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30.05.2008 · IWW-Abrufnummer 081656

Oberlandesgericht München: Urteil vom 13.11.2007 – 9 U 2890/07

1. Erfolgsabhängiger Honoraranspruch gegen eine Gemeinde für die Planung einer Gewerbegebietserweiterung.



2. Zur Frage der Höchstsatzüberschreitung.


OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN

Aktenzeichen: 9 U 2890/07
Verkündet am 13.11.2007

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

...

wegen Forderung

erlässt der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Schmidt und die Richter am Oberlandesgericht Augsberger und Dr. Buchner aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18.09.2007 folgendes

Endurteil:

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 14.03.2007 wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 298.390 EUR.

Gründe:

I.

Aufgrund Vertrages vom 24.07.2003 sollte die Klägerin für die beklagte Gemeinde Planungsleistungen im Zusammenhang mit der Ausweisung einer Gewerbegebietserweiterung erbringen. Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin Honorar für die bislang abzurechnenden Leistungen. Mit ihrer Widerklage begehrt die Beklagte die Feststellung, dass der Klägerin aus dem vorgenannten Vertrag keinerlei Ansprüche zustehen.

Durch Urteil vom 14.03.2007 hat das Landgericht der Klage weitgehend stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Das zu planende Gewerbegebiet habe eine Bruttofläche von 189.073 m² gehabt. Die Planungsleistungen hätten aber nicht in den Erlass eines Bebauungsplans oder in das Erreichen der Planreife nach § 33 BauGB gemündet. Daher schulde die Beklagte bislang nur das für diesen Fall vorgesehene Honorar von 20 Cent pro m² Bruttofläche (und nicht das für den Erfolgsfall vorgesehene Honorar von 2,00 EUR pro m² Bruttofläche). Der zugrundeliegende Vertrag sei wirksam und daher die Widerklage unbegründet.

Mit der Berufung begehrt die Beklagte weiterhin die Klageabweisung und die Feststellung, dass der Klägerin aus dem Vertrag vom 24.07.2003 keinerlei Ansprüche zustehen.

Die Klägerin tritt dem entgegen und beantragt die Zurückweisung der Berufung.

Beide Parteien wiederholen im Wesentlichen ihr rechtliches und tatsächliches Vorbringen der ersten Instanz.

Auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze, das angefochtene Urteil und das Protokoll vom 18.09.2007 samt Senatshinweisen wird Bezug genommen. Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird ebenfalls Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO); Änderungen oder Ergänzungen haben sich nicht ergeben.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Der Vertrag ist wirksam und das vom Erstgericht zugesprochene Honorar geschuldet.

1. Die Honorarvereinbarung (enthalten in der "Honoraraufstellung" auf Seite 10 der Vertragsurkunde; Anlage K 4) verletzt nicht das Preisrecht der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI). Es kann offen bleiben, ob die vertragliche Honorarvereinbarung die Höchstsätze nach HOAI überschreitet. Denn die Klägerin hat durch die Honorarvereinbarung das außergewöhnliche Risiko übernommen, für ihre Leistungen nur 10% des vollen Honorars von 2,00 EUR pro m² Bruttofläche zu erhalten, falls ein Bebauungsplan nicht erlassen wird und Planungssicherheit nach § 33 BauGB nicht erreicht wird. Die Beklagte hat keinerlei Rechtspflicht zum Erlass eines Bebauungsplans übernommen, so dass es im Belieben der Beklagten als Auftraggeberin stand, Leistungen der Klägerin zu verwerten (und voll zu honorieren) oder nicht zu verwerten (und nur zu 10% zu honorieren). Dass ein Vertragspartner sich so dem Belieben des anderen Vertragspartners ausliefert (etwa in Bezug auf die Änderung der politischen Verhältnisse in der Gemeinde), stellt eine ungewöhnliche Risikoübernahme dar. Darin liegt eine außergewöhnliche Leistung im Sinne von § 4 Abs. 3 HOAI, die zur Überschreitung der festgesetzten Höchstsätze berechtigt.

Überdies überschreitet das hier streitgegenständliche Honorar von 20 Cent pro m² wohl nicht den zulässigen Höchstsatz.

2. Der Vertrag vom 24.07.2003 ist auch nicht aus anderen Gründen unwirksam.

Er ist inhaltlich genügend bestimmt (Palandt/Heinrichs, BGB, 66. Aufl. 2007, § 133 Rdnr. 6a).

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist er nicht nach § 138 BGB nichtig. Weder ein grobes Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung sind nach den vorherigen Ausführungen feststellbar, noch das Hinzutreten weiterer subjektiver Merkmale (BGH MDR 2007, 1121). Dass die beklagte Gemeinde möglicherweise eine Leistung in Auftrag gegeben hat, die sie dann später nicht verwenden konnte oder wollte, ändert daran nichts. Dies lässt auch nicht die Geschäftsgrundlage entfallen. Insbesondere verletzt der Vertrag vom 24.07.2003 nicht die Planungshoheit der Beklagten, da er keine Rechtspflicht zum Erlass eines bestimmten Bebauungsplanes begründete. Dass er mittelbar wirtschaftlich die Beklagte bindet, stellt keine Verletzung der Planungshoheit dar. Denn die Gemeinde kann im Bereich des vertragsgegenständlichen Planungsgebiets auf die Ausweisung eines Gewerbegebiets verzichten und ggfs. einem einzelnen bereits ansässigen Betrieb mit einer baurechtlichen Ausnahmegenehmigung helfen oder sie kann eine andere Planung in einen Bebauungsplan umsetzen. Dass die Gemeinde im letzteren Fall unter Umständen doch das volle Honorar schuldet (Vertrag vom 24.07.2003, Seite 10 letzter Absatz), vereitelt nicht die Planungshoheit der Gemeinde. Dies umso mehr, als die Regelung an eine 5-Jahres-Frist gebunden ist, nach deren Ablauf die Gemeinde ganz frei wird. Entgegen der zuletzt im Schriftsatz vom 02.10.2007 dargelegten Ansicht der Beklagten kann daraus auch kein grobes Missverhältnis abgeleitet werden (siehe oben zu § 4 HOAI).

3. Die Klägerin hat die Leistungen erbracht, die für das mit der Klage geltend gemachte Honorar von 20 Cent pro m² vertragliche Voraussetzung sind.

Unstreitig hat die Klägerin ein Grobkonzept des Gewerbegebiets erarbeitet.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist nicht Voraussetzung des streitgegenständlichen Honoraranspruchs, dass eine Umlegung aufgrund eines Umlegungsvorschlages der Klägerin stattgefunden hat (§§ 133, 157 BGB). Vielmehr genügt auch insoweit ein Grobkonzept der Umlegung. Ein solches hat die Klägerin erarbeitet (vgl. Anlagen K 22 und 23).

Eine andere Auslegung des Leistungssolls folgt aus dem Wortlaut des Vertrags nicht (insbesondere nicht aus Anlage K 4, Seite 10, Zeilen 24 und 28). Vor allem wäre eine Umlegung und deren dinglicher Vollzug im Grundbuch nicht interessengerecht, so lange nicht feststeht, wie die Flächen im Rahmen eines bis in alle Details bereits ausgearbeiteten Bebauungsplanentwurfs genutzt werden sollen. Der Wert der Flächen, die die planbetroffenen Grundstückseigentümer im Wege der Umlegung erhalten sollen, hängt ganz wesentlich von der zukünftigen Nutzung dieser Flächen ab. Eine zu begrünende Fläche wird mit einem geringeren Wert anzusetzen sein, als eine intensiv zu nutzende Gewerbefläche. In die Umlegung fließt der Wert der aufgegebenen Flächen und der Wert der künftigen Flächen eines Grundstückseigentümers ein, die Aufbringung der Erschließungskosten des künftigen Gewerbegebiets (z.B. Straßenbau) und evtl. Planungsgewinnabschöpfungen. Demzufolge kann mit einem Grobkonzept der Planung eines künftigen Gewerbegebiets auch nur das Grobkonzept einer Grundstücksumlegung erarbeitet werden. Die endgültige Umlegung kann erst aufgrund des endgültigen Konzepts des Gewerbegebiets erarbeitet werden. So ist der Vertrag nach dem Verständnis der Vertragsparteien auszulegen.

4. Daraus folgt, dass der Klageanspruch, soweit er im Ersturteil zugesprochen wurde, begründet ist.

5. Daraus folgt ferner die Unbegründetheit der Widerklage. Aus den vorgenannten Gründen ist der Vertrag wirksam, so dass weitere Ansprüche der Klägerin in Betracht kommen nach entsprechendem Fortgang der Dinge gemäß Seite 10 unten des Vertrags. Dabei war vorliegend nicht zu entscheiden, ob für einen etwaigen Honoraranspruch der Klägerin gemäß dem letzten Absatz auf Seite 10 des Vertrages vom 24.07.2003 eine Fortführung der von ihr begonnenen Planung erforderlich ist oder die Umsetzung einer anderen Planung ausreicht.

6. Im Übrigen wird auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 I 1 Nr. 2 ZPO).

III.

Kosten, vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen nach § 543 ZPO nicht vorliegen. Die Sache hat keine über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung.

Streitwert: §§ 47, 48, 45 GKG.

RechtsgebieteBGB, HOAIVorschriftenBGB §§ 133, 157 BGB; HOAI § 4 Abs. 3

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