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17.08.2006 · IWW-Abrufnummer 061942

Finanzgericht Nürnberg: Urteil vom 26.01.2006 – VI 237/2005

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Tatbestand

Streitig ist, ob (anteilige) Aufwendungen für die Errichtung einer Lärmschutzwand vor einem selbstbewohnten Reihenhaus zur Minderung des vom Straßenverkehr ausge-henden Lärms als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden können.

Die Kläger sind verheiratet und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. In der Einkommensteuererklärung 2002 machten sie Aufwendungen für die Kosten-beteiligung an der Errichtung einer Lärmschutzwand auf ihrem Grundstück und die dadurch bedingte Gartenneuanlage i.H.v. insgesamt 5.749 ? geltend.

Aus den Akten ergibt sich dazu folgender Sachverhalt:
Die Kläger wohnen seit 1972 in einem selbstgenutzten Reiheneckhaus. Aufgrund immer neuer Erschließungen in der Nachbarschaft sind die Kläger mittlerweile einer erhöhten Lärmbelästigung durch die am Haus vorbeiführende Erschließungsstraße (Xxx Str.) ausgesetzt. Die gesetzlichen Grenzwerte, die die Stadt O zum Bau einer Lärmschutzmaßnahme verpflichtet hätten, wurden noch nicht erreicht, bzw. werden derzeit nicht überschritten. Trotzdem erklärte sich die Stadt O im Jahr 2001 bereit, eine Lärmschutzwand an der Nordseite der Xxx Straße zu errichten, um die Wohn-verhältnisse der Anlieger zu verbessern. Voraussetzung für die Errichtung der Lärm-schutzwand war, dass sich mindestens 12 von 17 begünstigten Anliegern an den Kosten beteiligen würden.

Im Jahr 2002 errichtete die Stadt O die Lärmschutzwand und stellte den Klägern als auf ihr Grundstück entfallende (anteilige) Kostenbeteiligung 2.740,27 ? in Rechnung. Die restlichen 3.009 ?, die die Kläger als außergewöhnliche Belastung begehren, betreffen Aufwendungen für die Gartenneugestaltung, die durch die Baumaßnahme erforderlich gewesen sei.

Mit Bescheid vom 26.09.2003 setzte das Finanzamt die Einkommen-
steuer 2002 auf 3.594 ? fest. Die geltend gemachten Aufwendungen für die Lärm-schutzmaßnahmen wurden nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt. In den Erläuterungen ist dazu ausgeführt: ?Die Kosten für die Schallschutzmaßnahme sind keine außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG, weil diesen Kosten ein Ge-genwert gegenüber steht. Die Kosten sind den Anschaffungskosten des Grund und Bodens zuzurechnen.?

Der Einspruch, mit dem die Kläger die Anerkennung der Aufwendungen als außer-gewöhnliche Belastung begehrten, hatte keinen Erfolg.

Mit ihrer Klage beantragen die Kläger, den Einkommensteuerbescheid 2002 vom 26.09.2003 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 07.01.2004 dahin zu ändern, dass unter Berücksichtigung von außergewöhnlichen Belastungen i.H.v. 5.749 ? für die Lärmschutzmaßnahme und i.H.v. 471 ? Selbstbehalt aus Krankheits-kosten die Einkommensteuer 2002 um 1.120 ? herabgesetzt wird.

Zur Begründung tragen sie im Wesentlichen vor, das Finanzamt gehe unzutreffend davon aus, dass den Aufwendungen für die Schallschutzmaßnahme ein Gegenwert gegenüber stehe. Lärmschutzmaßnahmen seien generell außergewöhnliche Auf-wendungen und dem Grunde nach zwangsläufig.

Das Finanzamt beantragt, die Klage abzuweisen.

Zur Begründung nimmt es auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung vom 07.01.2004 Bezug. Darin hat es ausgeführt, die Aufwendungen für die Lärm-schutzmaßnahme seien den Klägern nicht zwangsläufig entstanden. Allgemein übli-cher Verkehrslärm sei kein außergewöhnliches Ereignis. Im Übrigen sei auch die Stadt O nicht zu Lärmschutzmaßnahmen verpflichtet gewesen. Die Lärmgrenzwerte seien nicht überschritten gewesen.

Darüber hinaus führt das Finanzamt aus, dass die als außergewöhnliche Belastung geltend gemachten Krankheitskosten i.H.v. 471 ? sich wegen der zumutbaren Eigen-belastung der Kläger i.H.v. 1.777 ? (5 % aus 35.551 ?) steuerlich nicht auswirken würden.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

1. Die von den Klägern getätigten Aufwendungen i.H.v. 5.749 ? für den Lärmschutz waren nicht zwangsläufig i.S.d. § 33 Abs. 1 EStG, da vom Straßenlärm keine konkrete Gesundheitsgefahr ausging. Es sind im Streitjahr weder die amtlichen Lärmgrenzwerte überschritten worden noch ist eine akute Gesundheitsgefahr für die Kläger durch die von der Straße ausgehende Lärmbelästigung durch ein vor Errichtung des Lärmwalls erstelltes amtsärztliches Gutachten nachgewiesen wor-den. Auch ein besonderes Pflichtverhältnis, das gegenüber Nicht-Angehörigen
?wie Grundstücksnachbarn? eine Zwangsläufigkeit aus sittlicher Verpflichtung begründen würde, liegt nicht vor.

a) Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der über-wiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands erwachsen (au-ßergewöhnliche Belastung). Aufwendungen sind in diesem Sinne zwangsläu-fig, wenn der Steuerpflichtige sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann, soweit sie den Umständen nach not-wendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).

Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn die vorstehend aufgezählten Gründe von außen derart auf die Entschließung des Steuerpflichtigen einwirken, dass er ihnen nicht auszuweichen vermag. Entscheidend ist, ob das Ereignis, dessen Folge die Aufwendungen oder die Verpflichtung zum Bestreiten dieser Auf-wendungen sind, für den Steuerpflichtigen zwangsläufig waren (vgl. BFH in BStBl. II 1995, 774). So erwachsen dem Steuerpflichtigen nach ständiger Rechtsprechung des BFH beispielsweise Krankheitskosten regelmäßig zwangsläufig, weil er sich ihnen aus tatsächlichen Gründen nicht entziehen kann (BFH-Urteil vom 02.04.1998 III R 67/97, BStBl. II 1998, 613).

b) Aufwendungen zur Beseitigung von Umweltbelastungen, die Gegenstände des existenznotwendigen Bedarfs betreffen und von denen zumindest eine konkrete Gefahr für die Gesundheit von Menschen ausgeht, lassen sich aller-dings weder dem in ständiger Rechtsprechung entwickelten Begriff der nach § 33 EStG zu berücksichtigenden Krankheitskosten (vgl. BFH in BStBl. II 1991, 920) noch den Aufwendungen zur Wiederbeschaffung von existenznot-wendigen Gegenständen oder zur Beseitigung von Schäden an diesen auf-grund unabwendbarer Ereignisse (vgl. BFH in BStBl. II 1995, 104) zuordnen.

Der BFH hat in neuerer Rechtsprechung jedoch auch Aufwendungen dann nach § 33 EStG steuermindernd berücksichtigt, wenn sie einem Steuerpflichti-gen erwachsen, weil er gezwungen ist, eine konkrete, von einem Gegenstand des existenznotwendigen Bedarfs ausgehende Gesundheitsgefährdung zu beseitigen. Derartigen Aufwendungen könne der Steuerpflichtige aus tatsäch-lichen Gründen nicht ausweichen, wenn andernfalls mit einem Schaden für seine Gesundheit oder die Gesundheit seiner Familie zu rechnen sei. Danach können die notwendigen Aufwendungen zur Beseitigung einer von der Außen-fassade eines Wohnhauses ausgehenden konkreten Gesundheitsgefährdung (Asbest) grundsätzlich als aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig angese-hen werden. Allerdings müssen mindest konkret zu befürchtende Gesund-heitsschäden anzunehmen sein (vgl. BFH-Urteil vom 09.08.2001 III R 6/01, BStBl. II 2002, 240).

c) Die vom Bundesfinanzhof hierbei entwickelten Grundsätze sind auch für Auf-wendungen zur Beseitigung oder Minderung von Lärmbeeinträchtigungen ent-sprechend heranzuziehen, weil eine vergleichbare Interessenlage vorliegt. Ei-ne Gesundheitsgefährdung in Form von konkret zu befürchtenden Gesund-heitsschäden, die auch hierbei zwingend erforderlich ist, liegt in der Regel al-lerdings nicht vor, wenn die Grenzwerte für Lärm nicht überschritten sind. Dies ist selbst nach den Ausführungen der Kläger nicht der Fall gewesen. Auch ha-ben sie nicht durch ein vor Ausführung der Lärmschutzmaßnahme eingeholtes Gutachten nachgewiesen, dass für sie durch die Lärmbelastung eine konkrete Gesundheitsgefährdung vorgelegen hätte.

d) Einen Nachweis der Zwangsläufigkeit der Lärmschutzmaßnahme in dieser qualifizierten Weise zu führen ist unverzichtbar, um die Inanspruchnahme un-gerechtfertigter Steuervorteile zu Lasten der Allgemeinheit zu verhindern, mit der in besonderem Maße bei Aufwendungen zu rechnen ist, die ihrer Art nach auch und insbesondere gerade deshalb getätigt werden, um lediglich Krank-heiten vorzubeugen (BFH-Urteil vom 07.06.2000 III R 54/98, BStBl. II 2001, 94).

e) Für die in § 33 EStG geforderte Zwangläufigkeit reicht es nicht aus, dass der Steuerpflichtige möglicherweise in der Zukunft einer Lärmschutzmaßnahme zur Vermeidung einer konkreten Gesundheitsgefährdung nicht mehr auswei-chen kann. Vielmehr muss die Maßnahme im Zeitpunkt ihrer Durchführung be-reits unerlässlich sein. Fehlt es im Zeitpunkt der Errichtung einer Lärmschutz-wand an einer konkreten Gesundheitsgefährdung durch Verkehrslärm, so ist eine dennoch durchgeführte Lärmschutzmaßnahme als eine steuerlich nicht zu berücksichtigende Gesundheitsvorsorge zu beurteilen (vgl. BFH-Urteil vom 17.07.1981 VI R 77/78, BStBl. II 1981, 711 und BFH-Beschluss vom 15.11.1999 III B 76/99, BFH/NV 2000, 697). Dann geht es nämlich allenfalls darum, möglicherweise später drohende Gesundheitsgefahren zu vermeiden.

f) Die Zwangsläufigkeit der den Klägern erwachsenen Ausgaben für die Lärm-schutzmaßnahme ergibt sich auch nicht aus einer sittlichen Verpflichtung den Nachbarn gegenüber zur Errichtung der Lärmschutzwand. Dabei ist unstreitig, dass ohne die (anteilige) finanzielle Beteiligung der Kläger an der Baumaß-nahme die Stadt O die Lärmschutzwand nicht, insbesondere nicht unter Über-nahme der überwiegenden Herstellungskosten, errichtet hätte.

aa) Eine Zwangsläufigkeit aus sittlichen Gründen setzt voraus, dass nach dem Urteil billig und gerecht denkender Menschen ein Steuerpflichtiger sich zu einer Leistung verpflichtet halten kann. Dabei reicht es aber nicht aus, dass die Leistung menschlich verständlich ist, vielmehr muss die Sittenordnung das Handeln erfordern. Allein das subjektive Gefühl, verpflichtet zu sein, reicht nicht aus (Drenseck in Schmidt, EStG, 24. Aufl. § 33 RZ 25 m.w.N.).

Der Senat verkennt bei dieser Regelung nicht, dass die Kläger bei der Be-teiligung an der fraglichen Lärmschutzmaßnahme sittlich-moralische Be-weggründe hatten, die in hohem Maße achtenswert sind. Zwar kommt die Anerkennung einer sittlichen Verpflichtung gegenüber Nichtangehörigen
?wie hier? dann in Betracht, wenn zwischen dem Steuerpflichtigen und dem Nichtangehörigen ein besonderes Pflichtverhältnis vorliegt, aufgrund dessen die Notlage eine Hilfe gerade des Steuerpflichtigen erfordert. Ein solches besonderes Pflichtverhältnis liegt indes nach Auffassung des Se-nats in bezug auf die hier fraglichen Aufwendungen nicht vor.

bb) Auch wenn die Durchführung des Bauvorhabens mit wesentlicher finanziel-ler Beteiligung der Stadt O von der Mitwirkung von mindestens 12 Grundstückseigentümern abhing und die Lärmschutzmaßnahme ohne Mitwirkung der Kläger nicht durchgeführt worden wäre, weil es an der Min-destbeteiligung gefehlt hätte, kann aus diesem Vorbringen nach Ansicht des Senats noch nicht gefolgert werden, dass die Kläger eine als zwangs-läufig i. S. des § 33 Abs. 2 EStG anzuerkennende Mitwirkungspflicht tat-sächlicher Art (dazu BFH-Urteil vom 26. Mai 1971 VI R 271/68, BStBl II 1971, 628) getroffen hätte.

Es bestand weder eine gesetzliche Verpflichtung zur Errichtung der Lärm-schutzwand noch war diese zwingend notwendig, um eine akute Gesund-heitsgefährdung der Kläger bzw. der beteiligten Nachbarn zu beseitigen. Allein der Gruppendruck, der sich aus der nachbarschaftlichen Beziehung ergibt, reicht für sich allein nicht zur Begründung einer Zwangsläufigkeit aus sittlichen Gründen i.S. des § 33 Abs. 2 EStG aus.

3. Ob und inwieweit die Kläger mit dem auf ihrem Grundstück errichteten Teil der Lärmschutzwand einen marktfähigen Gegenstand mit Gegenwert erhalten haben ?davon geht offensichtlich das Finanzamt mit guten Gründen aus?, der einer Be-rücksichtigung der Aufwendungen als zwangläufig anzusehende Sanierungs-maßnahme entgegenstehen würde (Gegenwerttheorie), kann im Streitfall dahin-gestellt bleiben.

4. Dem Finanzamt ist beizupflichten, dass die erstmals im Klageverfahren als au-ßergewöhnliche Belastung geltend gemachten ungedeckten Krankheitskosten i.H.v. 471 DM sich wegen der zumutbaren Eigenbelastung der Kläger i.H.v. 1.777 ? (5 % aus 35.551 ?) steuerlich nicht auswirken. Weitere Ausführungen hierzu erübrigen sich deshalb.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

RechtsgebietEStGVorschriften§ 33 EStG

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