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15.04.2010 · IWW-Abrufnummer 101023

Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 05.11.2009 – 11 K 4662/06 L

1. Überlässt der Arbeitgeber durch Nichtweitergabe von Nebenkosten Wohnungen in nicht unerheblichem Umfang auch an Betriebsfremde zu einem niedrigeren als dem ortsüblichen Mietpreis, so ist das ein Indiz für einen fehlenden Veranlassungszusammenhang der Verbilligung mit dem Dienstverhältnis.



2. Ein deutlich unter 10 Prozent liegender Anteil an fremdvermieteten Objekten reicht hierfür nicht aus.



3. In den Fremdvergleich sind nicht nur die in einem aktiven Beschäftigungsverhältnis stehenden Personen, sondern auch ehemalige Arbeitnehmer/Rentner und die im Todesfall das Mietverhältnis fortsetzenden Ehegatten einzubeziehen.



4. § 177 AO ist auch auf einen Lohnsteuer-Nachforderungsbescheid anwendbar, der einen in der ursprünglichen Lohnsteueranmeldung nicht erfassten Sachverhalt aufgreift.



5. Umlagen an eine Zusatzversorgungskasse, die dem Arbeitnehmer einen unmittelbaren und unentziehbaren Rechtsanspruch gegen die Kasse verschaffen, führen im Zahlungszeitpunkt zu Arbeitslohn (Anschluss an BFH-Urteil vom 7. Mai 2009 - VI R 8/07, BFH/NV 2009, 1504). Ein Ruhen des Verfahrens im Hinblick auf das zu dieser Frage anhängige Revisionsverfahren VI R 36/09 ist nicht geboten.


Finanzgericht Düsseldorf v. 05.11.2009

11 K 4662/06 L

Tatbestand
Streitig ist, ob ein nachzuversteuernder geldwerter Vorteil vorliegt und ob gezahlte Lohnsteuer auf die Umlage an die rheinische Zusatzversorgungskasse auf 0 Euro herabzusetzen ist.

Der Kläger ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Im Jahr 2005 fand bei ihm eine Lohnsteueraußenprüfung für den Zeitraum 1. Januar 2001 bis 28. Februar 2005 statt.

Wegen der Prüfungsfeststellungen wird auf den Prüfungsbericht vom 9. September 2005 des Finanzamtes A-Stadt Bezug genommen, der sich in der Lohnsteueraußenprüfungsakte befindet. Laut Textziffer 9 des Berichtes verfügte der Kläger über eine größere Anzahl von Wohnungen, die überwiegend an Arbeitnehmer des Klägers vermietet wurden. Zur Überprüfung der ortsüblichen Miete wird turnusmäßig ein öffentlich bestellter Gutachter beauftragt. Die Gutachten werden zeitnah ausgewertet und die dabei festgestellten Mietwerte ordnungsgemäß angepasst. Die Nebenleistungen sind in den Gutachten nicht berücksichtigt. Die meisten Nebenleistungen werden als Vorauszahlungen auf die Mieter umgelegt, teilweise werden die Kosten auch direkt vom Mieter an das Versorgungsunternehmen gezahlt.

Die Außenprüfung stellte unter anderem fest, dass die Kosten für Hausversicherungen, Grundsteuer und Straßenreinigung nur bei Mietverhältnissen erhoben und abgerechnet wurden, die ab 2005 mit Arbeitnehmern neu abgeschlossen wurden.

Die Außenprüfung sah hierin geldwerte Vorteile bei den Mietern von Dienstwohnungen und den anderen Arbeitnehmern des Klägers. Die Prüferin errechnete einen nachzuversteuernden Vorteil von 50.855,20 Euro. Da der Kläger im Laufe der Prüfung einen Antrag auf Pauschalierung der Lohnsteuer nach § 40 Abs. 1 Nr. 2 EStG gestellt hatte, berechnete sie die nachzufordernde Lohnsteuer mit einem zwischen den Beteiligten unstreitigen pauschalen Nettosteuersatz von 46,1 %. Dem folgend erließ der Beklagte mit Datum vom 21. September 2005 unter Auswertung der anderen nicht strittigen Prüfungsfeststellungen einen Haftungs- und Nachforderungsbescheid. Die laut vorstehendem Sachverhalt nachzufordernden Lohnsteuerbeträge in Höhe von 23.444,25 Euro nebst 1.289,43 Euro für Solidaritätszuschlag, 895,05 Euro für ev. Kirchensteuer und 383,59 Euro für rk. Kirchensteuer wurden mit dem Nachforderungsbescheid geltend gemacht. Unter Berücksichtigung der übrigen nicht angegriffenen Prüfungsfeststellungen beläuft sich die Nachforderung insgesamt auf 43.269,99 Euro Lohnsteuer, 2.379,84 Euro Solidaritätszuschlag, 1.829,06 Euro evangelische Kirchensteuer und 783,90 Euro römisch-katholische Kirchensteuer.

In dem Bescheid vom 21. September 2005 hat der Beklagte außerdem für die Zeit vom 1. Januar 2001 bis 28. Februar 2005 den Vorbehalt der Nachprüfung für die abgegebenen Lohnsteueranmeldungen des Klägers aufgehoben.

Der Kläger legte gegen den Bescheid rechtzeitig Einspruch ein.

Das Einspruchsschreiben vom 21. Oktober 2005 des Klägers lautet wie folgt:

„Einspruch gegen den Haftungs- und Nachforderungsbescheid über Lohnsteuer vom 21.09.2005, erhalten am 22.09.2005

Sehr geehrte Damen und Herren,

gegen den o.g. Haftungs- und Nachforderungsbescheid für den Prüfzeitraum 01.01.2001 bis 28.02.2005 legen wir zunächst zur Fristwahrung Einspruch ein. Eine Begründung werden wir ggf. nachreichen.

Mit freundlichen Grüßen

i.V. „neutralisierter Name”

Auf Nachfrage des Beklagten bestätigte der Kläger mit Schreiben vom 20. Oktober 2006 seiner jetzigen Prozessbevollmächtigten, dass sein Einspruch lediglich den Nachforderungsteil des Bescheides betreffe und zwar in Bezug auf die steuerliche Behandlung der Dienstwohnungen. Einwendungen gegen den Haftungsbescheid seien bisher nicht erhoben worden. Sollte das Finanzamt dennoch die bisherigen Ausführungen als Einspruch gegen den Haftungsbescheid bewertet haben, werde hiermit der Einspruch gegen den Haftungsbescheid zurückgenommen.

Mit Einspruchsentscheidung vom 30. Oktober 2006 wies der Beklagte den Einspruch gegen den Nachforderungsbescheid über Lohnsteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag 2001 bis 2005 als unbegründet zurück. Zu den Einnahmen aus nichtselbstständiger Tätigkeit gehörten neben den Löhnen und Gehältern auch andere Bezüge und Vorteile aus einem Dienstverhältnis, auch aus einem früheren Dienstverhältnis. Auch die verbilligte oder unentgeltliche Nebenleistung sei als Sachbezug im Zusammenhang mit der Wohnungsüberlassung anzusehen und gehörte in tatsächlicher Höhe zum Arbeitslohn. Gemäß R 31 Abs. 6 Satz 6 Lohnsteuerrichtlinien (LStR) sei von dieser Regelung nur abzusehen, wenn der Arbeitgeber vergleichbare Wohnungen in nicht unerheblichem Umfang auch an fremde Dritte zu einem geringeren als dem üblichen Wert vermiete. Als Anhaltswert für einen nicht unerheblichen Umfang könne ein Anteil von 25 bis 30 % gelten. Nach den Berechnungen der Lohnsteuer-Prüferin liege der Anteil an Fremdmietern bei 7,5 %. Der Meinung des Einspruchsführers, seine ehemaligen Arbeitnehmer seien den Fremdmietern gleichzusetzen, könne nicht gefolgt werden. Sofern ehemalige Arbeitnehmer des Verbandes nunmehr Rentner seien, gelte der ihnen gewährte Vorteil ebenfalls als geldwerter Vorteil und somit als Arbeitslohn aus einem früheren Dienstverhältnis.

In seiner rechtzeitig erhobenen Klage wendet sich der Kläger gegen den Nachforderungsbescheid, soweit er die aus der Behandlung der Nebenkosten im Rahmen der Mietvertragsverhältnisse aus Sicht des Finanzamts gebotenen steuerlichen Folgerungen gezogen hat.

Daneben erstrebt der Kläger mit der Klage erstmalig, die seiner Meinung nach zu Unrecht angemeldete und gezahlte Lohnsteuer nebst Zuschlagssteuern auf die Umlagen an die rheinische Zusatzversorgungskasse im Zusammenhang mit der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes möglichst auf 0 Euro herabzusetzen.

Die Nachforderung in Bezug auf nicht abgerechnete Nebenkosten im Zusammenhang mit der Überlassung von Dienstwohnungen an Arbeitnehmer sei zu Unrecht erfolgt. Nur in einem Teil der Mietverträge sei die Umlage der Hausversicherung, der Grundsteuer und der Straßenreinigung vorgesehen und zugelassen worden. In einem anderen Teil der Mietverträge sei die Umlage dieser Betriebskosten, wie beispielhaft aus dem Mietvertrag mit Frau X., jetzt Y hervorgehe, ausdrücklich ausgeschlossen.

Der Ausschluss der genannten Betriebskosten von der Umlage in einzelnen Mietverträgen hinge nicht davon ab, ob die betreffenden Mieter Arbeitnehmer oder fremde Dritte waren. Bei den Nebenkostenabrechnungen sei einheitlich au eine Umlage der Hausversicherung, Grundsteuer und Straßenreinigung verzichtet worden, obwohl die Umlage bei einem Teil der Mietverhältnisse möglich gewesen wäre. Abgerechnet seien stets Stromkosten, Wasserkosten, Kanalgebühren, Müllabfuhr und Heizkosten, soweit die betreffenden Leistungen nicht unmittelbar von den einzelnen Mietern bezogen worden seien. Der Grund hierfür liege darin, dass vermieterseitig eine einheitliche Behandlung aller Mietverhältnisse angestrebt wurde. So habe eine Standardisierung der Nebenkostenabrechnungen erreicht werden können. Eine vertragsgemäße Umlage im weitestmöglichen Umfang hätte dagegen individualisierte Abrechnungen für jedes einzelne Mietverhältnis erforderlich gemacht. Der dabei entstandene Verwaltungsaufwand sei dem Kläger unverhältnismäßig hoch erschienen.

Zum anderen habe er Wert auf eine Gleichbehandlung der Mieter gelegt, weil er befürchtete, dass andernfalls Unruhe in der Mieterschaft entstehen könnte. Deshalb sei auch bei den Mietverhältnissen auf die Umlagen verzichtet worden, wo ihre Erhebung rechtlich möglich gewesen wäre und zwar unabhängig davon ob es sich bei den betreffenden Mietern um Arbeitnehmer oder Fremdmieter handelte.

Eine verbilligte Wohnungsüberlassung sei nach Fremdvergleichsgrundsätzen ausgeschlossen. Nach Abschnitt R 31 Abs. 6 Satz 6 LStR sei von einer verbilligten Wohnungsüberlassung dann nicht auszugehen, wenn Arbeitgeber vergleichbare Wohnungen in nicht unerheblichem Umfang an fremde Dritte zu gleichen Verhältnissen überlasse. Dies sei hier der Fall.

Der Kläger besitze 68 Wohnungen, die wie folgt genutzt würden

Echte Fremdmieter 7 Objekte

Gewerbliche Mieter (Fremdmieter) 2 Objekte

ehem. Arbeitnehmer des Klägers 13 Wohnungen (Fremdmieter)

Beschäftigte des Klägers 10 Wohnungen

Dienstwohnungen 34 Wohnungen

Leerstand 2 Wohnungen

68 Wohnungen

Ein Arbeitnehmer, der mehrere Jahre bei dem Kläger tätig war und anschließend eine Tätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber aufnehme, die Wohnung des Klägers aber weiterhin anmiete, sei eindeutig Fremdmieter. Ein Arbeitnehmer der bis zum 65. Lebensjahr bei dem Kläger tätig sei, danach in den Ruhestand trete, weiterhin jedoch seine vom ehemaligen Arbeitgeber angemietete Wohnung nutze, sei in gleicher Weise Fremdmieter.

Somit würden 22 von 68 Wohnungen, d.h. 32,35 % fremdvermietet.

Was die Umlagen an die Zusatzversorgungskasse betreffe, so zahle der Kläger Umlagen in Höhe von 4,25 % des zusatzversorgungspflichtigen Entgeltes seiner Mitarbeiter an die Rheinische Zusatzversorgungskasse im Zusammenhang mit der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes. Bis zu einem Betrag von 89,48 Euro erfolge eine pauschale Lohnversteuerung. Soweit Beiträge darüber hinaus gingen, sei die individuelle Einkommensteuer zu berücksichtigen (§ 16 Abs. 2 Altersvorsorge-Tarifvertrag-kommunal bzw. ATV-K). Die Umlagen stellten keinen steuerpflichtigen Arbeitslohn dar, weil ein quantifizierbarer Anspruch des Arbeitnehmers hierbei nicht entstehe.

Der Kläger habe auf die Umlagen pauschale Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer in folgender Höhe gezahlt:

2001 Euro 82.397,04
2002 Euro 83.928,98
2003 Euro 84.896,97
2004 Euro 85.347,10
2005 (bis 28.02.) Euro 14.179,05

Die angemeldeten Steuern seien um diese Beträge zu kürzen. Die Frage der Lohnsteuerpflicht von Beiträgen zu den Zusatzversorgungseinrichtungen der öffentlichen Hand sei gerichtlich noch nicht endgültig entschieden.

Die angefochtenen Haftungs- bzw. Pauschalierungsbescheide seien Änderungsbescheide zu den Lohnsteueranmeldungen (BFH, Urteil vom 23. Oktober 1992 - VI R 65/91, BStBl 1993 II S. 844, 846). Mit der Anfechtung dieser Bescheide sei somit die Lohnsteuerfestsetzung angegriffen und der Einspruch habe sich gegen die Bescheide insgesamt gerichtet. Zwar sei der Teil der pauschalen Lohnsteuer, der die Umlagen an die Rheinische Zusatzversorgungskasse betreffe, im Einspruchsverfahren nicht ausdrücklich beanstandet worden. Dies stelle jedoch nur eine betragsmäßige Erweiterung des Rechtsbehelfsbegehrens dar, die auch im Klageverfahren zulässig sei ( BFH, Urteil vom 23. Oktober 1989 – GrS 2/87, BStBl 1990 II S. 327; Urteil vom 12. September 1995 – IX R 78/94, BStBl 1996 II S. 16).

Damit sei zumindest eine Reduzierung der Haftungs- und Pauschalierungsbescheide bis auf 0 möglich. Dies ergebe sich aus § 177 Abs. Abgabenordnung (AO). Gegenstand des Klageverfahrens sei jedenfalls der Nachforderungsbescheid vom 21. September 2005 geworden. Dieser betreffe die Steuer, die der Kläger als Pauschalsteuer selbst schulde. Auch die Beiträge an die Zusatzversorgungskasse seien der Pauschalsteuer unterworfen worden. Es handele sich somit auch hier um eine Steuer, die der Kläger selbst schulde und die jedenfalls im Rahmen der rechtlichen Überprüfung des Nachforderungsbescheides Berücksichtigung finden müsse.

Der Kläger beantragt,

den Nachforderungsbescheid über Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer für den Zeitraum 01. Januar 2001 bis 28. Februar 2005 vom 21. September 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. Oktober 2006 aufzuheben,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

Klageabweisung.

Es werde auf die Einspruchsentscheidung verwiesen. Insbesondere sei zu beachten, dass tatsächlich nur 9 Objekte an echte Fremdmieter vermietet seien. Die den ehemaligen Arbeitnehmern gewährten Vorteile, die ihnen bereits zu ihrer aktiven Arbeitszeit gewährt wurden, stellten ebenfalls Arbeitslohn (aus einem früheren Dienstverhältnis) dar, der nur aufgrund der monatlichen Freigrenze für Sachbezüge nicht zu versteuern sei. In die Vergleichsberechnung seien diese Wohnungen jedoch als an Arbeitnehmer vermietete einzubeziehen.

Die Umlagen an die Rheinische Zusatzversorgungskasse seien von der Lohnsteueraußenprüfung nicht beanstandet worden. Sie seien auch im Nachforderungsbescheid nicht angesprochen worden und im Einspruchsverfahren nicht strittig gewesen.

Die Versteuerung der Vorteile aus den Nebenkostenabrechnungen der Dienstwohnungen sei im Nachforderungsbescheid vom 21. September 2005 erfolgt. Äußerlich mit diesem Bescheid verbunden sei ein Haftungsbescheid und ein Bescheid über die Aufhebung der Vorbehalte der Nachprüfung zu den Lohnsteueranmeldungen gewesen. Es handele sich um jeweils gesonderte Bescheide. Angefochten sei lediglich der Nachforderungsbescheid. Mit den ursprünglichen Lohnsteueranmeldungen sei die Lohnsteuer, die auf die Beiträge zur Rheinischen Zusatzversorgungskasse entfalle, angemeldet. Diese Bescheide seien heute nicht mehr änderbar, da die Vorbehalte der Nachprüfung mit Bescheid vom 21. September 2005 aufgehoben worden seien.

Zudem stellten die monatlichen Umlageanteile steuerpflichtigen Arbeitslohn dar. Ein Einspruch gegen die einzelnen Lohnsteueranmeldungen oder den Bescheid über die Aufhebung der Vorbehalte der Nachprüfung hätte allenfalls zu einem Ruhen der Einspruchsverfahren geführt, nicht jedoch zu einer Minderung des Nachforderungsbescheides.

Der Kläger schulde die pauschalen Lohnsteuern zwar auch für die Beiträge zur Zusatzversorgungskasse. Die Versteuerung sei jedoch mit anderen Steuerbescheiden erfolgt und nicht mit dem angefochtenen Nachforderungsbescheid. Eine Saldierung nach § 177 AO sei aber nur innerhalb eines Bescheides möglich. Im Übrigen müssten die aufzurechnenden Beträge auch für die jeweiligen Monate aufgeschlüsselt werden.

Im Klageverfahren ist der Kläger aufgefordert worden, für den Prüfungszeitraum eine tabellarische Aufstellung über die von ihm vermieteten Wohnungen einzureichen. Auf das entsprechende Schreiben des Berichterstatters vom 2. September 2008 wird Bezug genommen.

Mit Schriftsatz vom 16. September 2008 reichte der Kläger eine entsprechende tabellarische Aufstellung ein, auf die ebenfalls Bezug genommen wird.



Gründe
Die Klage ist unbegründet.

Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO).

1. Das Finanzamt hat zu Recht in der Nichtgeltendmachung der Nebenkosten zu den vermieteten Wohnungen eine verbilligte Wohnungsüberlassung und damit einen geldwerten Vorteil gesehen, der zu steuerpflichtigem Arbeitslohn im Sinne des § 19 EStG führt, was dann die entsprechende Lohnsteuernachforderung rechtfertigt.

a) Zu den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit gehören neben Gehältern, Löhnen, Gratifikationen und Tantiemen auch „andere Bezüge und Vorteile” aus dem Dienstverhältnis (§ 19 Abs. 1 Satz 1, § 8 Abs. 1 EStG). Ein solcher steuerpflichtiger Vorteil kann auch in der verbilligten Überlassung einer Wohnung liegen. Überlässt nämlich ein Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer verbilligt eine Wohnung, so liegt darin nach der Rechtsprechung ein geldwerter Vorteil, der dem Arbeitnehmer im Rahmen des Dienstverhältnisses zufließt und der als Sachbezug gemäß § 8 Abs. 2 EStG mit dem Unterschiedsbetrag zwischen dem üblichen Mittelpreis des Verbrauchsortes und dem Betrag, der dem Arbeitnehmer in Rechnung gestellt worden ist, angesetzt werden muss (Urteil vom 15.Dezember 1978 – VI R 36/77, BFHE 127, 26 = BStBl 1979 II S. 629). Üblicher Mittelpreis des Verbrauchsortes ist in Bezug auf die Nichtweitergabe von Nebenkosten die ortsübliche Höhe der Nebenkosten für Wohnungen vergleichbarer Art, Lage und Ausstattung, die vom FG als Tatsacheninstanz festzustellen ist.

Damit gehört der in der Nichterhebung der oben bezeichneten Nebenkosten liegende, den Arbeitnehmern des Klägers gewährte geldwerte Vorteil zum steuerpflichtigen Arbeitslohn.

b) Die hieraus resultierende Pflicht zur Anmeldung und Abführung der jeweiligen Lohnsteuer ist auch nicht deshalb entfallen, weil im Prüfungszeitraum fremde Dritte als Mieter die gleichen Vorteile genossen haben.

Überlässt der Arbeitgeber Wohnungen in nicht unerheblichem Umfang auch fremden Dritten zu einem niedrigeren als dem ortsüblichen Mietpreis, so ist das ein Indiz für einen fehlenden Veranlassungszusammenhang der Verbilligung mit dem Dienstverhältnis; deshalb ist für die Besteuerung von der niedrigeren Miete auszugehen (R 31 Abs. 6 Satz 6 Lohnsteuerrichtlinien 2003; Hartz/Meeßen/Wolf, ABC-Führer Lohnsteuer, Lfg. 72 zur 4. Aufl., März 2005, S. 369 zu „Dienstwohnung”). Der geldwerte Vorteil ist dann kein steuerpflichtiger Arbeitslohn. „Nicht unerheblich” ist der Umfang einer Überlassung an Betriebsfremde dann, wenn er wirtschaftlich so ins Gewicht fällt, dass die auf der Lebenserfahrung („der Kaufmann verschenkt nichts”) beruhende Vermutung, der geldwerter Vorteil beruhe auf dem Dienstverhältnis, aufgehoben oder überlagert wird durch eine aus den Gesamtumständen des Falls erkennbare Absicht des vermietenden Arbeitgebers, dem allgemeinen Wohnungsmarkt aus sozialen Erwägungen Wohnungen zu günstigen Bedingungen zuzuführen. Beträgt der an Betriebsfremde vermietete Anteil etwa 25 bis 30 % des Wohnungsbestandes, dürfte dies ein Anhaltspunkt für eine solche Absicht sein (Hartz/Meeßen/Wolf, S. 369).

Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze auf den Streitfall ist das Finanzamt zu Recht davon ausgegangen, dass der Anteil an Fremdmietern im Prüfungszeitraum unerheblich ist.

Zu den Arbeitnehmern des Klägers zählen entgegen der Ansicht des Klägers nicht nur die in einem aktiven Beschäftigungsverhältnis stehenden Personen sondern auch ehemalige Arbeitnehmer/Rentner und hier im Todesfall der das Mietverhältnis fortsetzende Ehegatte. Dies folgt aus der gesetzgeberischen Wertung des § 24 EStG in der im Streitzeitraum geltenden Fassung. Nach § 24 Nr. 2 EStG gehören zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 1 EStG auch Einkünfte aus einer ehemaligen Tätigkeit als Arbeitnehmer und zwar auch dann, wenn sie dem Steuerpflichtigen als Rechtsnachfolger zufließen. Der Veranlassungszusammenhang des weiter fortbestehenden Vorteils mit dem Arbeitsverhältnis soll durch dessen Beendigung und durch den Tod des ehemaligen Arbeitnehmers nicht enden.

Unter Berücksichtigung des so gefassten Arbeitnehmerbegriffes waren bei Auswertung der vom Kläger im Klageverfahren mit Schreiben vom 16. September 2008 ergänzend eingereichten Unterlagen, des Schriftsatzes vom 02. Oktober 2009 und der fernmündlichen Ergänzungen vom 04. November 2009 zu den Wohnungen A-Straße 1, C-Stadt, B-Straße 1, B-Stadt und C-Straße 1 und 2, B-Stadt im Prüfungszeitraum 68 Wohnungen des Klägers vermietet. Diverse Wohnungen waren durchgehend in dem 50 monatigen Prüfungszeitraum an Arbeitnehmer bzw. an fremde Dritte vermietet, so dass hierfür jeweils 1 Einheit (Arbeitnehmervermietung bzw. Fremdvermietung) anzusetzen war. Auch vorhandene Leerstandszeiten und Mieterwechsel (Beispiel: erst Arbeitnehmer, dann Fremdmieter), führten im Einzelfall dazu, dass im Hinblick auf die dann unter 50 Monaten liegende tatsächliche Mietzeit (Arbeitnehmer- und/oder Fremdvermietung) für die betreffende Wohnung eine unter der Zahl „1” liegende Einheit anzusetzen war. Dies vorausgeschickt, waren danach im Streitzeitraum rechnerisch 59,12 Wohnungen an Arbeitnehmer, ehemalige Arbeitnehmer und an die Witwe eines ehemaligen Arbeitnehmers vermietet, wohingegen nur 5,64 Wohnungen an fremde Dritte vermietet waren. Bei einem tatsächlich vermieteten rechnerischen Wohnungsgesamtbestand von 64,76 Einheiten beträgt damit der an die Arbeitnehmergruppe vermietete Anteil 91,29 Prozent und der an fremde Dritte vermietete Anteil 8,71 Prozent.

Ein (deutlich) unter 10 Prozent liegender Anteil an fremdvermieteten Objekten reicht jedoch nach der oben wiedergegebenen Auffassung, der sich der Senat anschließt, nicht aus, um einen „nicht unerheblichen Umfang” betriebsfremder Mieter anzunehmen, der dann einen geldwerten Vorteil entfallen lässt.

Ein solch geringer Anteil stellt die bisherige Vermietungsstruktur in Bezug auf die Frage der ortsüblichen Abrechnung von Nebenkosten noch nicht in Frage.

c) Die Höhe des nachgeforderten Betrags ist vom Kläger nicht bestritten worden. Anhaltspunkte für eine etwaige fehlerbehaftete Berechnung sind aus den Akten ebenfalls nicht ersichtlich.

d) Dass der Arbeitgeber teilweise vertraglich auf die Geltendmachung der strittigen Nebenkosten verzichtet hat, beseitigt den geldwerten Vorteil nicht. Vielmehr liegt erst recht ein geldwerter Vorteil vor, wenn der Arbeitgeber nicht nur regelmäßig stillschweigend auf die Geltendmachung ihm zu erstattender Beträge verzichtet sondern diesen Verzicht mit bindender Wirkung zu Beginn des Mietverhältnisses von vornherein definitiv vereinbart.

e) Soweit sich der Kläger in der mündlichen Verhandlung darauf berufen hat möglicherweise hätten die strittigen Nebenkosten mietrechtlich gar nicht umgelegt werden können, ist dem ebenfalls nicht zu folgen. Substantiierte Ausführungen sind hierzu nicht gemacht worden. Für eine mietrechtlich unzulässige Umlage der strittigen Nebenkosten sprechen auch nicht die mit Schriftsatz vom 31. März 2009 eingereichten 17 Mietverträge bezüglich der vom Kläger vermieteten Wohnungen (Bl. 108 ff. d.A.). Die ersten 14 Verträge, beginnend mit den Eheleuten W. und endend mit den Eheleuten Z. betreffen sämtlich Zeiträume nach 1984. In diesen Verträgen ist zwar festgehalten, dass Hausversicherung, Grundsteuer und Straßenreinigung nicht umgelegt werden dürfen. Nach § 556 BGB gültig ab dem 01. September 2001 und für die davor liegenden Zeiträume nach § 4 des Gesetzes zur Regelung der Miethöhe ( MHG , Bundesgesetzblatt _ BGBl 1974 I S. 3603) i.V.m. mit § 27 der Verordnung über wohnungswirtschaftliche Berechnungen nach dem zweiten Wohnungsbaugesetz (II. BVO) in der ab 01. August 1984 geltenden Fassung ( BGBl 1984 I S. 553) waren schon damals die Kosten für Hausversicherungen, Grundsteuer und Straßenreinigung als Betriebskosten auf den Mieter umlegbare Nebenkosten (vgl. § 27 II. BVO i.V.m. der Anlage 3 zu § 27 Abs. 1, dort die Nr. 1, 8 und 13). Damit stellt der vertragliche Verzicht nach den obigen Erwägungen unter d) nach wie vor die Einräumung eines geldwerten Vorteils dar.

Die restlichen drei Mietverträge (V., U. und T.) führen nicht ausdrücklich auf, dass auch die strittigen Nebenkosten umgelegt werden, wobei das älteste Mietverhältnis (V.) schon im Mai 1972 begonnen hat. Allerdings deutet schon der älteste Vertrag (V.) darauf hin, dass ebenfalls schon damals die strittigen Kosten mietrechtlich umlegbar waren. In den §§ 4, 4a dieses Vertrags ist die Umlagefähigkeit der Grundsteuer, der Straßenreinigungsgebühr und der Kosten für Hausversicherungen unter „sonstige Nebenkosten” aufgeführt. Dies entspricht auch der damaligen mietrechtlichen Rechtslage. Nach § 4 MHG , der nach dem Außerkrafttreten des Mieterschutzgesetzes für die bergische Region Ende 1967 (vgl. hierzu: Juris, Stichwort: Mieterschutzgesetz) ab dem 1. Januar 1975 galt, durften für Betriebskosten im Sinne des § 27 II. BVO Vorauszahlungen vereinbart und auch Erhöhungen anteilig auf die Mieter umgelegt werden. Ein Mietverhältnis, das zur Zeit des Inkrafttretens des MHG bestand, richtete sich von diesem Zeitpunkt nach dem neuen Recht (Art. 4 Abs. 1 des zweiten Wohnraumkündigungsschutzgesetzes vom 18. Dezember 1974, BGBl 1974 I S. 3603). Damit waren auch bei den alten Verträgen die strittigen Nebenkosten damals zumindest mit Wirkung für die Zukunft umlegbar. Damit stellt die Nichterhebung im Prüfungszeitraum ebenfalls einen geldwerten Vorteil dar. Dies gilt umso mehr, als schon in den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts die Kosten für Hausversicherungen, Grundsteuer und Straßenreinigung umlegbare Kosten waren (vgl. § 22 Neubaumietenverordnung _ NMVO – vom 19. Dezember 1962, BGBl 1962 I S. 753 i.V.m. § 7 NMV O und § 27 II. BVO i.d.F. vom 17. Oktober 1957 – BGBl 1957 I S. 1719).

2. Die Klage mit dem weiteren Begehren, die Lohnsteuernachforderung wegen der gezahlten und schon in den bestandskräftigen laufenden Lohnsteueranmeldungen lohnversteuerten Umlage an die Zusatzversorgungskasse aufzuheben, ist ebenfalls unbegründet.

Eine zur Aufhebung des strittigen Nachforderungsbescheides führende Saldierung etwa zu Unrecht lohnversteuerter Umlagebeiträge mit der Nachforderung wegen der nicht umgelegten Mietnebenkosten nach § 177 AO scheidet aus.

Nach § 177 Abs. 1 AO sind bei einer Änderung des Steuerbescheides zuungunsten des Steuerpflichtigen, soweit die Änderung reicht, zugunsten des Steuerpflichtigen solche materiellen Fehler zu berichtigen, die nicht Anlass der Änderung sind.

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ändert ein Pauschalisierungsbescheid der Sachverhalte aufgreift, die in zuvor ergangenen Lohnsteueranmeldungen zu erfassen waren, aber zu Unrecht nicht erfasst wurden, die diesbezüglichen Lohnsteueranmeldungen (BFH, BStBl 1993 II S. 844 und BFH in BFHE 168, 505 und 532).

Damit dürfte im Streitfall entgegen der Ansicht des Beklagten § 177 Abs. 1 AO anwendbar sein.

Die Voraussetzungen der Vorschrift sind indes nicht erfüllt. Es liegt kein materieller Fehler vor, der zugunsten des Klägers zu berichtigen ist.

Die Umlage an die Zusatzversorgungskasse ist zu Recht lohnversteuert worden. Solche Umlagezahlungen, die _ wie auch im Streitfall _ dem Arbeitnehmer einen unmittelbaren und unentziehbaren Rechtsanspruch gegen die Kasse verschaffen, führen im Zahlungszeitpunkt zu Arbeitslohn, wobei es für den Arbeitslohncharakter der Zukunftssicherungsleistungen grundsätzlich nicht darauf ankommt, ob der Versicherungsfall bei dem begünstigten Arbeitnehmer überhaupt eintritt und welche Leistungen dieser erhält (BFH, Urteil vom 7. Mai 2009 – VI R 8/07, BFH/NV 2009, 1504). Verfassungsrechtliche Bedenken zu dieser Ansicht hat der Senat nicht.

Es war auch nicht geboten, das Verfahren im Hinblick auf die gegenteilige Ansicht des FG Münster vom 28. Mai 2009 (EFG 2009, 1533) ruhen zu lassen, bis der BFH über die zugelassene und eingelegte Revision (BFH – VI R 36/09) entschieden hat. Es ist nicht ersichtlich, dass der Bundesfinanzhof von seiner vorerwähnten neuesten Rechtsprechung abweichen wird.

Die gegen das BFH-Urteil vom 7. Mai 2009 – VI R 8/07 – eingelegte Anhörungsrüge (§ 133 a FGO) spricht ebenfalls nicht dafür, das Verfahren ruhen zu lassen. Die Einlegung der Rüge als solche beseitigt nicht die Rechtskraft der Entscheidung. Es ist auch nicht erkennbar, dass die vom Kläger mitgeteilten Einzelheiten zur Verletzung des rechtlichen Gehörs zwingend zu einer Fortsetzung des BFH-Verfahrens unter Durchbrechung der Rechtskraft führen wird (hierzu Ruban, in: Gräber, 6. Aufl., § 133 a FGO Rdn. 19).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

RechtsgebieteEStG, LStR, AOVorschriftenEStG § 8 Abs. 2 EStG § 19 Abs. 1 Satz 1 EStG § 24 Nr. 2 EStG § 40 Abs. 1 Nr. 2 LStR 2003 R 31 Abs. 6 Satz 6 AO § 177 Abs. 1

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