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28.05.2008 · IWW-Abrufnummer 081040

Landgericht Itzehoe: Urteil vom 21.02.2008 – 7 O 122/04

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Verkündet am: 21. Februar 2008

7 O 122/04

LANDGERICHT ITZEHOE

URTEIL

IM NAMEN DES VOLKES

In dem Rechtsstreit XXX

hat die 7. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe auf die mündliche Verhandlung vom 21. September 2007 durch XXX für Recht erkannt:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt mit der Feststellungsklage Feststellung, dass sie keine Zahlungspflicht an die Beklagte aufgrund einer für ihren Ehemann übernommenen Bürgschaft in Höhe von 100.000,00 DM trifft.

Die Klägerin ist im Schuldienst Schleswig-Holstein angestellte Lehrerin. Sie ist mit Herrn verheiratet und hat zwei Kinder im Alter von jetzt 10 und 21 Jahren.

Im Jahre 1995 gründete ihr Ehemann, der zuvor in einem Angestelltenverhältnis gearbeitet hatte, die Firma GmbH, deren Gesellschafter und Geschäftsführer er war. Unter dem 14. November 1995 gewährte die Beklagte Herrn zur Mitfinanzierung der Unternehmensgründung ein Darlehen in Höhe von 462.000,00 DM aus Mitteln der Deutschen Ausgleichsbank nach Richtlinien des ERPExistenzgründungsprogramms. Die Beklagte übernahm im Zuge der Darlehensgewährung unter dem 9. November 1995 entsprechend den Bedingungen des Darlehensvertrages eine Bürgschaft in Höhe von 100.000,00 DM zur Sicherung aller bestehenden und künftigen Forderungen der Beklagten gegen Herrn. Zu den Einzelheiten wird auf die Anlagen B 1 und B 2 (Bl. 115 ff d. A.) Bezug genommen.

Die Klägerin hatte zu diesem Zeitpunkt ein abgeschlossenes Studium in Rhythmik an einer Musikhochschule sowie eine abgeschlossene Zusatzausbildung in Motopädagogik. Von 1978 bis 1993 hatte sie, mit Unterbrechung zwischen 1987 und 1991, als Arbeitnehmerin vollschichtig gearbeitet. Seit 1993 war sie neben ihrer Haushaltstätigkeit und der Erziehung ihrer Kinder selbständig als Motopädagogin.

In 1994 zog sie hieraus einen Gewinn von 12.724,00 DM, im Jahre 1995 von 17.039,50 DM. Ob die Klägerin daneben über weiteres Einkommen und Vermögen verfügte, ist unklar, nach ihrer Behauptung war dies nicht der Fall.

Im Jahre 2001 nahm Herr eine Umfinanzierung der Darlehensverbindlichkeiten vor. Im Zuge der Umfinanzierung wurde die von der Klägerin unterzeichnete Bürgschaft durch eine von der Klägerin am 4. September 2001 unterschriebene betragsmäßig beschränkte Einzelbürgschaft ersetzt, beschränkt auf Forderungen der Beklagten gegen Herrn aus einem konkret benannten Darlehenskonto. Die Klägerin hatte im Jahre 2000 über ein zu versteuerndes Einkommen aus dieser Tätigkeit in Höhe von 29.838,00 DM, nach ihren Angaben, verfügt. Ob sie bei Unterzeichnung der Bürgschaft über weitere Einnahmen aus Kapitalertrag sowie über Kapitalvermögen verfügte, ist streitig. Jedenfalls hatte sie gemeinsam mit ihrem Ehemann im Jahre 2000 ein Baugrundstück für insgesamt 100.000,00 DM verkauft sowie aus zwei Lebensversicherungen 4.000,00 DM bis 5.000,00 DM erzielt. Zu den Einzelheiten des diesbezüglichen Vortrags wird Bezug genommen auf Seite 3 des Protokolls vom 21. September 2007. Neben der zurückgehenden selbständigen Tätigkeit als Motopädagogin hat die Klägerin im Jahre 2003 ein Referendariat für das Lehramt an Schulen begonnen, weil das Land für die Tätigkeit von Lehrern Quereinsteiger suchte. Die Einnahmen der Klägerin als Motopädagogin sind in der Folgezeit weiter zurückgegangen. Im Jahre 2003 wurde über das Vermögen der Firma das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Beklagte hat in diesem Zusammenhang die dem Ehemann der Klägerin Herrn gewährten Darlehen gekündigt und fällig gestellt. Sie hat unter dem 12. Januar 2004 die Klägerin auf Zahlung der Bürgschaftssumme (51.129,19 Euro) in Anspruch genommen. Die Klägerin hat dem unter Berufung darauf widersprochen, dass die Bürgschaft sittenwidrig sei. Sie sei nicht in der Lage, auch nur die Zinsen auf die Bürgschaftssumme zu tätigen.

Unmittelbar im Anschluss an die Referendartätigkeit hat die Klägerin im August 2005 eine vollschichtige Anstellung als Lehrerin beim Land Schleswig-Holstein erhalten. Sie erzielt hieraus ein monatliches Einkommen von rund 3.700,00 Euro brutto nebst Kindergeld für zwei Kinder.

Ob die Klägerin daneben über weitere Einkommen aus Kapitalvermögen verfügt, ist streitig.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Bürgschaft sei sittenwidrig, da sie erkennbar Ausdruck einer strukturellen Unterlegenheit der Klägerin als Bürgin sei. Die Klägerin habe weder bei Unterzeichnung der ersten Bürgschaftserklärung 1995, noch bei Unterzeichnung der Bürgschaftserklärung im Jahre 2001 wie auch bei Fälligstellung der Bürgschaft über Einnahmen verfügt, die eine Bedienung der Bürgschaft ohne Gefährdung ihres Lebensunterhalts zulassen würden. Sie behauptet, sie sei zu keinem Zeitpunkt in der Lage gewesen, auch nur die Zinsen aus der Bürgschaftsverpflichtung aus Einkommen oder Kapital zu befriedigen. Zu den Einzelheiten wird verwiesen auf den Schriftsatz vom 13. Oktober 2006, Bl. 179 d. A. und vom 22. Juni 2007, Bl. 234 d. A. sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 21. September 2007, Bl. 252 d. A..

Die Klägerin beantragt,
festzustellen, dass sie nicht verpflichtet ist, auf die Bürgschaft vom 4. September 2001 über nominal 100.000,00 DM (51.129,19 Euro) eine Zahlung an die Beklagte zu leisten.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, aus damaliger Sicht sei weder 1995 noch 2001 die Prognose erkennbar gewesen, dass die Klägerin nicht in der Lage sein werde, die betragsmäßig beschränkte Bürgschaft bei Fälligkeit zu bedienen; vielmehr sei die Klägerin damals wie auch heute in der Lage gewesen - jedenfalls aus dem pfändbaren Einkommen wie auch dem Vermögen - ihre Forderungen zu bedienen. Vielmehr habe bereits 1995 eine positive Entwicklung der selbständigen Tätigkeit der Klägerin vorgelegen. Bei Beurteilung der Leistungsfähigkeit im Jahre 2001 sei das Einkommen für das Jahr 2000 zugrunde zu legen. Darüber hinaus habe die Klägerin zu diesem Zeitpunkt die Einnahmen für 2001 positiv dargestellt. Die Beklagte behauptet, bereits bei Inanspruchnahme der Bürgschaft in 2004 sei absehbar gewesen, dass die Klägerin nach Abschluss der Referendarzeit in den Staatsdienst als Lehrerin übernommen werde. Unterhaltsverpflichtungen der Klägerin über den Naturalunterhalt hinaus bestünden nicht, seien jedenfalls nicht in voller Höhe pfändungsrechtlich wie auch im Übrigen zu berücksichtigen.

Darüber hinaus verweist die Beklagte darauf, dass bei der Übernahme der Bürgschaft entsprechend den Richtlinien der ERP-Darlehen die Verbürgung der Klägerin als Ehegattin zur Vermeidung von Vermögensverschiebungen gerechtfertigt gewesen sei. Gerade im Hinblick auf die konkrete Situation sei dies geboten gewesen. Die Beklagte verweist weiter darauf, dass im Rahmen der diesbezüglich anzustellenden Gesamtschau zu berücksichtigen sei, dass durch vielfältige einzelne Umstände das Haftungsrisiko der Klägerin bei Unterschriftsleistung eingeschränkt gewesen sei, nämlich durch die vielfältigen Sicherheiten und die hohe eingetragene Grundschuld in Höhe von 400.000,00 DM bezüglich des zu erwerbenden Grundstücks in . Dass diese Sicherheiten aus heutiger Sicht nicht ausgereicht hätten, sei nicht zu ihren Lasten zu berücksichtigen.

Zum weiteren, beiderseitigen Vorbringen wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 21. September 2007 sowie auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Es war nicht festzustellen, dass die Klägerin aus der streitgegenständlichen Bürgschaft nicht verpflichtet ist. Dies ergibt sich schon aus dem unstreitigen Sachvortrag und dem eigenem Vorbringen der Klägerin, dass die streitgegenständliche Bürgschaft nicht wegen Sittenwidrigkeit unwirksam ist (§ 138 BGB).

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs, der die Kammer folgt, ist die Gestaltung der Rechtsverhältnisse durch den Einzelnen nach seinem Willen ein Teil der allgemeinen Handlungsfreiheit (vgl. Bundesverfassungsgericht , 1..BVR 567,89 m. w. N.). Insbesondere ist der Einzelne nicht gehindert, sich auch über seine finanziellen Möglichkeiten hinaus zu verpflichten, und zwar selbst dann, wenn diese Verpflichtung zeitlebens nicht zu tilgen ist. Ist aber der Inhalt eines Vertrages für eine Seite ungewöhnlich belastend und als Interessenausgleich offensichtlich unangemessen, so kann die Regelung eine Folge strukturell ungleicher Verhandlungsstärke sein. Nutzt der andere Vertragspartner die Verhandlungsunterlegenheit des anderen aus, um seine Interessen in auffälliger Weise einseitig durchzusetzen, so kann dies zur Nichtigkeit des Vertrages führen (vgl. BVerfG, 1 BVR 567/89, 1 BVR 1044/89).

Sittenwidrig ist insbesondere ein Bürgschaftsvertrag, den eine Bank mit einem nahen Angehörigen des Kreditnehmers bzw. einem Kredit Verpflichteten abschließt, wenn der Bürge bei Übernahme der Bürgschaft nicht einmal die zur Sicherung der Bürgschaft vergebene Zinslast aus dem pfändbaren Teil seines laufenden Einkommens oder seines Vermögens tragen kann und auch bei Eintritt des Sicherungsfalls voraussichtlich auf Dauer nicht in der Lage sein wird, die Verpflichtungen auch nur hinsichtlich des auf sie entfallenden Zinssatzes zu erfüllen. Hinzukommen muss in einem solchen Fall krasser finanzieller Überforderung, dass der Bürge die ruinöse Bürgschaft oder Mithaftung allein aus emotionaler Verbundenheit mit dem Hauptschuldner übernommen hat und der Kreditgeber dies in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat (vgl. hierzu BGH v. 25. Januar 2005, XI ZR 28/04; BGH v. 11. Februar 2003, XI ZR 214/01, jeweils m. w. N.).

Maßgeblich ist danach, ob die Klägerin sowohl bei Übernahme der Bürgschaft im Jahre 1995 als auch bei Übernahme der Bürgschaft im Jahre 2001 finanziell krass überfordert war und auch die Prognoseentscheidung zum Zeitpunkt der Bürgschaftsverpflichtung nicht ergab, dass bei Eintritt des Sicherungsfalls die Bürgin leistungsfähig sein werde. Lag bei Übernahme der Bürgschaft 1995 keine finanzielle krasse Überforderung vor, so kann die 2001 unterzeichnete Bürgschaft schon deshalb nicht als sittenwidrig angesehen werden, weil sie die vorherige Bürgschaft ablöste und in ihrem Verpflichtungsumfang beschränkte. War demgegenüber die Bürgschaft von 1995 unwirksam, so kommt es für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit allein auf die Bürgschaft 2001 an.

Die Kammer hat schon erhebliche Zweifel, ob die Klägerin bei Übernahme der Bürgschaft 1995 nicht in der Lage war, diese aus Einkommen und Vermögen auch nur teilweise zu bedienen. Insoweit weist die Beklagte zum einen zu Recht darauf hin, dass bei der Prüfung der Frage, ob die Klägerin aus ihrem pfändbaren Einkommen die Bürgschaftsverpflichtungen bedienen konnte, ein Pfändungsfreibetrag jedenfalls für den Ehemann nicht anzusetzen war, weil dieser zu diesem Zeitpunkt gegenüber der Klägerin nicht unterhaltsberechtigt war, die Klägerin dürfte auch gegenüber ihren minderjährigen Kindern angesichts der Tatsache, dass sie neben dem Familienhaushalt deren Betreuung übernommen hatte und ihr Ehemann daneben unterhaltspflichtig war, jedenfalls nicht in voller Höhe Pfändungsfreibeträge beanspruchen dürfen, wenn überhaupt ( vgl. im einzelnen Stöber, Forderungspfändung 14. Aufl. 2005 Rn 1060 a m. w. N. LG Nürnberg-Fürth v. 14.5.01 m.w.N.).
Darüber hinaus ist dem Vortrag der Klägerin auch nicht hinreichend zu entnehmen, dass sie über keinerlei Vermögen verfügte. Vielmehr hat sie nach ihrem eigenen Vortrag im Jahre 2000 zwei Lebensversicherungsverträge liquidiert, aus denen sich schon ein steuerpflichtiger Zinsertrag von mehr als 2.000,00 DM ergab. Ob sie aus den danach bestehenden Lebensversicherungsverträgen die Bürgschaft hätte teilweise decken können, ist daher nicht auszuschließen.

Die Kammer hat auch erhebliche Zweifel, ob die Klägerin bei Übernahme der Bürgschaft in 2001 finanziell krass überfordert war. Zugrunde zu legen ist insoweit das Einkommen aus dem Jahr 2000, das sich nach dem eigenen Vortrag der Klägerin mit 21.835,00 DM als steuerpflichtiges Einkommen gegenüber den Vorjahren kontinuierlich positiv entwickelt hatte und nach dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin zukünftig weiterhin der Beklagten gegenüber positiv dargestellt wurde.

Zudem scheint fraglich, ob die Klägerin tatsächlich in 2001 über kein Vermögen mehr verfügte, aus dem sie die Bürgschaft jedenfalls teilweise hätte bedienen können. Denn die Klägerin hatte nach ihrem eigenen Vortrag im Jahre 2000 50.000,00 DM aus der Veräußerung des gemeinsamen Grundstücks der Eheleute liquidiert.

Dem war jedoch nicht weiter nachzugehen. Denn jedenfalls die bei Eingehung der Bürgschaft 2001 anzustellende Prognose, ob die Klägerin bei Eintritt des Sicherungsfalls auf unüberschaubare Zeit nicht in der Lage sein würde, die sich aus der Bürgschaft ergebenen Verpflichtungen auch nur teilweise aus Einkommen und Vermögen zu erfüllen, ergibt, dass sie hierzu durchaus in der Lage sein werde. Nach ihrem eigenen Vortrag ist die Klägerin nunmehr als Lehrerin im Landesdienst vollschichtig im Angestelltenverhältnis beschäftigt und verdient monatlich mehr 3.000,000 Euro brutto zzgl. etwaigen weiteren Kindergelds und weiterer Kindergeldzuschläge für den Sohn.

Nach ihrem eigenen Vortrag ist sie auf Dauer zu vollschichtiger Tätigkeit in der Lage, da beide Kinder nicht mehr zu Hause untergebracht sind. Selbst wenn sie ihrem Ehemann unterhaltspflichtig wäre, was bisher nicht hinreichend dargetan ist, wäre sie aus dem pfändbaren Teil dieses Einkommens in der Lage, in absehbarer Zeit die Verpflichtungen aus der Bürgschaft jedenfalls hinsichtlich der Zinslast vollständig zu erfüllen, vielmehr daraus sogar einen Teil der Bürgschaftssumme zu tilgen. Hinzukommt, dass sie über eine Lebensversicherung mit einem derzeitigen Wert von knapp 5.000,00 Euro verfügt, die sie zur Tilgung der Bürgschaftssumme einsetzen könnte, mit der Folge, dass sich auch die Zinsverpflichtung weiter senken würde. Der Frage, ob die Klägerin aus den vorgenannten Gründen über weiteres Vermögen verfügt, war daher nicht nachzugehen.

Entgegen der Ansicht der Klägerin war die jetzige Entwicklung jedenfalls auch bei Eingehung der Bürgschaft 2001 bereits absehbar. Unter Würdigung aller Umstände des Falles ergibt sich nämlich, dass die jetzige Einkommenssituation der Klägerin sich als konsequente Entwicklung ihres bisherigen Lebens- und Berufsweges darstellt. Die Klägerin verfügt über eine abgeschlossene musikpädagogische Ausbildung und hat darüber hinaus eine abgeschlossene Ausbildung als Motopädagogin. Sie war in diesem Beruf zum Zeitpunkt der Eingehung der Bürgschaft 2001 bereits mehrere Jahre erfolgreich tätig, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt die Familie mit zwei minderjährigen Kindern im Haus zu versorgen hatte, folglich nicht vollschichtig arbeiten konnte. Gleichwohl hatte sie aus ihrer selbständigen Tätigkeit bereits ein sich steigerndes Einkommen von mehr als 28.000,00 DM erzielt.
Da die Kinder zu diesem Zeitpunkt bereits 12 und 17 Jahre alt waren, war zu erwarten, dass diese in absehbarer Zeit den Haushalt verlassen und die Klägerin damit in der Lage sein würde, mit vollschichtiger Arbeit ein wesentlich höheres Einkommen als 2001 zu erzielen, so wie es tatsächlich jetzt der Fall ist.

Demgegenüber war aus der maßgeblichen Sicht der finanzierenden Bank nicht abzusehen, dass die selbständige Tätigkeit der Klägerin dadurch bedroht sein könnte, dass die Krankenkassen die Übernahme von motopädagogischen Behandlungen, die die Klägerin seinerzeit durchgeführt hatte, nicht mehr gewährleistet würden. Nach Überzeugung der Kammer ist dieses zudem unerheblich. Vielmehr bewegt sich die berufliche und finanzielle Entwicklung der Klägerin, wie sie tatsächlich eingetreten ist, durchweg im Rahmen des zu Erwartenden. Unter Gesamtberücksichtigung des beruflichen und familiären Werdegangs der Klägerin stellt sich nach Überzeugung der Kammer vielmehr die jetzige Situation, die Beschäftigung als Pädagogin an einer allgemein bildenden Schule im Angestelltenverhältnis, als konsequente Fortentwicklung dar. Nach ihrem eigenen Vortrag hat die Klägerin nämlich zunächst nach einer pädagogischen Ausbildung in Musik und Rhythmik im Angestelltenverhältnis gearbeitet, sich dann fortgebildet zur Motopädagogin, nachdem sie im bisherigen Beruf kein Fortkommen sah. Sie hat sich dann, nachdem sie mehrere Jahre als Motopädagogin selbständig tätig war und auch in diesem Beruf kein Fortkommen mehr sah, weitergebildet zur Pädagogin an allgemein bildenden Schulen und dabei die sich bietende Gelegenheit ergriffen, an dem hierzu aufgelegten Programm der Landesregierung zur Behebung von Lehrermangel teilzunehmen und im Rahmen des Referendardienstes ein zweites Lehrfach hinzu zu erwerben. Sie war ersichtlich auch angesichts der zurückgehenden Belastung durch ihre Familie hierzu in der Lage.

Entgegen dem anfänglichem Vortrag der Klägerin war diese Entwicklung auch bei Beginn des Referendariats keineswegs ungewiss, insbesondere war nicht ungewiss, ob sie in den Landesdienst übernommen würde, denn das von der Landesregierung aufgelegte Programm, an dem die Klägerin teilgenommen hat, dient der Behebung des akuten Lehrermangels, mit dem Pädagogen gerade mit der Ausbildung der Klägerin Gelegenheit gegeben werden soll , kurzfristig in den Schuldienst übernommen zu werden, um den bestehenden Mangel zu beheben.

Nach Auffassung der Kammer wäre die Betrachtung der Klägerin, die Prognose allein auf den erlernten Beruf zu beschränken, zu eng und lebensfern. Vielmehr hat die Klägerin getan, was in Zeiten eines sich verändernden Arbeitsmarktes von jedem Arbeitnehmer und Arbeitslosem bei Androhung von Sanktionen erwartet wird, dass er sich basierend auf dem erlernten Beruf durch Weiterbildung neue Berufsfelder erschließt.

Nach Auffassung der Kammer ist auch unerheblich, dass die Klägerin nunmehr als angestellte Pädagogin und nicht mehr als selbständige Motopädagogin arbeitet. Letztlich kann selbst dies dahinstehen. Denn selbst wenn man abweichend von der Auffassung der Kammer zu Gunsten der Klägerin annähme, dass diese sowohl bei Eingehung der Bürgschaft als auch zum Zeitpunkt des Eintritts des Sicherungsfalls finanziell krass überfordert gewesen sein sollte - nämlich nicht in der Lage wäre, auf absehbare Zeit die Verpflichtungen zu tilgen - so reicht dies zur Nichtigkeit des Bürgschaftsvertrages nicht aus.

Vielmehr ist erforderlich, dass der nahe Angehörige darüber hinaus nicht allein aus emotionaler Verbundenheit und nicht aus freiem Willensentschluss bei Eingehung der Bürgschaft handelt, der Kreditgeber dies erkennt oder sich dieser Erkenntnis verschließt und sich dies in anstößiger Weise zu Nutze macht. Auch insoweit ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls anzustellen (vgl. hierzu BGHZ 146, 37, BGH NJW 2000, 1182, BGH, 27. Mai 2003, IX ZR 283/99 jeweils m. w. N.).

Bei der danach anzustellenden Gesamtbetrachtung ist zunächst festzustellen, dass die Klägerin es hinsichtlich der bestehenden emotionellen Bedrängnis an jeglichem hinreichenden Sachvortrag fehlen lässt. Vielmehr hat die Kammer aus der Lebensgeschichte der Klägerin und dem persönlichen Eindruck in der mündlichen Verhandlung nicht den Eindruck gewinnen können, dass die Klägerin dem typischen Fall eines Familienangehörigen, wie er der Entwicklung der Rechtsprechung zur sittenwidrigen Bürgschaft zugrunde liegt, entspricht, nämlich der eines Angehörigen, der ohne hinreichende Bildung, beruflich und lebensunerfahren in eine nicht überschaubare und nicht abschätzbare Situation gedrängt wird. ( vgl. etwa BGH v. 25.1.2005 XI ZR 28/04).

Vielmehr war die Klägerin bei Eingehung der Bürgschaft eine Frau mit erheblicher beruflicher, familiärer und Lebenserfahrung, zudem noch mehrjährig selbständig tätig und daher nicht geschäftsunerfahren. Sie war auch nicht in ihrem beruflichen Fortkommen und mit ihren Einkünften von der Firma ihres Ehemannes abhängig. Im Rahmen der Abwägung ist auch zu berücksichtigen, dass die Beklagte nach ihrem eigenen Vorbringen mit der Bürgschaft bezweckte, Verschiebungen zwischen den Ehegatten zu verhindern. Zwar vermag ein solcher Zweck grundsätzlich das Verlangen einer ruinösen Bürgschaft eines mittellosen Familienangehörigen nicht allein zu rechtfertigen. Im Rahmen der Gesamtabwägung kann es aber nach Auffassung der Kammer nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben, dass die Bank regelmäßig auch ein legitimes Interesse daran hat, Vermögensverschiebungen unter Ehegatten durch Verlangen einer Bürgschaft jedenfalls dann zu begegnen, wenn die konkrete Gefahr solcher Vermögensverschiebungen besteht. Zum einen sind Gläubiger gegen Vermögensverlagerungen zwischen Ehegatten durch das Anfechtungsrecht nicht in jedem Fall geschützt. Insbesondere ergeben sich dann, wenn beide Ehepartner selbständig tätig, bzw. Gewerbetreibende sind, Möglichkeiten zur Vermögensverschiebung, die dem Anfechtungsrecht entweder nicht unterfallen oder als solche nicht ohne weiteres aufzudecken sind. Vorliegend hat es nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin tatsächlich auch solche Vermögensverschiebungen gegeben. Nach ihrem Vortrag hat die Klägerin bei dem Erwerb des von den Ehegatten gemeinsam erworbenen Baugrundstücks den auf sie entfallenden Miteigentumsanteil nicht aus eigenen Mitteln, sondern aus Mitteln der Familie ihres Ehemannes erworben.
Bei Veräußerung des Grundstücks sind diese Mittel jedenfalls zum Teil nach ihrem Vortrag wieder dem Vermögen des Ehemannes zugeflossen. Gerade ein solches Hin- und Herschieben von Vermögenswerten erschwert jedoch den Gläubigern regelmäßig den Zugriff.

Nach Auffassung der Kammer ist im Rahmen der Abwägung zwar nicht als hinreichender Grund, aber nachrangig auch darin ein rechtfertigender Grund für das Verlangen einer Ehegattenbürgschaft zu sehen, wenn dem Ehegatten wirtschaftliche Vorteile nur mittelbar zufließen. So liegt es hier. Denn nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten sind der Familie über mehrere Jahre hin erhebliche wirtschaftliche Mittel aus dem Betrieb des Ehemannes zugeflossen, selbst im Jahr 2001, als es schon finanzielle Probleme der Fa. gab, hat er noch ein Bruttoeinkommen von mehr als 45000 € bezogen.

Letztlich vermag die Kammer unter Berücksichtigung aller vorgenannten Umstände es weder als missbilligenswert noch als verwerflich anzusehen, dass sich die Klägerin mit weniger als ¼ nicht etwa am Risiko der vom Ehemann gegründeten Gesellschaft, sondern an dessen persönlichem Bürgschaftsrisiko beteiligt hat, dass dieser zur Sicherung und Verbesserung des Familieneinkommens eingegangen ist. Eine solche Beteiligung kann vielmehr durchaus auch als Ausdruck vernünftiger ehelicher Solidarität verstanden werden.

Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 91, 709 ZPO.

RechtsgebietBGBVorschriften§ 138 BGB

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