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28.01.2010 · IWW-Abrufnummer 100304

Landgericht Dortmund: Beschluss vom 28.12.2009 – 2 S 27/09

Die Rechtsfolgen einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung bestimmen sich nach
§§ 16ff. VVGa.F., wenn in einem vor dem 1.1.2008 geschlossenen Versicherungsvertrag
( Altvertrag ) der Versicherungsfall bis 31.12.2008 eingetreten ist.


Landgericht Dortmund
2 S 27/09 vom 28.12.2009
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 09.06.2009 - 425 C 778/09 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen, weil ihre Berufung aus den Gründen des Kammerbeschlusses vom 16.11.2009 - 2 S 27/09 -, auf den zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, keine Aussicht auf Erfolg hat.
Gründe
Die zulässige Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung und eine Entscheidung ist zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ebenfalls nicht erforderlich ( § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO).
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Gründe des Kammerbeschlusses vom 16.11.2009 Bezug genommen. Diesem Beschluss ist zu entnehmen, dass das Gericht die nunmehr von der Berufungsführerin in ihrer Stellungnahme zu dem zitierten Beschluss der Kammer vertretene Auffassung nicht teilt, es sei Folge der Neufassung des VVG, dass sich die Klägerin das anzuwendende Recht durch Zuwarten aussuchen kann.
Die Kammer hat auch entgegen den Ausführungen in der Stellungnahme nicht die Auffassung vertreten, dass das OLG Hamm in der im VersR 2009, 1345 veröffentlichten Entscheidung die Reichweite der sog. "Spaltungslösung" bei der Anwendung der Vorschriften über die vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung entschieden habe. Das Gericht hat vielmehr ausgeführt, dass die Fortgeltung der §§ 16ff. VVG a.F. die zwanglose Konsequenz der vom OLG Hamm vertretenen Auffassung ist, dass bei Eintritt eines Versicherungsfalles bis zum 31.12.2008 in Altverträgen das alte Recht sogar im Hinblick auf prozessuale Vorschriften wie die Gerichtsstandsregelung fortgelte.
Im Übrigen wird die erneut auf die amtliche Begründung zu Art. 1 Abs. 1 EGVVG hingewiesen, wonach sich die Rechtsfolgen einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung nach dem neuen VVG richten, wenn der Versicherungsfall erst nach dem 31.12.2008 eintritt (BT-Drucks. 16/3945 S. 118). Dem ist zu entnehmen, dass die Rechtsfolgen nach altem Recht zu beurteilen sind, wenn -wie vorliegend- der Versicherungsfall vor dem 1.1.2009 sich ereignet hat. Diese Auffassung wird -wie im Hinweisbeschluss v. 16.11.2009 ausgeführt- übereinstimmend von der Kommentarliteratur zum VVG 2008 geteilt.
Dortmund, 28.12.2009 2. Zivilkammer - 2. Instanz
Landgericht Dortmund
2 S 27/09 vom 16.11.2009
Tenor:
Die Kammer weist die Parteien darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil sie nach dem Vorbringen in der Berufungsbegründung aus den im Ergebnis zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung keine Aussicht auf Erfolg hat. Die Sache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung und eine Entscheidung ist zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich.
Gründe
I.
Im Ergebnis zu Recht –wenn auch nicht in der die Auge-und Ohr-Rechtsprechung des BGH (vgl. nur BGH VersR 2008, 765=NJW-RR 2008, 977=r+s 2008, 284 m.w.N.) ausblendenden Begründung- hat das Amtsgericht ausgeführt, dass die Beklagte mit Schreiben vom 22.7.2008 wirksam von der Versicherung der Kosten von Zahnersatz für Versicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung nach Tarif CEZK zurückgetreten ist, so dass ein Fortbestehen des Versicherungsvertrages nicht festgestellt werden kann und auch keine Leistungsansprüche aus der beendeten Krankenversicherung bestehen, da der Kausalitätsgegenbeweis nach § 21 VVG a.F. nicht geführt worden ist.
1.
Die insoweit beweisbelastete Beklagte (BGH a.a.O.) hat bewiesen, dass die Angaben der Klägerin bei Antragstellung objektiv falsch waren, auch wenn entgegen den Ausführungen im angefochtenen Urteil allein mit den schriftlichen Angaben im Versicherungsantrag bei behaupteter mündlicher Unterrichtung des Agenten der Beweis einer Obliegenheitsverletzung durch den Versicherer nicht geführt werden kann. Das Verschulden der Klägerin wird vermutet. Auch fahrlässige Falschangaben führen zur Leistungsfreiheit der Beklagten, da hier entgegen der Auffassung der Klägerin §§ 16ff. VVG a. F. anzuwenden sind.
2.
Die Berufungsbegründung wendet sich nicht gegen die Annahme einer fahrlässigen Verletzung der Anzeigeobliegenheit, vielmehr gegen die Zugrundelegung des "alten" VVG mit den §§ 16ff. Sie will auf den im Jahre 2006 geschlossenen Krankenversicherungsvertrag für die im Jahre 2009 erhobene Klage das VVG 2008 und §§ 19ff. anwenden, obwohl im Jahre 2008 der Versicherungsfall eingetreten ist, der die zur Rücktrittserklärung der Beklagten wegen Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht führenden Erkenntnisse ausgelöst hat und rügt, dass das Amtsgericht sich nicht mit der Frage befasst habe, ob die der Klägerin vorgeworfene Antragsbeantwortung grob fahrlässig oder vorsätzlich verletzt worden ist, weil nach § 19 VVG eine nur leicht fahrlässige Verletzung der Anzeigepflichtverletzung den Versicherer nicht (mehr) zum Rücktritt berechtigt. Diese Rüge der Klägerin bleibt ohne Erfolg, weil auf die Voraussetzungen wie auch die Rechtsfolgen der von der Klägerin bei Antragstellung begangenen Anzeigepflichtverletzung die §§ 16ff. VVG a. F. Anwendung finden.
a) Gem. Art 1 Abs. 1 EGVVG findet das "alte" VVG bis zum 31.12.2008 auf Versicherungsverträge Anwendung, die bis zum Inkrafttreten des VVG 2008 -1.1.2008- entstanden sind (Altverträge). Die Ausnahmen hierzu sind in den Abs. 2 bis 6 des Art. 1 EGVVG geregelt, wovon der auch von der Klägerin herangezogene Art. 1 Abs. 2 EGVVG für den vorliegenden Rechtsstreit einschlägig ist. Danach findet auch über den 31.12.2008 hinaus das "alte" VVG insoweit weiterhin Anwendung, als ein Versicherungsfall bis zum 31.12.2008 eingetreten ist. In der amtlichen Gesetzesbegründung zu § 19 VVG ist dazu ausgeführt, dass zur Vermeidung einer verfassungsrechtlich bedenklichen Rückwirkung in Art 1 Abs. 2 EGVVG bestimmt ist, dass bei Eintritt des Versicherungsfalles bis zum 31.12.2008 auf die sich hieraus ergebenden Rechte und Pflichten der Vertragsparteien weiterhin das "alte" VVG anzuwenden ist (BT-Drucks. 16/3945 S. 118).
Trotz dieser Gesetzesbegründung ist allerdings der Anwendungsbereich von Art 1 Abs. 2 EGVVG umstritten.
aa) Zum Teil wird angenommen, dass bei Eintritt eines Versicherungsfalles bis zum 31.12.2008 das "alte" VVG insgesamt mit seinen materiellrechtlichen wie prozessualen Vorschriften Anwendung findet, weil eine Geltungsbeschränkung allein auf vertragsrechtliche Regelungen im Gesetz nicht vorgenommen worden sei (OLG Hamm VersR 2009, 1345, 1346). Folgt man dieser Auffassung, ergibt sich zwanglos, dass auch die §§ 16ff. a.F. fortgelten.
bb) Aber auch wenn man der auf die amtliche Gesetzesbegründung abhebenden Gegenmeinung zuneigt, dass der Anwendungsbereich von Art. 1 Abs. 2 EGVVG auf materiellrechtliche Vorschriften beschränkt bleibt (OLG Köln VersR 2009, 1347), steht der Anwendung der §§ 16ff. VVG a.F. nichts im Wege. Zu den in der Gesetzesbegründung ausdrücklich angesprochenen Rechten gehören auch die dem Versicherer bei Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht zustehenden Rechte. Selbst bei einer Einengung der Rechte auf diejenigen aus dem Versicherungsfall, also etwa auf den unmittelbaren Leistungsanspruch, wie dies der Berufungsführerin vorschwebt, wäre das Ergebnis kein anderes, da über § 21 VVG a.F. und § 21 Abs. 2 VVG 2008 von der Anwendbarkeit des Rücktrittsrechts bei vorvertraglicher Anzeigepflichtverletzung auch der unmittelbare Leistungsanspruch betroffen ist. Deshalb geht die h.M. zu Recht von einer über den 31.12.2008 hinaus reichenden Anwendbarkeit der §§ 16ff. VVG a.F. bei Altverträgen auch hinsichtlich der Rechtsfolgen einer Anzeigepflichtverletzung aus, wenn der Versicherungsfall jedenfalls noch im Jahre 2008 eingetreten ist (Bruck/Möller/Rolfs, VVG, 9. Aufl. § 19 Rn. 5; Marlow/Spuhl, Das neue VVG kompakt, 3. Aufl. S. 61/62; Muschner, HK-Versicherungsrecht, Art 1 EGVVG Rn. 8; Schwintowski/Brömmelmeyer/Klär, Praxiskommentar zum VVG, § 19 Rn. 150; Müller-Frank, Aktuelle Rechtsprechung zur Berufsunfähigkeits-(Zusatz-)Versicherung, 7. Aufl. s. 258; Neuhaus r+s 2008, 45,46; differenzierend: Grote/Finkel, VersR 2009, 312). Für die Voraussetzungen der vorvertraglichen Anzeigepflicht und deren Verletzung bleiben ohnehin stets die bei Vertragsschluss zu beachtenden Regelungen weiterhin anwendbar (Amtl. Begründung in BT-Drucks. 16/ 3945 S. 118).
Würde die Anwendbarkeit der §§ 16ff. a.F. in vorliegendem Fall verneint, hätte es die Klägerin in der Hand gehabt, durch ein Zuwarten mit der Klage bis zum Beginn des Jahres 2009 das anzuwendende Recht zu beeinflussen.
3.
Völlig fehl gehen die Ausführungen der Berufungsbegründung zur quotalen Leistungskürzung, weil hierbei die Rechtsfolgen der vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung nach § 19 VVG mit denjenigen vermengt werden, die für die Verletzung von Obliegenheiten nach Abschluss des Versicherungsvertrages gem. § 28 VVG gelten. Bei Verletzung der vorvertraglichen und damit bei Vertragsschluss zu erfüllenden Anzeigepflicht sehen die §§ 19ff. je nach dem Grad des Verschuldens Rücktritt, Kündigung, Vertragsanpassung und Arglistanfechtung durch den Versicherer vor, wobei das Rücktrittsrecht im Gegensatz zum alten Rechtszustand bei einer nur leicht fahrlässigen Anzeigepflichtverletzung nicht mehr ausgeübt werden kann, § 19 Abs. 3 S. 1 VVG, und in der Krankenversicherung gem. § 194 Abs. 1 S. 3 VVG bei schuldloser Verletzung der Anzeigepflicht dem Versicherer das Kündigungs- und Vertragsanpassungsrecht verwehrt bleibt. Ein von der Klägerin herangezogenes quotales Leistungskürzungsrecht sehen die §§ 19ff. VVG nicht vor. Ein solches ist vielmehr u.a. bei grob fahrlässiger Verletzung einer nach Vertragsschluss zu erfüllenden Obliegenheit in § 28 VVG vorgesehen, die in dem vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt allerdings nicht stattgefunden hat.
4.
Hinsichtlich des Klageantrags zu 1., mit dem Leistungen wegen eines vor dem Rücktritt der Beklagten eingetretenen Versicherungsfalls geltend gemacht werden, kann eine Leistungspflicht der Beklagten trotz wirksamen Rücktritts nicht festgestellt werden. Denn die Klägerin hat den ihr obliegenden Kausalitätsgegenbeweis des § 21 VVG a. F. nicht angetreten.
II.
Der Berufungsklägerin wird Gelegenheit gegeben, binnen 4 Wochen nach Zugang dieses Beschlusses zu den Hinweisen Stellung zu nehmen.
Auf die Kostenprivilegierung bei Berufungsrücknahme wird hingewiesen.

RechtsgebietVersicherungsrecht VorschriftenArt. 1 Abs. 1 EGVVG

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