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17.10.2008 · IWW-Abrufnummer 083050

Oberlandesgericht München: Urteil vom 27.11.2007 – 9 U 2444/07

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN

Aktenzeichen: 9 U 2444/07
24 O 17385/06 LG München I
Verkündet am 27.11.2007

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit XXX

wegen Forderung

erlässt der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht … und die Richter am Oberlandesgericht … und … aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27.11.2007 folgendes

Endurteil:

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 01.12.2006 aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Berufungsverfahrens - an das Landgericht München I zurückverwiesen.

II. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

IV. Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 50.000,- EUR.

G r ü n d e:

I.

Die Klägerin hat die Beklagte mit Baumaßnahmen beauftragt und begehrt von dieser nun Schadensersatz, weil deren Subunternehmerin, die Nebenintervenientin auf der Beklagtenseite, am 30.01.2006 durch eine nicht freigegebene Kernbohrung an einem Spannbetonbinder (1. OG, Achse 6) die Statik beschädigt habe. Vor der Bohrung fand keine statische Prüfung statt, ob an dieser Stelle gebohrt werden durfte.

Durch Urteil vom 01.12.2006 hat das Landgericht München I antragsgemäß die Beklagte zur Zahlung von 38.587,20 Euro nebst Zinsen verurteilt und festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den darüber hinausgehenden Schaden der Klägerin zu ersetzen. Die Beklagte bzw. deren Nebenintervenientin hätten sich vor der Bohrung von der statischen Unbedenklichkeit überzeugen müssen.

Mit der Berufung begehrt die Beklagte die Aufhebung der Verurteilung und Klageabweisung sowie hilfsweise Zurückverweisung an das Landgericht. Diesen Anträgen schließt sich die Nebenintervenientin auf Beklagtenseite an.

Die Klägerin tritt dem entgegen und beantragt, die Zurückweisung der Berufung. Die Nebenintervenientin der Klagepartei tritt der Berufung ebenfalls entgegen und stellt Kostenantrag.

Die Beklagte rügt, das Landgericht habe die Hilfsaufrechnung der Beklagten i.H.v. 60.000,- EUR übergangen, obwohl der Sachvortrag dazu genau genug gewesen sei. Vor allem habe der Fachbauleiter der Klägerin die Stelle gekannt, an der gebohrt werden sollte und habe - obwohl er vor Ort anwesend gewesen sei - keinerlei Einwendungen gegen die Bohrung gegenüber der Subunternehmerin der Beklagten erhoben.

Dem gegenüber sehen die Klägerin und ihre Streithelferin eine Pflichtverletzung der Beklagten, weil der Fachbauleiter der Klägerin lediglich die Höhenlage der beabsichtigten Bohrstelle geprüft habe, nicht aber die Statik. Die Beklagte hätte sich selbst vergewissern müssen, ob eine statische Prüfung erfolgt sei. Die Pflicht der Beklagten leitet die Klägerin insoweit aus Ziff. 5.1.8 des Aktenvermerks über die Baustellenbesprechung vom 23.11.2005 ab (Anlage K 6). Diese Ziffer lautet wörtlich:

"Die notwendigen Kernbohrungen bzw. Wanddurchbrüche für die haustechnischen Installationen sind von den jeweiligen Fachfirmen anzuzeichnen und von den Fachbauleitern nach statischer Prüfung zur Ausführung freizugeben."

Darauf ist bei mehreren Baustellenbesprechungen gleichlautend hingewiesen worden. Keiner der Beteiligten widersprach dieser Regelung.

Auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze, das angefochtene Urteil und das Protokoll vom 27.11.2007 samt Senatshinweisen wird Bezug genommen.

II.

Auf die zulässige Berufung der Beklagten war das angefochtene Urteil des Landgerichts aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen.

1. Das Landgericht hat zwar zutreffend festgestellt, dass eine statische Überprüfung der hier streitgegenständlichen Bohrung nicht stattgefunden hat. Das Landgericht hat aber unterlassen, Ziff. 5.1.8 des Aktenvermerks über die Baustellenbesprechung vom 23.11.2005 auszulegen. Darin liegt eine entscheidungserhebliche Verletzung des rechtlichen Gehörs. Nach § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO war das Urteil aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen.

a) Ausgangspunkt der Auslegung nach §§ 133, 157 BGB ist der Wortlaut der Ziff. 5.1.8 des Aktenvermerks. Hiernach war vor der Durchführung von Kernbohrungen eine Freigabe erforderlich. Diese sollte von den Fachbauleitern erfolgen und zwar nach "statischer Prüfung". Nach dem Wortlaut der Aktennotiz war es Sache der Fachbauleiter, sich vom Vorliegen einer statischen Prüfung zu überzeugen bzw. diese herbeizuführen und erst danach eine beabsichtigte Kernbohrung freizugeben. Die Freigabe einer Bohrstelle war nicht der Nebenintervenientin auf Beklagtenseite (Kernbohrungen) oder der Nebenintervenientin auf Klägerseite (Versorgungstechnik) zugewiesen, sondern nach dem ausdrücklichen Wortlaut den Fachbauleitern der Klägerin.

Die Auslegung dieser Aktennotiz nach dem Sinnzusammenhang führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn bei einer Baustelle mit einer Vielzahl von beteiligten Baufirmen sowie komplexen Zusammenhängen und Auswirkungen einzelner Entscheidungen war es erforderlich, den Informationsfluss zu bündeln und nicht dezentral stattfinden zu lassen. Dass einzelne baubeteiligte Firmen sich direkt an den Statiker wenden sollten, widerspräche in diesem Sinn einer effizienten Baustellenorganisation. Eine solche konnte nur erreicht werden, wenn Ansprechpartner der baubeteiligten Firmen die Fachbauleiter waren. Deren Aufgabe war es dann, die von den baubeteiligten Firmen benötigten Entscheidungen erst dann zu treffen, wenn alle erforderlichen Abklärungen einschließlich der statischen Prüfung erfolgt waren.

Zu erkennen, welche Prüfungen erforderlich waren, war im Einzelfall Sache der Fachbauleiter.

b) Demzufolge trifft die Beklagte entgegen der Ansicht des Landgerichts keine allgemeine und umfassende Pflicht, sich vor Durchführung von Kernbohrungen zu überzeugen, dass eine statische Prüfung vorliege. Die Pflicht der Beklagten beschränkt sich vielmehr darauf, sich zu vergewissern, dass eine Freigabe des Fachbauleiters vorliegt.

c) Ob eine Freigabe des Fachbauleiters im vorliegenden Fall erfolgte, ist zwischen den Parteien streitig und entscheidungserheblich (vgl. LGU Seite 7 unten, Seite 8 oben).

Sollte sich der Sachverhalt so erweisen, wie von der Beklagten vorgetragen, war einen Mitarbeiter der Fachbauleitung vor Beginn der Bohrung anwesend und wurde die Bohrung mit seinem Wissen und Wollen durchgeführt. Dann durfte die Beklagte davon ausgehen, dass die statische Prüfung durchgeführt und vom Fachbauleiter die Freigabe erteilt ist. In Konsequenz hiervon hätte die Beklagte nach der vorstehenden Auslegung durch die Ausführung der Bohrung keine vertraglichen Pflichten verletzt, so dass die Klage unbegründet und abzuweisen wäre.

Dazu ist der erforderliche Beweis in erster Instanz nicht erhoben worden. Da mit einer umfangreichen Beweisaufnahme zu rechnen ist, war die Sache zurückzuverweisen.

2. Entgegen der Ansicht des Landgerichts (LGU Seite 9) dürfte der Vortrag der Beklagten zu der von ihr aufgerechneten Werklohnforderung ausreichend substantiiert gewesen sein. Im Einzelnen kann dies offen bleiben. Die vorliegende Entscheidung beruht nicht darauf.

III.

Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst; diese bleibt der erneuten Entscheidung des Landgerichts vorbehalten.

Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 708 Nr. 10 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen nach § 543 ZPO nicht vorliegen. Die Sache hat keine über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung.

Streitwert: §§ 47, 48 GKG.

RechtsgebietBGBVorschriften§§ 133, 157 BGB

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