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02.05.2006 · IWW-Abrufnummer 061193

Finanzgericht Köln: Urteil vom 19.01.2006 – 10 K 3712/04

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Finanzgericht Köln
10. Senat

Urteil

Aktenzeichen: 10 K 3712/04

Tenor:

Der Einkommensteuerbescheid 2001 vom 9. April 2003 wird unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 17. Juni 2005 dahin geändert, dass die Kosten des Jura-Studiums in Höhe von 8.916 DM als Werbungskosten anerkannt werden. Die Neuberechnung der sich danach ergebenden Einkommensteuer wird dem Beklagten aufgegeben.

Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, soweit nicht der Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob Aufwendungen des Klägers im Rahmen seines im Anschluss an das Abitur begonnen Jura-Studiums als Werbungskosten/ Betriebsausgaben zu berücksichtigen sind.

Der im Jahr 1975 geborene Kläger hatte sein Jura-Studium im Anschluss an Abitur und Grundwehrdienst im Sommersemester 1996 (GA BI. ...) aufgenommen. Daneben war er im Streitjahr 2001 als Geschäftsführer der X- GmbH (GmbH; Bruttoarbeitslohn: 36.000 DM) tätig. Im Rahmen der Werbungskosten machte der Kläger Aufwendungen seines Studiums in Höhe von 8.916 DM geltend (Kosten für Repetitor, Fahrtkosten sowie Fahrtkosten zu den Klausuren, Hausarbeit und zur mündlichen Prüfung am 00.00.0000). Die Tätigkeit des Klägers für die GmbH endete am 30. Juni 2002. Zum 1. Juli 2002 trat der Kläger in den Referendardienst ein. Nach den schriftlichen Klausur-Arbeiten Anfang 2004 absolvierte der Kläger seine Wahlstation bei einem Rechtsanwalt in Tokio. Die Referendarzeit des Klägers endete im ... 2004 mit der mündlichen Prüfung für das 2. Staatsexamen. Im Anschluss daran begann der Kläger, der seit ... 2005 als Rechtsanwalt zugelassen ist und inzwischen als angestellter Rechtsanwalt arbeitet, mit der Anfertigung seiner Dissertation.

Der Beklagte berücksichtigte diese Aufwendungen im vorliegend angefochtenen Einkommensteuerbescheid vom 9. April 2003 bzw. im Änderungsbescheid vom 7. Mai 2003 nicht, weil die Kosten für die Ausbildung in einem nicht ausgeübten Beruf lediglich bis zur Höhe von 2.400 DM als Sonderausgaben berücksichtigt werden könnten. Die Rechtsprechung sei zugunsten des Klägers lediglich insoweit geändert worden, dass inzwischen auch die Kosten eines berufsbegleitenden Erststudiums als Werbungskosten berücksichtigt werden könnten. Dies gelte allerdings nicht für die Aufwendungen eines erstmaligen Hochschulstudiums im Anschluss an das Abitur. Insbesondere bei einem Jura-Studium, welches alle möglichen Berufsfelder eröffne, sei die erforderliche konkrete berufliche Veranlassung nicht erkennbar, und zwar weder im Hinblick auf die im Streitjahr ausgeübte Geschäftsführertätigkeit des Klägers noch im Hinblick auf seine künftig aufzunehmende Berufstätigkeit.

Der Kläger macht nach erfolglosem Einspruchsverfahren (Einspruchsentscheidung vom 17. Juni 2004) unter Bezugnahme auf die BFH-Urteile vom 4. Dezember 2002 VI R 120/01, vom 17. Dezember 2002 VI R 137/01, vom 27. Mai 2003 VI R 33/01 und vom 13. Oktober 2003 VI R 71/02 geltend, die Kosten des Studiums seien als Werbungskosten zu berücksichtigen.

Der Kläger beantragt, den Einkommensteuerbescheid 2001 vom 7. Mai 2003 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 17. Juni 2005 dahin zu ändern, dass die Kosten der Ausbildung in Höhe von 8.916 DM als Werbungskosten anerkannt werden, hilfsweise die Zulassung der Revision.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise die Zulassung der Revision.

Er bezieht sich im Wesentlichen auf die Begründung in der Einspruchsentscheidung.

Entscheidungsgründe

Der Beklagte hat die Aufwendungen zu Unrecht nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt. Diese Aufwendungen sind keine Kosten der Berufsausbildung LS. von § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG.

1. Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG).

a) Der BFH bejaht das Vorliegen von Werbungskosten in inzwischen ständiger Rechtsprechung, wenn zwischen den Aufwendungen und der jeweiligen Einkunftsart ein Veranlassungszusammenhang besteht. Es muss objektiv ein Zusammenhang mit der auf Einnahmeerzielung gerichteten Tätigkeit bestehen und die Aufwendungen müssen subjektiv zur Förderung dieser Tätigkeit gemacht werden(BFH-Urteil vom 10. April 2002 VI R 46/01, BFHE 198, 563, BStBl II 2002, 579).

Ebenso wie Werbungskosten nachträglich entstehen können sind auch solche Ausgaben als Werbungskosten zu berücksichtigen, die vor dem Beginn einer Tätigkeit und vor der Erzielung von Einnahmen anfallen, wenn sie in einem hinreichend klaren Zusammenhang mit einer bestimmten in Aussicht genommenen Einkunftsart stehen und auch subjektiv zur Erzielung von Einkünften getätigt werden (BFH-Urteil vom 29. Februar 1980 VI R 165/78, BFHE 130,282, BStBI II 1980, 395; BFH-Urteil vom 21. Dezember 1982 VIII R 48/82, BFHE 138,47, BStBl II 1983, 373: Schuldzinsen bei Vermietungseinkünften).

b) Die ältere Rechtsprechung unterschied zwischen den als Werbungskosten abziehbaren Kosten einer Fortbildung in einem bereits ausgeübten Beruf und den als Sonderausgaben begrenzt absetzbaren Kosten einer Ausbildung zu einem künftigen Beruf (Berufsausbildungskosten). Berufsausbildungskosten wurden immer angenommen, wenn die Bildungsmaßnahme dazu diente, Kenntnisse zu erwerben, die als Grundlage für einen künftigen Beruf notwendig waren oder welche die Grundlage dafür bilden sollten, um von einer Berufs- oder Erwerbsart zu einer anderen überzuwechseln. Denn derartige Aufwendungen stünden noch nicht mit einer konkreten beruflichen Tätigkeit und hieraus fließenden Einnahmen im Zusammenhang; sie erwüchsen grundsätzlich jedem Steuerpflichtigen und gehörten daher zu den nicht abziehbaren Kosten der Lebensführung (vgl. dazu im einzelnen die Nachweise im BFH-Urteil vom 4. Dezember 2002 VI R 120/01, BFHE 201, 156, BStBl II 2003, 403).

b) Inzwischen hält der BFH an dieser vom Beklagten noch immer vertretenen Differenzierung jedoch nicht mehr fest. Er hat vielmehr unter Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden, dass Ausgaben für eine Bildungsmaßnahme bzw. Umschulungsmaßnahme vorab entstandene Werbungskosten oder Betriebsausgaben sein können, soweit sie beruflich veranlasst sind. Dies gilt auch, wenn die Bildungsmaßnahme eine neue Basis für andere Berufsfelder schafft oder einen Berufswechsel vorbereitet (Umschulung) und ebenso in dem Fall einer erstmaligen Berufsausbildung. Ist die Bildungsmaßnahme nämlich auf die Erzielung von Einkünften gerichtet und liegt somit ein erwerbsbezogener Veranlassungszusammenhang vor, kommt es für die steuerliche Berücksichtigung der Aufwendungen nicht darauf an, ob ein neuer, ein anderer oder ein erstmaliger Beruf ausgeübt werden soll. Maßgeblich ist allein, ob die Aufwendungen in einem hinreichend konkreten, objektiv feststellbaren Zusammenhang mit künftigen steuerbaren Einnahmen aus der angestrebten beruflichen Tätigkeit stehen (BFH-Urteil vom 27. Mai 2003 VI R 33/01, BFHE 202,314, BStBl II 2004, 884 für einen Studenten, der sein technisches Studium abgebrochen und danach eine Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer absolviert hatte im Anschluss an BFH-Urteil vom 4. Dezember 2002 VI R 120/01, BFHE 201, 156, BStBl II 2003, 403: Umschulung einer Industriekauffrau zur Fahrlehrerin; BFH-Urteil vom 17. Dezember 2002 VI R 137/01, BFHE 201,211, BStBl II 2003, 407: berufsbegleitendes Erststudium; ferner BFH-Urteil vom 13. Oktober 2003 VI R 71/02, BFHE 203, 380, BStBl II 2004, 890 für eine erstmalige Berufsausbildung zur Bürokauffrau).

c) Der Abzug von Aufwendungen als vorab entstandene Werbungskosten/Betriebsausgaben setzt voraus, dass bereits im Zeitpunkt der Verausgabung anhand objektiver Umstände ein Zusammenhang mit zukünftigen steuerpflichtigen Einnahmen feststellbar ist. Den Steuerpflichtigen trifft insoweit die Feststellungslast. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass der Steuerpflichtige seine dahin gehende Absicht im Einzelfall nur mit Schwierigkeiten darlegen und nachweisen kann. Daher sind die Bekundungen des Steuerpflichtigen im jeweiligen Einzelfall unter Berücksichtigung seiner Beweisschwierigkeiten und der wirtschaftlichen Gegebenheiten zu würdigen. In die Entscheidung kann auch das spätere tatsächliche Verhalten des Steuerpflichtigen einfließen. Gegebenenfalls ist auch eine vorläufige Steuerfestsetzung geboten (BFH-Urteil vom 26. Januar 2005 VI R 71/03, BFHE 208, 572, BStBl II 2005, 349).

Dabei kann für die im Einzelfall jeweils gebotene Entscheidung hinsichtlich der einkünftedienlichen Veranlassung nicht von Bedeutung sein, dass im Zeitpunkt der Bildungsmaßnahme häufig noch gar nicht feststehen wird, ob der Steuerpflichtige künftig als Angestellter tätig wird oder im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit. Denn die Grundentscheidung des Gesetzgebers für einen Dualismus der Einkunftsarten bei der Einkommensermittlung ist kein Umstand, den der Steuerpflichtige zu vertreten hat (vgl. BFH-Urteil vom 26. Januar 2005 VI R 71/03, BFHE 208, 572, BStBl II 2005, 349, in welchem insoweit ebenfalls nicht differenziert wird).

e) Danach handelt es sich auch bei Aufwendungen für ein unmittelbar im Anschluss das Abitur aufgenommenes Jura-Studium um Werbungskosten in diesem Sinne.

aa) Der Beklagte hängt immer noch der zwischenzeitlich überholten BFH-Rechtsprechung nach, wenn er argumentiert, dass gerade beim Jura-Studium eine konkrete berufliche Veranlassung nicht erkennbar sei, weil es alle möglichen Berufsfelder eröffne. Es mag zutreffen, dass gerade das Jura-Studium als eine Art Grundstudium für die unterschiedlichsten Berufe anzusehen ist. Das ändert jedoch nichts daran, dass die Entscheidung, ein Studium der Rechtswissenschaften aufzunehmen und die ernsthafte Durchführung dieses Studiums für das Streitjahr auf einen hinreichend konkreten Zusammenhang zu einer künftigen Tätigkeit in einem für einen Volljuristen typischen Beruf schließen lassen und damit eine einkünftedienliche Veranlassung indizieren. Im Streitfall kommt hinzu, dass der Kläger bereits im Streitjahr als Geschäftsführer einer GmbH tätig war und als solcher nicht unerhebliche Einnahmen erzielte. Auch angesichts dieser Tätigkeit hat der erkennende Senat keine Zweifel daran, dass das Studium des Klägers im Streitfall einkünftedienlich veranlasst ist. Die Auffassung des Beklagten, dass ein JuraStudium für den Geschäftsführer einer GmbH nicht einkünftedienlich veranlasst ist, weil es nicht durch die Tätigkeit als Geschäftsführer "bedingt" sei, ist für das Gericht angesichts der unmittelbaren rechtlichen Konsequenzen dieser Tätigkeit für den Geschäftsführer nicht nachvollziehbar.

bb) Ob und inwieweit im Einzelfall für die Beurteilung der Abziehbarkeit der Kosten für eine Bildungsmaßnahme der Umstand berücksichtigt werden müsste, dass ein Steuerpflichtiger im Anschluss an die Bildungsmaßnahme etwa steuerfreie Auslandseinkünfte bezieht, kann im Streitfall offen bleiben, da es sich weder bei der Geschäftsführertätigkeit des Klägers während seines Studiums noch bei seiner im Anschluss an das Studium ausgeübten nichtselbständigen Anwaltstätigkeit um eine steuerfreie Tätigkeit handelt.

f) Entgegen der Ansicht des Beklagten entfaltet der Sonderausgabentatbestand des § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG keine Sperrwirkung dahin, dass der Werbungskostenabzug nach § 9 Abs. 1 EStG bei einer erstmaligen Berufsausbildung stets ausgeschlossen wird. Eine solche Sperrwirkung entspricht nicht dem Gesetz. Aus dem Wortlaut, der Systematik sowie dem Sinn und Zweck des Gesetzes ergibt sich vielmehr, dass der Werbungskosten bzw. Betriebsausgabenabzug Vorrang vor dem Abzug von Berufsausbildungskosten als Sonderausgaben hat und damit durch § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG nicht eingeschränkt wird bzw. werden kann. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine Berufsausbildung nur dann als beschränkt abziehbare Sonderausgaben zu behandeln, "wenn sie weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten sind". Sind Betriebsausgaben nach § 4 Abs. 4 EStG oder Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 EStG zu bejahen, kommt es nicht mehr darauf an, wie der Begriff "Berufsausbildung" in § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG definiert wird, ob er beispielsweise nur die erstmalige Berufsausbildung erfasst. Der Sonderausgabenabzug kann gesetzestechnisch einen Abzug von als Werbungskosten anzuerkennenden Ausgaben nicht blockieren. Dazu hätte es einer - für das Streitjahr nicht vorhandenen gesetzlichen Anordnung bedurft (BFH-Urteile vom 27. Mai 2003 VI R 33/01, BFHE 202, 314, BStBl II 2004, 884, vom 4. Dezember 2002 VI R 120/01, BFHE 201, 156, BStBl II 2003, 403).

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 151 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

3. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Die Streitfrage ist zwar wegen geänderter Rechtslage seit dem 1. Januar 2004 für die Zukunft nicht mehr von Bedeutung; gleichwohl entfaltet sie für die Vergangenheit immer noch erhebliche Breitenwirkung. Der Fall des Erststudiums unmittelbar im Anschluss an das Abitur ist höchstrichterlich noch nicht entschieden.

RechtsgebietEinkommensteuerVorschriften§§ 9, 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG

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