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17.02.2010 · IWW-Abrufnummer 100575

Landesarbeitsgericht Hamm: Urteil vom 23.07.2009 – 15 Sa 1511/08

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


15 Sa 1511/08

Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Rheine vom 22.07.2008 - 3 Ca 377/08 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand
Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer Kündigung.

Der Kläger war seit dem 18.01.1993 zunächst bei dem Kreisverband S4 und in der Folge nach einer Fusion beim Unterbezirk M2-S4 der A1 beschäftigt. Beim Unterbezirk M2-S4 der A1 handelt es sich um einen nicht rechtsfähigen Verein. Der Arbeitsvertrag, der dem Arbeitsverhältnis des Klägers beim Unterbezirk M2-S4 der A1 zugrunde lag, ist bisher nicht gekündigt worden.

Mit Schreiben vom 21.06.2007 teilte der Beklagte, bei dem es sich um einen eingetragenen Verein handelt, dem Kläger folgendes mit:

...

Sehr geehrter Herr G1,

wir nehmen Bezug auf Ihre Bewerbungsunterlagen und teilen Ihnen mit, dass wir zzt. noch nach einer Einsatzmöglichkeit für Sie suchen.

Die Einrichtungsleiterin des Seniorenzentraums in I1, Frau S5, wird sich in Kürze telefonisch mit Ihnen in Verbindung setzen.

...

Unter dem Datum des 19.11.2007 richtete der Kläger folgendes Schreiben an das Seniorenzentrum I1, das vom Beklagten betrieben wird:

...

Bewerbung als Sachbearbeiter in der Verwaltung

Sehr geehrte Frau S5,

gern würde ich bei Ihnen in einem sympathischen und aufgeweckten Team im Bereich der Verwaltung tätig sein (32 Stundenstelle).

Mit meinen beruflichen gesammelten Erfahrungen bin ich sicher, bei Ihnen einen verwaltungsvollen Arbeitsplatz, an dem ich meine Fähigkeiten einsetzen kann, zu finden.

Meine besondere Stärke liegt im Umgang mit Zahlen.

Da ich trotz meiner Behinderung (Querschnittslähmung) einen eigenen PKW fahre, bin ich in meiner Mobilität nicht eingeschränkt.

Auf ein persönliches Gespräch mit Ihnen freue ich mich.

Mit freundlichen Grüßen

...

Mit Datum vom 21.11.2007 leitete der Beklagte das Mitbestimmungsverfahren zur Einstellung des Klägers nach § 99 BetrVG ein. Wegen der Einzelheiten des dem Betriebsrat vorgelegten Formulars wird auf Bl. 143 d.A. verwiesen. Der Betriebsrat erteilte mit Datum vom 22.11.2007 seine Zustimmung zu der vom Beklagten geplanten personellen Einzelmaßnahme.

Mit Wirkung vom 01.12.2007 vereinbarten die Parteien ein befristetes Arbeitsverhältnis gem. § 14 Abs. 2 TZBfG. Wegen der Erklärungen des Klägers vom 29.11.2007 und wegen des schriftlichen Arbeitsvertrages vom gleichen Tage wird auf Bl. 53 und Bl. 151 d.A. Bezug genommen.

Seit dem 01.12.2007 war der Kläger als Verwaltungsangestellter im Seniorenzentrum in I1 tätig, das vom Beklagten betrieben wird. Er wurde dort an 32 Stunden in der Woche eingesetzt und erhielt eine Grundvergütung von 1.751,92 EUR brutto. Der Kläger ist als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung von 100 anerkannt.

Mit Datum vom 06.12.2007/09.01.2008 vereinbarten die Parteien ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Wegen der Einzelheiten dieses Arbeitsvertrages wird auf Bl. 4 f. d.A. Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 21.02.2008 informierte der Beklagte den Betriebsrat darüber, dass er das Arbeitsverhältnis innerhalb der Probezeit zum 31.03.2008 zu kündigen beabsichtigte. Wegen der Einzelheiten des Anhörungsschreibens wird auf Bl. 23 d.A. verwiesen. Der Betriebsrat teilte am 21.02.2008 mit, dass er gegen die Kündigung keine Bedenken habe.

Mit Schreiben vom 22.02.2008 erklärte der Beklagte dem Kläger die fristgerechte Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.03.2008. Hiergegen richtet sich die Feststellungsklage, die am 11.03.2008 beim Arbeitsgericht Rheine eingegangen ist.

Mit Schriftsatz vom 21.05.2008, der am 26.08.2008 beim Arbeitsgericht Rheine eingegangen ist, hat der Kläger dem Unterbezirk M2-S4 der A1 den Streit verkündet.

Der Kläger hat vorgetragen, die Kündigung vom 22.02.2008 sei als rechtsunwirksam anzusehen. Entgegen der Auffassung des Beklagten müsse die Vorbeschäftigungszeit, die er beim Kreisverband S4 bzw. dem Unterbezirk M2-S4 der A1 seit dem 18.01.1993 abgeleistet habe, auf die Beschäftigungszeit beim Beklagten angerechnet werden. Der Wechsel zum Beklagten sei im Rahmen einer Versetzung bzw. Umsetzung erfolgt und stelle nicht die Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses dar. Zum Zeitpunkt, als er den Brief des Beklagten vom 21.06.2007 erhalten habe, habe er noch keine Bewerbung geschrieben gehabt. Er habe sich dieses Schreiben nicht erklären können und sich mit dem Betriebsrat in Verbindung gesetzt sowie den damaligen Geschäftsführer befragt. Es habe damals nur Gerüchte gegeben, dass es dem Unterbezirk M2-S4 der A1 wirtschaftlich schlecht gehe und eventuell eine neue Fusion bevorstehe, so dass einige Leute versetzt werden sollten. Seiner Auffassung nach handele es sich beim Kreisverband S4 bzw. dem Unterbezirk M2-S4 der A1 nicht um selbständige Arbeitgeber. Wie sich zudem aus der Arbeitsbescheinigung vom 07.04.2008 ergebe, die der Beklagte ausgefüllt habe, gehe auch der Beklagte von einer Beschäftigung seit dem 18.01.1993 aus.

Unter Berücksichtigung einer Beschäftigungszeit seit dem 18.01.1993 unterliege das Arbeitsverhältnis der Parteien dem Kündigungsschutzgesetz. Kündigungsgründe seien nicht gegeben. Zudem habe der Beklagte die Zustimmung des Integrationsamtes nicht eingeholt.

Jedenfalls sei die Kündigung gemäß §§ 242, 138 BGB unwirksam, da sie eine treuwidrige bzw. sittenwidrige Ausübung des Kündigungsrechts darstelle. Nicht nachvollziehbar sei, dass die Beklagte eine Probezeitkündigung ausgesprochen habe; er, der Kläger, habe das Aufgabengebiet "Kassenführung und Verwaltungstätigkeit" schon in der Vergangenheit ausgeübt. Auch sei sein besonderer Kündigungsschutz als Schwerbehinderter umgangen worden.

Auch die Anhörung des Betriebsrats sei fehlerhaft erfolgt. Der Beklagte habe dem Betriebsrat nicht mitgeteilt, dass er, der Kläger, bei der "A1" seit Januar 1993 beschäftigt gewesen sei und einen Grad der Behinderung von 100 habe. Auch der Kündigungsgrund sei nicht hinreichend bestimmt mitgeteilt worden.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 22.02.2008, zugestellt am 23.02.2008 auf dem Postwege und am 25.02.2008 durch Boten, nicht mit Wirkung zum 31.03.2008 aufgelöst wird, sondern darüber hinaus zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen, das Arbeitsverhältnis des Klägers sei wirksam während der Probezeit gekündigt worden. Da das Arbeitsverhältnis der Parteien erst seit dem 01.12.2007 bestanden habe, habe die Kündigung auch nicht der Zustimmung des Integrationsamtes bedurft. Entgegen der Auffassung des Klägers sei die Beschäftigungszeit beim Kreisverband S4 bzw. dem Unterbezirk M2-S4 der A1 nicht auf die Beschäftigungszeit beim ihm, dem Beklagten, anzurechnen. Der Unterbezirk sei nach den Satzungen der A1 lediglich bei ihm, dem Beklagten, Mitglied und als eigenständige Rechtspersönlichkeit selbständiger Arbeitgeber. Eine Weiterbeschäftigung des Klägers beim Unterbezirk M2-S4 sei nicht mehr möglich gewesen, so dass eine neue Beschäftigung für den Kläger gesucht worden sei. Eine solche Beschäftigungsmöglichkeit sei innerhalb der Verwaltung des Seniorenzentrums I1 gefunden worden, dessen Träger er, der Beklagte, sei. Der Kläger habe seine Arbeit dort ab dem 01.12.2007 aufgenommen, nachdem er zuvor am 29.11.2007 eine schriftliche Befristungsabrede unterzeichnet habe. Für die rechtliche Beurteilung der streitgegenständlichen Kündigung sei allein dieser Arbeitsvertrag und der Beginn des Arbeitsverhältnisses am 01.12.2007 maßgeblich.

Als rechtlich selbständiger Verein habe ihn, den Beklagten, keine Verpflichtung getroffen, die Vorbeschäftigungszeiten des Klägers beim Unterbezirk M2-S4 anzurechnen. Ausweislich des Arbeitsvertrages sei eine solche Anrechnung auch nicht vereinbart worden. Die Mitteilung der Vorbeschäftigungszeit auf der Bescheinigung gemäß § 312 SGB III habe keine rechtliche Bedeutung. Er, der Beklagte, übernehme dienstleistend für die Unterbezirke und andere Konzernunternehmen die zentrale Lohnbuchhaltung. Die zuständige Mitarbeiterin sei beim Ausfüllen der Arbeitsbescheinigung davon ausgegangen, dass für die Dauer der Beschäftigung die Verbandszugehörigkeit maßgeblich sei. Diese Annahme sei unzutreffend und begründe keinerlei Rechte des Klägers.

Die Kündigung sei auch nicht gemäß §§ 242, 138 BGB unwirksam. Der Kläger habe die Umstände selbst zu verantworten, die zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses geführt hätten. Auf seinem ausschließlich von ihm genutzten und Passwort geschützten Computer hätten sich 14 auf der Festplatte gespeicherte Pornobilder befunden. Zudem belege der Internetcash den Zugriff des Klägers auf pornografische Internetseiten mit insgesamt 14000 pornografischen Bildern. Der Zugriff des Klägers sei während seiner Arbeitszeit erfolgt. Zudem habe der Kläger mittels eines Rechners während der Arbeitszeit erotische und pornografische Waren bestellt. Dass er unter diesen Umständen gerade in einem sozialen Verband nicht mehr weiterbeschäftigt werden könne, liege auf der Hand.

Auch die Rechtmäßigkeit der Anhörung des Betriebsrats könne nicht in Frage gestellt werden. Innerhalb der Probezeit genüge der Hinweis an den Betriebsrat, dass der zu kündigende Arbeitnehmer nicht den subjektiven Anforderungen genügt habe. Allerdings habe er, der Beklagte, dem Betriebsrat im Einzelnen erläutert, weshalb der Kläger diesen Anforderungen nicht genügt habe. Der Betriebsrat sei über die gespeicherten Bilder und den Inhalt des Internetcash am 20.02.2008 mündlich im Zusammenhang mit der Übergabe des Anhörungsschreibens informiert worden. Dem Betriebsrat sei auch bekannt gewesen, dass der Kläger schwerbehindert sei. Seine Schwerbehinderung sei zudem auch offensichtlich.

Durch Urteil vom 22.07.2008 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Gegen diese Entscheidung, die dem Kläger am 14.08.2008 zugestellt worden ist, richtet sich die Berufung des Klägers, die am 09.09.2008 einschließlich Begründung beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist.

Der Kläger vertritt weiter die Auffassung, auf das Arbeitsverhältnis finde das Kündigungsschutzgesetz Anwendung. Unstreitig sei er seit dem 18.01.1993 bei dem Streitverkündeten, dem Unterbezirk M2-S4 der A1 beschäftigt gewesen. Unerheblich sei, dass der Beklagte eine eigenständige Rechtspersönlichkeit sei. Er, der Kläger, habe wegen des Schreibens des Beklagten vom 21.06.2007 und der nicht erfolgten Kündigung seines Arbeitsverhältnisses durch den Streitverkündeten den Eindruck gehabt, er werde lediglich innerhalb der A1 versetzt bzw. umgesetzt. Den schriftlichen Arbeitsvertrag vom 06.12.2007/09.01.2008 hätte er niemals unterschrieben, soweit ihm die Folge eines neuen Arbeitsverhältnisses mit einem neuen Arbeitgeber und einer neuen Probezeit bewusst gewesen wäre.

Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts seien ausreichende Anhaltspunkte für eine Umgehung des Kündigungsschutzgesetzes und des Sonderkündigungsschutzes nach dem SGB IX gegeben. Hintergrund der streitgegenständlichen Kündigung sei ausschließlich der Vorwurf der Internetnutzung. Er, der Kläger, habe zu keinem Zeitpunkt irgendwelche Ermahnungen bzw. Abmahnungen erhalten. Bis zum Ausspruch der Kündigung sei er nicht auf angeblich schlechte Leistungen angesprochen worden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Rheine vom 22.07.2008 - 3 Ca 377/08 - abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 22.02.2008, zugestellt am 23.02.2008 auf dem Postwege und am 25.02.2008 durch Boten, nicht mit Wirkung zum 31.03.2008 aufgelöst wird, sondern darüber hinaus zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil und trägt vor, die Kündigung vom 22.02.2008 sei innerhalb der mit dem Kläger vereinbarten sechsmonatigen Probezeit ausgesprochen worden. Das Kündigungsschutzgesetz finde keine Anwendung, da die sechsmonatige Wartefrist des § 1 Abs. 1 S. 1 KSchG zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung noch nicht erfüllt gewesen sei. Zu Unrecht gehe der Kläger davon aus, dass die Vorbeschäftigungszeit beim Unterbezirk M2-S4 der A1 anzurechnen sei. Dieser Unterbezirk sei zwischenzeitlich liquidiert worden; Rechtsnachfolger sei der im Frühjahr 2008 neu gegründete Unterbezirk M2-R1. Beim Unterbezirk M2-S4 und ihm, dem Beklagten, handele es sich um unterschiedliche Unternehmen bzw. Rechtssubjekte und damit eigenständige Arbeitgeber. Er, der Beklagte und der Streitverkündete seien rechtlich voneinander unabhängig und bildeten kein einheitliches Unternehmen, auch nicht im Sinne einer Unternehmensführungsgesellschaft. Der Streitverkündete bzw. sein Rechtsnachfolger betreibe ausschließlich Sozialeinrichtungen, während er, der Beklagte, ausschließlich Seniorenzentren und eine Bezirksgeschäftsstelle unterhalte. Dahinstehen könne, ob die "A1" als Konzern zu verstehen sei. Jedenfalls handele es sich bei ihm, dem Beklagten und dem Streitverkündeten nicht um ein einheitliches Unternehmen, sondern allenfalls um einen Zusammenschluss rechtlich selbständiger Unternehmen, die trotz des Zusammenschlusses ihre rechtliche Selbständigkeit nicht verloren hätten. Die Unterbezirke seien lediglich Mitglieder bei ihm, dem Beklagten. Arbeitsrechtliche Vereinbarungen eines Unterbezirks mit seinen Arbeitnehmern stünden in keinem Zusammenhang mit ihm, dem Beklagten. Etwaig dort erworbene Ansprüche oder Rechte könnten ihm, dem Beklagten, gegenüber nicht geltend gemacht werden. Der Kläger habe mit dem Unterbezirk M2-S4 einen Arbeitsvertrag geschlossen und seine Tätigkeit unstreitig ausschließlich gegenüber dem Unterbezirk erbracht. Davon zu entscheiden sei seine Tätigkeit für ihn, den Beklagten, die der Kläger im Seniorenzentrum I1 am 01.12.2007 aufgenommen habe. Ab diesem Zeitpunkt habe er seine Arbeitsleistung ausschließlich ihm gegenüber erbracht und sei auch nur von ihm vergütet worden. Vor Aufnahme seiner Tätigkeit habe der Kläger am 29.11.2007 einen Arbeitsvertrag unterzeichnet. Damit sei ab dem 01.12.2007 von einem neuen Arbeitsverhältnis mit der Folge auszugehen, dass die Wartefrist des § 1 KSchG mit diesem Tag begonnen habe.

Die Ausführungen des Klägers zu den Umständen des Arbeitsplatzwechsels seien zwar unerheblich, sollten jedoch nicht unkommentiert bleiben. Im Zusammenhang mit Umstrukturierungen bei dem Streitverkündeten sei beabsichtigt gewesen, die Stelle des Klägers nicht mehr vorzuhalten. Der damalige Vorgesetzte des Klägers, der Zeuge S6, habe sich darum bemüht, dass der Kläger bei ihm, dem Beklagten, eine neue Anstellung erhalte. Unrichtig sei, dass diese Bemühungen am Kläger vorbei erledigt worden seien. Dies zeige bereits die Bewerbung des Klägers vom 19.11.2007, der ein Lebenslauf des Klägers beigefügt gewesen sei. Auch dem Kläger sei klar gewesen, dass der Streitverkündete mit ihm, dem Beklagten, nicht identisch sei. Bei einer Versetzung, von der der Kläger ausgehe, bedürfe es keiner Bewerbung mit Übersendung eines Lebenslaufs und nicht des Abschlusses eines neuen Arbeitsvertrages. Zudem ergebe sich aus dem Arbeitsvertrag ausdrücklich, dass der Kläger ab dem 01.12.2007 in ein Arbeitsverhältnis übernommen werde. Auch der Betriebsrat sei nach § 99 BetrVG zu einer Neueinstellung angehört worden und habe dieser Neueinstellung zugestimmt.

Für eine Umgehung des Kündigungsschutzgesetzes gebe es keinerlei Anhaltspunkte. Das Gegenteil sei der Fall. Der Unterbezirk M2-S4 der A1 sei dem Kläger behilflich bei dem Wechsel in eine Neueinstellung bei ihm, dem Beklagten, gewesen. Dies sei im Einverständnis mit dem Kläger geschehen. Dass es zu der streitgegenständlichen Kündigung gekommen sei, habe nicht an ihm, dem Beklagten, sondern ausschließlich am Kläger gelegen, der aus dem Internet während der Arbeitszeit Pornobilder heruntergeladen und diese auf dem betrieblich genutzten PC gespeichert sowie während seiner Arbeitszeit Pornoartikel bestellt habe. Das zur Kündigung führende Verhalten betreffe die Arbeitsleistung des Klägers, denn er habe die ihm vorgeworfenen Handlungen während seiner Arbeitszeit erledigt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe
I.

Die Berufung des Klägers ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

Der Sache nach hat die Berufung des Klägers keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn das Arbeitsverhältnis ist durch die streitgegenständliche Kündigung vom 22.02.2008 mit Ablauf des 31.03.2008 aufgelöst worden.

1. Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Kündigung vom 22.02.2008 nicht gemäß § 1 KSchG auf ihre soziale Rechtfertigung zu überprüfen. Denn das Arbeitsverhältnis der Parteien hat noch keine sechs Monate bestanden.

Die Parteien haben unter dem Datum des 06.12.2007/09.01.2008 einen schriftlichen Arbeitsvertrag geschlossen. Danach hat der Beklagte den Kläger ab dem 01.12.2007 in ein Arbeitsverhältnis übernommen und ihn als Verwaltungsangestellten im Seniorenzentrum im I1, das vom Beklagten betrieben wird, eingesetzt. Gemäß § 4 dieses Arbeitsvertrages haben die Parteien eine Probezeit von sechs Monaten vereinbart, die am 01.12.2007 begonnen hat und am 31.05.2008 enden sollte. Ausgehend von diesem schriftlichen Arbeitsvertrag ist von einem rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses der Parteien seit dem 01.12.2007 auszugehen. Danach bestand das Arbeitsverhältnis der Parteien dieses Rechtsstreits im Zeitpunkt der Kündigung vom 22.02.2008 noch keine sechs Monate i. S. d. § 1 KSchG.

Entgegen der Auffassung des Klägers kann die Beschäftigungszeit, die er beim Kreisverband S4 bzw. Unterbezirk M2 - S4 der A1 zurückgelegt hat, auf die Beschäftigungszeit beim Beklagten nicht angerechnet werden.

aa) Die Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG ist nicht konzernbezogen ausgestaltet, sondern bezieht sich auf die Beschäftigungszeit in einem Unternehmen. Das Erfordernis des ununterbrochenen rechtlichen Bestandes des Arbeitsverhältnisses während der Wartezeit ist danach auch dann erfüllt, wenn der Arbeitnehmer während dieses Zeitraums ohne zeitliche Unterbrechung in einem anderen Betrieb des gleichen Unternehmens weiterbeschäftigt wird. Die bei einem anderen rechtlich selbstständigen Unternehmen zurückgelegte Beschäftigungszeit kann jedoch nicht ohne Weiteres auf die Beschäftigungszeit beim kündigenden Arbeitgeber angerechnet werden. Dies gilt auch dann, wenn es sich um Konzernunternehmen handelt, die selbstständig sind (vgl. KR-Griebeling, 8. Aufl. § 1 KSchG, Rn. 118 m. w. N.). Die Anrechnung der bei einem anderen Konzernunternehmen zurückgelegten Betriebszugehörigkeit auf die Wartezeit ist nur möglich, wenn die Parteien eine Anrechnungsvereinbarung treffen, die allerdings auch stillschweigend geschlossen werden kann. Ob hiervon auszugehen ist, ist im Einzelfall durch Auslegung der Vereinbarungen der Parteien zu ermitteln (vgl. KR-Griebeling, a.a.O.).

bb) In Anwendung dieser Grundsätze kann die Beschäftigungszeit des Klägers beim Kreis S4 bzw. Unterbezirk M2-S4 der A1 seit dem 18.01.1993 nicht auf die Beschäftigungszeit beim Beklagten angerechnet werden.

(1) Dahingehende ausdrückliche Vereinbarungen finden sich im schriftlichen Arbeitsvertrag vom 06.12.2007/09.01.2008 nicht. Vielmehr ist dort ausdrücklich in § 1 vereinbart, dass der Beklagte den Kläger ab dem 01.12.2007 in ein Arbeitsverhältnis übernimmt. In § 4 dieses Vertrages ist weiterhin bestimmt, dass die Probezeit sechs Monate beträgt, die am 01.12.2007 beginnt und am 31.05.2008 endet. Weitergehende Regelungen, die den Schluss zulassen könnten, die Parteien hätten eine Anrechnungsvereinbarung getroffen, finden sich im schriftlichen Arbeitsvertrag nicht. Dass die Parteien an anderer Stelle eine ausdrückliche Vereinbarung über die Anrechnung der Vorbeschäftigungszeit des Klägers getroffen haben könnten, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

(2) Die erkennende Kammer konnte auch nicht von einem stillschweigenden Abschluss einer dahingehenden Anrechnungsvereinbarung ausgehen. Aus den Umständen, unter denen es zum Abschluss des Arbeitsvertrages des Klägers mit dem Beklagten dieses Rechtsstreits gekommen ist, kann eine Anrechnungsvereinbarung nicht abgeleitet werden.

(a) Auch wenn die Initiative zum Abschluss des Arbeitsvertrages vom 06.12.2007/09.01.2008 vom Beklagten dieses Rechtsstreits ausgegangen sein sollte, ändert dies nichts daran, dass die Anrechnung der Beschäftigungszeiten des Klägers beim Unterbezirk M2-S4 der A1 als eines anderen Arbeitgebers grundsätzlich einer Vereinbarung bedarf. Gegen die Annahme des konkludenten Abschlusses einer solchen Vereinbarung, die letztlich den Verzicht auf die sogenannte gesetzliche Probezeit i. S. d. § 1 Abs. 1 KSchG beinhaltet, spricht bereits, dass der Kläger sich mit Schreiben vom 19.11.2007 förmlich unter Beifügung eines Lebenslaufes um den neuen Arbeitsplatz im Seniorenzentrum I1, das der Beklagte betreibt, beworben hat.

(b) Zudem haben die Parteien am 29.11.2007 zunächst einen befristeten Arbeitsvertrag gemäß § 14 Abs. 2 TzBfG begründet und in der Folge den schriftlichen Arbeitsvertrag vom 06.12.2007/09.01.2008 abgeschlossen, der in § 4 ausdrücklich die Vereinbarung einer Probezeit von sechs Monaten regelt, während der das Arbeitsverhältnis von beiden Seiten ohne Angabe von Gründen mit einer Frist von 2 Wochen zum Monatsschluss gelöst werden kann. Diese Vereinbarungen sprechen dagegen, dass die Parteien - konkludent - eine Anrechnungsvereinbarung abschließen wollten, durch die der Beklagte auf die gesetzliche Probezeit von sechs Monaten verzichtet hätte und die einen Bestand des Arbeitsverhältnisses der Parteien beginnend mit dem 18.01.1993 zur Folge gehabt hätte. In diesem Fall hätte der Beklagte das Arbeitsverhältnis nicht während der ersten sechs Monate ohne Angabe von Gründen mit einer Frist von 2 Wochen zum Monatsschluss beenden können. Diese Vereinbarungen sprechen für einen Willen des Beklagten, mit dem Kläger ein neues Arbeitsverhältnis zu begründen, dass zunächst nicht dem Kündigungsschutzgesetz unterfiel und während der vereinbarten Probezeit von sechs Monaten ohne Angabe von Gründen beendet werden konnte. Der dahingehende Wille des Beklagten war für den Kläger angesichts der ausdrücklichen Regelungen in § 4 des Arbeitsvertrages vom 06.12.2007/09.01.2008 auch erkennbar.

2. Da das Arbeitsverhältnis der Parteien zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung vom 22.02.2008 noch nicht länger als sechs Monate bestanden hat, finden die Vorschriften der §§ 85 ff. SGB IX auf das Arbeitsverhältnis des Klägers keine Anwendung. Damit bedurfte es vor Ausspruch der Kündigung nicht der Zustimmung des Integrationsamtes.

3. Entgegen der Auffassung des Klägers kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Arbeitsvertrag vom 06.12.2007/09.01.2008 zur Umgehung des Kündigungsschutzgesetzes bzw. des Sonderkündigungsschutzes nach dem SGB IX abgeschlossen worden ist. Dass der Beklagte den Wechsel des Klägers vom Unterbezirk M2/S4 der A1 unter Abschluss des Arbeitsvertrages vom 06.12.2007/09.01.2008 deshalb betrieben hat, um dem Kläger sodann innerhalb der Probezeit ohne die Beschränkungen des Kündigungsschutzes und des SGB IX kündigen zu können, war für die Kammer nicht erkennbar. Tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte den Kläger nicht dauerhaft beschäftigen wollte, sondern von vornherein die Absicht hatte, dass Arbeitsverhältnis während der ersten sechs Monate zu kündigen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Auslöser der Kündigung war vielmehr das Verhalten des Klägers, der während der Arbeitszeit Pornobilder aus dem Internet heruntergeladen und auf dem betrieblich genutzten PC gespeichert sowie während der Arbeitszeit Pornoartikel bei Online-Erotikhändlern bestellt hatte. Es erscheint nachvollziehbar, dass ein Arbeitgeber dieses Verhalten zum Anlass einer Kündigung nimmt. Jedenfalls kann unter diesen Umständen von einem Verstoß gegen die §§ 242, 138 BGB nicht gesprochen werden.

4. Der Beklagte hat den bei ihm bestehenden Betriebsrat auch ordnungsgemäß i. S. d. § 102 BetrVG angehört. Die erkennende Kammer folgt insoweit den zutreffenden Gründen der arbeitsgerichtlichen Entscheidung und sieht gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG zur Vermeidung von Wiederholungen von einer Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

RechtsgebieteKSchG, BGBVorschriften§ 1 Abs. 1 KSchG § 138 BGB § 242 BGB § 620 Abs. 2 BGB

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