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09.06.2009 · IWW-Abrufnummer 091511

Sozialgericht Berlin: Urteil vom 19.03.2009 – S 72 KR 1620/07

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


S 72 KR 1620/07

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darum, ob die Beigeladene mit ihrer Tätigkeit als Vorstandsvorsitzende der klägerischen Kassenärztlichen Vereinigung Berlin (KV Berlin) für die Zeit seit dem 01.01.2005 der Sozialversicherungspflicht unterliegt. Die Klägerin vertritt als Körperschaft des öffentlichen Rechts die Interessen der niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten und hat gemeinsam mit den Krankenkassen dafür zu sorgen, dass die ambulante Versorgung der gesetzlich Krankenversicherten ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich erfolgt. Durch das Gesundheitsmodernisierungsgesetz, das zum 01.01.2005 in Kraft trat, wurde ein Strukturwandel in der Organisation der KVen vorgeschrieben. Dieser führte dazu, dass der Vorstand, der bisher ehrenamtlich als Selbstverwaltungsorgan definiert war, nunmehr als hauptamtlicher Vorstand zu bilden ist. Aufgrund der durch die Gesetzesänderung aufgetretenen Rechtsunsicherheit beantragte die Klägerin mit Schreiben vom 28.12.2004 die Überprüfung des sozialversicherungsrechtlichen Status ihrer Vorstandsmitglieder und fügte den von der Beigeladenen ausgefüllten Feststellungsbogen vom 22.12.2004 sowie den Dienstvertrag zwischen der Klägerin, vertreten durch den Vorsitzenden der Vertreterversammlung und der Beigeladenen vom 27.11.2004 bei. In diesem heißt es auszugsweise:

§ 1 Berufung 1. Frau Dr ... wird als Vorstandsvorsitzende der kassenärztlichen Vereinigung Berlin (KV Berlin) berufen. Ihre Aufgaben ergeben sich aus den einschlägigen gesetzlichen Regelungen, der Satzung der KV Berlin und der von der Vertreterversammlung beschlossenen Aufgabenzuordnung für den von ihr übernommenen Geschäftsbereich, vgl. Anlage 1. § 2 Rechte und Pflichten 1. Frau Dr ... ist zur gewissenhaften Erfüllung dieses Dienstvertrages unter Beachtung der Gesetze, der Satzung der KV Berlin, der Grundsatzentscheidungen der Vertreterversammlung und der Richtlinien des Vorstandes verpflichtet. 7. Frau Dr ... unterliegt keiner betrieblichen oder tariflichen Arbeitszeitregelung. Sie muss jedoch in dem zeitlichen Umfang zur Verfügung stehen, wie es die vertragsgemäße Erfüllung der übertragenen Aufgaben erfordert. § 3 Vergütung Frau Dr ... erhält für ihre Tätigkeit eine Jahresvergütung, mit der alle Vergütungsansprüche abschließend abgegolten sind. Die Einzelheiten werden in Anlage 2 geregelt. § 4 Nebentätigkeit 2. Unter Berücksichtigung des vorgenannten Grundsatzes der Hauptamtlichkeit wird Frau Dr ... das Recht eingeräumt, wöchentlich höchstens 13 h - einschließlich berufspolitischer Aktivitäten - ärztlich tätig zu sein. Die Übernahme einer Nebentätigkeit bedarf der vorherigen schriftlichen Zustimmung des Vorsitzenden der Vertreterversammlung § 5 Urlaub Der Urlaubsanspruch beträgt 30 Arbeitstage. § 6 Krankheit, Arbeitsunfähigkeit 2. Im Falle von Krankheit und/oder Unfall wird die Vergütung und der Zuschuss nach Anlage 2 für die Dauer von drei Wochen in voller Höhe weitergezahlt. § 8 Unfallversicherung/Vermögensschadenhaftpflicht 1. Die KV Berlin schließt zu Gunsten von Frau Dr ... eine Versicherung gegen die finanziellen Folgen von Dienstunfällen ab ... 2. Die KV Berlin schließt für Frau Dr ... eine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für Unternehmensleiter bzw. Vorstände - die eine persönliche Haftung für fahrlässiges Verhalten ausschließen soll - ab.

§ 11 Kündigung und Beendigung wegen Amtsenthebung bzw. –entfernung 1. Frau Dr. kann diesen Dienstvertrag mit einer Frist von drei Monaten zum Ende eines Monats kündigen. Sie kann in diesem Fall freigestellt werden. 2. Sofern Frau Doktor. von der Vertreterversammlung der KV Berlin nach § 79 Absatz 6 SGB V in Verbindung mit § 35 Absatz 7 SGB IV sowie nach § 7 in Absatz 6 der Satzung ihres Amtes enthoben oder aus ihrem Amt entfernt wird, endet durch die Amtsenthebung im bzw. -entfernung zeitgleich auch dieser Dienstvertrag, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Aus der Anlage 2 ergibt sich, dass die Beigeladene eine Jahresvergütung in Höhe von 162.000 EUR brutto in monatlich gleichen Raten sowie einen monatlichen Zuschuss von 1.750 EUR für die Begründung bzw. Unterhaltung einer Kranken- und Altersrentenversicherung erhält. § 5 der Satzung der Klägerin (www.kvberlin.de) lautet wie folgt: § 5 - Aufgaben der Vertreterversammlung (1) Die Vertreterversammlung (VV) hat 1. über die Satzung und deren Anlagen sowie sonstiges autonomes Recht zu beschließen, 2. die Vorstandsmitglieder und ggf. den/die weiteren Vertreter der KV Berlin in der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung in unmittelbarer und geheimer Wahl zu wählen, 3. über den Abschluss von Dienstverträgen mit den Vorstandsmitgliedern zu beschließen, 4. den Vorstand zu überwachen, dabei kann sie sämtliche Geschäfts- und Verwaltungsunterlagen einsehen (§ 79 Abs. 3 SGB V); die Voraussetzungen sowie die Art und Weise der Einsichtnahme regelt die Geschäftsordnung der VV, 5. über die Amtsenthebung oder Amtsentbindung eines Vorstandsmitglieds zu entscheiden (§ 79 Abs. 6 SGB V i.V.m. § 35a Abs. 7, § 59 Abs. 2 und 3 SGB IV), 6. alle Entscheidungen zu treffen, die für die Körperschaft von grundsätzlicher Bedeutung sind; hierzu gehört auch die Beschlussfassung über den Abschluss von Verträgen, welche die KV Berlin mit den Kostenträgern über die ärztliche und psychotherapeutische Versorgung und/oder die Honorarabrechnung und -verteilung abschließt; dies gilt nicht für von überregionalen Vertragsarbeitsgemeinschaften in zulässiger Weise abgeschlossene Verträge, über die der Vorstand die VV unverzüglich zu informieren hat, 7. den Haushaltsplan gemäß § 7 Abs. 10 der Satzung festzustellen, den Bericht über die Prüfung der Betriebs- und Rechnungsführung entgegenzunehmen und über die Entlastung des Vorstands zu beschließen, die Höhe der Mitgliedsbeiträge und der Verwaltungskostenbeiträge sonstiger an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmender, mit der KV Berlin abrechnender Leistungserbringer festzusetzen; diese bestehen in Vomhundertsätzen der gegenüber der KV Berlin abgerechneten und von dieser anerkannten Leistungen und Sachkosten, soweit mit den Krankenkassen oder den Leistungserbringern nichts anderes vereinbart ist, 7a. über die Erhebung von Gebühren zur Deckung der Kosten für besonders aufwendige Verwaltungsverfahren zu beschließen. Die einzelnen Verfahren und die auf diese entfallenden Gebühren werden in der von der Vertreterversammlung zu beschließenden "Gebührenordnung der KV Berlin für besonders aufwendige Verwaltungsverfahren" festgelegt. 8. über die Vergütungen der Vorstandsmitglieder und die Aufwandsentschädigung für die ehrenamtliche Tätigkeit für die Vereinigung zu beschließen, die Körperschaft gegenüber dem Vorstand und dessen Mitgliedern zu vertreten, 9. über den Erwerb, die Veräußerung oder die Belastung von Grundstücken sowie über die Errichtung von Gebäuden zu beschließen.

Mit Anhörung vom 14.04.2005 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass sie beabsichtige das Vorliegen eines abhängigen und damit dem Grunde nach sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses im Sinne des § 7 Absatz 1 SGB IV festzustellen. Die Klägerin und die Beigeladene wiesen die Beklagte darauf hin, dass auf Grund der vergleichbaren Interessenlage mit den Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft davon auszugehen sei, dass die hauptamtlichen Vorstände der ärztlichen Selbstverwaltung ebenfalls als versicherungsfrei anzusehen seien. Hinsichtlich der sonstigen Vergleichbarkeit mit Aktiengesellschaften wiesen sie darauf hin, dass die Vorstände der gesamten ärztlichen Selbstverwaltung in der Bundesrepublik Deutschland Verantwortung für mehr als 142.000 niedergelassene Ärzte und Psychotherapeuten tragen, die in über 100.000 Praxen freiberuflich arbeiten. Die Vorstände der ärztlichen Selbstverwaltung haben es damit mit einer mittelständischen Betriebsstruktur zu tun, die insgesamt 1,2 Millionen Arbeitsplätze von Arzthelferinnen und anderem Praxispersonal schaffen; insoweit sei unter Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgrundsatzes nach Artikel 3 Abs. 1 GG davon auszugehen, dass die KV Berlin so zu behandeln ist wie eine mittelständische Aktiengesellschaft. Mit Bescheid vom 01.08.2005 stellte die Beklagte fest, dass die Beigeladene bei der Klägerin sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist. Den hiergegen gerichteten Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19.04.2007 zurück. Am 21.05.2007 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Berlin erhoben. Sie ist der Ansicht, die Beigeladene sei bei ihr nicht abhängig sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Die hauptamtlichen Vorstände seien nicht im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses tätig, sie seien nach § 79 Abs. 1 SGB V Organe und keine Arbeitnehmer. Sie handeln auf Grund eines Dienstvertrages. Dieser Dienstvertrag sei kein Arbeitsvertrag, denn er stelle einen Dienstvertrag für den Vorstand einer Körperschaft des öffentlichen Rechts dar. Das Dienstverhältnis sei öffentlich-rechtlicher Natur und unterliege bereits aus diesen Gründen nicht den Bestimmungen des sozialen Arbeitsschutzrechtes. Die Vorstände verwalten die Körperschaft eigenverantwortlich und vertreten sie gerichtlich und außergerichtlich. Die gesamte Organisationshoheit liege damit bei den hauptamtlichen Vorständen. Bei der Klägerin existieren lediglich zwei Organe, nämlich der hauptamtliche Vorstand sowie als Selbstverwaltungsorgan die Vertreterversammlung. Es liege damit eine Zweiteilung der Organstellung vor, nämlich die Vertreterversammlung als reines Kontrollorgan sowie Satzung- und Haushaltsgeber einerseits und der hauptamtliche Vorstand als eigenverantwortlich tätiges Verwaltungs- und Vertretungsorgan andererseits. Die Kompetenzen der Vertreterversammlung sind in § 79 Abs. 3 Nr. 3 SGB V abschließend geregelt und enthalten gerade kein Weisungsrecht im Einzelfall gegenüber dem hauptamtlichen Vorstand. Die Bindung an die gesetzlichen und satzungsrechtlichen Vorgaben des Vorstandes führen nicht zur Weisungsabhängigkeit. Eine Weisungsabhängigkeit liege nur dann vor, wenn Anordnungen im Einzelfall erteilt werden können. Darüber hinaus liege auch kein sonstiges Beschäftigungsverhältnis nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV vor. Eine abhängige Beschäftigung könne nicht damit begründet werden, dass die Vorstände kein unmittelbares eigenes Unternehmerrisiko tragen. Denn die Vorstände trügen eine erhebliche wirtschaftliche Verantwortung. Aus dem Grundsatz der eigenen Verantwortlichkeit hafte jeder Vorstand für seinen eigenen Geschäftsbereich. Außerdem bestünde die Gefahr einer persönlichen Außenhaftung. Wenn ein Organ nach außen unmittelbar haftet, könne dieses nicht als weisungsabhängig Beschäftigter angesehen werden. Aus dem Vorliegen des Haftungsrisikos ergebe sich die Notwendigkeit der Haftpflichtversicherung. Das im Ausgangsbescheid genannte Argument, der hauptamtliche Vorstand habe keinen maßgebenden Einfluss auf die Geschicke der Vereinigung, sei nicht nur unzutreffend, sondern widerspreche auch dem im Gesetz zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Willen. Der hauptamtliche Vorstand sei nicht Teil einer weisungsabhängigen betrieblichen Organisation. Zwischen den Beteiligten bestehe kein Arbeitsverhältnis im Sinne von § 611 BGB. Der Bundesgerichtshof sehe in ständiger Rechtsprechung Organmitglieder nicht als Arbeitnehmer, sondern als Dienstverpflichtete nicht arbeitsrechtlicher Art an. Hinsichtlich der vergleichbaren Interessenlage der Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft sei darauf hinzuweisen, dass diese Konstellation auf die Klägerin übertragen werden könne. Die Vertreterversammlung habe gegenüber der Beigeladenen keinerlei Weisungsbefugnis. Dies sei sowohl aus den gesetzlichen Regelungen als auch aus der Satzung ersichtlich. Deshalb sei auch keine Eingliederung in eine fremdbestimmte Arbeitsorganisation feststellbar. Auch aus der Geschäftsordnung der Vertreterversammlung ergebe sich nichts anderes. Danach werden lediglich Überwachungsfunktionen ausgeübt. Ein Vergleich mit den Vorstandsmitgliedern bei den Orts-, Betriebs-, Innungs- und Ersatzkassen verbiete sich, denn der Verwaltungsrat in den genannten Einrichtungen habe typischerweise eine andere Stellung als die Vertreterversammlung der Klägerin. Die Klägerin beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 01.08.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.04.2007 aufzuheben und festzustellen, dass die Beigeladene im Rahmen ihrer Tätigkeit für die Klägerin seit dem 01.01.2005 nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegt. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Ansicht, dass die Beigeladene der Sozialversicherungspflicht unterliegt. Mitglieder des Vorstandes einer Aktiengesellschaft gehören zwar nicht zu den kraft Gesetzes rentenversicherungspflichtigen Personen, seien aber Beschäftigte im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV. Eine Regelung wie die des § 1 Abs.1 Satz 4 SGB VI existiere für Vorstände außerhalb von Aktiengesellschaften nicht. Die Organstellung von Vorständen schließe die Rentenversicherungspflicht nicht aus. Trotz freier Gestaltung der Arbeitszeit, des Arbeitsortes und der Ausübung der Tätigkeit bleibe die Arbeitsleistung der Beigeladenen fremdbestimmt, da sie sich in eine der von der Klägerin vorgegebene Ordnung des Betriebes eingliedere. Die Klägerin setzte mit der Satzung den äußeren Rahmen, innerhalb dessen sie tätig ist. Bei der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung einer Tätigkeit komme es nicht auf die Funktion an, die die Beigeladene innerhalb der Klägerin bekleidet, sondern auf die Ausgestaltung der Tätigkeit. Die Tätigkeit für die Klägerin werde von ihr als natürliche Person wahrgenommen. Sie trage unzweifelhaft eine hohe wirtschaftliche Verantwortung, aus dieser lasse sich jedoch kein, eine selbstständige Tätigkeit kennzeichnendes, unternehmerisches Risiko herleiten. Die Beigeladene schließt sich inhaltlich den Ausführungen der Klägerin an und führt aus, dass sie innerhalb der von ihr geführten Ressorts die Entscheidungen eigenverantwortlich treffe. Direkten Weisungen sei sie nicht unterworfen. Vielmehr werden die Sitzungen und Besprechungen, an denen sie teilnimmt, überwiegend von ihr geleitet. In den Verhandlungen mit den Krankenkassen entscheide sie eigenverantwortlich, ob die von den Krankenkassen angebotenen Konditionen verhandlungsfähig sind oder ein Vertragsschluss abzulehnen ist. Über das Ergebnis stimme die Vertreterversammlung ab. Es sei kaum möglich eine detaillierte Tätigkeitsbeschreibung darzustellen. Sie lege eigenverantwortlich die Prioritäten fest und entscheide nach der Bedeutung der jeweiligen Angelegenheit, wie der Tagesablauf zu gestalten sei. Sie sei allein verantwortlich gegenüber der Vertreterversammlung. Deren Vorsitzender nehme die Berichte des Vorstandes entgegen, genehmige die Urlaubsanträge und erteile dem Vorstand Weisungen, beispielsweise über die Fristen, in denen Unterlagen vor einer Vertreterversammlung einzureichen seien. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des weiteren Vortrags der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage zulässig (§§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1, 56 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Beklagte hat zu Recht mit Bescheid vom 01.08.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.04.2007 festgestellt, dass die Beigeladene mit ihrer Tätigkeit für die Klägerin grundsätzlich abhängig beschäftigt i.S.d. § 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) ist. Nach § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Letzteres war hier nicht der Fall. Die Beklagte entscheidet nach § 7a Abs. 2 SGB IV aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls, ob eine Beschäftigung vorliegt. Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw. Beitragspflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V; § 20 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB XI; § 1 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI; § 25 Abs. 1 SGB III). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nicht selbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Dem gegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Weichen die Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen ab, geben diese den Ausschlag. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (vgl. z. B. BSGE 45, 199, 200 ff). Ausgehend von diesen Grundsätzen überwiegen nach Ansicht der Kammer vorliegend die für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sprechenden Umstände. Die maßgeblichen Regelungen ergeben sich aus § 79 SGB V, der Satzung der Klägerin sowie aus dem Dienstvertrag der Klägerin mit der Beigeladenen. Aus § 79 Abs. 3 SGB V ergibt sich u. a., dass die Vertreterversammlung der KV als Selbstverwaltungsorgan zuständig ist, die Satzung zu beschließen und den Vorstand zu überwachen; alle Entscheidungen zu treffen, die für die Körperschaft von grundsätzlicher Bedeutung sind, den Haushaltsplan festzustellen, über den Erwerb, die Veräußerung oder die Belastung von Grundstücken sowie über die Errichtung von Gebäuden zu beschließen und für alle Aufgaben sämtliche Geschäfts- und Verwaltungsunterlagen einsehen und prüfen kann. Nach § 79 Abs. 6 Satz 1 SGB V gelten § 35a Abs. 1 Satz 3 und 4, Abs. 2, 5 Satz 1, Abs. 7 und § 42 Abs. 1 bis 3 des Vierten Buches entsprechend, d. h. es gelten für den Vorstand der KV die Verantwortlichkeiten und Haftungsmaßstäbe, die auch für die Vorstände der Krankenkassen bestehen. Nach § 35a Abs. 2 SGB IV hat der Vorstand über die Umsetzung von Entscheidungen von grundsätzlicher Bedeutung und über die finanzielle Situation und die voraussichtliche Entwicklung und aus sonstigen wichtigen Anlässen zu berichten. Nach § 35 Abs. 7 Satz 1 SGB IV gilt für die Amtsenthebung oder Amtsentbindung § 59 Abs. 2 und 3 SGB IV. Die Haftung des Vorstandsmitglieds richtet sich nach § 42 SGB IV. Damit ergeben sich bereits aus dem Gesetz umfangreiche Pflichten des Vorstandes, die für eine Weisungsgebundenheit und Eingliederung in die Organisationsstruktur der Klägerin sprechen. Insbesondere mit der Zuständigkeit der Vertreterversammlung für alle Entscheidungen von grundsätzlicher Bedeutung nach § 79 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB V, kann diese in die Verwaltungs- und Vertretungskompetenz des Vorstandes nach § 79 Abs. 5 SGB V eingreifen und ihn im Innenverhältnis in seiner Gestaltungsfreiheit binden (so auch Hess in Kasseler Kommentar, 57. Ergänzungslieferung 2008, § 79 Rn. 16). Nichts anderes ergibt sich aus dem Dienstvertrag. Die Beigeladene hat in dem zeitlichen Umfang zur Verfügung zu stehen, wie es die vertragsgemäße Erfüllung der übertragenen Aufgaben erfordert. Sie erhält eine regelmäßige Vergütung, sie muss sich die ärztliche Nebentätigkeit durch den Vorsitzenden der Vertreterversammlung genehmigen lassen. Ihr steht ein fester Urlaubsanspruch zu. Im Fall von Krankheit erhält sie für drei Wochen die volle Vergütung weiter. Die Klägerin hat für die Beigeladene eine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung abgeschlossen, so dass die Beigeladene auch keinem erhöhten Risiko unterliegt. Dies alles spricht in erheblichem Maß gegen eine selbständige Tätigkeit. Gleiches gilt für die Satzung, die die gesetzlichen Vorgaben konkretisiert. Insbesondere durch § 5 Abs. 1 Nr. 6 der Satzung wird deutlich, dass der Vorstand lediglich wichtige Entscheidungen vorbereitet; die Vertreterversammlung jedoch das Organ ist, das im Ergebnis die Entscheidungen für die Klägerin herbeiführt. Denn Nr. 6 besagt, dass die Vertreterversammlung alle Entscheidungen zu treffen hat, die für die Körperschaft von grundsätzlicher Bedeutung sind. Dies umfasst u. a. auch die Beschlussfassung über den Abschluss von Verträgen, welche die Klägerin mit den Kostenträgern über die ärztliche und psychotherapeutische Versorgung und/oder die Honorarabrechnung und -verteilung abschließt. Ferner verfängt auch der Hinweis des Klägervertreters nicht, dass keine Weisungsgebundenheit der Beigeladenen im Einzelfall gegeben sei, weil die Kompetenzen der Vertreterversammlung abschließend geregelt sind. Das Bundessozialgericht hat bereits mehrfach entschieden, dass das Weisungsrecht des Arbeitgebers bei Diensten höherer Art auch eingeschränkt und "zur funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein kann, wenn der Versicherte nur in den Betrieb eingegliedert ist (BSG, Urteil vom 09.12.1981, 12 RK 4/81). Höhere Dienste werden im Rahmen abhängiger Beschäftigung geleistet, wenn sie fremdbestimmt bleiben und sie in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgehen (BSG, Urteil vom 24.09.1992, 7 RAr 12/92; Urteil vom 03.02.1994, 12 RK 84/92; jeweils m.w.N.). Speziell bei Vereinsvorständen hat es das BSG als maßgebliche Indizien für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis angesehen, wenn die Ordnung des Betriebes bzw. die Unternehmenspolitik des Vereins maßgeblich durch den Verwaltungsrat bestimmt werde und dieser zu einer Reihe von Geschäften des Vereins seine Zustimmung erteilen müsse sowie wenn der Verwaltungsrat die Vorstände bestelle, abberufe und auch deren Anstellungsbedingungen regele. In diesem Fall unterliege das einzelne Vorstandsmitglied entsprechend interner Kompetenzzuweisung einer umfassenden Beaufsichtigung durch den Verwaltungsrat des Vereins, der die Vereinspolitik - und damit die Ordnung des Betriebes – bestimme (BSG, Urteil vom 15.12.1983, 12 RK 57/82; Urteil vom 19.06.2001, B 12 KR 44/00 R). Diese Fallkonstellation ist nach Auffassung der Kammer auf die Klägerin übertragbar. Die Ordnung des Betriebes und die Unternehmenspolitik der Klägerin wird – wie bereits ausgeführt – maßgeblich durch die Vertreterversammlung bestimmt. Sie wählt nach § 80 Abs. 2 SGB V die Mitglieder des Vorstandes und dessen Vorsitzenden sowie den Stellvertreter. Sie beschließt die Satzung, überwacht den Vorstand und trifft alle Entscheidungen, die von grundsätzlicher Bedeutung sind. Es ist zwar unstreitig, dass der Vorstand der Klägerin als Gesamtheit für die Verwaltung verantwortlich ist und damit der gesamte gesetzliche und vertragliche übernommene Aufgabenbereich der KV, soweit nicht die Vertreterversammlung zuständig ist, dadurch umfasst wird. Dies reicht jedoch nach Überzeugung der Kammer nicht aus, um von einer selbständigen, versicherungsfreien Tätigkeit der Beigeladenen auszugehen. Auch aus der vom Klägervertreter beschriebenen Tatsache, dass es sich hier um keinen Arbeitsvertrag im arbeitsrechtlichen Sinne, sondern um einen Dienstvertrag für den Vorstand einer Körperschaft des öffentlichen Rechts handelt, kann nicht gefolgert werden, dass die Beigeladene auch im Sozialversicherungsrecht nicht als abhängige Beschäftigte anzusehen ist. Zwar gelten gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 des Arbeitsgerichtsgesetzes (ArbGG) u. a. die Personen, die kraft Gesetzes, Satzung oder Gesellschaftsvertrags allein oder als Mitglieder des Vertretungsorgans zur Vertretung der juristischen Person oder der Personengesamtheit berufen sind, nicht als Arbeitnehmer in den Betrieben einer juristischen Person. Diese Regelung beschränkt sich jedoch auf das ArbGG und hat keine Bedeutung für das Sozialversicherungsrecht. Ebenso wenig steht der Zugehörigkeit von Geschäftsführern oder Vorständen einer juristischen Person zu deren leitenden Angestellten entgegen, dass sie im Verhältnis zu den sonstigen Arbeitnehmern Arbeitgeberfunktionen wahrnehmen (BSG, Urteil vom 24. Juni 1982, 12 RK 45/80). Entscheidend ist auch für Organe juristischer Personen, ob sie von der Gesellschaft persönlich abhängig sind oder nicht (vgl. Urteil des BSG vom 19.06.2001, B 12 KR 44/00 R).

Im Übrigen trägt die Beigeladene selbstverständlich eine erhebliche Verantwortung und unterliegt auch Haftungsrisiken. Es fehlt jedoch an dem typischen Unternehmerrisiko eines Selbständigen, das sich sowohl positiv als auch negativ niederschlagen kann. Hier erhält die Beigeladene eine regelmäßige Vergütung, unabhängig von dem Erfolg ihrer Tätigkeit. Das Haftungsrisiko wird durch die Haftpflichtversicherung, die die Klägerin für sie abgeschlossen hat, erheblich reduziert, sie hat nicht einmal die Versicherungsbeiträge selbst zu tragen. Schließlich geht die Kammer im Hinblick auf die Gesetzesänderung des § 79 SGB V zum 01.01.2005 entgegen der Auffassung des Klägervertreters gerade davon aus, dass der Gesetzgeber bewusst die Organisationsstrukturen der KVen denen der Krankenkassen angleichen wollte. Dies ist schon daraus ersichtlich, dass § 79 Abs. 6 SGB V auf die entsprechenden Normen des SGB IV verweist. Deshalb ist ein solcher Vergleich mit den Vorstandsmitgliedern bei den Orts-, Betriebs-, Innungs- und Ersatzkassen nicht verboten, sondern er ist sogar geboten. Vorstandsmitglieder der Krankenkassen sind dem Grunde nach ebenfalls abhängig beschäftigt i. S. d. § 7 Abs. 1 SGB IV. Schlussendlich hat die Klägerin auch keinen Anspruch darauf, wie eine Aktiengesellschaft (AG) behandelt zu werden. Entgegen der Ansicht des Klägervertreters geht die Kammer im Einklang mit der Rechtsprechung des BSG davon aus, dass Vorstandsmitglieder einer AG regelmäßig abhängig beschäftigt sind und damit der Versicherungspflicht zur Sozialversicherung unterliegen, auch wenn sie die Gesellschaft in eigener Verantwortung zu leiten haben und gegenüber der Belegschaft Arbeitgeberfunktionen wahrnehmen (BSG, Urteil vom 31.05.1989, 4 RA 22/88; Urteil vom 19.06.2001, B 12 KR 44/00 R; Urteil vom 27.02.2008, B 12 KR 23/06 R). Soweit der Klägervertreter auf das Urteil des 2. Senats des BSG vom 14.12. 1999 (BSGE 85, 214) hinweist, führt das hier zu keinem anderen Ergebnis. Die Entscheidung betraf die Versicherungsfreiheit der Vorstandsmitglieder von AGen in der Unfallversicherung. Unabhängig davon, dass hier der Beklagte lediglich die Voraussetzungen der abhängigen Beschäftigung nach § 7 Abs. 1 SGB IV zu prüfen hatte und keine Befugnis hat, hinsichtlich der einzelnen Versicherungszweige aufgrund der spezialgesetzlichen Normen einzelne Befreiungen von der Versicherungspflicht festzustellen, ist die Entscheidung des 2. Senats hier nicht übertragbar, da nicht daraus hergeleitet werden kann, dass Vorstandsmitglieder von KVen, die genossenschaftlich organisiert sind, nicht in Beschäftigungsverhältnissen stünden. Vielmehr geht das Gesetz in der Renten- und Arbeitslosenversicherung davon aus, dass auch Vorstandsmitglieder juristischer Personen Beschäftigte sind. Denn nur so ist zu erklären, dass die Ausnahmetatbestände für Vorstandsmitglieder von AGen in den Vorschriften enthalten ist (§ 1 Satz 4 SGB VI, § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III), die die Versicherungspflicht bzw. deren Ausnahmen von beschäftigten Personen regeln. Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG ist für die Kammer nicht ersichtlich, da es bereits an der Vergleichbarkeit einer Körperschaft des öffentlichen Rechts mit einer AG fehlt. Letztere ist eine Kapitalgesellschaft, die bestrebt ist, ihren Gewinn zu maximieren. Die Klägerin dagegen ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die die Interessen der niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten zu vertreten hat und gemeinsam mit den Krankenkassen dafür zu sorgen hat, dass die ambulante Versorgung der gesetzlich Krankenversicherten ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich erfolgt Nach alldem ist festzustellen, dass ein Vorstandsmitglied, das seine volle Arbeitskraft ohne jedes eigene Unternehmerrisiko der KV zur Verfügung stellt, bei der Führung der Geschäfte die Bestimmungen der Gesetze, der Satzung, der Geschäftsordnung und des Dienstvertrages sowie die Beschlüsse und Weisungen der Organe – hier der Vertreterversammlung - zu beachten hat, seine Arbeitszeit im Wesentlichen nicht frei bestimmen kann und für seine Tätigkeit ein festes Gehalt sowie bezahlten Urlaub usw. erhält, in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis steht und daher grundsätzlich der Versicherungspflicht unterliegt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren der Klägerin nicht aufzuerlegen. Die außergerichtlichen Kosten Beigeladener können nach § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 162 Abs. 3 SGG dem Unterlegenen aus Billigkeit auferlegt werden. Da die Beigeladene keinen eigenen Antrag gestellt hat, entspricht es auch nicht der Billigkeit, der Klägerin deren Kosten aufzuerlegen.

RechtsgebietSGB IVVorschriften§ 7 SGB IV

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