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20.08.2009 · IWW-Abrufnummer 091979

Finanzgericht Niedersachsen: Urteil vom 30.10.2008 – 12 K 61/02

Die Erträge aus einer im Rahmen der sog. LEX-Konzept-Rente abgeschlossenen englischen Lebensversicherung fließen dem Steuerpflichtigen in Ansehung des Konzepts und der Bedingungen des hier zu beurteilenden Vertrags nur insoweit im Streitjahr zu und unterliegen nur insoweit der Besteuerung, als sie in den regelmäßigen Auszahlungen rechnerisch enthalten sind.


NIEDERSÄCHSISCHES FINANZGERICHT
URTEIL

vom 30.10.2008

Az.: 12 K 61/02

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um den Zeitpunkt der Besteuerung von Einnahmen aus einer Kapitalanlage (Lebensversicherung eines englischen Anbieters) bei vertragsmäßiger regelmäßiger Teilauszahlung gem. § 20 EStG in der für das Streitjahr 1999 geltenden Fassung (EStG 1999). Die Kläger sind der Auffassung, dass allein der in den Teilauszahlungen rechnerisch enthaltene Ertrag im Streitjahr der Besteuerung zu unterwerfen ist. Der Beklagte (das Finanzamt - FA -) erfasst dagegen den vollen im Streitjahr erwirtschafteten, aber zum Teil im Kapitalstock verbleibenden Ertrag. (Anmerkung: Obwohl die rechtliche Einordnung der Anlageform der englischen X Lebensversicherung nicht eindeutig ist, wird im Urteil des einheitlichen Sprachgebrauchs und der Verständlichkeit wegen der Begriff "Lebensversicherung" verwendet. Das gilt auch für die zur näheren Ausgestaltung der Versicherung in den Policenbedingungen enthaltenen Begriffe wie zB "Units" für Sparanteile, "Werterhöhung der Units", "Jahresdividende".)

1. Die Kläger werden als Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Neben Einkünften aus selbstständiger und nichtselbstständiger Arbeit erzielten sie im Streitjahr Einnahmen aus verschiedenen inländischen und ausländischen Kapitalanlagen; sie hatten damit zusammenhängende Werbungskosten zu tragen. Umstritten ist allein die steuerliche Behandlung der Erträge aus der englischen X Lebensversicherung.

2. Die Klägerin entschied sich Ende 1998 für eine Kapitalanlage in Form der sog. LEX-Konzept-Rente, die von der im Inland ansässigen … AG entwickelt wurde. Dabei handelt es sich nach der inhaltlichen Ausgestaltung um eine kreditfinanzierte Lebensversicherung. Das LEX-Konzept funktioniert nach der Beschreibung des Anbieters kurz gefasst wie folgt: Das fremdfinanzierte Kapitalanlageprodukt soll kein Steuersparmodell sein, sondern ist so konzipiert, dass es sich vor Steuern rechnet. Der Ausdruck Rente in dem Namen LEX-Konzept-Rente ist nicht im rechtlichen Sinne zu verstehen. Bei den von Beginn an laufenden Einnahmen des Anlegers handelt es sich vielmehr um Teilauszahlungen aus einer Kapitallebensversicherung. Das Kombinations-Anlage-Produkt beruht auf der durch finanzmathematische Vergangenheitsanalysen ermittelten Annahme, dass die wieder angelegten Erträge aus der Kapitalanlage aufgrund des Zinseszinseffekts in etwa 14 Jahren das zur Rückführung der Fremdfinanzierung erforderliche Kapital erwirtschaften (Refinanzierungsphase); danach werden die Erträge aus der Lebensversicherung als "Rente" gezahlt. Das Programm ist so austariert, dass sich das für die Lebensversicherung eingesetzte Kapital trotz regelmäßiger Auszahlungen nicht verbraucht, sondern dass das Versicherungsdepot und die Rente um jährlich 1 % wachsen.

Der Anleger nimmt bei einer … Bank zwei Darlehen mit einer Laufzeit von ca. 14 Jahren auf und bildet ggf. mit zusätzlichem Eigenkapital einen Kapitalstock. 1/3 des Gesamtbetrags wird in ein internationales Investmentfondsdepot eingezahlt. Die Erträge aus diesen Fonds (Dividenden, Zwischengewinne und kurzfristige Kursgewinne) sind nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1999 im Jahr des Ertrags steuerpflichtig. Die laufenden Erträge werden nicht ausgezahlt, sondern erhöhen den Wert des Fonds. Das Depot soll nach ca. 14 Jahren einen Wert erreicht haben, der der Höhe des Fremdkapitals entspricht, und wird zur Rückführung der beiden Darlehen verwendet. 2/3 des Kapitalstocks wird in eine englische Lebensversicherung eingezahlt. So wird bei der XY zB ein Vertrag über die englische Lebensversicherung … (X Lebensversicherung), abgeschlossen. Die Versicherung enthält keinen Risikoanteil, sondern ist eine Kapitallebensversicherung. Der Anleger erhält hieraus von Beginn an die vereinbarten regelmäßigen Auszahlungen, die bis zum Ende der Refinanzierungsphase zur Zahlung der Darlehenszinsen verwendet werden. Die laufenden Erträge bleiben zumindest teilweise unausgezahlt und erhöhen so den Kapitalstock der Versicherung. Da bei Ende der Darlehenslaufzeit der Fonds ausgezahlt wird und er die Darlehen ablöst, stehen dem Anleger die laufenden Auszahlungen aus der Lebensversicherung nunmehr frei zur Verfügung und sind ab diesem Zeitpunkt bis zum Verbrauch des angewachsenen Kapitals "Rente". Die Auszahlungen stellen von der Konzeption her Rückzahlungen des Kapitals und der Erträge dar. Die Erträge (Jahresdividende und Fälligkeitsbonus) sollen nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG 1999 zu versteuern sein, und zwar "mit dem quartalsmäßigen Zufluss beim Bezugsberechtigten". Das wirtschaftliche Funktionieren dieses Konzepts hängt von der Höhe der Darlehenszinsen einerseits sowie den Renditen des Fonds und der Lebensversicherung andererseits ab. Darüber hinaus gelten die Bedingungen zur Wertentwicklung der Lebensversicherung nur, wenn der Vertrag wie vereinbart durchgeführt wird. Bei vorzeitiger Beendigung des Vertrags oder Inanspruchnahme höherer Auszahlungen kann sich der Wert der Versicherung durch eine Marktanpassung verringern. Der darlehensgebenden Bank werden als Sicherheit das Fondsdepot und die Lebensversicherung abgetreten. Für jeden Vertrag bzw. Vertragsschluss entstehen Aufwendungen (zB Disagios bei den Darlehensverträgen, Schuldzinsen für die beiden Darlehen, Kreditvermittlungsgebühren, Kosten für den Avalkredit). Die Aufwendungen sind Werbungskosten bei dem jeweiligen Vertrag, wobei jeder Vertrag bzw. jede Kapitalanlage gesondert zu betrachten ist. Unter Berücksichtigung aller Erträge und Aufwendungen und der angenommenen Wertentwicklung der Anlagen soll schon bis zum Ende der Refinanzierungsphase ein positiver Totalüberschuss erzielt sein.

3. Die X Lebensversicherung weist gegenüber dem in Deutschland typischen Lebensversicherungsvertrag zum Teil erhebliche Unterschiede auf. Der Vertrag in der hier zu beurteilenden Fassung wurde bis November 2000 angeboten, die Vertragsbedingungen wurden für danach geschlossene Verträge geändert.

Bei der Versicherung handelt sich um eine fondsgebundene Kapitallebensversicherung gegen Einmalbetrag. Die Versicherung enthält keinen Risikoanteil. Es wird von der XY insgesamt nur das Guthaben samt aufgelaufener Erträge zurückgewährt, und zwar durch laufende Auszahlungen, bei Eintritt des Todesfalles oder bei vorzeitiger Kündigung. Die Höchstlaufzeit des Vertrags richtet sich nach der ältesten versicherten Person und entspricht der Zeitdauer, in der diese Person das 96. Lebensjahr vollendet hat. Da der Anleger eine möglichst lebenslange Auszahlung erhalten soll, muss die versicherte Person möglichst jung sein. Die maximale Laufzeit beträgt 78 Jahre.

Der in dem ersten Kontoauszug ausgewiesene Sparanteil beträgt 93 % des Einmalbetrags und ist Bemessungsgrundlage für die Verzinsung dieses Guthabens. Die Differenz von 7 % (Disagio) wird von der XY für interne und externe Vertriebskosten verwendet und soll vom Anleger als Werbungskosten geltend gemacht werden. Das Guthaben wird von der XY in einen im Vertrag vom Anleger gewählten Pool eingelegt, der die Erträge der XY erwirtschaftet. Das Guthaben wird in Sparanteile (Units) aufgeteilt. Regelmäßig (zu Beginn des Vertrags, zu Jahresbeginn und bei jeder Auszahlung) werden die Units mit einem Anteilspreis bewertet, der auf der Grundlage der aus dem Pool erzielten Erträge ermittelt wird. Dieser Anteilspreis stellt den Verkaufspreis bei Rückgewähr der Units durch den Anleger dar. Die Differenz der Anteilswerte stellt den Ertrag des Guthabens dar. Hat zB ein Unit zu Vertragsbeginn einen Wert von 1 DM und hat er im Zeitpunkt der ersten Auszahlung einen Rücknahmepreis von 1,20 DM, gibt der Anleger die Anzahl der Units zurück, die dem Wert der vereinbarten Auszahlung entsprechen. Da der Wert stetig steigen soll, wird im Laufe der Zeit die Anzahl der zurückzugebenden Units kleiner. Der Wertzuwachs der Units wird durch laufende, jedenfalls aber durch eine zu Jahresbeginn vorgenommene Bewertung bei dem hier interessierenden Vertrag von der XY in dem Sinne garantiert, dass ein einmal erreichter Wert nicht unterschritten werden kann. Zu diesem Ertrag durch Bewertung der Units erhält der Anleger bei jeder Rückgewähr einen Fälligkeitsbonus, der aber nicht ausgezahlt wird, sondern für dessen Wert neue Units zum jeweiligen Wert zugeteilt werden. Der Bonus wird von der XY quartalsweise festgelegt.

Der Anleger hat von Vertragsbeginn an das Recht, laufende Auszahlungen zu verlangen (zunächst zur Deckung der Schuldzinsen). Die Häufigkeit und die Höhe werden bei Vertragsschluss festgelegt. Von der Konzeption her handelt es sich bei den Auszahlungen um Rückgewähr des in den Units abgebildeten Guthabens nebst anteiligem Ertrag, der in dem Wert der zurückgegebenen Units enthalten ist (zB 0,20 DM je Unit). Der Auszahlungsbetrag erhöht sich um eine Dynamisierung von jährlich 1 %. Da die XY davon ausgeht, dass die Rendite um zumindest 1 %-Punkt höher ist als die Summe der Auszahlungsbeträge, erhöht sich das Guthaben ständig; es soll sich also trotz Rückgewähr von Units nicht verbrauchen.

4. Die Klägerin schloss am 30. Dezember 1998 die X Lebensversicherung mit Versicherungsbeginn 8. März 1999 ab. Die Zahlungsflüsse (Darlehen, Einzahlung, Gebühren usw.) erfolgten Ende 1998. Der gutgeschriebene Betrag (Zuteilung) betrug 339.662 DM und wurde in Units zum Wert von jeweils 1,377 DM aufgeteilt. Der Rücknahmepreis je Unit betrug zu diesem Zeitpunkt 1,279 DM. Versicherte Personen sind die Töchter der Klägerin A (seinerzeit 14 Jahre alt) und B (seinerzeit 19 Jahre alt). Die Vertragslaufzeit beträgt 78 Jahre. Die Todesfallleistung ist mit dem Tod der zuletzt versterbenden versicherten Person auszuzahlen. Die Klägerin vereinbarte vierteljährlich Auszahlungen ab 25. Juni 1999 in Höhe von jeweils 5.220 DM. Für die Einzelheiten der Vertragsbedingungen wird auf den Vertrag, bestehend aus Versicherungsschein, den Policenbedingungen und der Verbraucherinformation, verwiesen. Die Klägerin erhielt im Streitjahr Auszahlungen am 9. Juni, 25. Juni, 25. September und 10. Dezember 1999 in Höhe von 5.745,65 DM (erste Auszahlung) und weiterhin jeweils 5.220 DM. Wie im Rahmen der LEX-Konzept-Rente vorgesehen, investierte die Klägerin auch in einen Investmentfonds. Die zur Finanzierung aufgenommenen Darlehen haben eine Laufzeit von 14 Jahren, davon 10 Jahre mit Zinsbindung. Die Ansprüche aus der Lebensversicherung und dem Fonds trat die Klägerin zur Sicherung der Darlehen an die finanzierende Bank ab.

5. Im Rahmen der Veranlagung 1998 wurden die grundsätzliche steuerliche Anerkennung der Einnahmen und Ausgaben des Fonds und der Lebensversicherung insbesondere im Hinblick auf die jeweilige Einkunftserzielungsabsicht unter Berücksichtigung der diversen Gebühren und Schuldzinsen als Werbungskosten überprüft. Das FA ging mit der OFD von einem Totalgewinn sowohl des Fonds als auch der Lebensversicherung aus. Die Erträge aus der Lebensversicherung ordnete es den Kapitalerträgen nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG 1999 zu. Die Werbungskosten incl. 7 % Disagio wurden weitgehend anerkannt. Der Einkommensteuerbescheid 1998 wurde bestandskräftig.

6. In der Steuererklärung für das Streitjahr 1999 erklärten die Kläger die Erträge (3.114 DM) und Werbungskosten (Schuldzinsen 4.705 DM) sowie Abzugsbeträge aus dem Fonds. Diese Positionen erkannte das FA an; sie sind somit unstreitig.

Aus der X Lebensversicherung gaben die Kläger Erträge lt. Bescheinigung der XY vom 10. Februar … in Höhe von 578,67 DM und als Werbungskosten Schuldzinsen in Höhe von 15.095,67 DM an. Das FA schätzte dagegen die insgesamt im Streitjahr erwirtschafteten Beträge mit 11,33 % des Guthabens zuzüglich ebenfalls 11,33 % Fälligkeitsboni auf die Auszahlungen, somit insgesamt 40.849,40 DM. Diese Berechnung wurde in den Erläuterungen des ursprünglichen Einkommensteuerbescheids vom … 2000 mitgeteilt. Die als Werbungskosten geltend gemachten Schuldzinsen erkannte das FA in vollem Umfang an.

7. Mit dem Einspruch legten die Kläger einen Kontoauszug der XY vor, wonach die Einnahmen der Klägerin im Streitjahr 21.405,65 DM betrugen (sämtliche Auszahlungen in voller Höhe). Die Kläger hielten an ihrer Auffassung fest, es seien nur die in den Auszahlungen enthaltenen Erträge von 578,67 DM zu versteuern.

Das FA errechnete die Erträge unter Vergleich der Jahresanfangs- und Jahresendwerte (Rücknahmepreise) des Guthabens und unter Berücksichtigung der Auszahlungen neu. Dabei erfasste es die thesaurierten Fälligkeitsboni nicht gesondert, sondern als im Wert am Jahresende enthalten.

Wert 9.3.1999 Units je 1,279 DM 315.488,52 DM
Wert 31.12.1999 Units je 1,334 DM 307.316,35 DM
Wertverlust 8.172,17 DM
Zzgl. Auszahlungen 21.405,65 DM
Einnahmen 13.233,48 DM
Unstreitige Einnahmen andere 3.695,-- DM
Einnahmen der Klägerin aus Kapitalvermögen 16.928,-- DM (StB. 16.929,-- DM)

Mit Bescheid vom … 2001 änderte das FA den ursprünglichen Steuerbescheid gem. § 172 Abs. 1 Nr. 2 AO und sah den Einspruch als erledigt an.

8. Mit ihrem erneuten Einspruch verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. Sei tragen im Wesentlichen vor: Durch die Bewertungen der Units zu Beginn und im Laufe des Jahres erhalte die Klägerin keinen Ertrag in Form einer Gutschrift. Die Bewertung drücke vielmehr den Rücknahmepreis der Units aus. Es sei kein Ertrag garantiert. Der Wert richte sich nach der Ertragslage der Vermögensmasse unter Einbeziehung der Bildung einer Rücklage für den mit Ablauf des Vertrags zu zahlenden Fälligkeitsbonus. Eine Ertragsgarantie sei in dem Vertrag nur insofern vereinbart, dass ein einmal erreichter Wert der Units nicht sinken könne. Das setze aber planmäßige laufende Auszahlungen voraus. Bei Kündigung des Vertrags oder Vornahme nicht von Anfang an vereinbarter - außerplanmäßiger - Auszahlungen, werde der Rücknahmewert anhand der tatsächlichen Wertentwicklung ermittelt. Bei außerplanmäßigen Rückzahlungen könne eine Marktpreisanpassung vorgenommen werden, wodurch der Anleger bereits "gutgeschriebene" Erträge verlieren oder einen Verlust erleiden könne. Konzeptionell sei der jährliche Kontoauszug eine unitbezogene Bestandsrechnung und drücke allein den Rücknahmewert unter Einhaltung der Vertragsbedingungen aus; er enthalte keine Gutschrift von Erträgen, die vereinbarungsgemäß thesauriert würden. Nach den Vertragsbedingungen könne der Anleger über "gutgeschriebene" Erträge nicht verfügen, er könne nur Units zurückgeben. Bei Vertragsschluss habe der Anleger kein Wahlrecht zwischen Auszahlung und Thesaurierung der Erträge, weil dies im Konzept der X Lebensversicherung nicht vorgesehen sei. Die Gutschrift in den Büchern der XY (Bewertung der Units) führe allein nicht zu einem steuerlichen Zufluss. Nach der Rechtsprechung des BFH sei erforderlich, dass der Betrag mit der Gutschrift zur Verfügung stehe, der Leistungserfolg ohne weiteres Zutun des Schuldners herbeigeführt werden könne und der Schuldner leistungsfähig und leistungsbereit sei. Hier habe noch nicht einmal eine Gutschrift eines Ertrags stattgefunden. Aus demselben Grund könne auch keine Schuldumwandlung (Novation) stattgefunden haben. Abgesehen davon stünde die Wiederanlage eines Ertrags im Interesse der XY und nicht - wie die Rechtsprechung es fordere - im Interesse des Anlegers, denn im Zeitpunkt der Bewertung der Units zu Jahrsbeginn sei der Ertrag für dieses Jahr noch gar nicht erwirtschaftet. Daher habe die XY kein Interesse an einer Auszahlung eines noch nicht eingetretenen Erfolgs, sondern an der Thesaurierung. Eine entsprechende Anwendung des § 608 Abs. 2 BGB in der vor 2001 geltenden Fassung (Novation) komme schon deshalb nicht in Betracht, weil es sich bei den hier streitigen Erträgen nicht um gewinn- und umsatzunabhängige Zinsen, sondern um Anteile an Gewinnen und Wertzuwächsen aus den Anlagen der XY handele. Die im Streitjahr 1999 erhaltenen Auszahlungen in Höhe von 21.405,65 DM enthielten nach der Bescheinigung der XY vom 26. April … anteilige Erträge iSd. § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG 1999 in Höhe von 562,60 DM.

9. Das FA wies den Einspruch - soweit hier interessierend - mit Bescheid vom … 2002 zurück. Die Erträge seien als Kapitalerträge iSd. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG 1999 zu erfassen weil es sich bei der Anlage mangels Fehlen einer besonderen Todesfallleistung (Risikoanteil) um einen atypischen Sparvertrag handele. Kapitalerträge seien entstanden. Die technische Bezeichnung, die Abwicklung des Vertrags (Einteilung des Sparguthabens in Units, Erhöhung des Rücknahmewerts) oder die Unregelmäßigkeit der Höhe des Ertrags sei steuerlich ohne Bedeutung. Die Klägerin habe sich mit dem Vertragsabschluss für die konzeptionelle Wiederanlage der Erträge entschieden und damit eine Vorausvereinbarung über die Wiederanlage getroffen. Sie habe die Wahl gehabt, ob sie den Vertrag schließen möchte oder nicht. Das reiche nach der Rechtsprechung des BFH für die Annahme des Zuflusses aus. Das Anlageverhalten der XY sei dem eines thesaurierenden Investmentfonds vergleichbar und bei diesem flössen die Kapitalerträge unabhängig von den Ausschüttungen jährlich zu.

10. Zur Klagebegründung wiederholen und vertiefen die Kläger ihre bisherige Auffassung und Begründung. Sie heben noch einmal hervor, dass es sich bei den Units um reine interne Rechengrößen handele, mit der die Werte der Ansprüche des Anlegers und der Verpflichtung der XY dargestellt würden. Somit sei von dem Anleger kein Ertrag erwirtschaftet worden, der sich von der Vermögensquelle lösen und rechtlich gesondert betrachten und vereinnahmen lasse. Der jährliche Ertrag, die sog. Jahresdividende, entspreche der Überschussbeteiligung einer üblichen deutschen Lebensversicherung. Der Vertrag ähnele einer Kapitallebensversicherung mit dynamischer Versicherungssumme. Die Einteilung des Sparbetrags in Units deute auf eine fondsgebundene Lebensversicherung hin, die Versicherungssumme könne aber nicht hinter einem einmal erreichten Wert zurückbleiben. Auf die Qualifizierung der X Lebensversicherung komme es indes für die Besteuerung nicht maßgeblich an, denn es sei letztlich nur über den Zufluss von steuerbaren und steuerpflichtigen Erträgen zu befinden. Die Kläger führen aus, dass nicht in allen Fällen der Thesaurierung von Erträgen ein Zufluss vor Auszahlung vorliege. Das ergebe sich etwa aus Sonderregelungen zu einzelnen Anlageformen (zB § 30 Abs. 1 Satz 2 KAGG) oder aus der Rechtsprechung zu einzelnen Wertpapierformen (zB Bundesschatzbrief Typ B). Wenn man wie das FA darauf abstelle, dass der Anleger stets die freie Wahl der Anlageform habe, sei stets von einer Novation auszugehen und wären deshalb Erträge in vollem Umfang im jeweiligen Streitjahr zu erfassen. Mit einem Investmentfonds sei die X Lebensversicherung schon von der Konzeption her nicht vergleichbar, weil die Units keine Anteilsscheine seien und der Erfolg der Vermögensmasse nicht vollständig in den Ertrag der Units umgesetzt werde. Die XY zahle am Vertragsende auch nicht den gegenwärtigen Wert aus, sondern den garantierten Rücknahmepreis der Units.

Die Kläger beantragen,
den Bescheid für 1999 über Einkommensteuer vom … 2001 in der Fassung des Einspruchsbescheids vom … 2002 zu ändern und die Einkommensteuer unter Minderung der Einkünfte der Klägerin aus Kapitalvermögen um 12.671 DM herabzusetzen (Einnahmen aus X Lebensversicherung lt. Einkommensteuerbescheid 13.233 DM ./. 12.671 DM = 562,60 DM).

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Das FA bleibt bei seiner Auffassung. Die Anlage sei als atypischer Sparvertrag zu werten, weil das Todesfallrisiko fehle. Zwar sei jeder Vertrag der LEX-Konzept-Rente für sich zu betrachten. Es dürfe aber nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Klägerin die Höhe der regelmäßigen Auszahlungen, die die Darlehenszinsen abdecken sollten, selbst bestimme. Die Klägerin habe sich freiwillig für das Konzept entschieden, das nur in Zusammenschau aller Komponenten der LEX-Konzept-Rente sinnvoll sei. Es sei die Rechtsprechung zur Novation heranzuziehen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet. Der angegriffene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten. Die Erträge aus der X Lebensversicherung sind im Streitjahr nur insoweit der Besteuerung zu unterwerfen, als sie mit den Auszahlungen der Klägerin zugeflossen sind.

1. Das Gericht geht mit den Beteiligten davon aus, dass sich die Frage der Besteuerung der Erträge aus einer englischen Lebensversicherung im Streitfall nach deutschem Einkommensteuerrecht richtet (§ 1 EStG iVm. Art. X Abs. 2 und 3 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung von Steuerverkürzung - DBA Großbritannien; vgl. auch BFH-Urteil vom 15. Dezember 1999 X R 23/95, BFHE 190, 460, BStBl. II 2000, 267).

2. Gem. § 2 Abs. 1 Nr. 6 iVm. § 20 EStG 1999 unterliegen Einkünfte aus Kapitalvermögen der Einkommensteuer, wobei § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG 1999 die außerrechnungsmäßigen und rechnungsmäßigen Zinsen aus den Sparanteilen, die in den Beiträgen zu einer Lebensversicherung enthalten sind, und § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG 1999 Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen jeglicher Art erfasst. Wie noch auszuführen sein wird, kommt es auf die genaue Qualifikation der X Lebensversicherung als Lebensversicherung iSd. Nr. 6 oder als Sparguthaben oder sonstige Forderung iSd. Nr. 7 nicht an.

3. Steuerrelevant sind nur solche positiven oder negativen Einkünfte iSd. § 2 Abs. 1 Nrn. 1 bis 7 EStG, die durch Tätigkeiten oder Vermögensnutzungen veranlasst sind, die der Erzielung positiver Einkünfte dienen. Erstrebt werden muss ein Totalüberschuss. Wird ein solcher Totalüberschuss nicht angestrebt oder ist von Anfang an absehbar, dass ein solcher nicht erreicht werden kann, werden Überschüsse und Verluste steuerlich nicht berücksichtigt. Zweifel an der Überschusserzielungsabsicht bestehen, weil die Kapitalanlage ganz überwiegend fremdfinanziert ist und deshalb zumindest bis zum Ablauf des Darlehens (14 Jahre) Schuldzinsen anfallen, die die Einnahmen übersteigen dürften. Die in diesen Jahren nach der Konzeption der LEX-Konzept-Rente zwangsläufig eintretenden Verluste führen aber nicht zu der Annahme, dass die Klägerin im Streitjahr keinen Totalüberschuss angestrebt hat oder ein solcher bei realistischer Beurteilung der Kapitalanlage nicht erwartet werden konnte.

Sämtliche Bausteine der LEX-Konzept-Rente sind vom Prinzip her steuerlich getrennt zu beurteilen. Für die Einkünfteerzielungsabsicht der hier zu beurteilenden X Lebensversicherung ist maßgebend, ob "nach den allgemeinen Renditeerwartungen mit einem Totalüberschuss in einem überschaubaren Zeitraum gerechnet werden kann" (BFH-Urteil vom 24. März 1992 VIII R 12/89, BFHE 168, 415, BStBl. 1993, 18 mit weiteren Nachweisen, betr. Wertpapiere). Ein "bescheidener Überschuss" genügt (BFH-Urteil vom 4. Mai 1993 VIII R 7/91, BFHE 171, 495, BStBl 93, 832 mit weiteren Nachweisen, betr. Wertpapiere).

Der Prognosezeitraum ist nicht festgelegt. Der zeitliche Maßstab für die Beurteilung der Einkünfteerzielungsabsicht anhand des Strebens nach Totalüberschuss ergibt sich im Regelfall aus der Gesamtdauer der beabsichtigten Vermögensnutzung. Selbst ein langjähriger Verlust führt allein noch nicht zwangsläufig zur Annahme der steuerlich nicht relevanten Liebhaberei. Bei Vertragsschluss muss ein Konzept erkennbar sein, dass einen Überschuss möglich erscheinen lässt. Bei Unsicherheitsfaktoren sind Erfahrungen aus der Vergangenheit einzubeziehen. Die Werbungskosten sind nicht im Hinblick darauf aufzuteilen, dass laufende Zahlungen aus Kapitalrückzahlung und Ertrag bestehen (BFH-Urteile vom 15. Dezember 1999 X R 23/95, BFHE 190, 460, BStBl. II 2000, 267; vom 16. September 2004 X R 29/02, BFHE 208, 129, BStBl. 2006, 234; vom 7. November 2006 VIII R 76/03, BFH/NV 2007, 668 betr. jeweils Leibrentenversicherung). Diese Rechtsgrundsätze können auf andere langfristig gehaltene Kapitalanlagen übertragen werden. Im Streitfall geht es ebenso wie in den vorgenannten Entscheidungen um eine "rentenartige" Auszahlung über maximal 78 Jahre. Nach der Sterbetafel des Statistischen Bundesamtes 2005/07 hatte die Klägerin bei Vertragsabschluss im Jahre 1998 im Alter von 38 Jahren noch eine Lebenserwartung von ca. 45 Jahren. Sie konnte daher im Streitjahr davon ausgehen, nach Ablauf der Refinanzierungsphase noch langjährig in den Genuss von Überschüssen zu kommen.

Die Klägerin hat die erwarteten Erträge aus der X Lebensversicherung anhand einer Berechnung unter Einbeziehung der Darlehenszinsen dem FA gegenüber dargelegt und erläutert. Das LEX-Konzept geht davon aus, dass die Vermögensmasse und damit der Kapitalstock im Laufe der Jahre eine höhere Rendite erwirtschaftet als an Schuldzinsen für die Fremdfinanzierung des Einmalbetrags für die Lebensversicherung aufgewendet werden müssen. Zudem nimmt es an, dass nach 14 Jahren das Darlehen durch die Verwertung des Investmentfonds abgelöst wird und ab dem Zeitpunkt Schuldzinsen nicht mehr anfallen. Die Renditen sind durch die in der Vergangenheit erzielte Erträge belegt, die Schuldzinsen sind über die Laufzeit festgeschrieben. Das Gericht geht davon aus, dass - im Zeitpunkt des Vertragsschlusses und auch im Streitjahr - ein Totalüberschuss möglich erschien. Die wirtschaftlichen Entwicklungen in den Folgejahren haben die Erwartungen zwar nicht erfüllt, dürfen aber - da nicht von vornherein absehbar - nicht in die Gesamtwürdigung einbezogen werden.

Das FA hat die Berechnung eingehend geprüft und geht von einem erzielbaren Totalüberschuss aus. Es hat bei den Veranlagungen deshalb für das Vorjahr 1998 Aufwendungen von ca. 60.000 DM und für das Streitjahr 1999 die geltend gemachten Schuldzinsen als Werbungskosten anerkannt. Diese Auffassung wird - soweit ersichtlich - von der Finanzverwaltung bundesweit geteilt. Das Gericht hat keine Anhaltpunkte dafür, die es erforderlich erscheinen lassen, von der Wertung der Finanzverwaltung abzuweichen.

4. Die laufenden Auszahlungen sind keine Rente iSd. § 22 EStG 1999, die nur mit dem Ertragsanteil zu erfassen wäre, weil es sich bei der Anlage mangels Risikoabdeckung nicht um eine Lebensversicherung bzw. es sich bei den Auszahlungen nicht um Leibrenten handelt. Insoweit besteht Übereinstimmung der Beteiligten. Es kommt nur die Erfassung als Kapitalerträge in Betracht.

5. Einer Entscheidung, nach welcher Vorschrift des § 20 Abs. 1 EStG 1999 die Erträge aus der X Lebensversicherung zu erfassen sind, bedarf es nicht. Nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG 1999 gehören zu den Einkünften außerrechnungsmäßige (nicht vertraglich festgelegte Entgelte, zB Überschussbeteiligung) und rechnungsmäßige (geschäftsplanmäßig festgelegte und von der zuständigen Behörde genehmigte) Zinsen aus den Sparanteilen, die in den Beiträgen zu Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall enthalten sind. Für Versicherungen gegen laufende Beiträge gelten besondere Bestimmungen nach Satz 2 ff. der Vorschrift. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG 1999 betrifft Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art und unabhängig von deren Bezeichnung wie zB aus Sparguthaben, Darlehen oder einer anderen Anlageform, die für die Nutzung des Kapitals zugesagt oder gewährt worden sind und wenn die Rückzahlung des Kapitals zugesagt worden ist. Die zivilrechtliche Ausgestaltung des Vertrags ist ohne Belang.

Die X Lebensversicherung weist Elemente mehrerer typischer Anlageformen auf. So ist sie formal eine Lebensversicherung, weil sie im Fall des Todes der versicherten Person eine vereinbarte Zahlung leistet. Zudem wird durch regelmäßige Auszahlungen eine "Rente" gezahlt. Allerdings werden nur Kapital und Erträge, nicht aber im Falle des Risikoeintritts ein bestimmter und mehr als die Einzahlung zzgl. erwirtschafteter Erträge ausmachender Betrag ausgezahlt. Der BFH hat einen Vertrag, der keine Risikoabdeckung für die Unwägbarkeiten des menschlichen Lebens enthält (Lebensdauer bei Rentenzahlung, Todeszeitpunkt für Zahlung der Versicherungssumme), sondern bei dem nur das Kapital samt Erträge zurückgezahlt wird, als atypischen Sparvertrag angesehen (BFH-Urteil vom 9. November 1990 VI R 164/86, BFHE 163, 53, BStBl. II 1991, 189). Die Einteilung des Kapitals in Units erinnert an einen Investmentfonds. Allerdings ist die XY kein Investmentfonds, sondern legt das ihr anvertraute Kapital in Vermögensmassen an, die ihrerseits aber offenbar wie Fonds verwaltet werden. Die Units sind nicht wie Fondsanteile handelbar. Diese gravierenden tatsächlichen Unterschiede schließen die entsprechende Anwendung der Sonderregelungen für die Besteuerung von Erträgen aus Investmentfonds aus. Der Wertzuwachs in Form der Höherbewertung der Units nach Anlage in Vermögensmassen könnte eine bei Lebensversicherungen typische Überschussbeteiligung abbilden. Die Einmaleinzahlung mit laufender Auszahlung von Anfang an könnten auch Elemente eines normalen Sparvertrags sein. Ferner enthält die Kapitalanlage wegen des vorgenommenen Disagios ein Element des abgezinsten Wertpapiers sowie wegen der nicht ausgezahlten anteiligen Erträge ein Element des aufgezinsten Wertpapiers. Für die Beantwortung der hier zu entscheidenden Frage, wann angefallene Erträge zugeflossen und daher zu versteuern sind, hilft die Betrachtung der verschiedenen Anlageformen allerdings nicht weiter. Allen in Betracht kommenden Anlageformen gemeinsam ist nämlich, dass Erträge nur bei Zufluss (ob) und im Zeitpunkt des Zuflusses (wann) zu versteuern sind. Das ist der allgemeine im Steuerrecht geltende Grundsatz.

Die Einordnung der hier in Rede stehenden Erträge ist für das Ergebnis daher irrelevant, da die Einkünfte im Ergebnis gleich besteuert werden. Die für Lebensversicherungen gewährte Vergünstigung des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG 1999 (Steuerfreiheit der Erträge) kommt im Streitfall nicht zum Tragen, weil es sich bei der Kapitalanlage der Klägerin um eine Kapitallebensversicherung oder eine ähnliche Form gegen Einmalbetrag handelt.

6. Die hier zu betrachtenden Beträge fallen nicht etwa ganz oder teilweise in dem nicht steuerbaren Bereich der Wertsteigerung auf der Vermögensebene an. Die Wertsteigerung einer Kapitalanlage unterliegt (Ausnahme § 23 EStG) nicht der Besteuerung. Wegen der Aufteilung des bei der X Lebensversicherung eingezahlten Betrags in Units und der laufenden Bewertung der Units erinnert die Anlageform mehr an ein im Wert ansteigendes Wertpapierdepot als an ein verzinsliches Sparguthaben. Der Wert ist zudem von der Ertragsentwicklung der Vermögensmasse abhängig und daher - bis auf den garantierten Wertzuwachs - nicht planbar. Die Units stellen indes keine Anteile dar, sondern sind lediglich interne Rechengrößen (… Policenbedingungen). Sie sind nicht wie Fondsanteile handelbar, sie können nur im Zuge der Auszahlungen an XY zurückgegeben werden. Dem einzelnen Unit kann kein von ihm erwirtschafteter Ertrag zugeordnet werden. Das Kapital kann wegen des geltenden Nominalwertprinzips seinen Wert nicht erhöhen. Daher sind alle "Werterhöhungen" Erträge des Kapitalstocks und betreffen die Einkunftsebene. Darüber besteht zwischen den Beteiligten kein Streit.

7. Durch die Kapitalanlage der Klägerin sind im Streitjahr tatsächlich Erträge erwirtschaftet worden, die der Besteuerung unterliegen. Die Besonderheiten der X Lebensversicherung rechtfertigen nicht die Annahme, der in der Wertsteigerung der Units ausgedrückte Ertrag sei noch gar nicht wirtschaftlich entstanden, sondern stehe nur als Rechengröße in den Büchern der XY und auf den Kontoaufzügen zur Information des Anlegers, also nur "auf dem Papier", und habe im Streitjahr noch keinen wirtschaftlichen Hintergrund.

Die Lebensversicherung funktioniert wie folgt (… Policenbedingungen): Die XY verwaltet Pools, die in Anteile unterteilt sind. Der Vertrag wird in einer Vermögensmasse (hier …), die Anteile der Vermögensmasse (Units) werden einem Vertrag zugeteilt. Die Units haben einen Ausgabe- und einen Rücknahmepreis. Die XY erklärt zu Beginn des Jahres oder zu anderen Zeitpunkten (Auszahlung) für den Pool eine Jahrsdividende, die diesem gutgeschrieben wird. Entsprechend verändert sich der Rücknahmepreis der Units (nach Abrundungen). Wie im Vertrag oder später vereinbart nimmt die XY die dem Vertrag zugeteilten Anteile zu dem Rücknahmepreis zurück (… Policenbedingungen) und zahlt deren Wert somit aus. Nach der Konzeption der Lebensversicherung werden im Übrigen die im Streitjahr erwirtschafteten Werterhöhungen des Kapitals nicht ausgezahlt. Ausgezahlt wird vielmehr der Wert der zurückgegebenen Units als Recheneinheiten. In diesem Wert stecken die Werterhöhungen der zurückgegebenen Units. Die übrigen Anteile bleiben im Kapitalstock. Das heißt: soweit die Erträge auf die zurückgegebenen Units entfallen, sind diese ausgezahlt, soweit sie im Kapitalstock verbleiben, sind sie thesauriert.

Es kann kein Zweifel darüber bestehen, dass die ausgezahlten Erträge wirtschaftlich entstanden sind. Auch die thesaurierten Erträge sind bereits wirtschaftlich entstanden. Sie können dem Anleger bei der hier gewählten Vertragspolice nicht mehr genommen werden. Fraglich ist zwar, ob die Werterhöhungen der noch im Kapitalstock behaltenen Units bereits einen Ertrag realisieren oder ob die Werte, die über das eingezahlte Kapital hinausgehen, nur eine Rechengröße darstellen. Ein Ertrag ist steuerlich nur zu erfassen, wenn der Anleger überhaupt schon ein Nutzungsentgelt für sein Kapital erhalten hat, was ausgezahlt oder wiederangelegt ist. Das könnte im Streitfall zweifelhaft sein, weil die Klägerin keinen irgendwie gearteten Zugriff auf die Werterhöhung hat und sie über diese vor Rückgabe der entsprechenden Units nicht verfügen kann. Die Wertzuwächse könnten sich in Zukunft wieder verflüchtigen, so dass dem Anleger letztlich die Wertzuwächse auf dem Papier nicht zugute kommen. So ist nämlich bei außerplanmäßigen Auszahlungen oder bei vorzeitiger Beendigung des Vertrags durch Rückgabe aller Units eine Marktpreisanpassung - Verringerung des Rückgabewerts je nach Wirtschaftslage - möglich (… Policenbedingungen). Allerdings ist dem Anleger bei der hier zu beurteilenden Versicherungspolice bei vertragsmäßigen Auszahlungen und regulärem Vertragslauf ein Wertzuwachs garantiert, und zwar in der Weise, dass ein einmal ermittelter Rücknahmepreis für die Units nicht unterschritten werden kann (… Policenbedingungen, … Verbraucherinformation). Somit ist ein Ertrag garantiert, der jeweils dann realisiert wird, wenn die Units höherbewertet werden. Dafür, dass die XY nicht nur bei vertragsmäßigen Auszahlungen oder bei Todesfallleistung einen Ertrag gewährt, spricht die Beschreibung dieses Ertrags in den Policenbedingungen. So ist von der Jahresdividende die Rede, die zu bestimmten Stichtagen festgelegt wird und den Wert der Units erhöht (… Policenbedingungen). Da sich wie ausgeführt der Wert des Kapitalstocks rechtlich nicht durch Höherbewertung, sondern nur durch Zahlungszugänge erhöhen kann, muss jede Werterhöhung in Gestalt der Jahresdividende Ertrag des Kapitals und damit Entgelt für die Kapitalüberlassung sein. In Höhe der im Streitjahr erzielten Wertsteigerung der Units ist daher ein Ertrag aus der Lebensversicherung erwirtschaftet, der teilweise mit der Rückgabe der Units ausgezahlt und im Übrigen thesauriert wurde. Darüber besteht zwischen den Beteiligten Einigkeit. Unstreitig ist auch die rechtliche Beurteilung der Boni. Diese stellen die Beteiligung an einem wirtschaftlichen Ergebnis der Vermögensmasse bzw. der Units dar und werden bei einer Auszahlung fällig. Im Zusammenhang mit einer Auszahlung wird deren Höhe berechnet, in Höhe der Beträge neue Units zugeteilt. Der Anleger erhält damit einen wirtschaftlichen Erfolg in Gestalt der Erhöhung seines Kapitalstocks zugeschrieben.

8. Die erwirtschafteten Erträge sind der Klägerin in dem Umfang zugeflossen, wie sie in den laufenden Auszahlungen enthalten sind. Die in den nicht zurückgegebenen Units abgebildeten Erträge, die thesaurierten Beträge, sind dagegen nicht im Streitjahr zugeflossen und daher nicht der Besteuerung zu unterwerfen.

Gem. § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Einnahmen im Jahr des Zuflusses bezogen und steuerlich zu erfassen.

a) Die ständige Rechtsprechung definiert den Zufluss und den Zeitpunkt des Zuflusses wie folgt: "Einnahmen sind zugeflossen, sobald der Steuerpflichtige über sie wirtschaftlich verfügen kann. Geldbeträge fließen in der Regel dadurch zu, dass sie bar ausgezahlt oder einem Konto des Empfängers bei einem Kreditinstitut gutgeschrieben werden. Aber auch eine Gutschrift in den Büchern des Verpflichteten kann einen Zufluss bewirken, wenn in der Gutschrift nicht nur das buchmäßige Festhalten einer Schuldverpflichtung zu sehen ist, sondern darüber hinaus zum Ausdruck gebracht wird, dass der Betrag dem Berechtigen von nun an zur Verwendung zur Verfügung steht". Der Gläubiger muss zudem in der Lage sein, den Leistungserfolg ohne weiteres Zutun des im Übrigen leistungsfähigen und leistungsbereiten Schuldners herbeizuführen. Diese Lage kann durch eine Gutschrift in den Büchern des Schuldners eintreten, wenn er den für die Zahlung vorgesehenen Betrag von seinem Vermögen so separiert, dass der Gläubiger den Betrag ohne weiteres abholen, abrufen oder verrechnen kann (BFH-Urteil vom 14. Februar 1984 VIII R 221/80, BFHE 140, 542, BStBl. II 1984, 480 mit weiteren Nachweisen aus älterer Rechtsprechung).

b) Für die Annahmen des Zufluss thesaurierter Kapitalerträge ist also erforderlich, dass der Schuldner über seine Forderung rechtlich verfügen kann. Sie muss entstanden und fällig sein. Dies hängt von der Art der Kapitalanlage ab. So sind etwa bei Bundesschatzbriefen Typ B die Zinsen erst am Ende der Laufzeit oder bei Rückgabe nach Ablauf der Sperrfrist in einem Betrag zu leisten. Der Schuldner braucht seine Leistung erst am Ende der Laufzeit des Wertpapiers zu erbringen, um seine Schuld zu tilgen. Nach ständiger Rechtsprechung fließt bei solcherart ausgestalteten Kapitalanlagen der Ertrag erst bei Rückgabe der Schuldverschreibung zu, weil der Gläubiger erst zu diesem Zeitpunkt über den Ertrag wirtschaftlich verfügen kann. Dabei kommt es nicht darauf an, dass der Anleger die Kapitalanlage vorzeitig zurückgeben kann; maßgebend ist die tatsächliche Handhabung (FG Hamburg vom 21.Juli 1992 V 96/90, EFG 1992, 740; FG Rheinland-Pfalz vom 12. Februar 2001, 5 K 1476/99, DStRE 2001, 642 betr. Bundesschatzbrief Typ B). Ein Zufluss von Erträgen kann noch nicht angenommen werden, wenn diese erst angesammelt werden, der Anleger aber noch nicht uneingeschränkt über sie verfügen kann. Eine wesentliche Einschränkung der Verfügungsmacht ist gegeben, wenn der Ertrag ausdrücklich an die Rücknahme der Kapitalanlage (Aktien) geknüpft ist, weil die Vertragsparteien die Beendigung des Kapitalnutzungsverhältnisses zur Voraussetzung für den Ertragszufluss gemacht haben (BFH-Urteil vom 2. März 1993 VIII R 13/91, BFHE 171, 48, BStBl. II 1993, 602; vgl. auch FG Baden-Württemberg vom 14. Oktober 2004, 3 K 399/01, EFG 2005, 9 betr. Überschussanteil aus einer Lebensversicherung; vgl. auch BFH-Urteil vom 13. Dezember 2006 VIII R 79/03, BFHE 216, 187, BStBl. II 2007, 562 betr. DAX-Zertifikate, Zufluss im Jahr der Rückzahlung).

c) Ein Zufluss kann auch durch Novation (Schuldumschaffung) erfolgen. Eine Novation ist die zivilrechtliche Vereinbarung, dass ein geschuldeter Betrag nicht an den Gläubiger ausgezahlt wird, sondern der Schuldner diesen Betrag fortan aus einem anderen Rechtsgrund (zB als Darlehen) schuldet. Die ständige Rechtsprechung hat sich mit dem Zufluss durch Novation befasst und Voraussetzungen dafür aufgestellt, bei deren Vorliegen ein Zufluss beim Gläubiger anzunehmen ist. In der Novation kann demnach eine Verfügung des Gläubigers liegen, die einkommensteuerrechtlich so anzusehen ist, als ob der Schuldner die Altschuld begleicht und zugleich eine Neuverpflichtung für die Rückzahlung desselben Betrags durch den Gläubiger eingeht. In diesem Fall findet keine Auszahlung des geschuldeten Betrags statt; der Betrag verbleibt vielmehr bei dem Gläubiger. Ein typischer Fall der Novation liegt vor, wenn der Schuldner die ihm zustehenden Zinserträge aus einer Kapitalanlage sich nicht auszahlen lässt, sondern vereinbarungsgemäß die Zinsen dem Kapital zuschlägt, um fortan einen Zinseszinseffekt zu erzielen. Die ursprünglichen Zinserträge werden durch Novation zu Kapital, aus dem nunmehr wiederum Zinsen erwirtschaftet werden. Die steuerlich zu beachtende Novation muss im Interesse des Gläubigers liegen. Wird die ursprüngliche Schuld im Interesse des Gläubigers auf eine neue Rechtsgrundlage gestellt, weil er von sich aus eine Anlage im Betrieb des Schuldners sucht, verfügt er mit der Folge des Zuflusses über seine Forderung. Der Zufluss ist im Zeitpunkt der Novation bewirkt. Liegt die Novation dagegen im Interesse des leistungsfähigen und leistungsbereiten Schuldners, liegt eine Stundungsvereinbarung vor. Auch bei dem einvernehmlichen Zuschlagen von Zinsen auf die Darlehensschuld ist zu prüfen, in wessen Interesse dies erfolgt. Ein Zufluss ist zu verneinen, wenn die Handhabung im Interesse des Schuldners liegt (BFH-Urteile vom 14. Februar 1984 aaO; vom 21. Juli 1987 VIII R 211/82, BFH/NV 1988, 224; jeweils mit weiteren Nachweisen). Eine die Kapitalerträge betreffende Novation kann schon bei Abschluss des Vertrags und damit im Voraus vereinbart werden, also bevor Erträge entstanden sind und der Gläubiger über sie verfügen kann. So erhöhen zB die zum Bausparguthaben im Interesse des Bausparers zugeschlagenen Zinsen das Guthaben; sie sind in verzinsliche Vereinbarungsdarlehen umgewandelte Zinseinnahmen und damit zugeflossen (BFH-Urteile vom 8. Dezember 1992 VIII R 78/89, BFHE 169, 442, BStBl. II 1993, 301 betr. Bausparzinsen; vom 24. März 1993 X R 55/91, BFHE 171, 191 BStBl. II 1993, 499 betr. Provision; vom 22. Juli 1997 VIII R 57/95, BFHE 183, 556; BStBl. II 1997, 755; vom 10. Juli 2001 VIII R 35/00, BFHE 196, 112, BStBl. II 2001, 646; vom 19. Juni 2007 VIII R 63/03, BFH/NV 2008, 194; FG Düsseldorf vom 7. Februar 2008, 16 K 2223/06 E, EFG 2008, 1201, Revision BFH VIII R 10/08 betr. Verfügungsbeschränkung im Interesse des Leistungsempfängers; Urteile jeweils mit weiteren Nachweisen). Eine Novation liegt noch nicht vor, wenn der Schuldner in regelmäßigen Abständen dem Anleger Erträge mitteilt, der Gläubiger aber über sie noch nicht verfügen kann. In diesen Fällen wird der Zeitpunkt des Zuflusses durch die Einlösung des Wertpapiers bestimmt (BFH-Urteil vom 2. März 1993 aaO betr. Aktien).

d) Die Klägerin hat im Streitjahr vierteljährliche Auszahlungen erhalten. Soweit diese Auszahlungen Erträge darstellen oder solche in ihnen enthalten sind, sind sie der Klägerin im Streitjahr unzweifelhaft zugeflossen.

e) Hinsichtlich der Wertsteigerung der im Kapitalstock verbleibenden Units stellt sich die Frage des Zuflusses durch Gutschrift oder Novation. Dasselbe gilt für die gewährten Fälligkeitsboni, die nicht ausgezahlt, sondern für deren Wert neue Units zugeteilt wurden.

Unbestritten war die XY im Streitjahr leistungsfähig und leistungsbereit. Das Gericht hat keine anderweitigen Anhaltspunkte, so dass dieser von der Rechtsprechung thematisierte Aspekt nicht vertieft werden muss.

Fraglich ist indes, ob die Wertsteigerung der Units überhaupt eine Gutschrift in den Büchern der XY darstellt oder ob die Bewertung der Units eine bloße Dokumentation über die Ansammlung von Erträgen ist, die nicht zum Zufluss führt. Das Gericht geht von einer Gutschrift aus, weil die Klägerin nach dem vertragsmäßig garantierten Wertzuwachs die ihrem Kapitalstock zugeschriebene Wertzuwächse bzw. Erträge nicht mehr verlieren kann. Die Klägerin kann über die Erträge allerdings nur verfügen, wenn sie durch Rückgabe der Units ihre Kapitalanlage jedenfalls teilweise aufgibt. Die Auszahlung von Erträgen ist daher von einer Bedingung abhängig, die nach der Rechtsprechung des BFH einem Zufluss entgegensteht. Die Möglichkeit der vorzeitigen Rückgabe der Units ist ohne Belang, denn die Klägerin hat im Streitjahr die ursprüngliche Vereinbarung mit der XY, nur planmäßige Auszahlungen in Anspruch zu nehmen, eingehalten.

Die Wertsteigerung der Units ist der Klägerin nicht im Zuge einer Novation zugeflossen. Wie ausgeführt konnte sie nicht über die Erträge frei verfügen, sie waren nicht fällig. Am Ende eines jeden Kalenderjahres hatte die Klägerin keine Möglichkeit, sich die Erträge auszahlen zu lassen. Dies liegt im Konzept der X Lebensversicherung begründet, das ganz maßgeblich auf der Wiederanlage der Erträge bzw. nach den Formulierungen in den Policenbedingungen auf Erwirtschaftung von Erträgen und Wertsteigerung des Kapitals beruht, und ergibt sich daraus, dass nicht etwa Erträge erwirtschaftet und dem Kapitalstock zugeschlagen werden, sondern dass sich der Wert des in Units unterteilten Kapitals erhöht. Etwas anderes gilt auch nicht in Ansehung dieser bei der X Lebensversicherung typischen Konstruktion, den Kapitalstock lediglich rechnerisch, nicht aber in rechtlich selbstständige Einheiten aufzuteilen und höher zu bewerten. Der Ertrag kann daher nicht von der Ertragsquelle getrennt, über ihn kann nicht tatsächlich und rechtlich gesondert verfügt werden. Die freie tatsächliche und rechtliche Verfügung über den Ertrag ist aber Voraussetzung für eine Vereinbarung zwischen der Klägerin und der XY im Sinne einer Novation.

Aus diesem Grund verneint das Gericht auch die Annahme einer Vorausverfügung bei Abschluss des Vertrags. Eine solche ist zwar nach der Rechtsprechung des BFH (Nacheise unter c) möglich und steuerlich zu beachten, widerspricht im zu entscheidenden Fall aber der von der Klägerin abgeschlossenen Lebensversicherung. Die Klägerin hatte deshalb zum einen nach den Vertragsbedingungen keine Wahl zwischen Auszahlung der Erträge und Thesaurierung. Zum anderen findet sich nirgends im Vertrag eine Vorausverfügung über Erträge.

Schließlich wäre ein Zufluss durch Novation zu verneinen, weil eine solche nicht im alleinigen Interesse der Klägerin gelegen hätte. Zwar hatte sie Interesse an der Thesaurierung der Erträge, um durch den Zinseszinseffekt die Erhöhung ihres Guthabens zu erreichen. Ein zumindest gleichwertiges Interesse hatte die XY, deren Konzept gerade auf der Thesaurierung beruhte. Zudem wurden die Units bereits zu Beginn des Jahres bewertet. Zu diesem Zeitpunkt war der den Units zugeschriebene Ertrag durch die Vermögensmasse noch nicht erwirtschaftet. Es kann, wie die Kläger vortragen, für die XY nicht von Interesse sein, einen noch nicht tatsächlich entstandenen Wertzuwachs den Anlegern zum Zwecke der Novation zur Verfügung zu stellen.

Das FA stellt zu Unrecht auf die Entscheidungen des BFH zur Vorausverfügung ab. Den Urteilen vom 24. März 1993 aaO, vom 22. Juli 1997 aaO und vom 10. Juli 2001 aaO lagen Fälle zugrunde, in denen der Gläubiger der Provision bzw. der Kapitalerträge eine Wahlmöglichkeit hatte, sich die ihm zustehenden und fälligen Beträge auszahlen zu lassen oder seine Forderung in ein Darlehen umzuwandeln. Deshalb ist das Ergebnis dieser Entscheidungen (Zufluss durch Novation, soweit weitere Voraussetzungen vorliegen) auf den hier zu entscheidenden Fall nicht übertragbar. Einzig das Urteil des BFH vom 8. Dezember 1992 aaO könnte einen insoweit mit dem Streitfall vergleichbaren Sachverhalt betreffen, weil möglicherweise auch bei Abschluss von Bausparverträgen der Anleger nach der Vertragsausgestaltung keine Wahlmöglichkeit dahin gehend hat, sich die Zinsen regelmäßig auszahlen zu lassen oder diese dem Bausparguthaben bis zum Ende der Laufzeit zuzuschlagen. Über die Vertragsbedingungen der Bausparverträge braucht das Gericht indes keine Klärung herbeiführen, weil ein Bausparvertrag oder eine sonstige ähnliche verzinsliche Kapitalanlage (zB Darlehen) mit Vorausverfügung über die Erträge mit der hier zu beurteilenden Lebensversicherung im Grundsatz nicht vergleichbar ist.

Bei einem Bausparvertrag oder einer ähnlichen Kapitalanlage ist im Regelfall ein Zins dem Grunde und der Höhe nach fest vereinbart. Der Ertrag ist für beide Vertragsparteien vorhersehbar, er entsteht zu festgelegten Zeitpunkten und kann nicht wieder entfallen, etwa bei vorzeitiger Auflösung des Vertrags. Hier ist kein fester Ertrag vereinbart; die XY entscheidet stets neu, ob die Units höher bewertet werden oder nicht. Bei außerplanmäßigen Auszahlungen oder vorzeitiger Auflösung des Vertrags kann eine Marktpreisanpassung stattfinden mit dem Ergebnis, dass sich die in der Vergangenheit gebildeten Werte der Units verflüchtigen. Die Erträge, auch der garantierte Wertzuwachs, sind somit keineswegs sicher. Die Unsicherheiten über die der Klägerin über die gesamte Vertragslaufzeit hin tatsächlich zukommenden Erträge sind hier zudem deshalb hoch, weil die Lebensversicherung über 78 Jahre läuft. Sie läuft planmäßig zwar auch mit dem Eintritt des Versicherungsfalls ab. Dieser tritt aber erst mit dem Tod der zuletzt versterbenden Tochter der Klägerin ein. Nach der Lebenserfahrung dürfte die bei Vertragsabschluss erst 14-jährige Tochter noch viele Jahrzehnte leben. Das Vertragsende liegt daher weit in der Zukunft. Voraussichtlich müsste die auf maximal 78 Jahre festgelegte Laufzeit eingehalten werden, will die Klägerin bzw. ihr Erbe nicht das Risiko eines eventuell erheblichen Wertverlusts durch Marktanpassung eingehen. Eine Novation über möglicherweise später wieder entfallende Erträge erscheint dem Gericht nicht denkbar, denn bei einer Novation gehen gerade die Erträge endgültig in das Vermögen des Anlegers über.

Eine Parallelbetrachtung der Besteuerung von Lebensversicherungsleistungen (Überschussbeteiligung) führt zu keinem eindeutigen Ergebnis. Zu den in Deutschland üblichen Lebensversicherungen besteht hier ein erheblicher Unterschied. Zwar sind die Erträge in Gestalt der Überschussbeteiligung dem Grunde und der Höhe nach nicht bei Vertragsschluss vorhersehbar. Die Überschussbeteiligungen werden aber erst am Ende der Vertragslaufzeit berechnet und ausgeschüttet, wodurch sich Ertragsschwankungen im Laufe der Vertragslaufzeit ausgleichen und nicht etwa - wie bei der X Lebensversicherung - dem Anleger je nach wirtschaftlicher Lage höhere oder niedrigere Erträge erst zugeschrieben werden, die später bei außerplanmäßigen Vertragsablauf wieder entfallen können. Das ist der Grund, warum steuerpflichtige Überschussbeteiligungen erst am Ende der Vertragslaufzeit als zugeflossen angesehen und versteuert werden. Für eine Vorausverfügung kann wegen der beschriebenen Abweichungen nicht auf die Handhabung bei deutschen Lebensversicherungen zurückgegriffen werden. Allerdings bietet sich im Ergebnis eine entsprechende Besteuerung der thesaurierten Erträge an, weil der ggf. nach regelmäßigen laufenden Auszahlungen verbleibende wirtschaftliche Erfolg letztlich wie bei der üblichen Lebensversicherung am Ende der Laufzeit dem Anleger ausgekehrt wird.

Das FA stellt schließlich zu Unrecht darauf ab, dass die Klägerin eine Vorausvereinbarung dadurch getroffen hat, dass sie sich für die X Lebensversicherung entschieden und sich damit mit den Vertragsbedingungen einverstanden erklärt hat. Die freie Wahl des Vertragsschlusses ist Ausdruck der zivilrechtlichen Vertragsfreiheit und steuerlich irrelevant. Das Steuerrecht zeichnet die zivilrechtlichen Verhältnisse nach, eine Ausnahme gilt nur bei Missbrauch gem. § 42 AO. Der Steuerpflichtige hat die Freiheit, seine Vertragsverhältnisse nach seinem Dafürhalten zu gestalten. Das Motiv, Steuern zu sparen, führt in der Regel nicht zu einem Gestaltungsmissbrauch. Hier liegt der LEX-Konzept-Rente mit der Wealthmaster Lebensversicherung ein sinnvolles Handeln zugrunde, dass offenbar auch vor Steuern ein wirtschaftlicher Erfolg werden sollte.

Für den Zufluss der Fälligkeitsboni gilt etwas anderes. Die Vertragsbedingungen sehen vor, dass für den Wert der Boni neue Units gekauft und dem Kapitalstock zugeschlagen werden. Insofern hat die Klägerin mit der XY eine Vorausvereinbarung getroffen. Damit ist ein Ertrag in Höhe der Fälligkeitsboni zugeflossen.

9. Neben den Fälligkeitsboni sind der Klägerin nur diejenigen Erträge zugeflossen, die in den Auszahlungen enthalten sind. Zwar stellen die gesamten Wertsteigerungen der Units Erträge des Streitjahres dar. Insofern könnten sie, begrenzt auf die Höhe der Auszahlungen, an die Klägerin ausgekehrt sein. Die XY schuldete der Klägerin das Kapital zuzüglich garantierter Erträge in Gestalt von Wertzuwächsen. Die Reihenfolge der Tilgung ergibt sich, falls nichts anderes vereinbart ist, aus § 367 BGB. Nach dieser Vorschrift wären hier zuerst die Zinsschulden zu tilgen. Dies widerspricht jedoch dem Konzept der X Lebensversicherung, wonach der im Streitjahr erwirtschaftete Ertrag keine rechtlich eigenständige Forderung des Anlegers darstellt, die getilgt werden könnte. Wie ausgeführt ist die Realisierung des Ertrags nur durch die Rückgabe von Units möglich, die den Ertrag als Wertsteigerung enthalten. Dies ist im Vertrag vereinbart, so dass schon aus diesem Grund § 367 BGB keine Anwendung findet. Zugeflossen ist daher nur der Ertrag in Höhe der Wertsteigerung der zurückgegebenen Units. Die Erträge einschließlich der Fälligkeitsboni betragen nach der Bescheinigung der XY vom 26. April … insgesamt 562,60 DM. Die Einnahmen der Klägerin aus Kapitalvermögen sind daher um 12.671 DM zu mindern.

10. Die Berechnung der Steuer wird gem. § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem FA übertragen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.

RechtsgebietEStGVorschriften§ 20 EStG

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