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05.04.2006 · IWW-Abrufnummer 060996

Oberlandesgericht Thüringen: Beschluss vom 21.10.2005 – 2 W 597/05

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


2 W 597/05
6 O 909/05(Landgericht Mühlhausen)

THÜRINGER OBERLANDESGERICHT

Beschluss

In dem Prozesskostenhilfeverfahren XXX

hat der 2. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch XXX

am 22. November 2005 b e s c h l o s s e n:

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landgerichts Mühlhausen vom 26.09.2005, Az. 6 O 909/05, wird zurück-gewiesen.

Die Klägerin hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen; im Übrigen Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Die Parteien sind getrennt lebende Eheleute. Die Antragstellerin hat die Ehewohnung, nämlich ein Hausanwesen, das im Miteigentum beider Parteien steht, vor mehr als zwei Jahren freiwillig verlassen. Sie bewohnt seither eine eigene Mietwohnung. Mit der Klage vor dem Landgericht, für die sie Prozesskostenhilfe begehrt, verlangt sie vom Beklagten, der das Hausanwesen noch (alleine) bewohnt, die auf § 745 Abs. 2 BGB gestützte Zahlung einer Nutzungsentschädigung. Das Landgericht hat den Antrag auf Prozesskostenhilfe zurückgewiesen, weil der Anspruch vor einem sachlich nicht zuständigen Gericht geltend gemacht worden sei.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde der Klägerin ist in der Sache nicht begründet. Die Zuständigkeit des Landgerichts für den geltend gemachten Anspruches besteht nicht. Da der landgerichtliche Beschluss insoweit unzureichend ist, ist folgende Begründung nachzuholen:

Seit der Neufassung des § 1361 b BGB durch das Gewaltschutzgesetz vom 11.12.2001 ist § 1361 b Abs. 3 Satz 2 BGB vorrangige, da spezielle Grundlage für den Anspruch auf Nutzungsentschädigung für die Zeit des Getrenntlebens (OLG Dresden OLG-NL 2005, 233; Palandt/Brudermüller § 1361 b Rn. 20). Der Auffangtatbestand des § 745 Abs. 2 BGB tritt daneben für die Zeit des Getrenntlebens zurück. Daher gehören Entscheidungen über Nutzungsentschädigungen seither auch zur familiengerichtlichen Praxis (vgl. OLG Jena, Beschluss vom 21.11.2005, Az. 1 WF 191/04, nicht veröff.).

Mit der Benennung von § 1361 b Abs. 3 Satz 2 BGB als (vorrangiger) Anspruchsgrundlage ist allerdings die Frage der Zuständigkeit der Zivil- oder Familiengerichte noch nicht beantwortet (vgl. insoweit auch Brudermüller FamRZ 2003, 1703, 1709, allerdings nur unter Bezugnahme auf ältere Rechtsprechung). Vielfach wird § 1361 b Abs. 3 Satz 2 BGB vom prozessrechtlichen Schrifttum noch überhaupt nicht berücksichtigt. Ein Anspruch nach § 1361 b Abs. 3 Satz 2 BGB unterfällt, wegen der fehlenden Regelung in § 1 der Hauratsverordnung, zwar nicht zwingend dem Wortlaut von § 621 Abs. 1 Nr. 7 ZPO, es ist jedoch auch nicht ausgeschlossen, zur Schließung der insoweit bestehenden Lücke § 621 Abs. 1 Nr. 7 ZPO entsprechend heranzuziehen.

Bislang wurde überwiegend angenommen, dass das Zivilgericht zur Entscheidung über einen (isoliert geltend gemachten) Anspruch nach § 745 Abs. 2 BGB zuständig ist, wenn der fordernde Ehegatte freiwillig aber endgültig aus der Ehewohnung ausgezogen ist und nicht verlangt, dass ihm die Mitbenutzung wieder eingeräumt wird (vgl. BGH NJW 1982, 1753; KG FamRZ 2000, 304; OLG Bamberg FamRZ 1990, 179; OLG Zweibrücken FamRZ 1998, 171). Der Anwendungsbereich von § 1361 b Abs. 2 BGB a.F. war in solchen Fällen allerdings auch nicht sicher geklärt.

Gewährt § 1361 b Abs. 3 Satz 2 BGB (in der Zusammenschau mit der Vermutungsregelung des § 1361 b Abs. 4 BGB) nunmehr aber einen Anspruch auf Nutzungsentschädigung für die Zeit des Getrenntlebens unabhängig von der Frage, warum der weichende Ehegatte ausgezogen ist, so muss die Frage der gerichtlichen Zuständigkeit unter Abwägung der Kompetenzen von Familien- und Zivilgerichten vorgenommen werden. Das Oberlandesgericht Dresden (OLG-NL 2005, 233) hat insoweit entschieden, dass für die Zuständigkeit der Familiengerichte spricht, dass der Familienrichter das Zusammenspiel von Nutzungsentschädigung und Unterhaltsregelungen besser überschauen kann. Das Amtsgericht Ludwigslust (FamRZ 2005, 728) betont demgegenüber, dass der Kläger, der einen isolierten Anspruch auf Nutzungsentschädigung geltend macht, nicht darauf verwiesen werden darf, lediglich eine vorübergehende Regelung für die Zeit des Getrenntlebens beim Familiengericht zu erstreiten. Vielmehr könne er vor dem Zivilgericht auch eine Regelung verlangen, die über den Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung hinausgeht.

In der Abwägung dieser Argumente ist für die Zeit des Getrenntlebens der Zuständigkeitskonzentration beim Familiengericht der Vorzug zu geben. Aussetzungen von Unterhaltsverfahren und Abänderungen von Unterhaltsentscheidungen werden vermieden, wenn der Familienrichter die Frage der Nutzungsentschädigung selbst entscheiden und in seine Gesamtüberlegungen mit einstellen kann. Nur beim Familienrichter werden die getrennt lebenden Parteien auch zum Zwecke einer allumfassenden Einigung zusammengeführt. Demgegenüber hat der (geringfügige) Nachteil, nach Rechtskraft des Scheidungsurteils noch einmal das Zivilgericht zu bemühen zu müssen (vgl. OLG Jena OLG-NL 2002, 93), keine ausschlaggebende Bedeutung. Eine Verkürzung des Rechtsschutzes ist in diesem zusätzlichen Aufwand nicht zu sehen.

Im Lichte dieser Überlegungen ist der landgerichtliche Beschluss im Ergebnis also zutreffend; vor dem Zivilgericht kann die Rechtsverfolgung der getrennt lebenden Klägerin keine Aussicht auf Erfolg haben (§§ 114, 118 ZPO).

RechtsgebietFamilienrechtVorschriften§ 1361b Abs. 3 S. 2 BGB; § 621 Abs. 1 Nr. 7 ZPO

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