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04.05.2006 · IWW-Abrufnummer 061259

Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 02.03.2006 – 11 K 2589/05 E

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Finanzgericht Düsseldorf
11. Senat

Urteil

Aktenzeichen: 11 K 2589/05 E

Tenor:

Der Einkommensteuerbescheid für 2003 vom 13. September 2005 wird insoweit geändert, dass bei der Steuerfestsetzung außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 7.292,00 EUR abzüglich der zumutbaren Eigenbelastung berücksichtigt werden. Die Steuerberechnung wird den Beklagten übertragen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreites.

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Die Revision wird zugelassen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Streitig ist, ob Aufwendungen für das Fällen von 67 Birken im November 2003 auf Grund einer Birkenpollenallergie der Tochter des Klägers als außergewöhnliche Belastungen i. S. d. § 33 Einkommensteuergesetz (EStG) bei der Steuerfestsetzung zu berücksichtigen sind.

In seiner Einkommensteuererklärung machte der mit seiner Ehefrau zusammen veranlagte Kläger Aufwendungen in Höhe von 7.716,00 EUR als Krankheitskosten geltend.

Mit Einkommensteuerbescheid für 2003 vom 6. April 2004 setzte der Beklagte die Einkommensteuer des Klägers und seiner mit ihm zusammen veranlagten Ehefrau auf 44.448,00 EUR fest. Bei der Steuerfestsetzung berücksichtigte er die geltend gemachten Krankheitskosten nicht. Zur Begründung berief er sich darauf, dass die Entfernung von Allergie auslösenden Stoffen nur dann als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden könne, wenn durch diese eine Gesundheitsgefährdung (z. B. Formaldehyd) ausgehe und sich diese in der Wohnung befänden. Da durch die Birken keine Gesundheitsgefährdung ähnlich dem Formaldehyd ausgehe und sich diese nicht in der Wohnung befänden, könnten die Aufwendungen für das Entfernen der Birken nicht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden.

Gegen diesen Einkommensteuerbescheid legten der Kläger und seine Ehefrau Einspruch ein. Zur Begründung des Einspruchs beriefen sich die Einspruchsführer darauf, dass die Tochter des Klägers, ,an allergischem Asthma-Bronchiale leide, das durch eine Birkenpollenallergie verursacht werde. Seit dem Jahre 2001 sei sie beim Arzt für Innere Medizin und u.a. in Behandlung. Durch die verschiedenen Therapiemaßnahmen wie Hyposensibilisierungsbehandlungen und anti-asthmatische Therapie sei kein befriedigendes Ergebnis erzielt worden. Der Krankheitsverlauf sei insbesondere durch die auf dem Wohnsitzgrundstück befindlichen Birken negativ beeinflusst worden. Die vom Arzt angeordnete Therapie wie Schutz vor Birkenpollen und Stoßlüften der Zimmerräume sei nicht möglich gewesen, da sich die Birken im unmittelbaren Lebensraum der Tochter befunden hätten. Die Birken hätten gefällt werden müssen, um eine konkrete Gesundheitsgefährdung zu entfernen. Zum Nachweis für diese Behauptung reichten der Kläger und seine Ehefrau ein fachärztliches Attest des Arztes für Innere Medizin u.a. vom 10. Juni 2004 ein, aus dem sich u. a. ergibt, dass sich die Tochter seit dem 3. Quartal 2001 in seiner fachärztlichen Behandlung befinde. Die Patientin leide an allergischem Asthma-Bronchiale und nachgewiesener Birkenpollenallergie. Es sei eine extrem hohe Konzentration von Antikörpern gegen Birke nachweisbar und es handele sich somit um eine massive Allergie, die einer Therapie bedürfe. Hyposensibilisierungsmaßnahmen und eine fachgerechte anti-asthmatische Therapie gemäß den Empfehlungen der Deutschen Atemwegsliga hätten keine eindeutige Besserung erbracht. Die körperliche Leistungsfähigkeit sei weiterhin eingeschränkt. Den Eltern sei bereits 2001 das Fällen sämtlicher Birken, die in der Nähe stehen und auf die sie Zugriff haben, empfohlen worden. Hierbei handele es sich um eine eindeutig medizinisch notwendige Maßnahme i. S. d. Allergenkarenz, die bei jedem allergischen Krankheitsbild, insbesondere bei schweren Asthmaformen, durchgeführt werden sollte. Außerdem reichten die Einspruchsführer die Rechnung der Firma GmbH über das Fällen der Birken und Weiden mit einem Gesamtrechnungsbetrag von 7.502,88 EUR ein. Ferner reichten der Kläger und seine Ehefrau einen Lageplan des Grundstücksein, auf den Bezug genommen wird. Nachdem der Beklagte erstmals mit Schreiben vom 15. Februar 2005 die Auffassung vertreten hatte, dass die Vorlage eines zeitlich vor den Aufwendungen erstellten amts- oder vertrauensärztlichen Attests notwendig sei, um die Aufwendungen für das Fällen der Birken als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennen, vertraten die Einspruchsführer die Auffassung, dass im Streitfall ein Ausnahmefall vorliege, in dem auch ein nachträglich erstelltes amtsärztliches Attest zuzulassen sei.

Mit Einspruchsentscheidung vom 18. Mai 2005 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung berief sich der Beklagte u. a. darauf, dass ein vor Durchführung der Maßnahme ausgestelltes amts- oder vertrauensärztliches Gutachten erforderlich sei, aus dem sich die medizinische Notwendigkeit der betreffenden Maßnahme klar ergebe. Außerdem sei äußerst zweifelhaft, inwieweit eine nachträgliche amtsärztliche Begutachtung überhaupt noch zu beurteilen vermöge, dass das Fällen der Birken im Kalenderjahr 2003 medizinisch notwendig und damit zwangsläufig gewesen sei. Denn nachweislich der beigefügten Bescheinigung des behandelnden Arztes seien die üblichen Behandlungsmethoden, wie z. B. Hyposensibilisierungsbehandlungen auch noch in den Kalenderjahren 2003 und 2004, also nach der in Frage stehenden Maßnahme durchgeführt worden. Der behandelnde Arzt habe das Fällen sämtlicher Birken auch lediglich "empfohlen" und als "medizinisch notwendige Maßnahme" erachtet, "die bei jedem allergischen Krankheitsbild, insbesondere bei schweren Asthmaformen durchgeführt werden sollte". Aus diesen Formulierungen ergebe sich jedoch nicht, dass das Fällen sämtlicher Birken im konkreten Einzelfall zwangsläufig und nachweislich unabdingbar notwendig gewesen sei.

Der Kläger hat am 21. Juni 2005 Klage erhoben.

Zur Begründung der Klage reichte der Kläger eine amtsärztliche Bescheinigung der Amtsärztin des Kreises Frau Dr. A vom 4. August 2005 ein. Aus dieser Bescheinigung ergibt sich u. a., dass die Tochter an einer schweren nachgewiesenen Birkenpollenallergie leide. Zu den Behandlungsmaßnahmen gemäß den Empfehlungen der Deutschen Atemwegsliga gehörten neben Hyposensibilisierungsmaßnahmen und medikamentöser Therapie, die bereits fachgerecht durchgeführt worden seien, auch sog. Karenzmaßnahmen (Beseitigung bzw. Verminderung allergieauslösender Substanzen). Im vorliegenden Fall sei dies durch das Fällen der zahlreichen Birken auf dem elterlichen Grundstück geschehen. Um einen längerfristigen und dauerhaften Erfolg der weiteren Therapien zu gewährleisten, sei eine derartige Maßnahme dringend erforderlich. Wegen der weiteren Einzelheiten der amtsärztlichen Bescheinigung wird auf Blatt 30 der FG-Akte Bezug genommen.

Der Kläger ist der Ansicht, dass die Berücksichtigung des nach Durchführung der Maßnahme erstellten Attestes nicht der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs widerspreche. Denn der Bundesfinanzhofhabe von dem Erfordernis, ein Attest vor Durchführung der Maßnahmen zu erstellen, eine Ausnahme insbesondere dann zugelassen, wenn die Notwendigkeit eines solchen Attestes dem Steuerpflichtigen nicht bekannt gewesen sei und nach den Umständen des Einzelfalls auch nicht bekannt gewesen sein musste. Die von dem Beklagten angeführten Urteile der einzelnen Finanzgerichte seien mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar. In den Urteilen sei es im Wesentlichen um die Frage gegangen, ob die Aufwendungen für Gegenstände des täglichen Gebrauchs (Staubsauger, Schlafzimmer, Ergometer) als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen seien.

Auch aus den Anleitungen der Finanzverwaltung zum Ausfüllen des Mantelbogens der Einkommensteuererklärung ergäben sich keine Hinweise auf die Notwendigkeit eines amtsärztlichen Attestes vor Durchführung der Maßnahme.

Durch Änderungsbescheid vom 13. September 2005 wurde die Einkommensteuerfestsetzung für 2003 aus Gründen, die den Streitgegenstand nicht betreffen, geändert.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

1. den Einkommensteuerbescheid für 2003 vom 13. September 2005 insoweit zu ändern, dass bei der Steuerfestsetzung außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 7.292,00 EUR abzüglich der zumutbaren Eigenbelastung berücksichtigt werden,

2. die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären,

3. hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

1. die Klage abzuweisen,

2. hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Zur Begründung seines Antrags beruft sich der Beklagte auf die Einspruchsentscheidung. Ergänzend weist er darauf hin, dass zur Abgrenzung von Krankheitskosten einerseits und gesundheitsfördernden Vorbeuge- oder Folgekosten für den Bereich der allergischen Krankheiten bereits verschiedene Urteile ergangen seien. So weise das Finanzgericht Köln in seinem Urteil vom 25. Juni 2003 7 K 7879/99, EFG 2003, 1701 ausdrücklich darauf hin, dass ein amts- oder vertrauensärztliches Attest, das vor Tätigung der Aufwendungen erstellt worden sei, erforderlich sei für die Anerkennung von medizinischen Hilfsmitteln im weiteren Sinne. Das Fällen von Bäumen sei keine typische krankheitslindernde Maßnahme und werde ebenfalls von "Nichtkranken" durchgeführt (z. B. zur Gartengestaltung oder zur Vermeidung von allgemeinen Verunreinigungen im Wohnbereich durch Pollenflug).

In der mündlichen Verhandlung vom 2. März 2006 wurde durch die Vernehmung der Sachverständigen Frau Dr. A Beweis darüber erhoben, ob durch die gefällten Birken im Jahr 2003 eine konkrete Gesundheitsgefährdung für die Tochter des Klägers bestand, die eine Abholzung unerlässlich machte. Wegen der Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 2. März 2006 Bezug genommen. Zwischen den Beteiligten wurde in der mündlichen Verhandlung Einigkeit darüber erzielt, dass der auf die Beseitigung der Birken entfallende Aufwand mit 7.079,35 EUR zu veranschlagen ist. Hinzu kommen die Kosten für die Brille in Höhe von 212 EUR.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

Der Beklagte hat zu Unrecht die geltend gemachten Aufwendungen für die Beseitigung der Birken nicht als außergewöhnliche Belastungen im Sinne des § 33 EStG berücksichtigt.

Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen. Aufwendungen sind in diesem Sinne zwangsläufig, wenn der Steuerpflichtige sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann, soweit sie den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (vgl. § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn die vorstehend aufgezählten Gründe von außen derart auf die Entschließung des Steuerpflichtigen einwirken, dass er ihnen nicht auszuweichen vermag. Entscheidend ist, ob das Ergebnis, dessen Folge die Aufwendungen sind, für den Steuerpflichtigen zwangsläufig war (vgl. BFH-Urteil vom 19. Mai 1995 III R 12/92, BFHE 178,207, BStBl II 1995, 774).

Nach der Rechtsprechung des BFH sind Krankheitskosten in der Regel gemäß § 33 EStG steuermindernd zu berücksichtigen. Bei Aufwendungen, die ihrer Art nach nicht eindeutig und unmittelbar nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen können und deren medizinische Indikation deshalb schwer zu beurteilen ist, verlangt der BFH jedoch seit der Entscheidung vom 14. Februar 1980 VI R 218/77, BFHE 130, 54, BStBl II 1980, 295 in ständiger Rechtsprechung grundsätzlich ein vor der Behandlung ausgestelltes amts- oder vertrauensärztliches Gutachten bzw. Attest, aus dem sich die medizinische Notwendigkeit der betreffenden Maßnahme klar ergibt (vgl. BFH-Urteil vom 3. März 2005 111 R 64/03, BFH/NV 2005,1286). Dies hat der BFH u. a. für Heilkuren (BFH-Urteil vom 8. Juli 1994 III R 48/93, BFH/NV 1995, 24), Ayur-Veda-Behandlungen (BFH-Urteil vom 1. Februar 2001 III R 22/00, BFHE 195,144, BStBl II 2001, 543), Unterbringungen in einer sozialtherapeutischen Wohngruppe (BFH-Urteil vom 21. April 2005 III R 45/03, BFHE 209, 365, BStBl II 2005, 602), Behandlungskosten bei Lese- und Rechtschreibschwäche (BFH-Urteil vom 3. März 2005 111 R 64/03, BFH/NV 2005, 1286) und bei Asbestbeseitigung (BFH-Urteil vom 9. August 2001 III R 6/01, BFHE 196,492, BStBl II 2002, 240) entschieden. Der BFH begründet dies damit, ein vor der Durchführung der Maßnahme erstelltes Gutachten der zuständigen amtlichen Stellen sei unentbehrlich, da es den Finanzgerichten und Finanzbehörden nicht möglich sei, ohne sachkundige, Unvoreingenommenheit verbürgende Unterstützung anhand objektiver Kriterien über die Notwendigkeit und damit die Zwangsläufigkeit einer Sanierungsmaßnahme zu entscheiden. Die Nachweise in dieser qualifizierten Weise zu führen, sei unverzichtbar, um die Inanspruchnahme ungerechtfertigter Steuervorteile zu Lasten der Allgemeinheit zu verhindern, mit der im besonderen Maße bei Aufwendungen zu rechnen sei, die ihrer Art nach auch deshalb getätigt werden, um Krankheiten lediglich vorzubeugen (vgl. BFH-Urteil vom 9. August 2001 III R 6/01, BFHE 196, 492, BStBl II 2002, 240).

Ein nachträglich erstelltes amtsärztliches Gutachten hat der BFH bisher nur in zwei Ausnahmenfällen genügen lassen. Zum einen wenn vom Steuerpflichtigen nicht erwartet werden konnte, dass er die Notwendigkeit der vorherigen amtsärztlichen Begutachtung kennen konnte, weil der BFH erstmals ein derartiges Erfordernis für bestimmte Aufwendungen aufgestellt hat (BFH-Urteil vom 1. Februar 2001 III R 22/00, BFHE 195,144, BStBl II 2001, 543). Diese Ausnahme ist jedoch nicht so zu verstehen, dass ein nachträglich erstelltes Gutachten immer schon dann ausreicht, wenn der BFH zu einer bestimmten Behandlungsmethode noch nicht Stellung genommen hat. Das Erfordernis einer vorherigen Begutachtung gilt stets, wenn der Steuerpflichtige deren Notwendigkeit erkennen konnte; es kann nur davon abgesehen werden, wenn er dazu nicht in der Lage war (BFH-Urteil vom 21. April 2005 III R 45/03, BFHE 209, 365, BStBl II 2005, 602). Zum anderen hat der BFH ein nachträgliches Attest zugelassen, wenn auf Grund der besonderen Verhältnisse in den neuen Bundesländern in einer Übergangsphase ein unverschuldeter Beweisnotstand bestand (BFH-Urteil vom 2. April 1998 III R 67/97, BFHE 186, 79, BStBl II 1998, 613).

Ein derartiges vor Durchführung der Beseitigung der Birken erstelltes Gutachten eines Amtsarztes liegt im Streitfall nicht vor. Der Beklagte hatte ein derartiges Gutachten erstmals mit Schreiben vom 15. Februar 2005 angefordert.

Ob im Streitfall von dem Steuerpflichtigen erwartet werden konnte, dass er die Notwendigkeit erkennen musste, im Vorhinein eine Begutachtung durch eine amtliche Stelle vornehmen zu lassen, weil der BFH dies in seinem Urteil vom 9. August 2001 III R 6/01, BFHE 196, 492, BStBl II 2002, 240 für einen Fall von Asbestsanierung gefordert hatte, kann der Senat offen lassen. Denn der Senat teilt die Auffassung des BFH, dass derartige Aufwendungen wie die Kosten für das Fällen der Birken nur dann als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennen seien, wenn das Gutachten vor Durchführung der Maßnahme erstellt worden ist, nicht. Dem Wortlaut des § 33 EStG läst sich eine derartige Nachweispflicht nicht entnehmen. In § 64 EStDV ist nur geregelt, dass die zuständigen Gesundheitsbehörden auf Verlangen des Steuerpflichtigen die für steuerliche Zwecke erforderlichen Gesundheitszeugnisse, Gutachten oder Bescheinigungen auszustellen haben. Bezüglich des Zeitpunktes der Ausstellung enthält § 64 EStDV keine Regelung. Der BFH geht zwar zu Recht davon aus, dass § 33 EStG bezüglich der Art des Nachweises der außergewöhnlichen Belastungen in bestimmten Fällen ergänzungsbedürftig ist und dass insoweit eine Gesetzeslücke vorliegt. Eine richterliche Rechtsfortbildung, die über den Gesetzeswortlaut zum Nachteil des Steuerpflichtigen hinausgeht, ist nach Ansicht des Senates jedoch nur insoweit zulässig, wie sie unbedingt notwendig ist, um die Inanspruchnahme ungerechtfertigter Steuervorteile zu Lasten der Allgemeinheit zu verhindern. Der Zweck, die Inanspruchnahme ungerechtfertigter Steuervorteile zu Lasten der Allgemeinheit zu verhindern, kann jedoch auch durch ein nachträgliches Attest erreicht werden. Allerdings mindert eine etwaige durch den Zeitablauf erschwerte Beweismittelbeschaffung nicht die Anforderungen an den dem Kläger obliegenden Nachweis der Notwendigkeit der durchgeführten Maßnahme (vgl. BFH-Urteil vom 30. Juni 1998 III R 110/93, BFH/NV 1998, 1480). Durch die Rechtsprechung des BFH zur Notwendigkeit eines vor Durchführung der Maßnahmen ausgestellten amtsärztlichen Gutachtens wird der Anwendungsbereich des § 33 EStG zu Lasten des Steuerpflichtigen ohne zwingenden Grund eingeschränkt.

Der Senat ist auf Grund der amtsärztlichen Bescheinigung von Frau Dr. A und ihrer Aussage in der mündlichen Verhandlung davon überzeugt, dass das Fällen der Birken im November 2003 wegen der Birkenpollenallergie der Tochter des Klägers und ihres allergischen Asthmas medizinisch notwendig war. Frau Dr. A hat in der mündlichen Verhandlung noch einmal bestätigt, dass es dringend erforderlich gewesen sei, die zahlreichen Birken zu beseitigen. Das Fällen der Birken sei die sich zu allererst anbietende Maßnahme zur Minderung der Birkenpollenallergie gewesen. Das Fällen der Birken sei notwendig gewesen, um einen längerfristigen und dauerhaften Erfolg der weiteren Therapien zu gewährleisten. Die Amtsärztin hat darüber hinaus auch für den Senat nachvollziehbar dargelegt, warum sie in der Lage war, im August 2005 zu beurteilen, dass das Fällen der Birken im November 2003 medizinisch notwendig war. Die von der Amtsärztin ihrer Entscheidung zu Grunde gelegten Lungenfunktionstests der Tochter des Klägers waren im September und Dezember 2001, September 2002 und September 2003 durchgeführt worden und lagen somit vor dem Fällen der Birken im November 2003.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtordnung (FGO).

Die Übertragung der Steuerberechnung auf den Beklagten beruht auf § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO.

Die Revision war wegen der Abweichung von der ständigen Rechtsprechung des BFH gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzulassen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

RechtsgebietEStGVorschriften§ 33 EStG; § 64 EStDV

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