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09.11.2006 · IWW-Abrufnummer 062621

Landgericht Berlin: Urteil vom 21.06.2006 – 11 O 707/04

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Landgericht Berlin

11 O 707/04
verkündet am 21.6.2006

In dem Rechtsstreit XXX

hat die Zivilkammer 11 des Landgerichts Berlin in Berlin-Charlottenburg, auf die mündliche Verhandlung vom 15.5.2006 durch die Richterin XXX als Einzelrichterin für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 12.569,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.02.2005 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von den Darlehensverpflichtungen bei der. B.Aktiengeseilschaft zur Darlehensnummer XX sowie aus den Verpflichtungen gegenüber der X L. Lebensversicherung.. aus dem Versicherungsvertrag-Nr. XXX freizustellen.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin jeglichen weiteren Schaden zu ersetzen hat, der der Klägerin aus den Investitionen in den geschlossenen Immobilienfonds XXX KG R Fondsverwaltung GmbH & Co. zur Beteiligungs-Nr. XXX und in die Lebensversicherung bei der. XX Lebensversicherung XXX zur Versicherungs-Nr XXX entsteht.

4. Die Verurteilung zu 1. - 3. erfolgt Zug um Zug gegen Übertragung des Anteils am geschlossenen Immobilienfonds XXX KG R XXX Fondsverwaltung GmbH & Co. zur Beteiligungs-Nr. XXX und der Abtretung der Rechte aus der Lebensversicherung bei der A L.ebensversicherung zur Versicherungs-Nr. XXX von der Klägerin auf die Beklagte.

5. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

6. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 55.000,00 Euro vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin macht gegenüber der Beklagten Ansprüche aus fehlerhafter Anlageberatung geltend.

Die Klägerin kam in Kontakt mit einer Mitarbeiterin der Beklagten, Frau von XXX. Diese erstellte für die Klägerin nach einem ersten Beratungsgespräch am 11.02.1998 eine "persönliche VMS Wirtschaftsdiagnose", auf die inhaltlich Bezug genommen wird (Anlage K 2); in dieser ist auf Seite 7 das Einkommen der Klägerin im Detail aufgeführt, ebenso wie das zu versteuernde Einkommen und die jährliche Steuerbelastung, auf Seite 16 wird die Ausgabensituation anhand des monatlichen Nettoeinkommens erläutert, wobei sich ein monatlich frei zur Verfügung stehender Betrag in Höhe von 1.247,37 DM ergibt; die Ausgabensituation für ein Lebensalter mit 65 Jahren wird angesichts der voraussichtlichen Rentenbezüge mit einem monatlichen minus von 4.164,90 DM beziffert. Für diese persönliche Analyse zahlte die Klägerin 150,00 DM.

Es kam in der Folgezeit zu weiteren Beratungsgesprächen, deren Inhalt zwischen den Parteien im Einzelnen streitig ist. Am 05.06.1998 unterzeichnete die Klägerin ein Angebotsprotokoll (Anlage B 3) sowie einen' Auftrag zur treuhänderischen Beteiligung an der XXX KG R XXX Fondsverwaltung GmbH & Co. (Anlage K 3) über einen Beteiligungsbetrag zuzüglich Agio in Höhe von insgesamt 63.000,00 DM. Am 04.08.1998 schloss die Klägerin bei der XXXbank XXX bei München e.G. einen Darlehensvertrag über ein Darlehen in Höhe von 71.591,00 DM, dessen Rückzahlung nach Punkt 4.1 am 30.06.2003 in voller Höhe vereinbart wurde. Der Nettokreditbetrag in Höhe von 63.000,00 DM sollte auf einem Treuhänderkonto für die XXX - Fondsverwaltung GmbH & Co; gutgeschrieben werden. Unter Nr. 6 ist der Gesamtbetrag aller vom Darlehensnehmer zu leistenden Teilzahlungen einschließlich Tilgung, Zinsen und Kosten mit 100.040,57 DM prognostiziert. Gleichfalls am 04.08.1998 ZP 550schloss die Klägerin eine Lebensversicherung bei der XXX. ab (Anlage K 6). Der monatliche Beitrag wird mit zunächst 60,41 DM angegeben, die Versicherungssumme beträgt 41.381,40 DM und wurde in Höhe eines erstrangigen Teilbetrages von 45.000,00 DM mit allen Rechten an die XXX-Bank bei München e.G. abgetreten. Der Versicherungsvertrag läuft bis zum 31.08.2023.

Am 01.09.1998 erhielt die Klägerin eine Urkunde über ihren Grundbesitzanteil in Höhe von 60.000,00 DM an der XXX Fondsverwaltung GmbH & Co. (Nr. XXX, Anlage K 4.

Die XXX-Bank e.G. ging in der. Bank München Land e.G. auf, gemäß Schreiben vom 16.12.2004 (Anlage K 10) teilte diese der Klägerin mit, das Darlehen sei von der XXX-Aktiengesellschaft übernommen worden und werde dort zur Darlehenskontonummer XXX geführt.

Die Klägerin behauptet, von Frau von XXX als Anlageberaterin der Beklagten fehlerhaft beraten worden zu sein. Sie sei über die mit der Anlage in einem geschlossenen Immobilienfonds verbundenen Risiken nicht ausführlich informiert worden, Frau von XXX habe stets die Sicherheit der Fondsanlage betont. Zudem sei der Beklagten bekannt gewesen, dass sie, die Klägerin, nicht über einen finanziellen Spielraum verfügt habe, der es ihr gestattet hätte, sich das Risiko einer fremdfinanzierten, risikoreichen Kapitalanlage aufzubürden. Die kreditfinanzierte Anlage in einem geschlossenen Immobilienfonds, die ihr angeraten worden sei, sei angesichts ihrer persönlichen Situation vollkommen ungeeignet gewesen; sie sei zu diesem Zeitpunkt alleinstehend gewesen, und sie habe für einen minderjährigen Sohn zu sorgen, für den sie keine Unterhaltszahlungen erhalten habe; wegen ihrer finanziellen Situation im Einzelnen verweist sie auf den Einkommenssteuerbescheid für 1997( Anlage K1). Sie habe sich lediglich aufgrund der Angaben der Beklagten an dem fraglichen Fonds beteiligt.

Tatsächlich hätten die Versprechungen der Frau von XXX nicht der Realität entsprochen. Der Immobilienfonds habe zwar zunächst die prognostizierten Ausschüttungen von 525,00 DM pro Quartal geleistet, diese dann aber schon 2003 deutlich reduziert; sie selbst habe deshalb erhebliche monatliche Zuzahlungen zu leisten. Außerdem zeichne sich ab, dass die Ablaufleistung der Lebensversicherung nicht ausreichen werde, um das Darlehen zu tilgen - statt der versprochenen Wertsteigerungen habe die Fondspolice nämlich erheblich an Wert verloren.

Sie habe bis zum 31.03.2004 Beiträge in Höhe von 4.831,47 Euro für die Lebensversicherung ausgegeben, außerdem habe sie Zinszahlungen in Höhe von insgesamt 11.183,27 Euro geleistet. Zudem habe sie an die Beklagte eine Gebühr in Höhe von 2.847,24 DM = 1.455,77 Euro für die Vermittlung der Lebensversicherung entsprechend der Vereinbarung vom 25.6.1998 ( Anlage K 8) gezahlt. Diesen Aufwendungen in Höhe von insgesamt 17.470,51 Euro stehen Ausschüttungen der Fondsgesellschaft in Höhe von insgesamt 4.901,51 Euro gegenüber, ihr Schaden betrage daher 12.569,00 Euro.

Die Klägerin beantragt, mit der der Beklagten am 18.02.2005 zugestellten Klage,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 12.569,00 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, sie von den Darlehensverpflichtungen bei der XXX-Aktiengesellschaft zur Darlehens-Nr. XXX freizustellen sowie - nach Erweiterung des Klageantrages zu 2. im Termin vom 4. Juli 2005 insoweit - sie von den Verbindlichkeiten gegenüber der A-Lebensversicherung aus dem Versicherungsvertrag-Nr. XXX freizustellen,

4. die Verurteilung zu 1. - 3. Zug um Zug gegen Übertragung des Anteils am geschlossenen Immobilienfonds XXX-Fondsverwaltung GmbH & Co. zur Beteiligungs-Nr. XXX und der Abtretung der Rechte aus der Lebensversicherung bei der XXX Lebensversicherung zur Versicherungsschein-Nr. XXX . auszusprechen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, die Klägerin habe von Anfang an mögliche Steuervorteile im Rahmen einer Anlage nutzen wollen und Wert auf höhere Renditen als bei ihren bisherigen Anlagen gelegt. Sie habe mitgeteilt, dass sie eine Aufstockung ihrer Altersvorsorge für äußert wichtig erachte, weswegen Frau von XXX der Klägerin die Anlagemöglichkeit eines geschlossenen Immobilienfonds sowie diejenige einer fondsgebundenen Lebensversicherung vorgestellt habe, da beide Anlagenformen der Zielsetzung der Klägerin entsprochen hätten. In mehreren Unterredungen mit der Klägerin seien die beiden Anlageformen intensiv erörtert worden.

Frau von XXX habe sich zunächst bemüht, der Klägerin einen Versicherungsschutz gegen ,das Risiko des Todesfalls, der Berufsunfähigkeit oder eines Unfalls zu vermitteln, die Klägerin habe allerdings ausdrücklich erklärt, an diesen Grundabsicherungen nicht interessiert zu sein, sondern eine langfristig ausgerichtete Kapitalanlage mit Steuervorteilen und einer höheren Rendite unter Hinnahme der damit verbundenen Risiken zu wünschen. Erstmalig im Mai 1998 sei daraufhin die Beteiligung an der XXX-KG angesprochen worden, Frau von XXX habe der Klägerin das Angebot im Einzelnen vorgestellt und ihr den Verkaufsprospekt überlassen, sie habe auf alle mit der Beteiligung an einem Immobilienfonds verbundenen Risiken hingewiesen. Alternativ sei ein möglicher Immobilienerwerb erörtert worden, der von der Klägerin allerdings ausgeschlossen worden sei. Die Klägerin habe eine Beteiligung von 100.000,00 DM gewünscht; weswegen Frau von XXX noch einmal auf Seite 30 des Prospekts hingewiesen habe, dass sich nämlich nur solche Anleger beteiligen sollen, die das mögliche Verlustrisiko akzeptieren und dieses wegen ihrer individuellen Einkommens- und Vermögenssituation auch tragen können.

In der weiteren Besprechung am 05.06.1998 habe die Klägerin erklärt, sich zukünftig von einem konservativen Anlageverhalten lösen zu wollen und bereit zu sein, bei höherer Rendite auch nicht ausschließbare Risiken hinzunehmen. Dabei sei auf die im Zusammenhang mit der Finanzierung der Beteiligung durch Fremddarlehen bestehenden Risiken hingewiesen worden, u.a. darauf, dass der Anleger den Kapitaldienst auch dann zu leisten habe, wenn die Immobiliengesellschaft keine Ausschüttungen vornehme.
Auch der Abschluss einer fondsgebundenen Lebensversicherung, der zugleich einer Tilgungsaussetzung gedient habe, sei ausführlich besprochen worden. Die Tilgungsaussetzung habe zunächst zu einer geschäftlichen Entlastung der Klägerin geführt und dieser zugleich einen Todesfallschutz geboten, über die vorgesehene Laufzeit seien Überschüsse in der Lebensversicherung oberhalb der Zinsbelastung zu erwarten gewesen, die Klägerin habe ihre Steuervorteile über Disagio, Werbungskosten und Ähnliches optimieren können. Im Gespräch habe Frau von XXX der Klägerin auch das Risiko einer Anschlussfinanzierung erläutert und darauf hingewiesen, dass sich die Zinskonditionen zum Zeitpunkt der Anschlussfinanzierung verschlechtert haben könnten. Ein Gleichlauf der Laufzeit des Darlehens, der Beteiligung und der Lebensversicherung sei nie Gegenstand der Erwartung der Klägerin gewesen.

Die Beklagte ist der Ansicht, die Klage sei nicht schlüssig, da die Klägerin ihre Steuervorteile nicht darlege, obwohl diese schadensmindernd zu berücksichtigen seien; sie könne die steuerlichen Vorteile, die die Klägerin insgesamt erlangt habe, nicht quantifizieren, da sich diese wesentlich von der weiteren Entwicklung der Einkommenssituation der Klägerin, von deren Werbungskosten und sonstigen steuermindernden Besonderheiten abhängen. Diese Umstände seien ihr unbekannt.
Tatsächlich sei davon auszugehen, dass die Klägerin, der im Zeitraum von 1998 bis 2003 steuerliche Verlustzuweisungen aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 25.174,60 Euro erteilt worden seien, Steuerersparnisse in Höhe von 7.552,38 Euro - ausgehend von einem Durchschnittssteuersatz von 30 % . erzielt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig. Für den Klageantrag zu 3. besteht ein Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO, die Schadensentwicklung war zum Zeitpunkt der Klageerhebung nicht in vollem Umfang absehbar abgeschlossen.

Die Klage ist auch in vollem Umfang begründet, denn die Beklagte schuldet der Klägerin Schadensersatz aufgrund einer positiven Forderungsverletzung des Anlageberatungsvertrages (§ 675 BGB i.V.m. § 278 Satz 1 BGB).

Auf das Schuldverhältnis der Parteien ist das BGB in der vor dem 01.01.2002 geltenden Fassung anzuwenden, § 5 S. 1 Art. 229 EGBGB.

Zwischen den Parteien ist vorliegend ein Beratungsvertrag zustande gekommen, wobei seitens der Beklagten deren Mitarbeiterin Frau von XXX als Erfüllungsgehilfe i.S. des § 278 Satz 1 BGB gehandelt hat.

Ein Vertrag mit einem Anlageberater kommt in den meisten Fällen formlos durch konkludentes Verhalten dadurch zustande, dass der Anlageberater ein Angebot des Anlageinteressenten, über eine Geldanlage beraten zu werden, durch Aufnahme eines Beratungsgespräches annimmt. Unstreitig kam es, nachdem Frau von XXX am 11.02.1998 eine persönliche Analyse für die Klägerin als Grundlage für eine Beratung erstellt hatte, für die die Klägerin gesondert gezahlt hatte, in der Folgezeit zu mehreren Gesprächen zwischen der Klägerin und Frau von XXX für die Beklagte, in denen die Klägerin über verschiedene Geldanlagemöglichkeiten beraten wurde; so trägt die Beklagte vor, der Klägerin sei z. B. sowohl über die Anlagemöglichkeit eines geschlossenen Immobilienfonds als auch über diejenige einer fondsgebundenen Lebensversicherung intensiv informiert worden.
Das Gericht geht auch davon aus, dass Frau von XXX vorliegend nicht nur als Anlagevermittlerin, sondern als Anlageberaterin für die Klägerin tätig wurde. Ein Kapitalanleger wird im allgemeinen dann einen Anlageberater hinzuziehen, wenn er selbst keine ausreichenden wirtschaftlichen Kenntnisse und keinen genügenden Überblick über wirtschaftliche Zusammenhänge hat. Er erwartet nicht nur die Mitteilung von Tatsachen, sondern insbesondere eine fachkundige Bewertung und Beurteilung dieser Tatsachen - erwünscht eine auf seine persönlichen Bedürfnisse zugeschnittene Beratung und zahlt dafür häufig auch ein gesondertes Honorar unmittelbar an den Berater. Der Alilagevermittler übernimmt demgegenüber, für einen Anlageinteressenten erkennbar, nur den Vertrieb für eine bestimmte Kapitalanlage. An ihn wendet sich der Anlageinteressent in der Regel mit dem Bewusstsein, dass der werbende und anpreisende Charakter der Aussagen bezüglich der konkreten Anlageform wegen der zugunsten des Anlagevermittlers bestehenden Provisionsabrede im Vordergrund steht (vgl. dazu Kammergericht in KG R Berlin 2002, S. 307 ff. unter 1.a». Vorliegend stellte Frau von XXX der Klägerin diverse Anlagemöglichkeiten vor. Es ging also nicht von Anfang an um den Vertrieb einer bestimmten Kapitalanlage. Die Klägerin konnte - nach Erstellung der persönlichen Wirtschaftsprognose - davon ausgehen, dass Frau von XXX diese auswertet und die gewonnenen Erkenntnisse zur Grundlage der Anlageberatung macht, also eine ganz auf die persönlichen Verhältnisse der Klägerin zugeschnittene Anlageberatung vornimmt; diese Erwartung der Klägerin wird ganz konkret durch Seite 3 der persönlichen Wirtschaftsprognose geweckt. Für Frau von Oe- war im Rahmen der Beratung klar, dass die Beratung für die Klägerin die Entscheidung für eine bestimmte Anlageform vorbereiten sollte. Allein die Tatsache, dass die Anlageberatung kostenfrei erfolgte, ist nicht aussagekräftig und spricht nicht gegen die Annahme eines Beratungsvertrages.

Zwar hat die Klägerin für die Vermittlung der Lebensversicherung eine Vermittlungsprovision gezahlt; diese Tatsache lässt aber den Rückschluss, es handele sich deshalb um einen Anlagevermittlungsvertrag, nicht zu; denn die Vermittlungsprovision wurde erst am 25.6.1998 und damit nach Abschluss der Beratungsgespräche geschlossen.

Die Beklagte hat ihre Pflichten aus dem Anlagevertrag verletzt.
Die Beklagte hatte bei der Anlageberatung den Wissenstand der Klägerin über Anlagegeschäfte der vorgesehenen Art und deren Risikobereitschaft zu berücksichtigen (anlegergerechte Beratung), die von ihr empfohlene Anlage musste den Kriterien Rechnung tragen (objektgerechte Beratung); die Ausgestaltung der Beratungspflichten hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab (vgl. dazu BGH in BGH Z 123, S. 126 ff.). Frau von XXX musste über alle Risiken, die für die Anlageentscheidung der Klägerin von Bedeutung waren, richtig und vollständig informieren.

Die Beratungspflicht hat Frau von XXX verletzt, weil sie, auch wenn man den Inhalt des Beratungsgespräches, wie es die Beklagte wiedergibt, zugrunde legt, der Klägerin nicht deutlich genug vor Augen geführt hat, welche Folgen die Kreditfinanzierung der Anlage über die fondsgebundene Lebensversicherung hat und dass sich die Anlageziele laut Angebotsprotokoll, nämlich langfristiger Wertzuwachs und Altersvorsorge, so - je nach zukünftiger Entwicklung - nicht erreichen lassen, sondern im Gegenteil im Alter eine zusätzliche Belastung durch die Kosten für die Finanzierung der Anlage drohen (vgl. zu den Pflichten bei einer ungeeigneten Anlage OLG Celle in VersR 2003, 61 f.).

Ausgangspunkt dieser Pflichten ist dabei die unstreitige Tatsache, dass es der Klägerin in erster Linie darum ging, ihre Alterversorgung abzusichern und langfristig einen Wertzuwachs zu erreichen. Verständlich ist dies vor dem Hintergrund der auf Seite 16 der persönlichen Wirtschaftsdiagnose aufgeführten Ausgabensituation für da;; Lebensalter der Klägerin mit 65 Jahren, denn dort ergibt sich ein monatlich die Rentenbezüge über steigender Minusbetrag in Höhe von 4.164,90 DM, was auch verdeutlicht, dass die Sicherheit der Altersversorgung bei der Beratung eine große Rolle spielen musste.

Die tatsächliche Ausgestaltung der Kapitalanlage, wie sie von der Klägerin auf Anraten der Frau von XXX abgeschlossen wurde, ist angesichts der konkreten Situation der Klägerin als besonders ungünstig zu bezeichnen - das musste Frau von XXX der Klägerin verdeutlichen. Angesichts der von ihr selbst ermittelten, hohen monatlichen Versorgungslücke im Alter von über 4.000,00 DM war es geboten, der Klägerin eine Anlage anzuraten, die dieses Versorgungsdefizit nach Möglichkeit auffangen kann. Dabei kann dahinstehen, ob die Beteiligung an einem Immobilienfonds insoweit wegen des Verlustrisikos überhaupt als richtige Beratung gewertet werden kann. Jedenfalls ist nicht ersichtlich, dass Frau von XXX der Klägerin die Folgen, die durch die Kreditfinanzierung in Verbindung mit der fondsgebundenen Lebensversicherung zusätzlich entstehen, ausreichend erläutert hat. Durch die Kreditfinanzierung muss die Klägerin für die Fondsbeteiligung in Höhe von nur 60.000,00 DM insgesamt einen Betrag von 100.040,57 DM aufwenden, als Sicherheiten für den Kreditvertrag hat sie unter Nr. 7 in erster Linie ihren Fondsanteil und in zweiter Linie ihre Lebensversicherung abtreten müssen. Für den Darlehensvertrag waren monatlich keine Tilgungen zu erbringen, allerdings war das Darlehen am 30.06.2003 in voller Höhe zurück zu zahlen. Diese Rückzahlung hätte sich die Klägerin gerade unter Berücksichtigung der für die Rückzahlung abgeschlossenen Lebensversicherung unter keinen Umständen zu diesen Umständen aus dem Versicherungsbetrag leisten können. Das behauptet auch die Beklagte nicht, die insoweit als Beratung aufführt, die Klägerin darüber belehrt zu haben, dass die Verlängerung des Darlehensvertrages möglicherweise zu einem anderen, ungünstigeren Zinssatz erfolge. Tatsächlich besteht aber zumindest das theoretische Risiko, dass es überhaupt nicht zu einer Verlängerung des Darlehensvertrages kommt, insbesondere dann nicht, wenn man sich über die Konditionen für die Verlängerung des Darlehensvertrages nicht einigen kann. In diesem Fall hätte die Klägerin zum 30.06.2003 den Darlehensbetrag in voller Höhe zurückzahlen müssen, obwohl ihr bei der Lebensversicherung erst eine Police mit geringem Rückkaufwert zur Verfügung gestanden hätte. Die Lebensversicherung war nämlich erst viele Jahre später zur Auszahlung fällig, erst zu diesem Zeitpunkt hätte der auszuzahlende Betrag für die Rückzahlung des Darlehens zur Verfügung gestanden. Zudem ist unklar, ob die Beklagte die Klägerin ausreichend über die Folgen einer unterdurchschnittlichen Entwicklung der fondsgebundenen Lebensversicherung belehrt hat. Hier war es notwendig, der Klägerin klar vor Augen zu führen, dass möglicherweise die Ablaufleistung der Lebensversicherung nicht ausreichen würde, um den Darlehensbetrag zu tilgen - mit der Folge, dass die Klägerin Teile des als Alterssicherung geplanten Betrages zur Rückzahlung des Darlehens verwenden müsste. Demgegenüber war die Absicherung des Todesfallrisikos, den die Beklagte als Vorteil aufführt, für die Klägerin kein Argument; denn die Klägerin hatte der Beklagten ja in dem Beratungen zuvor, als es gerade um die Absicherung dieses Risikos ging und die Beklagte der Klägerin eine solche Absicherung vermitteln wollte, klar gemacht, dass sie an einem Todesfallschutz kein besonderes Interesse habe.

Das Verschulden der Beklagten wird gemäß § 282 BGB vermutet.

Der Beratungsfehler der Beklagten ist für den Schaden der Klägerin ursächlich geworden.
Im Rahmen von Anlageberatungsverträgen gilt die Vermutung beratungsgerechten Verhaltens, d. h. es wird vermutet, dass der Anleger sich im Fall zutreffender Beratung in deren Sinn entschieden hätte. Hätte die Beklagte zutreffend darüber belehrt, dass bei einer Kreditfinanzierung der beabsichtigten Immobilienfondsanlage in Verbindung mit dem Abschluss einer fondsgebundenen Lebensversicherung das Risiko besteht, das Darlehen entweder bei Fehlgehen einer Anschlussfinanzierung gar nicht oder bei unterdurchschnittlicher Entwicklung der Lebensversicherung nur teilweise aus der Versicherung zurückzahlen zu können, hätte sich die Klägerin in Anbetracht ihrer Anlageziele nicht für diese Form der Kapitalanlage entschieden; sie hätte den Anteil am Immobilienfonds nicht in dieser Art und Weise finanzieren können.

Die Klägerin ist durch den Erwerb der Beteiligung geschädigt. Der ersatzfähige Schaden liegt vorliegend darin, dass weder die Gewinnausschüttungen des Immobilienfonds noch die Wertentwicklung der Lebensversicherung vorhersehbar sind und deshalb unklar ist, ob die Klägerin ihre Anlage auf Dauer überhaupt finanzieren kann, im Falle ausreichender Beratung hätte sie von einer solchen Anlage Abstand genommen.
Demgemäß muss die Beklagte die Klägerin im Rahmen des Schadensersatzes so stellen, als hätte die Klägerin diese Anlageform nicht gewählt.

Die Klägerin kann demnach von der Beklagten zunächst das ersetzt erhalten, was sie an Zahlungen für die Anlage bisher geleistet hat. Die insoweit von der Klägerin im Einzelnen behaupteten Aufwendungen, d. h. die Zahlungen an die Lebensversicherung, die Zinszahlung und die Vermittlungsgebühr, hat die Beklagte nach § 138 Abs. 3 ZPO zugestanden. Von diesem Betrag sind diejenigen Vorteile abzuziehen, die der Klägerin aufgrund der Anlage zugeflossen, d.h. die Ausschüttungen der Fondsgesellschaft in Höhe von insgesamt 4.901,51 Euro. Damit verbleibt ein Schadensbetrag in Höhe von 12.569,00 Euro.

Steuervorteile sind demgegenüber nicht anzurechnen, denn die Beklagte hat entsprechende Vorteile nicht substantiiert behauptet.

Grundsätzlich ist die Beklagte für Steuervorteile darlegungs- und beweisbelastet, d.h. sie muss zu den Steuervorteilen das vortragen. was in ihren Möglichkeiten steht - Details zu den steuerlichen Auswirkungen einer Anlage bei der Klägerin in den einzelnen Veranlagungsjahren kann sie naturgemäß nicht vortragen, weil sie sie nicht kennt und sich die Kenntnis auch nicht verschaffen kann, insoweit liegt dann vielmehr eine sekundäre Mitwirkungspflicht bei der Klägerin.

Der Beklagten war es aber zuzumuten, aufgrund der detaillierten Kenntnisse zur Einkommenssituation der Klägerin, wie sie sich aus der persönlichen Wirtschaftsdiagnose ergeben, in Verbindung mit der als Anlage K 1 eingereichten Einkommenssteuererklärung für 1997 konkrete Steuervorteile zu behaupten. Tatsächlich hat die Beklagte jedoch lediglich mit einer abstakten Berechnung argumentiert, die z.B. den tatsächlichen Steuersatz der Klägerin für 1997 außer Acht lässt. Die konkrete Einkommenssituation der Klägerin für 1997 war so genau offen gelegt, dass die Beklagte ausgehend von dieser Situation die tatsächlichen Steuervorteile hätte vortragen können. Nachdem die Beklagte sich mit der konkreten Einkommenssituation nicht auseinandergesetzt hat, war die Klägerin auch nicht gehalten, diesen Vortrag durch Vorlage weiterer Bescheide über die Einkommenssteuer zu ergänzen.

Des Weiteren hat die Beklagte die Klägerin von den nur in Bezug auf die Anlage übernommenen Verpflichtungen aus dem Darlehensvertrag und der Lebensversicherung freizustellen - mit der Folge, dass die Klägerin der Beklagten auch die Rechte aus der Versicherung und den Immobilienanteil abtreten muss, denn die Klägerin soll ja so stehen, als hätte sie diese Anlageform nicht gewählt.

Der Beklagte war im Anschluss an die Verhandlung vom 15.5.2006 kein weiterer Hinweis zu erteilen, auch wenn in dieser Verhandlung vom Gericht erläutert wurde, warum es den bisherigen Vortrag zum Beratungsgespräch nicht für ausreichend erachtet, um eine ordnungsgemäße Beratung zu belegen; denn bereits im Verhandlungsprotokoll vom 4.7.2005 ist der Hinweis enthalten, dass der Vortrag der Beklagten bezüglich der Erfüllung ihrer Pflicht zur anlegergerechten und anlagegerechten Beratung unsubstantiiert sein dürfte, die Beklagte war durch diesen Hinweis aufgefordert, das Beratungsgespräch in allen Einzelheiten darzustellen, um die Erfüllung ihrer Pflichten vorzutragen.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 BGB.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.

RechtsgebieteZPO, BGBVorschriften§ 256 I ZPO, § 675 i.V.m. § 278 S. 1 BGB

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