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20.08.2009 · IWW-Abrufnummer 091732

Sozialgericht München: Urteil vom 15.01.2009 – S 30 EG 37/08

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


S 30 EG 37/08

I. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 04.12.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.03.2008 verurteilt, dem Kläger für den 1. Lebensmonat seines Sohnes Elterngeld in Höhe von 1.800,00 EUR zu erbringen.

II. Der Beklagte hat dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

III. Gegen dieses Urteil ist ohne vorherige Berufung die Revision zum Bundessozialgericht zulässig.

Tatbestand:

Streitig zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Elterngeldes. Der 1978 geborene und als selbstständiger Unternehmensberater tätige Kläger beantragte am 26.09.2007 beim Beklagten die Zahlung von Elterngeld wegen Erziehung seines am 2007 geborenen Sohnes X. L. für die Lebensmonate 1 und 13. Mit Bescheid vom 04.12.2007 bewilligte der Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 12.07.2007 bis 11.08.2007 ein Elterngeld in Höhe von EUR 300,00 und für die Zeit vom 11.07.2008 bis 11.08.2008 in Höhe von EUR 1800,00. Der Zahlbetrag für den erstgenannten Zeitraum wurde unter Berücksichtigung von Gesamteinkünften aus einer Teilzeittätigkeit berechnet.

Der Kläger erhob insoweit Widerspruch. Er räumte ein, im Juli 2007 Einnahmen gehabt zu haben. Allerdings seien diese auf die Begleichung von Rechnungen aus seiner selbstständigen Tätigkeit in einem früheren Zeitraum zurückzuführen. So habe er im Juli einen Betrag von EUR 22.393,42 für eine Rechnung vom 31.05.2007 aufgrund von Beratungsleistungen im Mai 2007 erhalten. In der Elternzeit vom 12.07. bis 12.08.2007 habe er keine selbstständige Tätigkeit ausgeführt und somit auch keinen Leistungen in Rechnung stellen können. Der Einnahmeausfall habe sich erst in den folgenden Monaten bemerkbar gemacht. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12.03.2008 zurück. Er verwies auf das steuerliche Zuflussprinzip nach § 11 Einkommensteuergesetz (EStG), wonach allein die Einnahmen bzw. Ausgaben entscheidend seien und nicht, wann die Arbeitsleistung erbracht worden sei. Das zu berücksichtigende Einkommen aus der selbstständigen Tätigkeit sei insoweit zu hoch angesetzt worden, als ein Betrag von EUR 22.393,42 bereits am 04.07.2007, also vor dem Bezugszeitraum, zugeflossen sei. Auch nach einer Neuberechnung würde es jedoch bei Mindestbetrag von 300 Euro verbleiben, so dass eine Neuberechnung nicht veranlasst sei. Die Klage hält am Begehren eines Elterngeldes von EUR 1800,00 auch für den Zeitraum vom 12.07.2007 bis 11.08.2007 fest. Der Kläger sei entgegen der Annahme des Beklagten in diesem Zeitraum keinerlei beruflicher Tätigkeit nachgegangen. Er bot Zeugen für die Tatsache an, in dieser Zeit nicht an seinen üblichen Projekten und an seinen üblichen Arbeitsplätzen und auch nicht in seiner Wohnung gearbeitet zu haben. Die in diesem Monat zugeflossen Bezüge stammten aus Arbeitsleistungen vor der Geburt des Kindes. Der Kläger habe keinen Einfluss darauf, wann die Rechnungen für seine früheren Tätigkeiten bezahlt würden.

Der Beklagte verweist auf eine am 02.08.2007 den Kläger zugeflossene Zahlung von EUR 19.161,38.

Der Kläger beantragt, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 04.12.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.03.2008 zur Zahlung eines Elterngeldes in Höhe des Höchstbetrages von EUR 1800,00 abzüglich der bereits bezahlten EUR 300,00 für den Zeitraum 12.07.2007 bis 11.08.2007 zu verurteilen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Gericht hat die Akten des Beklagten beigezogen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Prozessakte sowie auf den gesamten Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage wurde nach Durchführung des gesetzlich vorgeschriebenen Widerspruchsverfahrens form- und fristgerecht beim zuständigen Gericht erhoben und ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage auch statthaft. Die zulässige Klage ist auch in der Sache begründet. Der Beklagte hatte § 1 Abs. 1 Nr. 4 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) anzuwenden, wonach Anspruch auf Elterngeld nur hat, wer keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt. Nach Abs. 6 S. 1 der Vorschrift ist eine Person nicht oder nicht voll erwerbstätig, wenn ihre wöchentliche Arbeitszeit 30 Wochenstunden im Durchschnitt des Monats nicht übersteigt. Diese Voraussetzung ist beim Kläger in den Lebensmonaten 1 und 13 seines Sohnes erfüllt. Der Beklagte kam nur deswegen zu einem anderen Ergebnis, weil er den Zufluss von Erträgen aus einer vor der Phase der Kindererziehung ausgeübten Tätigkeit mit dieser Tätigkeit gleichsetzt. Die Worte "kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt" in der Vorschrift des § 2 Abs. 1 S. 1 BEEG bzw. "ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt, das durchschnittlich geringer ist als das nach Abs. 1 berücksichtigte durchschnittlich erzielte Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt" in § 2 Abs. 3 S. 1 BEEG müssen jedoch dahingehend ausgelegt werden, das der reine Zufluss von Einkommen aus einer aktuell nicht ausgeübten Tätigkeit außer Betracht bleibt. Ein selbstständig oder freiberuflich tätiger Elternteil könnte sonst mindestens für kürzere Bezugszeiträume zwischen einem und etwa drei Monaten niemals Elterngeld erlangen. Der selbstständiger Handwerksmeister oder Bauunternehmer, die Architektin, Rechtsanwältin, Ärztin, Psychotherapeutin oder Bildhauerin können es schlechthin nicht vermindern, dass auch Wochen und Monate nach der unstreitigen Beendigung jeder beruflichen Tätigkeit noch Kaufpreise, Vergütungen und Honorare auf ihrem Konto oder in bar eintreffen. Beispielsweise der im System der gesetzlichen Krankenversicherung einbezogene oder für das Sozialgericht als Gutachter tätige Arzt hat keinen Einfluss auf den Zeitpunkt seiner Bezahlung. Ein Versuch, die Zahlung zu beschleunigen oder zu verzögern, würde als unzulässige Manipulation öffentlich-rechtlicher Verfahrenshandlungen zurückgewiesen werden. Nach alledem muss für den Anspruch auf Elterngeld genügen, dass der Kläger im geltend gemachten Zeitraum jede Berufstätigkeit eingestellt hat. In dieser Zeit noch zugeflossene Gelder sind nicht schädlich, weil er eine Tätigkeit nicht ausgeübt hat und der Zusammenhang der Zahlungen mit einer vorher ausgeübten Tätigkeit außer Betracht zu bleiben hat. Der Kläger hat das Anliegen des Gesetzgebers erfüllt, seine zeitliche Inanspruchnahme vom Beruf auf die Kindererziehung zu verlagern.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Gegen dieses Urteil war die sofortige Revision zuzulassen, weil die Auslegung der zitierten Vorschriften von grundsätzlicher Bedeutung ist. Zusätzlicher Ermittlungsbedarf zum Sachverhalt ist nicht erkennbar, weil der Beklagte die vollständige Einstellung der Berufstätigkeit des Klägers im streitgegenständlichen Zeitraum und der Beklagte den Zufluss der vom Beklagten angesetzten Einnahmen nicht bestreiten.

RechtsgebietEStG

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