Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

21.02.2007 · IWW-Abrufnummer 070595

Oberlandesgericht Karlsruhe: Urteil vom 16.03.2006 – 19 U 156/05

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Geschäftsnummer: 19 U 156/05
2 O 321/05 Landgericht Konstanz
Verkündet am 16. März 2006

Oberlandesgericht Karlsruhe

19. Zivilsenat in Freiburg

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit XXX
wegen Forderung

hat der 19. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 09. März 2006 unter Mitwirkung von XXX
für Recht erkannt:

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 23.11.2005 abgeändert.

2. Die Klage wird abgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten beider Rechtszüge zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger verlangt die Rückabwicklung eines Neuwagenkaufs.

Auf die tatsächlichen Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben.

Der Beklagte begründet seine Berufung mit Rechtsfehlern des erstinstanzlichen Urteils.
Die Rechtsprechung zum sog. ?Montagsauto? sei vorliegend nicht anwendbar. Im Unterschied zu diesen Fällen, bei denen die Nacherfüllung nicht zu einer dauerhaften Mangelfreiheit geführt und sich nach wiederholtem Auftreten einer Vielzahl von Einzelmängeln die Frage der Unzumutbarkeit weiterer Nacherfüllung gestellt habe, sei vorliegend dem Beklagten kein Nacherfüllungsrecht gewährt worden. Die Feststellung der Unzumutbarkeit der Nacherfüllung setze zumindest voraus, dass der Mangel dem Verkäufer angezeigt werde. Vorliegend habe sich der Kläger nur ein einziges Mal beim Beklagten zwecks Nacherfüllung gemeldet. Sämtliche weiteren Mängelrügen habe er nur gegenüber der Daimler-Chrysler Niederlassung erhoben. Der Beklagte, der zu Nacherfüllungsmaßnahmen in der Lage sei, habe keine Möglichkeit gehabt, die ordnungsgemäße Ausführung der auf Garantie durchgeführten Reparaturen zu überprüfen. Im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung sei das Fahrzeug mangelfrei gewesen. Gegen sämtliche später aufgetretenen Mängel erhebt der Beklagte die Einrede der am 14.7.2005 eingetretenen Verjährung.

Der Beklagte beantragt,
das Urteil vom 23.11.2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das Urteil des Landgerichts und trägt unter Bezugnahme auf seinen nach Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz eingegangenen Schriftsatz vom 07.11.2005 vor, er habe sich vielfach an den Betrieb des Beklagten gewandt und dort regelmäßig mit dem Vater des Beklagten gesprochen. Vom Betrieb des Beklagten sei er wiederholt an Fachwerkstätten verwiesen worden. Als kleiner Gebrauchtwagenhandelsbetrieb sei der Beklagte zu einer eigenen Reparatur gar nicht in der Lage. Durch die direkte Ansteuerung der Fachbetriebe des Herstellers habe er dem Beklagten Arbeit und Kosten erspart, da auch dieser das Fahrzeug zu Daimler-Chrysler hätte verbringen müssen.

Wegen der Einzelheiten des gegenseitigen Vorbringens wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet.

Der Kläger ist nicht gemäß §§ 434, 437 Nr. 2, 440, 323 BGB berechtigt, wegen vorhandener Sachmängel an dem vom Beklagten gekauften Neuwagen vom Kaufvertrag zurückzutreten.

Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kaufgegenstand bei Gefahrübergang mit Mängeln behaftet war und inwieweit die unter Inanspruchnahme der Herstellergarantie durchgeführten Reparaturen erfolgreich waren. Insbesondere bedarf es keiner Klärung, ob das gehäufte Auftreten von Ausfällen verschiedener Funktionen den Schluss zulässt, dass das Fahrzeug bereits bei Übergabe mit einem unabwägbaren Mängelpotential behaftet war, so dass trotz der durchgeführten Einzelreparaturen mit immer neuen Ausfällen gerechnet werden muss, es sich also um ein sog. ?Montagsauto? handelt, das insgesamt aufgrund seiner Reparaturanfälligkeit nicht die Beschaffenheit aufweist, die bei einem Fahrzeug dieser Art üblich ist und vom Käufer erwartet werden kann.

Die Rückabwicklung des Kaufvertrages kann der Kläger nämlich schon deswegen nicht verlangen, weil die besonderen Voraussetzungen für den Rücktritt nach §§ 440, 323 BGB nicht erfüllt sind.

Danach setzt der Rücktritt vom Vertrag grundsätzlich voraus, dass der Käufer dem Verkäufer erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat. Dies ist hier nicht geschehen. Der Kläger hat die Einzelreparaturen jeweils von einer Vertragswerkstatt des Herstellers auf Garantie beheben lassen, ohne den Beklagten zur Nachbesserung aufzufordern. Eine Frist wurde mit Schreiben vom 08.07.2005 nur zur Rücknahme des Fahrzeugs gegen Kaufpreiserstattung gesetzt, nicht aber zur Mängelbehebung bzw. Nachlieferung eines einwandfreien Fahrzeugs.

Die Voraussetzungen, unter denen eine Fristsetzung entbehrlich ist, sind nicht gegeben.

Weder liegen gemäß § 323 Abs. 2 BGB eine Erfüllungsverweigerung durch den Schuldner, ein Fixgeschäft oder besondere Umstände vor, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen einen sofortigen Rücktritt rechtfertigen - die drohende Verjährung der Gewährleistungsansprüche reicht dazu nicht aus -, noch hat der Beklagte gemäß § 440 S. 1 BGB beide Arten der Nacherfüllung gemäß § 439 Abs. 3 BGB verweigert. Aus dem Vorbringen des Klägers ergibt sich auch nicht, dass die ihm als Käufer zustehende Art der Nacherfüllung fehlgeschlagen oder ihm unzumutbar ist.

Die bisherigen Reparaturen, auch soweit sie nach dem Vorbringen des Klägers nicht zu einem dauerhaft einwandfreien Betrieb des Fahrzeugs geführt haben, sind dem Beklagten nicht als Nachbesserungsversuche zuzurechnen. Die Daimler-Chrysler Vertragswerkstatt, welche die Reparaturaufträge ausgeführt hat, ist weder Kaufvertragspartei noch wurde sie von dem Beklagten mit der Durchführung von Nacherfüllungsleistungen beauftragt. Lediglich bei der ersten Reparatur, der Befestigung eines nicht richtig montierten Luftschlauches, hat der Beklagte den Kläger an die nächstgelegene Vertragswerkstatt verwiesen. Dass der Kläger vom Betrieb des Beklagten ?wiederholt an die Fachwerkstätten verwiesen? worden sei, hat er in erster Instanz erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung in einem nicht nachgelassenen Schriftsatz vorgetragen, nachdem er mit Schriftsatz vom 26.09.2005 zugestanden hatte, dass er den Beklagten über die Durchführung von Reparaturen im Rahmen der Garantie nicht informiert habe. Sein bestrittenes Vorbringen blieb daher zu Recht nach § 296 a ZPO unberücksichtigt und ist gemäß § 531 Abs. 2 ZPO im Berufungsverfahren nicht mehr zuzulassen, da die Voraussetzungen für eine Zulassung verspäteten Vorbringens nach § 531 Abs. 2 Nr. 1 ? 3 ZPO nicht erfüllt sind.

Die Bestimmung einer angemessenen Frist zur Nacherfüllung war auch nicht - wie das Landgericht meint - auch ohne eigene fehlgeschlagene Nachbesserungsversuche des Beklagten deswegen entbehrlich, weil dem Kläger die ihm zustehende Art der Nacherfüllung unzumutbar gewesen wäre. Das Landgericht stützt seine Auffassung darauf, dass der Kläger sein Fahrzeug schon 11 mal wegen diverser teils gravierender teils weniger gravierender Defekte habe reparieren lassen müssen und außerdem noch eine Rückrufaktion stattgefunden habe. Dem Kläger sei deswegen im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung nicht zuzumuten gewesen, im Hinblick auf weitere zu erwartende Mängel zuzuwarten und sich mit der Hoffnung zu begnügen, das Herstellerwerk werde Nachbesserungen auf Kulanzbasis vornehmen.

Diese für den Kläger zweifelsohne missliche Situation begründet aber in Anbetracht der im System der Gewährleistungsrechte zu berücksichtigenden beiderseitigen Interessenlage keine Unzumutbarkeit. Grundsätzlich hat der Verkäufer mit der vorrangig vom Käufer in Anspruch zu nehmenden Nacherfüllung das Recht zur zweiten Andienung. Dieses Recht des Verkäufers hat nur dann zurückzutreten, wenn dem Käufer wegen der Art des Mangels oder anderer tatsächlicher Umstände die Nacherfüllung nicht zugemutet werden kann, z. B. weil sie als nicht erfolgversprechend oder von vornherein ungenügend erscheint oder weil sie im Hinblick auf den Verwendungszweck des Käufers nicht schnell genug durchgeführt werden kann, nicht aber, weil sich der Käufer ohne Aufforderung zur Nacherfüllung oder zumindest einer Mitteilung von den jeweiligen Mängeln an den Verkäufer durch ausschließliche Inanspruchnahme von Garantieleistungen bis kurz vor Ablauf der Gewährleistungsfrist der Gefahr ausgesetzt hat, die mangelhafte Sache behalten zu müssen. Der Kläger hatte zwar die freie Wahl, ob er den Beklagten auf Gewährleistung oder den Hersteller aus der Garantie in Anspruch nehmen wollte. Er kann jedoch, wenn die Garantieleistungen nicht zur Mangelfreiheit führen oder neue Mängel auftreten, den dadurch eingetretenen Vertrauensverlust in das Produkt nicht dem Verkäufer in gleicher Weise entgegenhalten, als habe dieser selbst die gescheiterten Nachbesserungsversuche unternommen bzw. von einem Dritten durchführen lassen. Es erscheint jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass der Beklagte - wäre er eingeschaltet worden - weiterreichende Maßnahmen zur Fehlerbeseitigung z.B. bei der Fahrzeugelektronik veranlasst hätte, um einen nachhaltigen Erfolg zu erreichen und einen Rücktritt des Klägers zu vermeiden. Dass die aufgetretenen Mängel so geartet sind, dass eine Behebung von vornherein ausgeschlossen erscheint, ergibt sich aus den Darlegungen des Klägers nicht. Dieser kann sich auch nicht darauf berufen, der Beklagte sei als Autohändler gar nicht in der Lage, die erforderlichen Reparaturen durchzuführen. Es ist grundsätzlich Sache des Verkäufers, wie er die Nachbesserung bewerkstelligt, insbesondere inwieweit er dazu Dritte einschaltet. Ob eine andere Beurteilung geboten wäre, wenn der Kläger jeweils vor den Garantiereparaturen die Mängel dem Beklagten angezeigt und ihm die Möglichkeit der Überprüfung gegeben hätte, kann dahingestellt bleiben, da insoweit kein substantiierter Vortrag erfolgt ist. Soweit der Kläger hierzu behauptet, er habe regelmäßig mit dem Vater des Beklagten gesprochen, ist sein Vorbringen in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 07.11.2005 nach Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz neuer Vortrag, der in der Berufungsinstanz nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen ist.

Den Darlegungen des Klägers lässt sich außerdem nicht entnehmen, dass ihm auch eine Nachlieferung, die grundsätzlich auch beim Stückkauf möglich ist, nicht möglich oder zumutbar wäre. Gemäß § 439 Abs. 1 BGB hat der Käufer die Wahl, ob er als Nacherfüllung die Beseitigung des Mangels oder die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangt. Ohne Aufforderung und Fristsetzung zur Nacherfüllung kann er ? sofern keine Verweigerung des Verkäufers erfolgt ist - nur dann vom Vertrag zurücktreten, wenn beide Arten der Nacherfüllung unzumutbar sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Ziff. 10, 711. ZPO. Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO bestehen nicht.

RechtsgebietKaufrechtVorschriften§§ 434, 437 Nr. 2, 323 BGB, §§ 449, 439 BGB

Sprechen Sie uns an!

Kundenservice
Max-Planck-Str. 7/9
97082 Würzburg
Tel. 0931 4170-472
kontakt@iww.de

Garantierte Erreichbarkeit

Montag - Donnerstag: 8 - 17 Uhr
Freitag: 8 - 16 Uhr