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02.11.2006 · IWW-Abrufnummer 063138

Oberlandesgericht Celle: Urteil vom 28.09.2006 – 14 U 201/05

1. Gegen die Vereinbarung einer festen Kostenobergrenze in einem Architektenvertrag spricht, dass der Auftraggeber einer nachfolgenden höheren Kostenschätzung nicht entgegentritt, sondern diese akzeptiert.



2. Aus den Angaben im Bauantrag zu den voraussichtlichen Baukosten ist nicht herzuleiten, dass die Parteien eines Architektenvertrages eine Kostenobergrenze vereinbart haben.



3. Das Fehlen der Kostenberechnung gemäß DIN 276 führt zu einer Honorarminderung von 1,5%.


Oberlandesgericht Celle

Im Namen des Volkes

Urteil

14 U 201/05
Verkündet am 28. September 2006

In dem Rechtsstreit XXX

hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche
Verhandlung vom 2. Mai 2006 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters
am Oberlandesgericht Zepp und der Richter am Oberlandesgericht Dr. Franzki und Dr. Wessel für Recht erkannt:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 3. August 2005 verkündete Urteil des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass sich der vom Landgericht ausgeurteilte Zahlungsbetrag auf 35.207,07 ? (nebst Zinsen in der erstinstanzlich ausgeurteilten Höhe) ermäßigt.

In Höhe weiterer 518,41 ? (nebst Zinsen) wird die Klage daher abgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

G r ü n d e :

I.

Der Kläger ist Architekt und nimmt den Beklagten auf Zahlung von Architektenhonorar im Zusammenhang mit der im Jahre 2003 erfolgten Planung von dessen Einfamilienhaus-Neubau in E., P.- weg 11, in Anspruch. Das Landgericht hat der Klage nach sachverständiger Aufklärung im Wesentlichen stattgegeben und den Beklagten verurteilt, an den Kläger 35.725,48 ? (nebst Zinsen) zu zahlen.

Gegen dieses Urteil, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird, wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung, mit der er sein Verteidigungsziel einer vollständigen Abweisung der Klage weiterverfolgt. Unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens macht er insbesondere geltend, dass die Leistungsphasen 4 bis 8 nicht nach dem Kostenanschlag vom 16. Juni 2003 über 565.663 ? berechnet werden dürften. Als Bezugsgröße müssten vielmehr die Baukosten in Höhe von 350.000 ? herangezogen werden, die die Parteien in dem schriftlichen Architektenvertrag vom 8. April 2003 vereinbart hätten. Eine Vergütung für nicht erbrachte Leistungen stehe dem Kläger nicht zu, weil es der Kläger gewesen sei, der den Architektenvertrag gekündigt habe, weil er den vereinbarten Bezugstermin zum Weihnachtsfest 2003 nicht schriftlich habe bestätigen wollen. Schließlich behauptet der Beklagte, dass der Kläger die Ausführungsplanung nur mangelhaft erbracht habe. Infolgedessen seien ihm - dem Beklagten - Mehrkosten in Höhe von 91.993,12 ? entstanden. Mit einem darauf gestützten Schadensersatzanspruch rechnet der Beklagte gegenüber der Klageforderung (weiterhin) auf.

Der Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage in vollem Umfang
abzuweisen,

hilfsweise, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das
Gericht erster Instanz zurückzuverweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung des Beklagten hat nur in geringem Umfang, d. h. in Höhe von 518,41 ?, Erfolg.

1. Das Landgericht hat das Honorar für die Leistungsphasen 5 bis 7 des § 15 HOAI zutreffend nach dem Kostenanschlag des Klägers vom 16. Juni 2003 (Anlage K 5) berechnet, aus dem sich Gesamtbaukosten in Höhe von 565.663 ? ergeben. Demgegenüber vermag der Beklagte die Vereinbarung einer festen Bausumme, die der Kläger bei seiner Planung nicht überschreiten durfte, nicht zu beweisen. Zwar ist in § 4 des zwischen den Parteien geschlossenen Architektenvertrages vom 4. März/8. April 2003 (Anlage K 1) von veranschlagten Baukosten in Höhe von 350.000 ? die Rede. Wie sich bereits aus der Formulierung "Die angenommenen ... Kosten ... werden ... veranschlagt (mit) ... 350.000 ?" ergibt, handelt es sich bei dem genannten Betrag aber keineswegs um eine vereinbarte Bausummenobergrenze, deren Einhaltung der Kläger gewissermaßen garantierte. Dass höhere Baukosten durchaus in Betracht kamen, ergibt sich auch aus dem nachfolgenden Satz des schriftlichen Architektenvertrages. Zwar bezieht sich dieser seinem Wortlaut nach nur auf eine Änderung des Umfangs vorhandener Bausubstanz, die hier nicht in Betracht kam, weil ein Neubau zu errichten war. Da jedoch davon auszugehen ist, dass dem Beklagten als Laien § 10 Abs. 3 a HOAI bei Vertragsabschluss nicht bekannt war, musste diese Formulierung in dem Vertrag für ihn durchaus als ein Hinweis auf möglicherweise höhere Baukosten verstanden werden.

Außerdem lag dem Beklagten zum Zeitpunkt des Abschlusses des schriftlichen Architektenvertrages vom 8. April 2003 schon die Kostenschätzung vom 11. Februar 2003 (Anlage K 20; Bl. 102) vor, aus der sich bereits voraussichtliche Baukosten in Höhe von insgesamt 475.902,94 ? ergaben. Da es zwischen dieser Kostenschätzung und dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zu keinen (insbesondere kostensenkenden) Planungsänderungen gekommen war, war dem Beklagten bei der von ihm am 8. April 2003 vorgenommenen Unterzeichnung des schriftlichen Architektenvertrages durchaus bekannt, dass die darin enthaltene Angabe der Baukostensumme von 350.000 ? nicht zutreffen konnte. Jedenfalls konnte er diesen Betrag angesichts der vorausgegangenen Kostenschätzung vom 11. Februar 2003 nicht als vom Kläger garantierte Baukostenobergrenze verstehen. Dass der Beklagte dies auch tatsächlich nicht getan hat, ergibt sich aus dem Umstand, dass er der nachfolgenden Kostenschätzung des Klägers vom 24. April 2003 (Anlage K 21; Bl. 109) über voraussichtliche Baukosten in Höhe von nunmehr bereits insgesamt 568.818,20 ? nicht sofort entgegengetreten ist, sondern den neuen Entwurf und die damit verbundenen höheren Baukosten ausweislich eines vom Kläger gefertigten Besprechungsvermerks vom 25. April 2003 (Anlage K 22; Bl. 106) ausdrücklich gutgeheißen hat. Hätten die Parteien tatsächlich eine Bausummenobergrenze von 350.000 ? vereinbart, so wäre jedenfalls bei der Vorlage der Kostenschätzung vom 24. April 2003 ein sofortiger und deutlicher Widerspruch des Beklagten gegen die nunmehr angegebenen Kosten zu erwarten gewesen. Auch das Anwaltsschreiben des Beklagten vom 25. Juli 2003 (Anlage K 2) bezieht sich nur auf den angeblich vereinbarten Fertigstellungstermin, ohne - zumindest gleichzeitig - eine Bausummenüberschreitung zu rügen.

Aus der Tatsache, dass der Kläger den vom Beklagten unterzeichneten Bauantrag vom 9. Mai 2003 (Anlage K 6 c), in dem die voraussichtlichen Baukosten mit 345.391,08 ? angegeben werden, beim Bauordnungsamt des Landkreises Hildesheim eingereicht hat, ergibt sich ebenfalls nicht, dass die Parteien eine Bausummenobergrenze von 350.000 ? vereinbart haben. Die Baukostenangabe in dem Bauantrag kann zum einem aus Kostenersparnisgründen geschehen sein. Zum anderen wird eine in einem Bauantrag genannte Bausumme nicht allein dadurch als Obergrenze für die Baukosten vereinbart, dass der Architekt den Antrag dem Bauherrn vorlegt, dieser ihn unterzeichnet und an die Baubehörde weiterleitet (BGH BauR 2003, 1061). Hier kommt hinzu, dass unter der Baukostenangabe in dem Bauantrag der ausdrückliche Hinweis für den Bauherrn auf möglicherweise tatsächlich höhere Baukosten enthalten ist, da diese vom Standard des Ausbaues abhängig seien.

2. Der Kläger muss sich allerdings wegen der fehlenden Kostenberechnung, deren Erstellung er im Rahmen der Leistungsphase 3 schuldete, einen Honorarabzug in Höhe von 518,41 ? gefallen lassen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BauR 2005, 588), der sich der Senat angeschlossen hat (IBR 2005, 493 und OLG-Report Celle 2005, 712), kann für die Bewertung nicht oder nur teilweise erbrachter Grundleistungen auf die Steinfort-Tabelle oder andere Bewertungstabellen als Orientierungshilfe zurückgegriffen werden. Nach der bei Korbion/Mantscheff/Vygen (HOAI, 6. Aufl., § 5 Rdnr. 32, Nr. 3.6) veröffentlichten - und in Anlehnung an die Steinfort-Tabelle entwickelten - Tabelle kommt der Kostenberechnung nach DIN 276 ein Anteil von 1,5 % der vom Architekten im Rahmen der Leistungsphasen 1 bis 9 des § 15 HOAI insgesamt geschuldeten Grundleistungen zu.

Wie das Landgericht auf Seite 4 unten der Leseabschrift des angefochtenen Urteils zutreffend berechnet hat, beläuft sich das Honorar für die volle Leistung des § 15 HOAI hier auf 34.561 ?. 1,5 % dieses Betrages machen 518,41 ? aus. Nur in dieser Höhe erweist sich die Berufung des Beklagten als begründet, weil sich der Kläger wegen der unterlassenen Kostenberechnung nach DIN 276 einen entsprechenden (weiteren) Abzug gefallen lassen muss.

3. Neben dem Honorar für die von ihm erbrachten Leistungen kann der Kläger - wie das Landgericht zutreffend erkannt hat - gemäß § 649 Satz 2 BGB auch eine Vergütung für die nicht erbrachten Leistungen - der Kläger hat seine Tätigkeit für den Beklagten vor Baubeginn eingestellt - beanspruchen.

Im Gegensatz zur Auffassung des Beklagten war es hier nicht der Kläger, sondern er selbst, der mit Anwaltsschreiben vom 25. Juli 2003 (Anlage K 2) den Architektenvertrag gekündigt hat. Hierbei stand ihm allerdings kein wichtiger Kündigungsgrund zur Seite. Es lässt sich nämlich nicht feststellen, dass die Parteien, wie vom Beklagten behauptet, eine Bezugsfertigkeit des Bauobjekts bis spätestens Weihnachten 2003 vereinbart haben. Am ehesten wäre die Aufnahme einer entsprechenden Fertigstellungsvereinbarung in den Architektenvertrag vom 8. April 2003 zu erwarten gewesen. Dieser enthält insoweit jedoch keinerlei Hinweis auf ein bestimmtes Datum, bis zu dem der Kläger eine Bezugsfertigkeit des Einfamilienhauses etwa garantiert haben könnte. Im Übrigen entspricht es der Erfahrung des seit vielen Jahren speziell mit Architektenhonorarklagen befassten Senats, dass Architekten in der Regel keine Fertigstellungszusagen abgeben, weil sie eine termingerechte Fertigstellung aus eigener Kraft nicht hinreichend steuern können. Diese ist vielmehr von zahlreichen weiteren Faktoren wie (neben den Wetterverhältnissen) z. B. davon abhängig, dass die am Bau beteiligten Handwerker ihre Arbeiten innerhalb der ihnen gesetzten Fristen fachgerecht abschließen.

Auch aus dem eigenen Anwaltsschreiben des Beklagten vom 25. Juli 2003 (Anlage K 2) ergibt sich lediglich dessen Wunsch, das Bauobjekt bis spätestens Weihnachten 2003 beziehen zu können, nicht aber eine entsprechende vorangegangene Vereinbarung mit dem Kläger.

Da sich die Übernahme einer Fertigstellungsgarantie bis Weihnachten 2003 durch den Kläger danach nicht feststellen lässt und der Beklagte den Architektenvertrag daher nicht aus wichtigem Grund gekündigt hat, steht dem Kläger gemäß § 649 Satz 2 BGB auch ein Anspruch auf die Vergütung für die von ihm nicht (mehr) erbrachten Leistungen zu. Gegen die rechnerische Richtigkeit der vom Landgericht vorgenommenen Berechnung dieses Teils der Vergütung hat der Beklagte im Berufungsverfahren keine Einwendungen erhoben.

4. Somit verbleibt eine berechtigte Honorarforderung des Klägers in Höhe von 35.207,07 ? (= vom Landgericht ausgeurteilte 35.725,48 ? abzüglich 518,41 ? für die vom Kläger unterlassene Kostenberechnung [s. o. unter 2.]). Die gegenüber dieser Forderung vom Beklagten erklärte Aufrechnung mit einem (angeblichen) Schadensersatzanspruch in Höhe von 91.993,12 ? greift nicht durch.
Bei diesem Betrag handelt es sich um die Mehrkosten, die das Bauunternehmen K. dem Beklagten zusätzlich zu den der Ausschreibung des Klägers entsprechenden Kosten für die Maurerarbeiten in Rechnung gestellt hat. Dem Beklagten steht insoweit jedoch kein aufrechenbarer Schadensersatzanspruch - und zwar auch nicht in geringerer Höhe - zu. Aufgrund seines Vortrags lassen sich weder ein Planungsfehler noch konkrete Mängel der vom Kläger vorgenommenen Ausschreibung feststellen. Solche sind auch sonst nicht ersichtlich. Im Übrigen hätte es dem Beklagten bzw. dem Bauunternehmen K. nach der Beendigung des Vertragsverhältnisses mit dem Kläger oblegen, dessen Planung und Ausschreibung darauf zu überprüfen, ob auf dieser Grundlage das Einfamilienhaus tatsächlich errichtet werden konnte. Denn nach der Beendigung des Vertragsverhältnisses durfte sich der Beklagte nicht mehr uneingeschränkt auf die Vorarbeiten des Klägers verlassen.

Des weiteren vermag der Beklagte die Kausalität zwischen einem etwaigen Pflichtverstoß des Klägers und dem ihm - dem Beklagten - (unterstelltermaßen) entstandenen nicht zu Schaden beweisen. Der Beklagte müsste mit anderen Worten nachweisen, dass er nicht entsprechend der Planung und der Ausschreibung des Klägers gebaut hätte, wenn ihm die dadurch entstehenden Mehrkosten vor Baubeginn offenbart worden wären. Diesen Nachweis kann der Beklagte hier schon deshalb nicht erbringen, weil er das gesamte Bauobjekt - wie er im Senatstermin vom 2. Mai 2006 persönlich erklärt hat - schließlich für einen Betrag von über 1 Mio. ? verwirklicht hat.

Schließlich lässt sich auch nicht feststellen, dass dem Beklagten durch etwaige Fehlleistungen des Klägers ein Schaden in Form zusätzlicher Baukosten entstanden ist. Ein Bauherr erleidet nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nämlich insoweit keinen Schaden, als der zu seinen Lasten gehende Mehraufwand zu einer Wertsteigerung des Objektes geführt hat (BauR 1994, 268 m. w. N.). Da der anfängliche Verkehrswert eines Gebäudes im Regelfall mit dessen Herstellungskosten identisch ist, kann unter den hier vorliegenden Umständen ein für den Schadensersatzanspruch des Beklagten notwendiger Schaden nicht ermittelt werden. Dass sich die zusätzlichen Baukosten etwa nicht in dem Bauvorhaben verkörpert haben, behauptet der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte selbst nicht.

Da dem Beklagten aus den dargelegten Gründen auch kein aufrechenbarer Gegenanspruch gegenüber der Honorarforderung des Klägers zusteht, musste seiner Berufung ein Erfolg im Wesentlichen versagt bleiben.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 108 Abs. 1 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 543 ZPO liegen nicht vor.

RechtsgebietBGBVorschriftenBGB § 634 Nr. 4, § 638

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