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30.01.2007 · IWW-Abrufnummer 070336

Verwaltungsgericht Darmstadt: Urteil vom 27.10.2006 – 5 E 787/05

1. Nach der derzeitigen verfahrensrechtlichen Ausgestaltung stellen die Leistungsmitteilungen der Postbeamtenkrankenkasse zugleich Beihilfefestsetzungsbescheide des Dienstherrn dar.



2. Die Auffassung des Bundesministeriums der Finanzen und der Bund-Länder-Kommission Beihilfe (BLK), wonach für zahnärztliche Behandlungen unter Anwendung der dentinadhäsiven Mehrschichttechnik generell nur ein Steigerungsfaktor von höchstens 1,5 als angemessen anzusehen sei, findet weder in der GOZ noch im Beihilferecht des Bundes eine Grundlage.


VG Darmstadt 5. Kammer

5 E 787/05 (3), 5 E 787/05

Urteil

Tenor

1. Im Umfang des für erledigt erklärten Teils der Klage wird das Verfahren eingestellt.

2. Im Übrigen wird die Beklagte verpflichtet,

a) unter entsprechender Aufhebung der Leistungsabrechnung vom 22.09.2004 in der Gestalt des Bescheids vom 04.11.2004 eine weitere Beihilfe von Höhe von 80 % auf 90,87 EUR zu gewähren,

b) unter entsprechender Aufhebung der Leistungsabrechnung vom 27.12.2004 in der Gestalt des Bescheides vom 25.01.2005 die Beklagte zu verpflichten, eine weitere Beihilfe von Höhe von 80 % auf 146,53 EUR zu gewähren.

2. Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht der Kläger Sicherheit in derselben Höhe leistet.


Tatbestand

Der Kläger ist Bundesbeamter und steht in den Diensten der Deutschen Telekom AG. Mit Liquidationen von 06.08.2004 und 01.12.2004 rechnete der Zahnarzt Dr. Dr. A. zahnärztliche Leistungen für den Sohn des Klägers, B., ab. Unter anderem brachte er in Anwendung der dentin-adhäsiven-Mehrschichttechnik für die Behandlung der Zähne 17, 36, 44, 45, 46 und 47 des Sohnes des Klägers analog den Gebührenziffern 215 bis 217 GOZ mehrere Beträge von zusammen 717,43 EUR in Ansatz. Die einzelnen Gebührenpositionen wurden mit dem 2,3-fachen Steigerungssatz, in einem Fall mit dem 2,0-fachen Steigerungssatz, bewertet.

Mit Leistungsabrechnungen vom 22.09.2004 und 27.12.2004 lehnte die von der Beklagten auch für die Beihilfeberechnung bevollmächtigte Postbeamtenkrankenkasse sowohl Kassenleistungen als auch Beihilfeleistungen ab. Sie vertrat die Auffassung, die vom Zahnarzt gewählte Behandlungsmethode sei nur nach den Nr. 205 bis 211 GOZ abrechnungsfähig. Insoweit erklärte die Postbeamtenkrankenkasse ihre Erstattungspflicht an und erstattete insgesamt Beträge in Höhe von 289,36 EUR.

Gegen beide Abrechnungsmitteilungen legte der Kläger mit Schreiben vom 09.10.2004 und 02.10.2005 Widerspruch ein. Mit insoweit im Wesentlichen gleich lautenden Schreiben vom 04.11.2004 und 25.01.2004, die mit einer Rechtsbehelfsbelehrung nicht versehen waren, wies die Postbeamtenkrankenkasse die Widersprüche der Sache nach zurück und verwies zur Erläuterung ihrer Haltung auf einen Erlass des Bundesgesundheitsministeriums aus dem Jahre 1996, nach dem die vom Zahnarzt gewählte Abrechnungsweise nicht zulässig sei.

Der Kläger hat am 27.04.2005 gegen beide Bescheide Klage erhoben und die Erstattung der noch offenen Differenz von 428,07 EUR verlangt. Er vertritt die Auffassung, die Kürzung seiner Aufwendungen sei zu Unrecht erfolgt. Der Zahnarzt sei berechtigt gewesen, die erbrachten Leistungen analog GOZ Nr. 215 bis 217 zu berechnen. Denn die dentin-adhäsive-Mehrschichttechnik sei erst nach In-Kraft-Treten der GOZ 1987 entwickelt worden, weshalb diese Leistungen vom Gebührenordnungsgeber noch nicht hätten berücksichtigt werden können. Die erbrachten Leistungen seien auch mit den Leistungen einer Inlayversorgung analog GOZ Nr. 215 bis 217 vom Sach- und Zeitaufwand vergleichbar.

Mit Beschluss vom 03.05.2005 hat das erkennende Gericht die Klage abgetrennt, soweit mit ihr Kassenleistungen der Postbeamtenkrankenkasse verfolgt werden. Im Umfang des abgetrennten Teils wurde die Klage an das örtlich zuständige Verwaltungsgericht Stuttgart verwiesen. Im Übrigen wurde die Klage, die zunächst vollumfänglich gegen die Postbeamtenkrankenkasse erhoben wurde, bezüglich des Beihilfeteils auf die jetzige Beklagte umgestellt.

In der mündlichen Verhandlung erklärte sich die Beklagte bereit, die Analog-Abrechnung aus den streitbefangenen Liquidationen grundsätzlich, jedoch nur bis zum 1,5-fachen Steigerungssatz anzuerkennen und den Kläger insoweit klaglos zu stellen. Beide Beteiligte erklärten den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für erledigt.

Hinsichtlich des weiter anhängigen Teils der Klage beantragt die Beklagte,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, aufgrund der geänderten Rechtsprechung der Zivilgerichte sei die vom Zahnarzt gewählte Analogabrechnung nicht mehr zu beanstanden. Nach Auffassung des Bundesministeriums der Finanzen, die mit der mehrheitlich vertretenen Auffassung in der Bund-Länder-Kommission Beihilfe (BLK) übereinstimme, sei jedoch ein Steigerungsfaktor von höchstens 1,5 als angemessen anzusehen. Dies ergäbe sich vor allem aus den Darlegungen in dem Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 24.11.2004, wonach der Zeitaufwand des Zahnarztes bei Inlays mit 1 bis 1,5 Stunden zu bemessen sei, der von Kompositfüllungen dagegen nur mit einer Stunde.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf die beigezogene Behördenakte der Beklagten verwiesen.


Entscheidungsgründe

I.

Im Umfang des für erledigt erklärten Teils der Klage ist das Verfahren einzustellen ( § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO analog).

Im Übrigen ist die Klage zulässig. Das Gericht hat mit dem Kläger keine Bedenken, in den Bescheiden vom 04.11.2004 und vom 25.01.2005 die für die Zulässigkeit einer Verpflichtungsklage grundsätzlich erforderlichen Widerspruchsbescheide (vgl. § 68 VwGO , § 126 Abs. 3 BRRG ) zu erblicken. Der Beklagten ist zuzugeben, dass weder die Leistungsabrechnung noch die auf die Widersprüche ergangenen Bescheide von der Beklagten stammen. Insofern muss die Beklagte aber gegen sich gelten lassen, dass sie die Beihilfegewährung im sog. ?vereinten? Verfahren der Postbeamtenkrankenkasse, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, übertragen hat und sich insoweit einer Bevollmächtigten zur eigenen Aufgabenerfüllung bedient. Diese Vorgehensweise ist, solange die Handlungsfähigkeit der vertretenen Behörde gewahrt bleibt und sie ? wie hier ? jederzeit in der Lage ist, das Verfahren wieder an sich zu ziehen, weder im Allgemeinen noch im Besonderen zu beanstanden. Vielmehr ist es in der Praxis nicht selten, dass sich Behörden zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben Dritter bedienen, wobei es für die Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses zwischen Behörde und Drittem unterschiedliche Modelle (Beliehener, Verwaltungshelfer) gibt.

Im vorliegenden Fall durfte der Kläger davon ausgehen, dass die Postbeamtenkrankenkasse berechtigt ist, auch die Beihilfe für den Dienstherrn festzusetzen und ggf. das Verwaltungsverfahren fortzuführen. Denn dies entspricht nicht nur einer jahrelangen Verwaltungspraxis bei Beamten, die bei der Postbeamtenkrankenkasse versichert sind. In beiden Leistungsmitteilungen heißt es zudem:

?Ihre Beihilfe ist im Auftrag des Dienstherrn festgesetzt worden. Einwendungen gegen die Festsetzung der Beihilfe haben sich gegen die Behörde oder das Unternehmen zu richten, bei dem Sie beschäftigt sind. Die Einwendungen sind bei der o. a. Bezirksstelle der Postbeamtenkrankenkasse einzulegen?.

Der Kläger konnte und musste bei verständiger Würdigung dieser Mitteilung davon ausgehen, dass es sich bei den Leistungsmitteilungen um den Ausgangsbescheid des Dienstherrn handelt, soweit darin Beihilfe festgesetzt wurde. Diese Bescheide sind bezüglich des Teils, der über die Beihilfe entscheidet, ohne weiteres dem Dienstherrn des Klägers zuzurechnen. Die auf seine Widersprüche erfolgten Zurückweisungen weiterer Anerkennungen stellten sich aus seiner Sicht als das rechtsverbindliche Ergebnis der innerbehördlichen Überprüfung ? zugleich für den Dienstherrn ? dar, auch wenn die Schreiben weder als ?Widerspruchsbescheid? bezeichnet wurden, noch eine Rechtsbehelfsbelehrung enthielten, auch nicht von einem Organ des Dienstherrn des Klägers stammten und auch keine Beschränkungen der Regelung auf die Kassenleistungen enthielten.

Gerade weil die Postbeamtenkrankenkasse von Anfang gegenüber dem Kläger in doppelter Funktion auftrat und auch verlangte, dass ein Widerspruch, soweit er sich gegen die Beihilfefestsetzung richtet, bei ihr ? und nicht beim Dienstherrn (!) ? einzulegen ist, hat sie ihm gegenüber den Rechtsschein geschaffen, ihre Erklärungen zugleich mit Wirkung für den Dienstherrn abzugeben, und auch berechtigt zu sein, das Widerspruchsverfahren für den Dienstherrn durchzuführen. Solange dieser Rechtsschein nicht beseitigt ist, hat sich der Dienstherr das Verhalten der Postbeamtenkrankenkasse zurechnen zu lassen. Es obliegt daher der Beklagten, durch geeignete organisatorische Maßnahmen, insbesondere durch klarstellende Hinweise, eine etwaig gewünschte anderweitige Verfahrensweise sicherzustellen. Zum Nachteil des Klägers gereicht diese Unklarheit in keinem Fall.

II.

Soweit über die Klage noch zu entscheiden ist, ist sie auch begründet. Gemäß § 5 Abs. 1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift für Beihilfen in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen (Beihilfevorschriften ? BhV) i. d. F. vom 01.11.2001 (GMBl. S. 918) sind Aufwendungen beihilfefähig, soweit sie dem Grunde nach notwendig und der Höhe nach angemessen sind und die Beihilfefähigkeit nicht ausdrücklich ausgeschlossen wurde. Zwischen den Beteiligten steht außer Streit, dass die Aufwendungen notwendig waren. Unstreitig ist auch, dass die BhV keinen Ausschluss der Aufwendungen von der Beihilfefähigkeit vorsehen und sich aus den BhV auch keine speziellen Beschränkungen ergeben. Streitig ist allein, ob die Aufwendungen der Höhe nach angemessen sind.

Diese Frage ist zu bejahen. Spätestens seit der grundlegenden, den Beteiligten bekannten Entscheidung des Landgerichts Frankfurt am Main vom 24.11.2004 ? 2-16 S 173/99 ? ist geklärt, dass die Versorgung eines Zahnes mit der dentin-adhäsiven Mehrschichttechnik in der gegenwärtig praktizierten Ausgestaltung erst nach In-Kraft-Treten der GOZ Mitte der 90er Jahre zur Praxisreife gelangte und vom Sach- und Zeitaufwand mit der einer Inlayversorgung eines Zahnes vergleichbar ist.

Ersteres wird von der Beklagten nicht mehr bestritten, sodass sich weitere Ausführungen hierzu erübrigen. Hinsichtlich des weiter anhängigen Streits zur Schwellenwertbegrenzung auf den nach Auffassung der Beklagten maximal zulässigen 1,5-fachen Wert führt das Landgericht Frankfurt am Main auf den Seiten 10 und 11 seiner Entscheidungsbegründung aus, dass sich Inlayversorgung und dentin-adhäsive Mehrschichttechnik vom Sach- und Zeitaufwand des Zahnarztes entsprechen:

?Eine mittels Dentin-Adhäsiv-Bonding-Mehrschicht-Technik gelegte Restauration ist eine nach Art-, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertige Leistung zu den in den Gebührenziffern 215-217 genannten Leistungen.

Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. A. ist eine mittels Dentin-Adhäsiv-Bonding-Mehrschicht-Technik gelegte Restauration aufgrund der Komplexität und des Aufwandes mit einem Inlay (Einlagefüllung) vergleichbar, das nach den Gebührenziffern 215-217 abgerechnet wird.

Derartige Inlays (z. B. aus Gold oder Keramik) werden üblicherweise laborgefertigt. Es wird also zunächst eine Abformung des präparierten Zahns vorgenommen, die im Labor von einem Zahntechniker mit Gips ausgegossen wird. Auf dem so entstandenen Gipsmodell wird dann vom Zahntechniker die Einlagefüllung hergestellt, die dann vom Zahnarzt i. d. R in einer zusätzlichen Behandlungssitzung eingegliedert wird. Bei neueren Methoden (z. B. DEREC -Verfahren) findet eine optische Abformung mittels einer Kamera statt. Die so gewonnenen Daten werden in einen Computer eingespeist, der dann die Herstellung der Einlagefüllung (aus Keramik) steuert. Da der Herstellungsprozess nur ca. 30-60 Minuten beansprucht, kommt hier eine Eingliederung noch in derselben Behandlungssitzung in Betracht. Für die Eingliederung metallischer Inlays wird ein Zement verwandt. Eine weitere Vorbehandlung der Zahnkavität ist nicht erforderlich. Bei Keramikinlays wird i. d. R. ein Kompositbefestigungsmaterial für den Klebeverbund verwendet, so dass auch hier die Kavität mit der Dentin-Schmelz-Adhäsiv-Technik vorbereitet wird.

Es gibt jedoch auch Einlagefüllungen, die nicht laborgefertigt sind. So werden z. B. Einlagefüllungen, die aus Komposit bestehen, im Mund des Patienten vom Zahnarzt schichtweise aufgebaut, modelliert und ausgehärtet. Das Komposit-Inlay wird anschließend aus der Kavität genommen, außerhalb des Patientenmundes weiter ausgearbeitet, poliert und vergütet. Meist in derselben Behandlungssitzung wird es dann beim Patienten unter Zuhilfenahme der Dentin-Adhäsiv-Technik eingegliedert.

Trotz der unterschiedlichen Arbeitsschritte und Vorarbeiten unterscheiden die Gebührenziffern 215-217 gleichwohl nicht zwischen laborgefertigten und nicht laborgefertigten Einlagefüllungen.

Die vorgenannten Restaurationen zeichnen sich damit wie die Dentin-Adhäsiv-Bonding-Mehrschicht-Technik dadurch aus, dass sie nicht lediglich (wie etwa bei einer Amalgamfüllung) eine einfache Herangehensweise, bei der es im Wesentlichen um das reine Einbringen eines Füllungsmaterials in die Kavität geht (?bloßes Stopfen eines Lochs?), sondern komplizierte, aufwändige Behandlungsschritte erfordern. Von der Anwendung her steht die Restauration mittels Dentin-Adhäsiv-Bonding-Mehrschicht-Technik damit einem Inlay näher als einer einfachen plastischen Füllung, zumal bei der Lebensdauer der verschiedenen Versorgungsarten keine signifikanten Unterschiede bestehen.

Auch vom Kostenaufwand ist die Restauration mittels Dentin-Adhäsiv-Bonding-Mehrschicht-Technik einem Inlay vergleichbar.

Eine Kapsel Amalgam kostet etwa 3,00 ?, die Kosten für die Zementunterfüllung bewegt sich im Cent-Bereich. Für die Anmischung des Amalgams wird nur ein spezielles Gerät benötigt.

Die Kosten für Komposit sind etwa doppelt so hoch wie beim Amalgam. Bei einer mittleren Kavität wird neben den Vorbehandlungssubstanzen ein Adhäsiv zum Preis von etwa 1,00 ? benötigt. Die benötigten Matrizen sind etwa viermal so teuer wie die beim Amalgam verwendeten. Ferner fallen zusätzliche Gerätekosten (Polymerisationslampen) sowie Kosten für spezielle Applikationsinstrumente und weitere Einmalartikel (Pinsel, Bürstchen ) an.

Die Materialkosten eines Blocks Keramik, aus dem das Inlay herausgefräst wird, betragen ca. 15,00 ?. Darüber hinaus werden zahntechnische und Laborleistungen gemäß §§ 4 Abs. 3 , 9 GOZ gesondert berechnet.

Auch vom Zeitaufwand ist die Restauration mittels Dentin-Adhäsiv-Bonding-Mehrschicht-Technik einem Inlay vergleichbar.

Bei Ausnutzung der maximalen Delegationsmöglichkeiten muss der Zahnarzt bei einem Inlay für die Präparation, die Abformung, das Provisorium und Eingliedern etwa eine bis eineinhalb Stunden aufwenden. Die Dentin-Adhäsiv-Bonding-Mehrschicht-Technik erlaubt keine Delegation auf qualifizierte Helferinnen und beansprucht etwa eine Stunde. Der zeitliche Aufwand des Zahnarztes für eine plastische Füllung beläuft sich demgegenüber auf 20 bis 40 Minuten.?

Die vorstehenden Ausführungen, die inhaltlich von den Beteiligten nicht angezweifelt werden, macht sich auch das erkennende Gericht zu Eigen. Anhaltspunkte dafür, dass die dentin-adhäsive Mehrschichttechnik eine generelle Beschränkung auf den 1,5-fachen Steigerungssatz rechtfertige, ergeben sich auf diesen Darlegungen nicht. Das Landgericht Frankfurt am Main weist vielmehr darauf hin, dass es auch bei einer Inlayversorgung verschiedene Ausführungen gibt, nach denen die GOZ trotz unterschiedlicher Arbeitsschritte und Vorarbeiten nicht differenziere. Demzufolge genügt es für die Zulässigkeit einer Analogbewertung, dass die dentin-adhäsive Mehrschichttechnik vom Sach- und Zeitaufwand im Wesentlichen der in der GOZ geregelten Leistungsbeschreibung entspricht. Das ist nach den Feststellungen des Landgerichts Frankfurt am Main, auf die Bezug genommen wird und die vom erkennenden Gericht geteilt werden, der Fall.

Der Einwand der Beklagten, sie sei an die entgegenstehende Weisung des Bundesministeriums der Finanzen gebunden, begründet kein Leistungsverweigerungsrecht der Beklagten. Aus den Feststellungen des Landgerichts Frankfurt ergibt sich ohne weiteres die Zulässigkeit einer analogen Abrechnung. Aus ihnen ergibt sich auch, dass der Zahnarzt wie bei einer Inlayversorgung einen Betrag bis zum 2,3-fachen Schwellenwert ? wie hier erfolgt ? ohne weitere Begründung ( § 10 Abs. 3 GOZ ) berechnen darf. Die dem Erlass zugrunde liegende Differenzierung, die sich allein auf einem geringeren Zeitaufwand des Zahnarztes gründet, reicht für eine generelle Beschränkung auf den 1,5-fachen Steigerungssatz nicht aus. Denn auch eine einstündige Inlayversorgung würde den 2,3-fachen Steigerungssatz rechtfertigen. Die Beklagte müsste vielmehr plausibel geltend machen, dass der vom Zahnarzt gewählte Steigerungssatz jenseits des zulässigen Beurteilungsspielraums liegt und aus dem Gesichtspunkt des billigen Ermessens ( § 315 Abs. 3 BGB ) schlechthin unvertretbar ist. Dafür sind ausreichende Anhaltspunkte nicht ersichtlich.

Soweit der Dienstherr dieser gebührenrechtlich zulässigen Auslegung der GOZ Beschränkungen des Beihilferechts entgegensetzen möchte, müsste er einen entsprechenden Ausschluss in den Beihilfevorschriften vorsehen. Da ein solcher fehlt, ist er zur Gewährung der Beihilfe in der beantragten Höhe verpflichtet.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass Beschränkungen der Beihilfefähigkeit bei unklaren, aber vertretbaren Auslegungen der Gebührenordnungen dem Beihilfeberechtigten vor der Behandlung zur Kenntnis zu bringen sind, damit dieser sich auf eine von ihm selbst zu tragende Kostenlast einstellen kann ( BVerwG, Urt. v. 30.05.1996 ? 2 C 10.05 ? NJW 1996, 3094 ). Die Regelungen des Erlasses des Bundesministeriums der Finanzen vom 23.06.2005 können somit ? wenn überhaupt ? nur Behandlungsfälle nach Erlassveröffentlichung betreffen. Das ist hier nicht Fall.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154 Abs. 1 , 161 Abs. 2 VwGO , wobei es billigem Ermessen entspricht, die Kosten des Verfahrens auch hinsichtlich des erledigten Teils der Klage der Beklagten aufzuerlegen, weil sie bei Fortführung des Verfahrens unterlegen wäre. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11 , 711 ZPO i. V. mit § 167 VwGO .

Beschluss

Der Streitwert wird endgültig auf 342,46 EUR festgesetzt.

Gründe

Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus §§ 52 Abs. 3 , 63 Abs. 2 GKG , wobei auf den erledigten Teil der Klage ein Betrag von 152,54 EUR entfällt.

RechtsgebieteBhV, GOZVorschriften§ 5 Abs 1 BhV, Nr 205 GOZ, Nr 206 GOZ, Nr 207 GOZ, Nr 208 GOZ, Nr 209 GOZ, Nr 210 GOZ, Nr 211 GOZ, Nr 215 GOZ, Nr 216 GOZ, Nr 217 GOZ

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