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16.01.2009 · IWW-Abrufnummer 090169

Oberlandesgericht Bremen: Beschluss vom 23.09.2008 – 4 W 6/08

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen

Geschäftszeichen: 4 W 6/08
= 4 O 672/08 Landgericht Bremen

Beschluss

In der Beschwerdesache XXX

hat der 4. Zivilsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen durch XXX am 23.09.2008 beschlossen:

Der Antragstellerin wird auf ihre sofortige Beschwerde in Abänderung des Beschlusses des Landgerichts Bremen vom 06.06.2008 Prozesskostenhilfe ohne Anordnung von Ratenzahlungen bewilligt und Rechtsanwalt [...] beigeordnet.


G r ü n d e :

Die Parteien sind geschiedene Eheleute. Sie lebten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Während der Ehe hatten sie gemeinsam Wohnungseigentum zu je ½ Anteil käuflich erworben. Zur Finanzierung des Kaufpreises hatten sie gemeinsam zwei Hypothekendarlehen aufgenommen, die tilgungsfrei gestellt waren. Gleichzeitig war eine Lebensversicherung abgeschlossen worden, mit der die Darlehen abgelöst werden sollten; Versicherungsnehmerin war zunächst die Antragstellerin. Da das finanzierende Kreditinstitut aber auf dem Antragsgegner als Versicherungsnehmer bestand, wurde dieser anstelle der Antragstellerin Versicherungsnehmer.

Nach der Trennung veräußerten die Parteien im Januar 2006 die Eigentumswohnung. Mit dem Verkaufserlös wurden die noch bestehenden Darlehensverbindlichkeiten vollständig getilgt. Die Versicherungssumme aus der Lebensversicherung, die sich auf insgesamt 11.231,00 € belief, ließ sich der Antragsgegner auszahlen.

Im Juni 2007 hat die Antragstellerin beim Amtsgericht – Familiengericht – B. den Antragsgegner im Wege der Stufenklage auf Auskunft über sein Endvermögen in Anspruch genommen. Nach Erlass eines entsprechenden Teil-Anerkenntnisurteils im Januar 2008 hat die Antragstellerin das beim Amtsgericht anhängige Zugewinnausgleichsverfahren bislang nicht weiter betrieben.

Mit der vorliegenden Klage, für die die Antragstellerin Prozesskostenhilfe begehrt, verlangt die Antragstellerin die Hälfte der an den Antragsgegner ausgekehrten Versicherungssumme. Der Antragsgegner ist der Meinung, die Versicherungssumme stehe ihm als Versicherungsnehmer alleine zu, zumal er - entgegen dem Vortrag der Antragstellerin – die Versicherungsprämien gezahlt habe. Einem Anspruch der Antragstellerin stehe auch der Umstand entgegen, dass die Lebensversicherung bereits Streitgegenstand des anhängigen Zugewinnausgleichsverfahrens sei.

Das Landgericht B. hat der Antragstellerin mit Beschluss vom 06.06.2008 Prozesskostenhilfe versagt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass es sich bei der Übertragung des Versicherungsvertrages auf den Antragsgegner um eine ehebezogene Zuwendung vonseiten der Antragstellerin handele, die bei Vorliegen des gesetzlichen Güterstandes nur ausnahmsweise einen Ausgleichsanspruch begründe. Für die Annahme eines entsprechenden Ausnahmefalles fehle es am Vortrag der Antragstellerin.
Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig. Sie ist auch begründet, da die Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 114 ZPO).

Entgegen der Annahme des Landgerichts ist die Übertragung der Lebensversicherung auf den Antragsgegner nicht als ehebezogene Zuwendung zu werten, da es an einer Zuwendung von Seiten der Antragstellerin an den Antragsgegner fehlt. Denn die auf die Lebensversicherung eingezahlten Beiträge sollten nicht in das Alleinvermögen des Antragsgegners übergehen, sondern vielmehr der Tilgung der von den Parteien gemeinsam aufgenommenen Darlehen dienen. Es ist daher im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass die Parteien hinsichtlich der eingezahlten Versicherungsbeiträge stillschweigend eine Bruchteilsgemeinschaft (§§ 741 ff. BGB) vereinbart haben.

Nach der Rechtsprechung des BGH (FamRZ 1966, 4222; FamRZ 2000, 948; FamRZ 2002, 1696) zur stillschweigend eingegangenen Bruchteilsgemeinschaft an Forderungen in Bezug auf ein Einzelkonto eines Ehegatten können Eheleute jederzeit - auch stillschweigend – eine Bruchteilsberechtigung des Ehegatten, der nicht Kontoinhaber ist, an der Kontoforderung vereinbaren. Eine solche konkludente Vereinbarung ist dann anzunehmen, wenn sich im Hinblick auf die eingezahlten Versicherungsbeiträge eine gemeinsame Zweckverfolgung der Parteien feststellen lässt (vgl. OLG Bremen, FamRZ 2006, 1121; Münch, FPR 2006, 481). Dies ist etwa dann anzunehmen, wenn zwischen den Ehegatten Einvernehmen besteht, dass die Ersparnisse beiden zugute kommen sollen (BGH, FamRZ 2002, 1696, 1697).

Diese Grundsätze sind auch auf den vorliegenden Fall anzuwenden. Denn für die Frage, ob Eheleute stillschweigend eine Bruchteilsgemeinschaft vereinbart haben, ist entscheidend darauf abzustellen, ob die angesparten Guthaben ersichtlich für einen gemeinsamen Zweck eingesetzt werden sollen. Im vorliegenden Fall sollten unstreitig mit der Lebensversicherung die von den Parteien gemeinsam aufgenommenen Kredite zum Erwerb der Eigentumswohnung abgelöst werden. Der Verwendungszweck – Ablösung der gemeinsamen, für den Erwerb einer Immobilie zu Miteigentum eingegangenen Darlehen – spricht für den Willen der Parteien zur Eingehung einer Gemeinschaft (Wever, Vermögensauseinandersetzung der Ehegatten außerhalb des Güterrechts, 4. Aufl., Rdnr. 957; s. auch OLG Köln, FuR 2003, 183, 184). Dies hat zur Folge, dass das angesparte Versicherungsguthaben ungeachtet der formalen Zuordnung der Versicherung beiden Parteien zusteht – im Zweifel gem. § 742 BGB zu gleichen Anteilen (Wever, a.a.O.), und zwar unabhängig vom Verhältnis der geleisteten Einzahlungen (BGH, FamRZ 2002, 1696, 1697; OLG Bremen, a.a.O., 1669). Es kann daher dahingestellt bleiben, ob und ggf. in welcher Höhe die Antragstellerin Versicherungsbeiträge gezahlt hat.

Die Antragstellerin kann somit nach dem bisherigen Sach- und Streitstand gem. §§ 741, 742, 749 I BGB vom Antragsgegner die Hälfte der an ihn ausgekehrten Versicherungssumme von 11.231,00 € verlangen, mithin 5.615,50 €.

Dem Anspruch der Antragstellerin auf hälftige Teilung der Versicherungssumme steht entgegen der Annahme des Antragsgegners nicht das vor dem Amtsgericht – Familiengericht – anhängige Zugewinnausgleichsverfahren entgegen, da der Anspruch nach den §§ 741, 742, 749 I BGB unabhängig vom Ergebnis des Zugewinnausgleichs durchgesetzt werden kann. Anders als beim Ausgleich ehebezogener Zuwendungen besteht kein Vorrang der güterrechtlichen Abwicklung (Schulz, FamRB 2004, 398, 399). Der Frage, wie die Sachlage zu beurteilen wäre, wenn die Parteien im anhängigen Zugewinnausgleichsprozess die Lebensversicherung allein in das Endvermögen des Beklagten eingestellt hätten, oder wenn gar eine Entscheidung über den Zugewinnausgleich bei voller Zuordnung der Lebensversicherung in das Vermögen des Beklagten ergangen wäre, war hier nicht nachzugehen. Denn dazu ist es nicht gekommen.

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