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12.03.2010 · IWW-Abrufnummer 100779

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz: Beschluss vom 30.11.2009 – 1 Ta 255/09

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Aktenzeichen:
1 Ta 255/09
8 Ca 1285/09
ArbG Kaiserslautern
Beschluss vom 30.11.2009
Tenor:
1. Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Wertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 02.10.2009 - 8 Ca 1285/09 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten der Beklagten wird für das Verfahren auf 5.914,34 EUR festgesetzt.
2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beschwerdeführer in Höhe einer halben Gebühr.
4. Ein Rechtsmittel ist gegen diese Entscheidung nicht gegeben.
Gründe:
I. Im vorliegenden Beschwerdeverfahren begehrt der Prozessbevollmächtigte der Beklagten die Festsetzung eines höheren Gegenstandswertes.
Die bei der Beklagten seit dem 01.05.2008 beschäftigte Klägerin hat eine Kündigungsschutzklage gegen die außerordentliche Kündigung vom 31.07.2009 erhoben, hat eine zuvor ausgesprochene ordentliche Kündigung vom 23.07.2009 zum 31.08.2009 jedoch nicht angegriffen. Zudem hat sie einen allgemeinen Feststellungsantrag - bezogen auf die Zeit bis Ende August – gestellt und hat darüber hinaus beantragt, die Beklagte zur Zahlung von Arbeitsentgelt für die Monate Juli und August i.H.v. 3234,00 Euro brutto abzüglich für den Monat Juli gezahlter 1292,14 Euro netto zu zahlen. Die Klägerin hat zudem Fahrtkosten i.H.v. 265,98 Euro geltend gemacht sowie Urlaubsabgeltung i.H.v. 1.837,50 Euro.
Die Parteien haben das Verfahren durch einen Vergleich im Gütetermin beendet.
Auf Antrag des Prozessbevollmächtigten der Beklagten hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 02.10.2009 den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfahren auf 4.045,34 € und für den Vergleich auf 4.945,34 € festgesetzt.
Es hat dabei hinsichtlich des Verfahrens wegen „wirtschaftlicher Identität“ allein auf den Wert der Zahlungsanträge abgestellt, ohne den Kündigungsschutzantrag und den allgemeinen Feststellungsantrag darüber hinausgehend zu bewerten. Für die Aufnahme des Zeugnisses hat das Arbeitsgericht bezüglich des Vergleichs einen Mehrwert i.H. eines Bruttomonatsentgelts angenommen, wobei es von dem im Arbeitsvertrag vereinbarten Betrag von 900,00 Euro ausgegangen ist. Der Beklagtenbevollmächtigte hat jedoch vorgetragen, das vereinbarte Arbeitsentgelt sei mündlich von 9,00 auf 10,50 Euro erhöht worden, so dass der Bruttoverdienst bei Zugrundelegung der vereinbarten 25 Wochenstunden 1.137,50 Euro monatlich betrage.
Gegen diesen, dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 06.10.2009 zugestellten, Beschluss hat dieser mit einem am 12.10.2009 beim Arbeitsgericht Kaiserslautern eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt, zuletzt noch mit dem Ziel, den Gegenstandswert für das Verfahren auf 7.456,86 Euro festzusetzen.
Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen mit der Begründung, die bezifferten Anträge gäben den Wert des Rechtsstreits bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses wieder und hat sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II. 1. Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist gem. § 33 Abs. 3 RVG zulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt den Mindestbeschwerdewert von 200,- €.
2. Das Rechtsmittel hat in der Sache teilweise Erfolg. Der vom Arbeitsgericht im angefochtenen Beschluss festgesetzte Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfahren ist auf 5.914,34 Euro zu erhöhen.
a. Der Kündigungsschutzantrag ist, wie vom Beschwerdeführer geltend gemacht, mit drei Bruttomonatsverdiensten, also mit 3.412,50 Euro, zu bewerten. Hinsichtlich der Höhe des Entgelts ist dabei von dem nicht bestrittenen Vorbringen des Beschwerdeführers auszugehen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG, Beschl. v. 30.11.1984 - 2 AZN 572/82 (B) - NZA 1985, 369 ff.) und der ständigen Rechtsprechung der erkennenden Beschwerdekammer (vgl. zuletzt LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 23.07.2009 - 1 Ta 159/09) enthält § 42 Abs. 4 S. 1 GKG keinen Regelstreitwert. Der Vierteljahresverdienst ist vielmehr nur die Obergrenze für den vom Gericht nach freiem Ermessen (§ 3 ZPO) festzusetzenden Streitwert. Der Gegen-standswert der anwaltlichen Tätigkeit ist in typisierender Betrachtungsweise bei einem Bestand des Arbeitsverhältnisses von bis zu sechs Monaten grundsätzlich auf einen Monatsverdienst, bei einem Bestand von sechs bis 12 Monaten grundsätzlich auf zwei Monatsverdienste und bei einem Bestand ab 12 Monaten grundsätzlich auf drei Monatsverdienste festzusetzen.
Im vorliegenden Fall bestand das Arbeitsverhältnis der Parteien bei Ausspruch der außerordentlichen Kündigung länger als ein Jahr, so dass der Gegenstandswert mit drei Bruttomonatsverdiensten festzusetzen ist.
Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts führt die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die nicht angegriffene ordentliche Kündigung zum 31.08.2009 nicht zu einer Beschränkung des Gegenstandswertes auf das bis zu diesem Zeitpunkt zu zahlende Entgelt.
Maßgeblich ist die Bestandsdauer des Arbeitsverhältnisses, nicht hingegen, ob das Arbeitsverhältnis befristet ist (LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 07.07.2009 - 1 Ta 143/09) oder - wie hier - aufgrund einer nicht streitgegenständlichen Kündigung zu einem nach dem umstrittenen Endtermin liegenden Zeitpunkt endet. Ebensowenig spielt es für die Bewertung des Bestandsinteresses eine Rolle, ob - wie möglicherweise im vorliegenden Fall - wegen Eingreifens der sog. "Kleinbetriebsklausel" kein Kündigungsschutz besteht. Die Rechtsprechung der Beschwerdekammer geht von einem höheren Interesse des Arbeitnehmers an dem Bestand des Arbeitsverhältnisses aus, je stärker sich die Bindung der Vertragspartner verfestigt hat und je weniger der Arbeitnehmer noch damit rechnen muss, dass der Arbeitgeber ihn etwa wegen fehlender Eignung entlässt. Die Dauer des Arbeitsverhältnisses ist hierfür ein sachgerechtes Kriterium, da sich die grundsätzliche Geeignetheit des Arbeitnehmers für den Arbeitsplatz in der Regel in der Probezeit oder jedenfalls innerhalb des ersten Jahres des Bestehens des Arbeitsverhältnisses herausstellt. Hingegen wäre es unangemessen, allein auf das Bestehen von Kündigungsschutz abzustellen und beispielsweise das Interesse eines seit 20 Jahren in einem Kleinbetrieb beschäftigten Arbeitnehmers am Bestand des Arbeitsverhältnisses mit dem eines in den ersten sechs Monaten gekündigten Arbeitnehmers gleichzusetzen.
Eine Reduzierung des Wertes der Kündigungsschutzklage auf das von dem angegriffenen Beendigungstermin bis zur „regulären“ Beendigung zu zahlende Arbeitsentgelt ist jedenfalls im Streitfalle nicht sachgerecht. Dem sich gegen die außerordentliche, i.d.R. verhaltensbedingte Kündigung wehrenden Arbeitnehmer geht es über die reine Zahlung hinaus um eine Rehabilitation von erhobenen Vorwürfen, an der er auch ein wirtschaftliches Interesse hat, so insbesondere im Hinblick auf die Verhängung einer Sperre bezüglich des Arbeitslosengeldbezuges und versehen mit dem Makel, nach langer Beschäftigungsdauer mitten im laufenden Monat aus dem Arbeitsverhältnis durch Arbeitgeberkündigung auszuscheiden. Eine solche Angabe in einem Arbeitszeugnis deutet auf eine mit einem Makel behaftete fristlose Kündigung hin. Insofern unterscheidet sich der vorliegende Fall von der Variante, dass es dem Arbeitnehmer nur um die Dauer einer ohnehin kurzen Kündigungsfrist etwa während der Probezeit geht.
Der vorliegende Fall ist auch zu unterscheiden von den Fällen, in denen in einem Verfahren die Wirksamkeit mehrerer Kündigungen, die in einem nahen zeitlichen Zusammenhang ausgesprochen worden sind, angegriffen wird. Nach der Rechtsprechung der Kammer (z.B. LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 22.09.2009 - 1 Ta 241/09) ist die erste Kündigung abhängig von der Dauer des Bestands des Arbeitsverhältnisses mit bis zu drei Bruttomonatsverdiensten zu bewerten, während jede weitere Kündigung sich - abhängig vom Vorliegen eines identischen Kündigungssachverhalts - entweder gar nicht oder grundsätzlich maximal i.H. eines Bruttomonatsentgelts werterhöhend auswirkt.
Da die ordentliche Kündigung hier nicht verfahrensgegenständlich wurde, ist nur eine Kündigung zu bewerten, so dass es nicht auf die wirtschaftliche Identität zweier Kündigungsschutzanträge ankommt.
Auch die Rechtsprechung des LAG Rheinland-Pfalz zur Bewertung von Entgeltanträgen hat keinen Einfluss auf den Wert des Kündigungsschutzantrages, sondern lediglich auf die Bewertung des Entgeltantrages.
b. Insoweit ist das Arbeitsgericht teilweise zu Recht von einer wirtschaftlichen Identität zwischen Entgelt- und Kündigungsschutzantrag ausgegangen, wenn auch unter Zugrundelegung eines zu niedrigen Wertes des Kündigungsschutzantrages.
Wegen des sozialen Schutzzwecks des § 42 Abs. 4 GKG sind bei wirtschaftlicher Identität zwischen einem Kündigungsschutzantrag und einem Entgeltantrag beide Anträge nicht gesondert zu bewerten, sondern es ist auf den jeweils höheren abzustellen. Wirtschaftliche Identität beider Streitgegenstände ist dann gegeben, wenn der Erfolg der Entgeltklage von dem der Kündigungsschutzklage abhängt, wenn also Entgelt für einen Zeitraum nach dem vermeintlichen Ende des Arbeitsverhältnisses gefordert wird und sich die beiden Zeiträume decken (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 11.08.2009 - 1 Ta 170/09 m. w. N.). Eine wirtschaftliche Teilidentität zwischen Kündigungsschutzantrag und Entgeltantrag kann demnach nur soweit entstehen, wie die Bewertung des Kündigungsschutzantrags reicht.
Ist der Kündigungsschutzantrag - wie hier - bei einem über ein Jahr bestehenden Arbeitsverhältnis mit drei Bruttomonatsverdiensten zu bewerten, ist ein Vergleich zwischen dem Wert des Kündigungsschutzantrages auf der einen und dem Wert geltend gemachter Zahlungsansprüche für den Dreimonatszeitraum auf der anderen Seite anzustellen und der höhere von beiden Werten der Gegenstandswertfestsetzung zu Grunde zu legen. Vorliegend konnte die streitgegenständliche fristlose Kündigung frühestens zum 31.07.2009 Wirkung entfalten. Die Zahlung des Monatsgehalts für August fällt mithin in den Zeitraum von drei Monaten nach der vermeintlichen Beendigung des Arbeitverhältnisses. Anders hingegen ist der auf den Monat Juli 2009 bezogene Teil des Entgeltantrages zu behandeln, da dieser nicht von der außerordentlichen Beendigung des Arbeitverhältnisses abhängt, sondern einen Zeitraum des unstreitig noch laufenden Arbeitsverhältnisses betrifft.
Somit ist der für Juli geforderte Betrag i.H.v. 1.690,50 Euro brutto abzüglich der gezahlten 1.292,14 Euro netto i.H.d. Differenzbetrages von 398,36 Euro werterhöhend zu berücksichtigen. Hingegen bleibt der für August eingeklagte Betrag i.H.v. 1.543,50 Euro wegen wirtschaftlicher Identität außer Ansatz.
c. Zutreffend hat das Arbeitsgericht den allgemeinen Feststellungsantrag nicht als werterhöhend angesehen, da er neben dem Kündigungsschutzantrag gestellt wurde und die Parteien im Prozess keinen Streit über einen konkreten weiteren Beendigungstatbestand geführt haben.
d. Das Arbeitsgericht hat die Zahlungsanträge betreffend die Fahrtkosten und die Urlaubsabgeltung zu Recht in Höhe der bezifferten Beträge berücksichtigt.
e.Entsprechend der vorstehenden Ausführungen ist der Wertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts abzuändern. Die Addition der genannten Gegen-standswerte gem. §§ 3, 5 ZPO ergibt einen Gesamtwert i.H.v. 5.914,34 Euro.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens gemäß § 97 Abs. 1 ZPO i.V.m. Nr. 8614 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG trotz seines der Höhe nach geringfügigen Obsiegens im Hinblick auf die fehlerhafte Bewertung des Kündigungsschutzantrages in dem abzuändernden Beschluss lediglich in Höhe einer halben Gebühr zu tragen.
4. Ein Rechtsmittel gegen diesen Beschluss ist nach § 33 Abs. 4 S. 3 RVG nicht gegeben.

RechtsgebieteArbeitsrecht, Gegenstandswert Vorschriften§ 42 GKG

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