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29.06.2009 · IWW-Abrufnummer 091559

Landgericht Berlin: Urteil vom 25.11.2008 – 55 S 123/08

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Landgericht Berlin

Im Namen des Volkes

Urteil

55 S 123/08
verkündet am : 25.11.2008

In dem Rechtsstreit XXX

hat die Zivilkammer 55 des Landgerichts Berlin in Berlin-Mitte, Littenstraße 12-17, 10179 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 25.11.2008 durch die Richterin am Landgericht nnnnnn als Einzelrichterin

für Recht erkannt:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das am 30.05.2008 verkündete Urteil des Amtsgerichts Neukölln - 20 C 208/07 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten der Berufung hat die Klägerin zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß den §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

II.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 517, 519, 520 ZPO).

Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Das Amtsgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung einen Anspruch der Klägerin auf Freistellung von außergerichtlichen anwaltlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.085,04 € verneint.

Ergänzend ist Folgendes auszuführen:

Der BGH hat in seinem bereits vom Amtsgericht herangezogenen Urteil vom 23.01.2008 - VIII ZR 246/06 - (NJW 2008, 1147) grundlegend dazu Stellung bezogen, wann die außerprozessuale, unberechtigte Geltendmachung von Mängelgewährleistungsansprüchen eine zum Schadensersatz verpflichtende schuldhafte Vertragsverletzung darstellt. Dies ist demnach dann anzunehmen, wenn der Käufer erkennt oder fahrlässig nicht erkannt hat, dass ein Mangel nicht vorliegt, sondern die Ursache für das Symptom, hinter dem er einen Mangel vermutet, in seinem eigenen Verantwortungsbereich liegt (so BGH a. a. O.).

Entgegen der Auffassung der Klägerin sind die vom BGH entwickelten Grundsätze nicht nur auf ein unberechtigtes Mängelbeseitigungsverlangen nach § 439 Abs. 1 BGB anwendbar. Zwar ist die Entscheidung des BGH aufgrund eines Sachverhalts ergangen, der ein solches Mängelbeseitigungsverlangen zum Gegenstand hatte. Doch beziehen sich die dortigen Ausführungen allgemein auf die Mängelrechte des Käufers. Dies ergibt sich insbesondere aus dem Wortlaut des vorletzten Absatzes (Rz. 14 in NJW 2008, 1148). Demnach muss der Käufer lediglich sorgfältig überprüfen, ob das Symptom des Sachmangels auf eine Ursache außerhalb des Verantwortungsbereichs des Verkäufers zuzuordnen ist. Bleibt ungewiss, ob tatsächlich ein Mangel vorliegt, darf der Käufer nach Auffassung des BGH "Mängelrechte" geltend machen, ohne sich hinterher der Gefahr von Schadensersatzansprüchen ausgesetzt zu sehen.

Mit dem Urteil des BGH darf alle ältere Rechtsprechung, insbesondere des OLG Braunschweig (OLGR 2001, 196, wonach es in Schuldverhältnisses ein Recht gibt, in subjektiv redlicher Weise, wenn auch unter fahrlässiger Verkennung der Rechtslage, ggf. unberechtigte Ansprüche geltend zu machen) sowie des OLG Düsseldorf (NJW-RR 1999, 746, wonach ein entsprechender Schadensersatzanspruch voraussetzt, dass die Mängelrüge rein willkürlich erhoben wird) als überholt gelten. Die weiteren in der Klageschrift zitierten Entscheidungen befassen sich mit Urheberrechtsverletzungen und sind schon deshalb hier nicht einschlägig.

Nach den vom BGH aufgestellten Grundsätzen stellt die Rücktrittserklärung des Beklagten keine zum Schadensersatz verpflichtende schuldhafte Vertragsverletzung dar.

Entgegen der Ansicht der Klägerin kommt es bereits nicht darauf an, ob der vom Beklagten gerügte Mangel tatsächlich vorlag, d. h. ob wirklich ein zu hoher Treibstoffverbrauch des neuen Pkw Mazda zu beanstanden war. Dies ergibt sich gerade aus der Rechtsprechung des BGH, wonach eine Schadensersatzpflicht selbst bei unberechtigter Verfolgung von Mängelrechten nur dann eintritt, wenn die dort näher beschriebenen subjektiven Voraussetzungen vorliegen. Es kann somit dahingestellt bleiben, ob, wie die Klägerin in der Berufungsbegründung behauptet, ein zu hoher Treibstoffverbrauch nur nach dem speziellen Messverfahren RL 1999/94/EG, RL 80/1268/EWG festzustellen ist und ob dieses Messverfahren ergeben hätte, dass der Verbrauch des konkreten Fahrzeugs nur knapp über dem kombinierten Verbrauchswert, wie er im Datenblatt des Herstellers angegeben war, liegt.

Es kann also im Folgenden sogar unterstellt werden, dass die Annahme des Beklagten, der streitgegenständliche Pkw sei mangelhaft, unzutreffend war und dieser tatsächlich nicht zuviel Treibstoff verbrauchte. Eine Schadensersatzpflicht des Beklagten scheidet hier dennoch aus, weil er nach der Rechtsprechung des BGH lediglich im Wege pflichtgemäßer Überprüfung auszuschließen hatte, dass die von ihm beanstandete Erscheinung - d. h. der zu hohe Kraftstoffverbrauch - auf eine Ursache zurückzuführen ist, die seinem eigenen Einflussbereich, nicht demjenigen des Verkäufers zuzurechnen ist. Diese Verpflichtung hat er aber nicht verletzt.

Der Beklagte hat - wenn auch ggf. unter "Resetten" des Bordcomputers nach jedem Tankstopp oder einer Fahrweise, die sich nicht an den Messparametern orientierte, die dem im Datenblatt des Herstellers angegebenen Wert von 6,3l/100 km zugrunde lagen - in mehreren Fahrten einen Kraftstoffverbrauch von 8,2 - 8,5 l/100 km festgestellt, indem er den tatsächlichen Verbrauch an Kraftstoff auf die gefahrenen Kilometer umlegte. Dass er hinter diesem Symptom einen Mangel der Kaufsache vermutete und die Ursache nicht in seinem eigenen Einflussbereich annahm, ist ihm subjektiv nicht vorzuwerfen.

Ein zu hoher Kraftstoffverbrauch stellt bei einem noch dazu fabrikneuen Pkw angesichts der damit verbundenen Benzinkosten einen wesentlichen Mangel der Kaufsache im Sinne von § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB dar, der den Käufer nach entsprechendem Nachbesserungsverlangen unter Fristsetzung bzw. fehlgeschlagener Nachbesserung gemäß § 437 Nr. 2 BGB zum Rücktritt berechtigt. Ein Verbrauch von 8,2 - 8,5 l/100 km statt der vom Hersteller für kombinierte Fahrweise angegebenen 6,3 l/100 hätte den Beklagten also, falls er tatsächlich vorgelegen hätte, nach den beiden - aus seiner Sicht - fehlgeschlagenen Nacherfüllungsversuchen gemäß den §§ 437 Nr. 2, 440 S. 2 BGB zum Rücktritt berechtigt.

Bei Ermittlung des Kraftstoffverbrauchs hat der Beklagte die ihm auferlegte Prüfungspflicht nicht verletzt. Der BGH verpflichtet den Käufer gerade nicht dazu, vor Ausübung seiner Mängelrechte das Gutachten eines Sachverständigen einzuholen oder gar ein selbstständiges Beweisverfahren anzustrengen. Wie der BGH ausführt, braucht der Käufer nicht vorab zu klären und festzustellen, ob das von ihm beanstandete Symptom auf einen Sachmangel zurückzuführen ist. Würde man dies von ihm verlangen, wären seine Mängelrechte letztlich entwertet.

Auch sind, da es bei der den Käufer treffenden Prüfungspflicht lediglich um den Ausschluss von Ursachen aus seinem eigenen Einflussbereich geht, keine besonderen Fachkenntnisse vorauszusetzen, wie sie üblicherweise nur der Verkäufer besitzt (vgl. BGH a. a. O.).

Aus Sicht eines Laien ergibt sich der tatsächliche Verbrauch seines Pkw aber nahe liegender weise daraus, dass er den tatsächlichen Verbrauch an Kraftstoff auf die gefahrenen Kilometer umlegt. Bereits der von der Klägerin vorgetragene Umstand, wonach der Durchschnittsverbrauchsrechner des Bordcomputers bei "Resetten" nach jedem Tankstopp keinen zuverlässigen Mittelwert mehr angibt, ist für einen technisch nicht versierten Durchschnittskäufer kaum mehr nachvollziehbar.

Allgemein bekannt ist allerdings, dass grundsätzlich der Kraftstoffverbrauch von der Fahrweise beeinflusst wird. Selbst für die treibstoffmäßig ungünstigste Form, d. h. einen Betrieb ausschließlich in der Stadt, gibt das Datenblatt des Herstellers aber nur 7,3 l an, nicht 8,2 - 8,5 l/100 km, wie vom Kläger ermittelt. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass der Auffassung der Klägerin, wonach eine Abweichung von bis zu 0,5 l/100 km keinen Mangel der Kaufsache darstellt, jedenfalls bei einem Neuwagen nicht gefolgt werden kann.

Das Testverfahren "RL 1999/94/EG, RL 80/1268/EWG", dessen Erläuterung in der Berufungsbegründungsschrift immerhin fast eine Seite einnimmt, musste dem Beklagten nicht bekannt sein, ebenso wenig, dass dieses - jedenfalls nach Behauptung der Klägerin - die einzige geeignete Methode zur Ermittlung des Kraftstoffverbrauchs darstellen soll. Auch in der Fußnote zum Datenblatt des Herstellers wird dieses Messverfahren lediglich erwähnt, aber nicht beschrieben.

Warum der Beklagte sich auf die Erklärungen der Klägerin, wonach bei Testfahrten 6,5 l/100 km bzw. 7,3 l/100 km ermittelt worden seien und daher kein Mangel des Pkw vorliege, verlassen hätte sollen, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Zum einen hat die Klägerin das von ihr als einzig zuverlässiges Messverfahren bezeichnete Testverfahren "RL 1999/94/EG, RL 80/1268/EWG" gar nicht durchgeführt. Sie hat sich vielmehr auf Testfahrten beschränkt, von denen zumindest die zweite ebenfalls einen gegenüber der Herstellerbeschreibung erhöhten Treibstoffverbrauch ergeben hat. Zum anderen stellte die Klägerin keine unparteiische Prüfungsinstanz dar, sondern war die Gegnerin der vom Beklagten geltend gemachten Mängelgewährleistungsansprüche und also auch daran interessiert, diese abzuwehren.

Ob der Kläger sein Rücktrittsverlangen zusätzlich auf die angeblich zu heiße Sitzheizung stützen durfte, kann nach alledem dahingestellt bleiben

Dass der Beklagte den Pkw ohne Angabe der gerügten Mängel weiterverkauft hat, wird von der Klägerin nur vermutet und wäre im Übrigen ohne erkennbaren Einfluss auf den Ausgang dieses Rechtsstreits.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch nicht aus Gründen der Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 S. 1 ZPO).

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