, nicht aber als Anknüpfungspunkt für eine die Verpflichtung zur Mustervorhaltung einschränkende Einzelfallbetrachtung. Abgesehen davon, dass es für eine solche Einzelfallbetrachtung keine Entscheidungsmaßstäbe gäbe, wären die (geregelten) Ausnahmen der Sätze 5 und 6 des § 18 Abs. 1 AMWHV weitgehend überflüssig, wenn Satz 4 eine entsprechende Relativierung enthielte.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. Februar 2009 – 13 B 1885/08 –, a. a. O.
Der Senat vermag im Übrigen auch nicht zu erkennen, dass die Gefahr einer Produktverwechselung oder Vermischung "mit Sicherheit auszuschließen" ist, wie die Klägerin meint. Der Verordnungsgeber geht im Einklang mit der Einschätzung des EG-GMP-Leitfadens davon aus, dass bei der Produktion von Arzneimitteln generell ein entsprechendes Risiko besteht. Dass dies gerade bei der Klägerin nicht der Fall sein soll, ist nicht ohne Weiteres erkennbar. Schon die Anzahl der verschiedenen Arzneimittel, die von der Klägerin ausweislich der vorgelegten Listen vertrieben werden, lässt eine Verwechselung nicht von vornherein als ausgeschlossen erscheinen, auch wenn die von der Klägerin getroffenen Vorkehrungen die entsprechende Gefahr als gering erscheinen lassen mögen. Der in der Bescheidbegründung geschilderte und von der Klägerin nicht in Abrede gestellte Vorfall, bei dem eine 100er-Packung des Arzneimittels "Q. " als 28er-Packung gekennzeichnet war, zeigt, dass Fehler auch im Betrieb der Klägerin auftreten können.
d) Ziffer 2 der Ordnungsverfügung ist ermessensfehlerfrei erlassen worden. Die Beklagte hat von dem ihr eingeräumten Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens nicht überschritten (§ 114 Satz 1 VwGO). Die Verfügung ist insbesondere verhältnismäßig.
Die Aufbewahrung von Rückstellmustern für jede Inlandscharge ist geeignet, die Rekonstruktion der Herstellungsabläufe im Falle von Fehlern oder Auffälligkeiten zu gewährleisten. Ein die Klägerin weniger belastendes, aber ebenso wirkungsvolles Mittel zur Erreichung dieses Zwecks ist nicht erkennbar. Insbesondere die bisherige Praxis der Klägerin ist kein solches Mittel. Sie ermöglicht lediglich die Rekonstruktion der Herstellung der ersten Inlandscharge aus einer Originalcharge. Treten hingegen Fehler bei der späteren Herstellung weiterer Inlandschargen aus derselben Originalcharge auf, lassen sich diese mit dem bei dem früheren Herstellungsvorgang angelegten Rückstellmuster nicht rekonstruieren. Die zeitnahe Rekonstruktion der Abläufe kann im Einzelfall aber wichtig sein, um die Quelle eines entsprechenden Fehlers aufdecken, Maßnahmen zu seiner Beseitigung treffen und Rückrufaktionen oder ähnliche Maßnahmen durchführen zu können. Eine Gefährdung der Arzneimittelsicherheit kann demnach ohne die Maßnahme nicht ausgeschlossen werden.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. Februar 2009 – 13 B 1885/08 –, a. a. O.
Die Maßnahme ist auch angemessen. Sie führt nicht zu einem Nachteil, der zu dem erstrebten Erfolg erkennbar außer Verhältnis steht. Dabei verkennt der Senat nicht, dass die Klägerin durch die Maßnahme wirtschaftlich erheblich belastet wird. Die von ihr vorgelegten Listen zeigen, dass die produzierten Inlandschargen häufig einen sehr kleinen Umfang haben, so dass die Pflicht zur Aufbewahrung von Rückstellmustern entsprechend stark ins Gewicht fällt. Auf dieser Basis ist die Annahme eines schwerwiegenden Eingriffs in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit gerechtfertigt. Die Regelung der Arzneimittelsicherheit dient indessen dem Schutz der Gesundheit der Bevölkerung, den zu gewährleisten der Staat aufgrund von Art. 2 Abs. 2 GG verpflichtet ist. Da die Gesundheit zu den besonders hochrangigen Gütern zählt, darf der Schutz auch mit Mitteln angestrebt werden, die in das Grundrecht der Berufsfreiheit empfindlich eingreifen. Im Übrigen ist es Sache des Gesetzgebers, in Bezug auf den jeweiligen Lebensbereich darüber zu entscheiden, ob, mit welchem Schutzniveau und auf welche Weise Situationen entgegengewirkt werden soll, die nach seiner Einschätzung zu Schäden führen können. Hierbei kommt ihm ein Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zu.
Vgl. zu alledem BVerfG, Urteil vom 30. Juli 2008 – 1 BvR 3262/07, 1 BvR 402/08, 1 BvR 906/08 –, NJW 2008, 2409, m. w. N.; siehe auch OVG NRW, Beschluss vom 26. Februar 2009 – 13 B 1885/08 –, a. a. O.
Die gleichen Grundsätze gelten für den Verordnungsgeber.
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 31. August 2005 – 1 BvR 700/05 –, NJW 2005, 3132; OVG NRW, Beschluss vom 26. Februar 2009 – 13 B 1885/08 –, a. a. O.
Vor diesem Hintergrund sind die Interessen der Klägerin letztlich dem vom Verordnungsgeber für notwendig gehaltenen Schutzkonzept unterzuordnen. Dass die von ihm für notwendig gehaltenen Maßnahmen in sich nicht schlüssig wären oder über das Ziel hinausschießen würden, ist schon deshalb nicht erkennbar, weil sie weitgehend mit den Vorgaben des EG-GMP-Leitfadens gleichlaufen. Im Übrigen vermag der Senat eine Überschreitung der Verordnungsermächtigung des § 54 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 10 AMG nicht zu erkennen. Nach alledem unterliegt die streitige Regelung auch in Bezug auf Art. 28 EG keinen Bedenken.
Die Forderung der Beklagten ist auch nicht mit Blick auf den von der Klägerin gestellten Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 18 Abs. 1 Satz 6 AMWHV unverhältnismäßig. Die Erfüllung der in Ziffer 2 des Bescheids verfügten Forderung wäre nur dann unzumutbar, wenn die Klägerin einen Anspruch auf Erteilung der Ausnahmegenehmigung und auf Aufhebung von Ziffer 1 der streitigen Ordnungsverfügung hätte. Das ist indessen – wie unter Ziffer 2 der Entscheidungsgründe noch darzulegen sein wird – nicht der Fall.
e) Die Zwangsgeldandrohung, die ihre Grundlage in den §§ 55 Abs. 1, 57 Abs. 1 Nr. 2, 60 und 63 VwVG NRW findet, ist weder dem Grunde noch der Höhe nach zu beanstanden. Die gegenteilige Auffassung der Klägerin teilt der Senat nicht.
2. Der erste Hilfsantrag, mit dem die Klägerin die Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung der beantragten Ausnahmegenehmigung begehrt, hat ebenfalls keinen Erfolg. Die von der Klägerin begehrte und einer Befreiung gleichkommende "Generalausnahme" für eine unbestimmte Vielzahl möglicher Arzneimittel kann nicht erteilt werden.
a) Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung ist § 18 Abs. 1 Satz 6 AMWHV. Hiernach kann die zuständige Behörde Ausnahmen über die Muster und ihre Aufbewahrung zulassen bei Arzneimitteln, deren Herstellung für den Einzelfall oder in kleinen Mengen erfolgt und deren Lagerung besondere Probleme bereitet. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
b) Dem in Rede stehenden Ausnahmeantrag der Klägerin vom 4. September 2008 lässt sich – wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat – bereits nicht verbindlich entnehmen, auf welche Arzneimittel er sich konkret beziehen soll. Nach § 18 Abs. 1 Satz 6 AMWHV kann eine Ausnahme jedoch nur im Einzelfall in Bezug auf eine bestimmte (vom Antragsteller näher zu bezeichnende) Inlandscharge zugelassen werden. Einen Anspruch auf eine von der Klägerin der Sache nach geltend gemacht generelle Ausnahme von der Pflicht zur Aufbewahrung von Rückstellmustern "für alle im pharmazeutischen Unternehmen in bestimmter Stückzahl hergestellten Arzneimittel" kennt § 18 Abs. 1 Satz 6 AMWHV hingegen nicht. Das kommt bereits hinreichend deutlich im Wortlaut der Vorschrift zum Ausdruck. Die Formulierung "Bei Arzneimitteln, deren Herstellung ... in kleinen Mengen erfolgt" und/oder "deren Lagerung besondere Probleme bereitet" spricht dafür, dass die Ausnahme für jeden einzelnen Herstellungsvorgang gesondert zu beantragen ist. Nur bezogen auf diesen einzelnen Herstellungsvorgang kann die Behörde nachvollziehen (und gegebenenfalls gezielt überprüfen), welche Menge konkret hergestellt werden soll und/oder ob insoweit im Einzelfall besondere Lagerprobleme bestehen. Nur bezogen auf den einzelnen Herstellungsvorgang kann die Behörde darüber hinaus im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung einschätzen, ob im konkreten Fall die Arzneimittelsicherheit gefährdet ist und die Ausnahmegenehmigungen damit trotz Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen zu versagen ist. Bestätigt wird dieses Textverständnis durch die Fassung von Art. 11 der Richtlinie 2003/94/EG, nach dessen Unterabsatz 4 bei "bestimmten Produkten ..." andere Festlegungen getroffen werden können. Da § 18 Abs. 1 AMWHV ausweislich der Verordnungsbegründung den Vorgaben des Art. 11 Abs. 4 Richtlinie 2003/94/EG entsprechen soll,
vgl. wiederum die Verordnungsbegründung, BR-Drucks. 398/06, S. 73,
ist davon auszugehen, dass durch die Verordnungsgeber eine Ausnahme nur als auf ein bestimmtes Arzneimittel bezogene Einzelfallentscheidung zugelassen wird.
c) Abgesehen davon hat die Klägerin auch nicht substantiiert dargetan, dass ihr – wie § 18 Abs. 1 Satz 6 AMWHV unmissverständlich voraussetzt – die Lagerung von (bestimmten) Arzneimitteln besondere Probleme bereitet.
aa) Wie sich dem Verordnungstext hinreichend deutlich entnehmen lässt, sind damit nicht etwa Kapazitätsprobleme gemeint, die allgemein bei der Lagerung von Arzneimitteln entstehen können, weil z. B. die vorhandenen Lagerflächen des Unternehmers erschöpft sind. Nach § 18 Abs. 1 Satz 6 AMWHV sollen vielmehr nur diejenigen Lagerprobleme Berücksichtigung finden, die in dem Arzneimittel und seiner Beschaffenheit selbst wurzeln. Davon kann etwa ausgegangen werden, wenn ein Arzneimittel auf Grund seiner stofflichen Zusammensetzung nur für eine kurze Zeit haltbar ist und deshalb eine spätere Qualitätsüberprüfung nur gewährleistet wäre, wenn das Arzneimittel unter aufwändigen, im Einzelfall unvertretbaren Bedingungen in der für eine analytische Untersuchung erforderlichen Beschaffenheit konserviert werden müsste. Derartige Schwierigkeiten hat die Klägerin indessen nicht angeführt.
bb) Die Regelung des § 18 Abs. 1 Satz 6 AMWHV ist nach Auffassung des Senats mit den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben des Art. 11 Abs. 4 Unterabsatz 4 Richtlinie 2003/94/EG vereinbar. Zwar können hiernach bei bestimmten Produkten, die für den Einzelfall oder in kleinen Mengen hergestellt werden "oder" deren Lagerung besondere Probleme bereiten könnte, mit Zustimmung der zuständigen Behörde andere Festlegungen über die Rückstellmuster von Ausgangsstoffen und ihre Aufbewahrung getroffen werden. Das Wort "oder" bindet die Mitgliedsstaaten indessen nicht in der Weise, dass eine Ausnahme in der mitgliedsstaatlichen Umsetzungsbestimmung bereits dann tatbestandlich möglich sein muss, wenn entweder eine Kleincharge in Rede steht "oder" besondere Lagerprobleme bestehen. Bei verständiger Würdigung des Art. 11 Abs. 4 Unterabsatz 4 Richtlinie 2003/94/EG ist vielmehr davon auszugehen, dass mit ihm im Sinne einer Rahmenregelung (vgl. Art. 249 Abs. 3 EG) lediglich vorgegeben wird, dass allenfalls die beiden genannten (und keine weiteren) Ausnahmegründe wahlweise alternativ oder kumulativ durch die Mitgliedsstaaten "festgelegt" werden dürfen und dass in diesen "Festlegungen" zugleich vorgesehen werden muss, dass eine Ausnahme von der Rückstellpflicht nicht unmittelbar kraft Gesetzes, sondern nur "mit Zustimmung der zuständigen Behörde" erfolgen darf.
So auch VG Köln, Beschluss vom 26. August 2009 – 24 L 817/09 –.
Der Senat hat zwar im Beschluss vom 26. Februar 2009 – 13 B 1885/08 – erwogen, ob sich mit Blick auf die Formulierung in Art. 11 Abs. 4 Unterabsatz 4 Richtlinie 2003/94/EG "... können mit Zustimmung der zuständigen Behörde ..." das Wort "können" auf einen den Unternehmern einzuräumenden Spielraum beziehen könnte, so dass der nationale Gesetzgeber bei der Umsetzung der Richtlinie gebunden wäre und nicht kumulative Voraussetzungen für das Eingreifen der Ausnahmebestimmung schaffen dürfte. Nach nochmaliger Würdigung des Bedeutungsgehalts des Art. 11 Abs. 4 Unterabsatz 4 Richtlinie 2003/94/EG ist der Senat jedoch zu dem Ergebnis gelangt, dass die Bestimmung allein den Mitgliedsstaaten den bereits dargestellten Umsetzungsspielraum zubilligt. Dabei geht der Senat von der – um die Formulierung "mit Zustimmung der zuständigen Behörde" bereinigten – Hauptaussage des Art. 11 Abs. 4 Unterabsatz 4 Richtlinie 2003/94/EG aus, wonach bei "bestimmen Produkten ... andere Festlegungen ... getroffen werden" können. "Festlegungsberechtigt" im Sinne von "gesetzgebungsberechtigt" kann nur der Mitgliedsstaat sein, wie etwa der Sprachvergleich mit dem 6. Erwägungsgrund der Richtlinie ergibt, wonach "... ausführliche Bestimmungen zu Inspektionen durch die zuständigen Behörden sowie zu bestimmten Pflichten des Herstellers festgelegt werden" sollten. Auch der englische und der französische Text des Art. 11 Abs. 4 Unterabsatz 4 Richtlinie 2003/94/EG ("Other conditions may be defined" bzw. "D'autres conditions peuvent être définies") sprechen dafür, dass "nur" die Mitgliedsstaaten abweichende Bestimmungen erlassen dürfen. Vor diesem Hintergrund sieht der Senat den Einschub "mit Zustimmung der zuständigen Behörde" lediglich als sprachlich missglückt platzierte Vorgabe an die Mitgliedsstaaten an, eine Ausnahme erst nach vorheriger (Risikobewertung und) Zustimmung der zuständigen Behörde im konkreten Einzelfall zuzulassen.
cc) Nach den vorstehenden Ausführungen ist es den Mitgliedsstaaten zwar nicht verwehrt, eine Ausnahme entweder bei einer Kleincharge "oder" bei besonderen Lagerproblemen zuzulassen, wie es der Verordnungsgeber in § 27 Abs. 1 Satz 3 AMWHV bei Wirkstoffen vorgesehen hat. Hier ist indessen nicht davon auszugehen, dass der Verordnungsgeber eine derartige Regelung entgegen dem Wortlaut von § 18 Abs. 1 Satz 1 AMWHV treffen wollte und die Verknüpfung der Ausnahmetatbestände mit dem Wort "und" lediglich auf einem Redaktionsversehen beruht. Dass der Verordnungsgeber – offensichtlich – statt des Worts "und" das Wort "oder" in § 18 Abs. 1 Satz 6 AMWHV verwenden wollte, lässt sich nicht mit der (für die gerichtliche Annahme eines Redaktionsversehens) erforderlichen Sicherheit feststellen. Der Senat hält es mit Blick auf die Verordnungsbegründung zu § 18 und § 27 AMWHV,
vgl. BR-Drucks. 398/06, S. 73 (zu § 18 AMWHV) und S. 81 (zu § 27 AMWHV),
und den Wortlaut der Vorgängerregelung in § 8 Abs. 3 Satz 2 PharmBetrV ("oder"),
Betriebsverordnung für pharmazeutische Unternehmer vom 8. März 1985, BGBl. I S. 546, in der Fassung der Zweiten Änderungsverordnung vom 13. Juli 1994, BGBl. I S. 1561,
zwar für möglich, dass die in Rede stehende Formulierung ("und") lediglich versehentlich aufgenommen wurde, zumal die Bestimmung auch bei einer "oder"-Formulierung einen sinnhaften Anwendungsbereich hätte. Ebenso möglich ist es aber, dass der Verordnungsgeber an die Rückstellmusterpflicht von Arzneimitteln einerseits und Wirkstoffen andererseits entsprechend dem Wortlaut der §§ 18, 27 AMWHV unterschiedliche Anforderungen stellen wollte. Nicht auszuschließen ist ferner, dass die Formulierung des § 27 Abs. 1 Satz 3 AMWHV ihrerseits auf einem Redaktionsversehen beruht und eigentlich eine dem § 18 Abs. 1 Satz 6 AMWHV entsprechende Regelung beabsichtigt war. Angesichts dieser Unklarheiten sieht sich der Senat an den unmissverständlichen (und ebenfalls sinngebenden) Wortlaut des § 18 Abs. 1 Satz 6 AMWHV gebunden. Eine etwaige Änderung des § 18 Abs. 1 Satz 6 AMWHV kann demnach allein durch den Verordnungsgeber selbst erfolgen, der eine entsprechende Initiative bislang allerdings noch nicht ergriffen hat, wie sich aus den Stellungnahmen des Bundesministeriums für Gesundheit vom 3. August 2007 und 10. Februar 2009 sowie dem Schreiben des damaligen Staatssekretärs Dr. Schröder vom 28. Juli 2009 mittelbar ersehen lässt.
d) Der geltend gemachte Anspruch scheidet schließlich deshalb aus, weil die Klägerin auch bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen keinen gebundenen Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 18 Abs. 1 Satz 6 AMWHV hätte. Hiernach "kann" die zuständige Behörde Ausnahmen zulassen, sie muss es aber nicht. Die Entscheidung über die Ausnahmeerteilung liegt vielmehr im Ermessen der Verwaltungsbehörde, das die Gerichte gemäß § 114 Satz 1 VwGO nur darauf überprüfen, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist. Deshalb kommt ein gebundener Anspruch auf Ausnahmeerteilung jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn die Behörde trotz Vorliegens der Ausnahmevoraussetzungen auf Grund einer (alle Gesichtspunkte des Einzelfalls berücksichtigenden) Gefahrenprognose aus (nachvollziehbaren) Gründen der Arzneimittelsicherheit von der Ausnahmeerteilung absieht. In diesem Fall ist für eine Ermessensreduzierung auf Null zu Gunsten des Unternehmers kein Raum. Dies gilt insbesondere für das hier fragliche Ausnahmeverfahren, weil die Klägerin bislang keine hinreichend konkretisierten (d. h. auf eine bestimmte Inlandscharge bezogenen) Antragsunterlagen vorgelegt hat, die für eine (positive) Ermessensausübung der Beklagten nach den vorstehenden Ausführungen unabdingbare Voraussetzung sind.
3. Auf der Grundlage der vorstehenden Ausführungen – vgl. Ziffer 2 a) bis c) der Entscheidungsgründe – kommt auch der von der Klägerin mit dem zweiten Hilfsantrag geltend gemachte Neubescheidungsanspruch nicht in Betracht.
II. Die Anschlussberufung der Beklagten hat Erfolg.
1. Die Anschlussberufung ist zulässig.
a) Ihre Statthaftigkeit unterliegt keinen Bedenken. Zwischen den mit der Anschlussberufung und dem im Wege der Hauptberufung verfolgten Begehren besteht der erforderliche sachliche Zusammenhang (vgl. §§ 44, 89 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Denselben Streitgegenstand müssen Anschluss- und Hauptberufung nicht betreffen, so dass sich der Berufungsbeklagte auch gegen diejenigen Urteilsteile wenden kann, hinsichtlich derer er in erster Instanz unterlegen ist.
Vgl. BVerwG, Teilurteil vom 19. Januar 2006 – 3 C 52.04 –, BVerwGE 125, 44, Urteil vom 11. April 2002 – 4 C 4.01 –, BVerwGE 116, 169; OVG NRW, Beschluss vom 19. März 2007 – 13 A 4204/06 –, juris.
Die Anschlussberufung ist auch nicht deshalb unstatthaft, weil die Beklagte ihre Berufung entgegen § 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO nicht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung begründet hat. Nach § 127 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist die Anschlussberufung auch dann möglich, wenn der Beteiligte auf die Berufung verzichtet hat oder die Frist für die Berufung oder den Antrag auf Zulassung der Berufung verstrichen ist. Das gilt selbst dann, wenn die (zuvor) eingelegte Berufung (etwa wegen Nichtwahrung der Begründungsfrist) unzulässig (geworden) ist. Wird vom Berufungsbeklagten eine selbständige Berufung eingelegt, ist dadurch nicht sein Wahlrecht verbraucht, unter Einhaltung der dafür geltenden Zulässigkeitsvoraussetzungen Anschlussberufung einzulegen. Dieses Wahlrecht kann er dadurch ausüben, dass er sinngemäß eine Prozesserklärung abgibt, er halte seine (unzulässige) Berufung nunmehr als Anschlussberufung aufrecht. Die Berufung ist sodann in eine Anschlussberufung umzudeuten.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2007 – 9 C 1.07NVwZ 2008, 314; BGH, Beschluss vom 30. Oktober 2008 – III ZB 41/08 –, NJW 2009, 442; Roth, in: Posser/Wolff, BeckOK VwGO, § 127 Rn. 7 ff.; siehe auch OVG NRW, Beschluss vom 19. März 2007 – 13 A 4204/06 –, a. a. O. und m. w. N.
b) Die Anschlussberufung ist fristgerecht eingelegt worden. Nach § 127 Abs. 2 Satz 2 VwGO ist sie zulässig bis zum Ablauf eines Monats nach der Zustellung der Berufungsbegründungsschrift. Die Berufungsbegründungsschrift wurde nicht zugestellt, sondern lediglich mit einfachem Brief übersandt. Eine Heilung dieses Verstoßes gemäß § 56 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 189 ZPO kommt nicht in Betracht. Danach gilt ein Dokument, wenn sich seine formgerechte Zustellung nicht nachweisen lässt oder es unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen ist, in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem es der Person, an die die Zustellung dem Gesetz gemäß gerichtet war oder gerichtet werden konnte, tatsächlich zugegangen ist. Die Heilung einer unwirksamen Zustellung nach § 189 ZPO setzt jedoch voraus, dass das Gericht mit Zustellungswillen gehandelt hat.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. September 1998 – 9 C 14.98 –, juris; BGH, Beschluss vom 26. November 2002 – VI ZB 41/02 –, MDR 2003, 407 = NJW 2003, 1192; BAG, Beschluss vom 25. November 2008 – 3 AZB 55/08 –, NZA-RR 2009, 158 = FamRZ 2009, 687; BFH, Beschluss vom 18. August 2009 – X B 14/09 –, juris; BSG, Urteil vom 23. Juni 1971 – 4 RJ 485/70 –; Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006, § 56 Rn. 82; Stöber, in: Zöller/Stöber, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 189 Rn. 2; Wolst, in: Musielak, ZPO, 7. Aufl. 2009, § 189 Rdn. 2; Häublein, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 3. Aufl. 2008, § 189 Rn. 3.
Daran fehlte es hier. Ausweislich der fraglichen Verfügung des Berichterstatters vom 1. Oktober 2009 und des Abvermerks der Senatsgeschäftsstelle vom 5. Oktober 2009 sollte die Berufungsbegründungsschrift lediglich mit einfachem Schreiben und nicht mittels Zustellung an die Beklagte zur Kenntnisnahme und Stellungnahme übersandt werden.
2. Die Anschlussberufung ist begründet.
Das Verwaltungsgericht hat dem letzten Hilfsantrag zu Unrecht stattgegeben. Die Feststellungsklage ist unzulässig. Nach § 43 Abs. 1 Alt. 1 VwGO ist die Feststellungsklage statthaft, wenn die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt wird. Unter einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis sind die rechtlichen Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt auf Grund einer öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von (natürlichen oder juristischen) Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben.
Vgl. BVerwG, Urteile vom 23. Januar 1992 – 3 C 50.89 –, BVerwGE 89, 327, vom 26. Januar 1996 – 8 C 19.94 –, BVerwGE 100, 262, vom 20. November 2003 – 3 C 44.02 –, und vom 25. März 2009 – 8 C 1.09 –, NVwZ 2009, 1170.
Keine Rechtsverhältnisse im oben genannten Sinn sind bloße Vorfragen oder einzelne Elemente von Rechtsverhältnissen, soweit sie nicht selbst den Charakter von Rechten und Pflichten haben. Zu diesen Vorfragen oder Elementen gehört etwa die Frage, ob einzelne Tatbestandsmerkmale einer Norm erfüllt sind oder nicht. Auch die Auslegung einer Rechtsnorm ist kein feststellungfähiges Rechtsverhältnis, weil sie auf eine abstrakte und gutachterliche Klärung einer unselbständigen Vorfrage eines Rechtsverhältnisses hinausliefe, für die im Rahmen von § 43 Abs. 1 Alt. 1 VwGO kein Raum ist.
Vgl. Happ, in: Eyermann, VwGO, 12. Aufl. 2006, § 43 Rn. 15; v. Albedyll, in: Bader/Funke-Kaiser/ Kuntze/v. Albedyll, VwGO, 4. Aufl. 2007, § 43 Rn. 5; Sodan, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006, § 43 Rn. 11, 28 ff. und 43 f.; Kopp/ Schenke, VwGO, 16. Aufl. 2009, § 43 Rn. 14; jeweils m. w. N.
Auf dieser Grundlage betrifft der Antrag der Klägerin, festzustellen, dass das Vorliegen besonderer Lagerungsprobleme keine zusätzliche Voraussetzung für das Erteilen einer Ausnahmegenehmigung gemäß § 18 Abs. 1 Satz 6 AMWHV ist, wenn diese für Arzneimittel, deren Herstellung für den Einzelfall oder in kleinen Mengen erfolgt, ersichtlich eine (von mehreren) unselbständigen Vorfragen eines derzeit noch nicht hinreichend konkretisierten Rechtsverhältnisses der Art, ob und in welchem (mengenmäßigem und zeitlichem) Umfang die Klägerin für eine bestimmte Inlandscharge Rückstellmuster zu bilden hätte.
Im Übrigen ist die Feststellungsklage – ihre Zulässigkeit unterstellt – auch unbegründet, wie unter I. 2. c) bb) der Entscheidungsgründe bereits dargelegt worden ist.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 und 2, 709 Satz 2 ZPO.
IV. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil ein Zulassungsgrund gemäß § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegt.

RechtsgebieteArzneimittelrecht, AMWHVVorschriften§ 18 Abs. 1 S. 1 der Verordnung über die Anwendung der Guten Herstellungspraxis bei der Herstellung von Arzneimitteln und Wirkstoffen (AMWHV)

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