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09.03.2010 · IWW-Abrufnummer 093322

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg: Urteil vom 26.06.2009 – L 1 KR 241/07

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 22. Januar 2007 geändert.

Der Bescheid der Beklagten vom 8. Dezember 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juni 2004 wird aufgehoben, soweit er die Beigeladene zu 1) betrifft.

Die Beklagte trägt die Kosten beider Rechtszüge mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die diese selbst zu tragen haben.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Nachforderungen von Gesamtbeiträgen zur Sozialversicherung wegen der Beschäftigung der Beigeladenen zu 1) in ihrem Betrieb aufgrund eines für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrages für den Zeitraum vom 1. Januar 1999 bis 31. Dezember 2002.

Die Klägerin betreibt unter der Bezeichnung „Gebäudemanagement“ eine Firma, als deren Geschäftszweck sie „- Hauswartung, - Glas- und Gebäudereinigung, - Grünanlagenpflege, - Schnee- und Eisbeseitigung, - Straßen- und Großflächenreinigung, - Sicherheitsdienste“ angibt. Sie ist bei der Handwerksinnung Berlin in die Handwerksrolle als Gebäudereinigerbetrieb eingetragen. Die Prüf- und Beratungsstelle für Dienstleistung und Gebäudemanagement Berlin hat schriftlich mitgeteilt, dass die Klägerin dort als Gebäudereinigerbetrieb registriert sei und Mitgliedsbeiträge zahle.

Die Beklagte führte vom 19. Juni 2003 bis zum 24. Juni 2003 bei der Klägerin eine Betriebsprüfung über den streitigen Zeitraum durch. Dabei stellte sie fest, dass Gesamtsozialversicherungsbeiträge nicht aus den Entgelten gezahlt wurden, die sich aus den für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträgen für das Gebäudereinigerhandwerk in B ergaben, sondern aus niedrigeren Entgelten. Für die Beigeladene zu 1) ergab sich eine Nachforderung in Höhe von 549,39 €, deren Höhe sich aus den Berechnungen im Verwaltungsvorgang der Beklagte ergibt und die unstreitig ist.

Mit Bescheid vom 8. Dezember 2003 forderte die Beklagte von der Klägerin insgesamt für 35 Arbeitnehmer 29.546,13 €, für die Beigeladene zu 1) 549,36 €.

Nachdem der dagegen am 11. Januar 2004 erhobene Widerspruch bis dahin nicht begründet worden war, wies ihn die Beklagte mit Bescheid vom 24. Juni 2004 zurück.

Hiergegen hat sich die am 29. Juli 2004 beim Sozialgericht Berlin erhobene Klage gerichtet, mit der die Klägerin vorgetragen hat, der Tarifvertrag für das Gebäudereinigerhandwerk finde auf ihren Betrieb keine Anwendung. Angaben zur Tätigkeit des Betriebes hat sie nicht gemacht, es sei Aufgabe der Beklagten nachzuweisen, dass sie überwiegend Gebäudereinigungstätigkeiten verrichte.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, aus den Feststellungen im Prüfverfahren und dem gesamten Auftreten der Klägerin nach außen ergebe sich, dass diese überwiegend mit Gebäudereinigung beschäftigt sei.

Mit Gerichtsbescheid vom 22. Januar 2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, alle vorhandenen Hinweise sprächen dafür, dass die Klägerin ein Gewerbe im Bereich der Gebäudereinigung betreibe, so dass die entsprechenden allgemeinverbindlichen Tarifverträge Anwendung fänden. Dies schlösse zwar nicht aus, dass sie auch andere Tätigkeiten ausübe, es hätte jedoch ihr oblegen, substantiiert darzulegen, ob und gegebenenfalls wie diese Tätigkeiten überwögen.

Gegen diesen ihrem Prozessbevollmächtigten am 19. Februar 2007 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die Berufung der Klägerin vom 19. März 2007. Es hätte nach der Darlegungs- und Beweislast der Beklagten oblegen, die sachlichen Voraussetzungen eines Entgeltanspruches darzulegen und zu beweisen.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 22. Januar 2007 zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 8. Dezember 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24. Juni 2004 soweit er die Beigeladene zu 1) betrifft, aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 21. November 2008 ist der Beklagten unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts - BAG - zur tarifvertraglichen Einordnung von Mischbetrieben Gelegenheit gegeben worden, darzulegen, dass die Arbeitszeit der Arbeitnehmer der Klägerin im streitigen Zeitraum überwiegend durch Tätigkeiten des Gebäudereinigerhandwerks in Anspruch genommen wurde. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Klägerin habe nachzuweisen, dass dies nicht der Fall sei.

Wegen des Sachverhalts im Übrigen und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten sowie auf die Verwaltungsvorgänge der Beklagten zu dem streitigen Prüf- und Nachforderungsvorgang verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist begründet.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen.
Der Bescheid vom 8. Dezember 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juni 2004 ist rechtswidrig. Die Klägerin schuldet keine Gesamtsozialversicherungsbeiträge nach dem Tariflohn für die Beigeladene zu 1).

Nach § 28 p Abs. 1 Satz 1 SGB IV prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach diesem Gesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag entstehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen (§ 28 a SGB IV) mindestens alle vier Jahre. Die Träger der Rentenversicherung erlassen im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern; insoweit gelten § 28 h Abs. 2 SGB IV sowie § 93 SGB IV i. V. m. § 89 Abs. 5 SGB X nicht (§ 28 b Abs. 1 Satz 5 SGB IV).

Nach § 28 d Sätze 1 und 2 SGB IV werden als Gesamtsozialversicherungsbeitrag die Beiträge in der Kranken- oder Rentenversicherung für einen kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten oder Hausgewerbetreibenden sowie der Beitrag aus Arbeitsentgelt aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach dem Recht der Arbeitsförderung gezahlt. Dies gilt auch für den Beitrag zur Pflegeversicherung für einen in der Krankenversicherung kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten. Nach § 28 e Abs. 1 Satz 1 SGB IV hat der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag zu zahlen.

In der Krankenversicherung sind nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V Arbeiter, Angestellte und zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, versicherungspflichtig. In der Rentenversicherung sind nach § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI u. a. Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind, versicherungspflichtig. Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III sind nach dem Recht der Arbeitsförderung Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind (versicherungspflichtige Beschäftigung) versicherungspflichtig. In der sozialen Pflegeversicherung sind nach § 20 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 erster Halbsatz SGB XI die versicherungspflichtigen Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig. Dies sind Arbeiter, Angestellte und zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind.

Hinsichtlich der beitragspflichtigen Einnahmen als Beitragsbemessungsgrundlage bestimmen die besonderen Regelungen des Sozialgesetzbuchs Folgendes: In der Krankenversicherung wird nach § 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V der Beitragsbemessung bei versicherungspflichtig Beschäftigten das Arbeitsentgelt aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung zugrunde gelegt. In der Rentenversicherung sind die beitragspflichtigen Einnahmen Beitragsbemessungsgrundlage für Versicherungspflichtige (§ 161 Abs. 1 SGB VI), wobei nach § 162 Nr. 1 SGB VI beitragspflichtige Einnahmen bei Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt werden, das Arbeitsentgelt aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung, jedoch bei Personen, die zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt werden, mindestens 1 v. H. der Bezugsgröße sind. Nach dem Recht der Arbeitsförderung sind die beitragspflichtigen Einnahmen Beitragsbemessungsgrundlage (§ 341 Abs. 3 Satz 1 SGB III), wobei nach § 342 SGB III beitragspflichtige Einnahme bei Personen, die beschäftigt sind, das Arbeitsentgelt, bei Personen, die zur Berufsausbildung beschäftigt sind, jedoch mindestens ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Prozent der Bezugsgröße ist. In der sozialen Pflegeversicherung gelten nach § 57 Abs. 1 SGB XI bei Mitgliedern der Pflegekasse, die in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig sind, für die Beitragsbemessung unter anderem der bereits genannte § 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V.

Die genannten Vorschriften knüpfen alle am Begriff des Arbeitsentgeltes an. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV sind Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden.

Nach § 22 Abs. 1 SGB IV entstehen die Beitragsansprüche der Versicherungsträger, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen. Nach § 23 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB IV werden laufende Beiträge, die geschuldet werden, entsprechend den Regelungen der Satzung der Kranken- und Pflegekasse fällig. Beiträge, die nach dem Arbeitsentgelt oder dem Arbeitseinkommen zu bemessen sind, werden spätestens am 15. des Monats fällig, der dem Monat folgt, in dem die Beschäftigung oder Tätigkeit, mit der das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt wird, ausgeübt worden ist oder als ausgeübt gilt (zum Geltungsbereich des SGB IV vgl. § 1 Abs. 1 SGB IV).

Diese Vorschriften regeln als öffentlich-rechtliche Normen, wann und in welcher Höhe eine Beitragsforderung kraft Gesetzes entsteht. Da das Arbeitsentgelt Voraussetzung für das Entstehen der Beiträge ist, findet zwar insoweit eine Anknüpfung am Arbeitsrecht statt. Der Anspruch des Arbeitnehmers auf Entgelt (Vergütung) ist hinsichtlich seiner Entstehung (§ 611 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB) zivilrechtlich geregelt, wobei er hinsichtlich der Höhe auch tarifvertragsrechtlich, ggf. über eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung beeinflusst wird (§ 4 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, Abs. 4 und § 5 Abs. 1, Abs. 4 Tarifvertragsgesetz - TVG -). Ist der Anspruch des Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt jedoch einmal entstanden, ist zugleich auch der öffentlich-rechtliche Beitragsanspruch begründet worden. Dieser öffentlich-rechtliche Beitragsanspruch unterliegt nicht der Disposition der Arbeitsvertragsparteien, sondern bestimmt sich hinsichtlich des Erlöschens, der Verwirkung oder der Verjährung ausschließlich nach öffentlich-rechtlichen Regelungen. Deswegen ist es für diesen öffentlich-rechtlichen Beitragsanspruch ohne Belang, was nach seiner Entstehung aus dem davon zu unterscheidenden arbeitsvertraglichen (zivilrechtlichen) Anspruch auf Arbeitsentgelt wird. Die Parteien von Arbeitsverträgen und die Tarifpartner haben es zwar in der Hand, durch Vereinbarung von Entgelt und seiner Höhe den Eintritt der öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Beitragspflicht aufgrund eines entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses mit entsprechenden Beitragsforderungen auszulösen. Ist dieses jedoch einmal geschehen, so können sie das Versicherungsverhältnis in seiner öffentlich-rechtlichen Ausgestaltung durch ein späteres Verhalten für die Vergangenheit nicht mehr beeinflussen, sondern seine Änderung lediglich für die Zukunft nach Maßgabe einer neuen Entgeltvereinbarung oder Entgeltzahlung bewirken. So führt die Vereinbarung einer rückwirkenden Lohnerhöhung nicht dazu, dass schon in der Vergangenheit auch ein höherer Beitragsanspruch entstanden ist. Entsprechend bringt eine rückwirkende Verringerung des Arbeitsentgelts eine einmal entstandene Beitragsforderung nicht zum Erlöschen. Ebenso ist es auf einen in der Vergangenheit entstandenen Beitragsanspruch ohne Einfluss, wenn der entstandene Arbeitsentgeltanspruch später entfällt, weil der Arbeitnehmer ihn nicht rechtzeitig gegenüber seinem Arbeitgeber geltend gemacht hat und eine tarifliche Ausschlussklausel eingreift (vgl. BSG, Urteil vom 30. August 1994 - 12 RK 59/92 -; abgedruckt in SozR 3-2200 § 385 Nr. 5 und BSGE 75, 61).

Die Ansicht der Klägerin, die arbeits- bzw. tarifvertraglichen Regelungen über Verjährung entfalteten in sozialrechtlicher Hinsicht Wirkung, geht somit fehl, weil sie nicht zwischen dem arbeitsrechtlichen (zivilrechtlichen) Anspruch auf Arbeitsentgelt einerseits und dem öffentlich-rechtlichen Beitragsanspruch andererseits unterscheidet.

Für die Feststellung der Beitragshöhe gilt das Entstehungsprinzip. Auf den Zufluss kommt es nur an, soweit über das geschuldete Arbeitsentgelt hinaus überobligatorische Zahlungen zugewendet oder geleistet werden (BSG, Urteile vom 14. Juli 2004 - B 12 KR 7/04 R - und - B 12 KR 1/04 R -).

Das Zuflussprinzip trägt dem Schutzzweck der Sozialversicherung nicht hinreichend Rechnung. Für den Beginn der Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt und der Versicherungsverhältnisse kommt es nicht darauf an, ob und wann der Arbeitgeber das mit dem Arbeitnehmer vereinbarte Arbeitsentgelt tatsächlich zahlt und dieses dem Arbeitnehmer zufließt. Anderenfalls hätte es der Arbeitgeber in der Hand, durch verzögerte oder verkürzte Zahlung des Arbeitsentgelts über den Versicherungsschutz des Arbeitnehmers zu verfügen. Ob ein bestimmter Arbeitnehmer in seiner Beschäftigung der Versicherungspflicht unterliegt, muss bereits bei Aufnahme der Beschäftigung und auch danach zu jeder Zeit mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden können. Diese zum Schutz der Beschäftigten erforderliche Rechtssicherheit ist nur gewährleistet, wenn bei der Frage, ob das Arbeitsentgelt die Geringfügigkeitsgrenze übersteigt oder die Versicherungspflichtgrenze (Jahresarbeitsentgeltgrenze) in der Krankenversicherung überschritten wird, auf das einzelvertraglich oder tariflich zustehende Arbeitsentgelt abgestellt wird (BSG, Urteile vom 14. Juli 2004 - B 12 KR 7/04 R - und - B 12 KR 1/04 R -). Dementsprechend kann nichts anderes gelten, wenn es auf der Grundlage eines so festgestellten Versicherungsverhältnisses um die Festsetzung der Höhe der Beiträge geht. Da sowohl die Versicherungspflicht als auch die Beitragshöhe vom maßgeblichen Arbeitsentgelt abhängig ist und es nur einen einheitlichen Begriff des Arbeitsentgeltes gibt, kommt eine unterschiedliche Auslegung nicht in Betracht. Für die Feststellung der Versicherungspflicht und der Beitragshöhe gilt gleichermaßen das Entstehungsprinzip (BSG, Urteile vom 14. Juli 2004 - B 12 KR 7/04 R - und - B 12 KR 1/04 R -).

Die Lohntarifverträge für das Gebäudereinigerhandwerk im Lande Berlin, sind unstreitig für den streitigen Zeitraum für allgemeinverbindlich erklärt worden waren. Eine solche Allgemeinverbindlichkeitserklärung gemäß § 5 TVG ist auch nicht verfassungswidrig (BVerfGE 44, 322, 351 - 353).

Die Allgemeinverbindlicherklärung entfaltet mithin für Betriebe des Gebäudereinigerhandwerks in Berlin Wirksamkeit.

Es kann allerdings nicht mehr festgestellt werden, ob es sich bei dem Betrieb der Klägerin im streitigen Zeitraum um einen solchen des Gebäudereinigerhandwerks gehandelt hat und die Beweislast hierfür trägt die Beklagte, die zum einen aus der von ihr angenommen Zugehörigkeit einen rechtlichen Vorteil, nämlich Beitragseinnahmen, ziehen will und es zum anderen während der Betriebsprüfung verabsäumt hat, insoweit die notwendigen tatsächlichen Feststellungen zu treffen.

Nach § 1 des Lohntarifvertrages fallen fachlich unter diesen Tarifvertrag alle Betriebe, die Tätigkeiten aus dem Berufsbild der Gebäudereiniger ausüben. Dazu zählen:


1. Reinigung und Nachbehandlung von Außenflächen an Gebäuden, Bauwerken und Denkmälern;

2. Reinigung, Oberflächenbehandlung und Pflege von Boden-, Decken- und Wandflächen, Verglasungen, Beleuchtungskörpern, haus-technischen, sanitären und klimatechnischen Anlagen sowie von Gegenständen der Raumausstattung;

3. Reinigung und Nachbehandlung von Licht- und Wetterschutzanlagen;

4. Reinigung von Sportstätten, Ausstellungsflächen, Verkehrsanlagen, Außenbeleuchtungen, Verkehrsmitteln, Verkehrsschildern;

5. antimikrobielle sowie antistatische Ausrüstung von Gegenständen der Raumausstattung;

6. Ausführung von Arbeiten der Raumhygiene und Flächenbehandlung mit keimtötenden Mitteln;

7. Ausführung von Vakuum-Entstaubungen;

8. Ausführung von Schnee- und Eisbeseitigung;

9. Reinigung von Gartenanlagen.

Vergleicht man diese Tätigkeiten mit dem äußeren Auftreten der Klägerin, so können dem zwar durchaus Anhaltspunkte dafür entnommen werden, dass Tätigkeiten, die im Tarifvertrag als solche des Gebäudereinigerhandwerks aufgelistet sind, dem Betrieb das Gepräge geben.

Allerdings kommt es darauf nicht wesentlich an. Nach der Rechtssprechung des BAG, der sich der Senat anschließt, kommt es bei der Prüfung der Geltung von Mischbetrieben entscheidend darauf an, mit welchen Aufgaben die Arbeitnehmer des Betriebes überwiegend beschäftigt waren (BAGE 56, 357, Leitsatz 1 Satz 1). Wirtschaftliche Gesichtspunkte sowie handels- und gewerberechtliche Kriterien sind dagegen grundsätzlich unbeachtlich und können lediglich ergänzend und zur Bestätigung mit herangezogen werden.

Die Betriebe fallen, soweit von ihnen oder in ihnen Gebäudereinigungsleistungen überwiegend erbracht werden, als Ganzes unter diesen Tarifvertrag. Der Betrieb der Klägerin, der unstreitig nicht nur Gebäudereinigerarbeiten erbringt, ist ein so genannter Mischbetrieb, der nach den vom BAG entwickelten Maßgaben in Bezug auf die Anwendbarkeit von Tarifverträgen zu beurteilen ist.

Demgemäß ist ohne tragende Berücksichtigung anderer Gesichtspunkte entscheidend darauf abzustellen, ob die überwiegende Arbeitszeit der Arbeitnehmer der Klägerin von 1999 bis 2002 mit Tätigkeiten des Gebäudereinigerhandwerks ausgefüllt war (BAG vom 25. November 1987 - 4 AZR 361/87 - zitiert nach juris, Rdnr. 21).

Derartige Feststellungen hat die Beklagte während der Betriebsprüfung nicht getroffen sondern lediglich auf das äußere Erscheinungsbild der Beklagten abgestellt und aus diesem auf einen „Haupterwerbszweck“ in der Gebäudereinigung geschlossen, der maßgeblich sei. Diese Auffassung jedoch ist, wie dargelegt, rechtsirrig. Es ist nicht auf einen sog. Haupterwerbszweck sondern auf die geleistete Arbeitszeit abzustellen; andernfalls wäre etwa der Automobilhersteller Porsche, der den Schwerpunkt von Umsatz und Gewinn in den letzten Jahren nicht im Automobilbau sondern in Finanzgeschäften hatte, kein metallverarbeitender Betrieb, obwohl die Arbeitskraft dort nach wie vor überwiegend im Kraftfahrzeugbau erbracht wird.

Die von der Beklagten bei der Betriebprüfung und im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren nicht dargelegten Voraussetzungen für die Einbeziehung der Klägerin in den Geltungsbereich des streitigen Tarifvertrages kann der Senat jetzt nicht mehr nachholen. Die von der Beklagten eingebrachten Beweisanregungen sind nicht geeignet, deren fehlende Feststellungen nach zu holen. Zum einen lässt sich den Rechnungen der Klägerin für deren Kunden nicht entnehmen, welche Arbeitszeit den jeweiligen Leistungen zugrunde gelegen hat, zum anderen hat die Klägerin vorgetragen, derartige Unterlagen nicht mehr zu besitzen. Dies ist nicht zu widerlegen und schon deshalb in Übereinstimmung mit der Lebenserfahrung, weil die Aufbewahrungsfristen abgelaufen sind. Auch die von der Beklagten angeregte Vernehmung einzelner Arbeitnehmer ist kein geeignetes Beweismittel, da lediglich durch die Vernehmung aller oder doch fast aller Arbeitnehmer aus den Jahren 1999 bis 2002 festgestellt werden könnte, womit damals die Arbeitszeit aller Arbeitnehmer der Klägerin überwiegend ausgefüllt war. Dies aber ist schon wegen der Fluktuation, gerade im gewerblichen Bereich, nicht mehr möglich.

Im Übrigen hat offensichtlich auch die Beklagte selbst bei einer erneuten Betriebsprüfung im Zeitraum vom 7. - 8. März 2007, die sich auf den Zeitraum vom 1. Januar 2003 bis 31. Dezember 2006 bezog, keine Anhaltspunkte gefunden, die die angefochtenen Bescheide stützen könnten, denn in dem in der mündlichen Verhandlung vom Bevollmächtigen der Klägerin überreichten Bescheid vom 13. März 2007 findet sich kein Hinweis auf die tarifrechtliche Problematik.

Ist aber der Beweis dafür, dass die Voraussetzungen für die Einbeziehung des Betriebes der Klägerin in den Geltungsbereich des Tarifvertrages für das Gebäudereinigerhandwerk nicht mehr möglich, gelten die Regeln der objektiven Beweislast. Nach diesen jedoch ist die Beklagte beweispflichtig, die aus dem Vorliegen dieser von ihr behaupteten Tatsache einen rechtlichen Vorteil zöge (vgl. BSGE 43, 110 m. w. N.).

Der Berufung war somit stattzugeben.

Die Kostentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und entspricht dem Ergebnis des Verfahrens.

Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten. Die Beigeladenen, die öffentlich-rechtliche Körperschaften sind, können solche nicht geltend machen (§ 193 Abs. 4 SGG), und die Beigeladene zu 1) hat keine Anträge gestellt. Sie hat damit weder gegenüber der Klägerin noch gegenüber der Beklagten obsiegt.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.

Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes (Streitwert) beruht auf § 72 Nr. 1 zweiter Halbsatz, § 52 Abs. 3, § 43 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG).

RechtsgebieteSGB 4, TVGVorschriften§ 14 SGB 4, § 22 Abs 1 SGB 4, § 28p Abs 1 S 1 SGB 4, § 4 TVG, § 5 TVG

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