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09.02.2006 · IWW-Abrufnummer 060271

Landgericht Oldenburg: Urteil vom 04.03.2005 – 1 O 1845/03

Auf das Fehlen der gemäß § 64 Abs. 3 Nr. 5 HOAI bei der Vereinbarung über nachträglich notwendig werdende wesentliche Änderungen der Ausführungsplanung vorgeschriebenen Schriftform kann sich der Auftraggeber dann nicht berufen, wenn er selbst auf Grund seines Berufes als Fachmann bezüglich der HOAI anzusehen ist und sich bereits bei Abschluss der ursprünglichen Leistungsvereinbarung bewusst über die Vorgaben der HOAI hinweggesetzt hat.

LG Oldenburg, Urteil vom 04.03.2005 - 1 O 1845/03


In dem Rechtsstreit XXX

hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg auf die mündliche Verhandlung vom 21.01.2004 durch den Richter am Landgericht Harms als Einzelrichter

für R e c h t erkannt:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 5.065, 64 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von 7.734,57 Euro seit dem 19.12.2002 bis zum 08.07.2003 und aus einem Betrag von 5.065, 64 Euro seit dem 09.07.2003 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten zu 7/10 und der Kläger zu 3/10.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch die Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, falls die Beklagten vor Beginn der Vollstreckung nicht Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe der dem Kläger für die statische Berechnung eines Bauvorhabens zu gewährende Vergütung.

Der Kläger ist als Diplom-Ingenieur Inhaber eines Büros für Tragwerksplanung in Dörpen. Die Beklagten, die ein Architektenbüro betreiben, erhielten den Auftrag, einen Verbrauchermarkt in Hage (Ostfriesland) zu errichten. Sie betrauten ihrerseits den Kläger am 10.01.2001 mit der statischen Berechnung des gesamten Bauvorhabens. Die Auftragserteilung erfolgte mündlich. Die Parteien vereinbarten ein Pauschalhonorar von 14.000,- DM zuzüglich Mehrwertsteuer. Der Kläger begann seine Arbeiten und erstellte unter dem Datum des 13.02.2001 eine statische Berechnung. (Anlage A 8). Unter dem 15.03.2001 erstellte er einen ersten (Anlage A 23), unter dem 09.05.2001 einen zweiten Nachtrag (A 25) zur statischen Berechnung. Ferner fertigte der Kläger im Zeitraum von Anfang Februar 2001 bis Juni 2001 diverse Konstruktionspläne (Anlagen A 9 bis A 12 und A 26 bis A 35).

Unstreitig wurden während der laufenden Arbeiten auf Wunsch des Bauherrn von den Beklagten Änderungen der dem Auftrag des Klägers zugrundeliegenden Pläne (der Betagten) vor allem im Bereich der Stützenstellungen im Verkaufsraum und im Lager des zur errichtenden Verbrauchermarktes vorgenommen. Diese Änderungen wirkten sich ebenso unstreitig auf die Arbeiten des Klägers aus. Der Umfang der notwendigen Mehrarbeiten des Klägers und deren Vergütung ist jedoch streitig.

Der Kläger behauptet, es sei zwischen den Parteien mündlich vereinbart worden, dass die Mehrarbeiten zusätzlich nach Aufwand vergütet werden sollten. Diese mündliche Vereinbarung habe der Kläger den Beklagten gegenüber auch mit Faxschreiben vom 23.02.2001 mündlich bestätigt. Der erforderliche Mehraufwand habe sich auf 87 Ingenieurstunden zu je 40,90 Euro und 73 Konstruktionsstunden zu je 35,79 Euro belaufen, so dass sich ein zusätzlicher Vergütungsanspruch von 6.170,97 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer ergebe.

Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 11.12.2002 forderte der Kläger die Beklagten zur Zahlung von 10.716,92 Euro bis zum 18.12.2002 auf.

Dieser Betrag (Pauschalhonorar 7.158,09 Euro zuzüglich Zusatzvergütung von 6.170,97 Euro abzüglich einer Abschlagszahlung von 4.090, 36 Euro auf das Pauschalhonorar plus Mehrwertsteuer) war auch zunächst Gegenstand der Klage. Die Beklagten haben nach Klageerhebung am 09.07.2003 einen weiteren Betrag in Höhe von 2.668,93 Euro (brutto) auf die Klage(haupt)forderung gezahlt.

Der Kläger beantragt nunmehr,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 8047,99 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 19.12.2002 sowie 10 Euro vorgerichtlicher Mahnkosten zu zahlen. Wegen eines Betrages von 2668, 93 Euro erklärt er den Rechtsstreit für erledigt.

Die Beklagten schließen sich der Erledigungserklärung an und beantragen im übrigen,

die Klage abzuweisen.

Sie bestreiten den Zugang des o.g. Faxschreibens. Dem Kläger seien - auch nicht mündlich - keine weiteren Aufträge über den ursprünglichen Auftrag hinaus erteilt worden. Die Beklagten sind des weiteren der Ansicht, dass mit dem Pauschalhonorar alle Ansprüche des Klägers, auch für die notwendig gewordenen Zusatzarbeiten, abgedeckt seien. Der Pauschalpreis sei seinerzeit gerade deshalb vereinbart worden, weil abzusehen gewesen sei, dass es sich um eine schwierige Baumaßnahme handeln werde und es auch zu Ergänzungen kommen könne. Schließlich sei es so gewesen, dass der Kläger im Zeitpunkt der Planänderungen noch gar nicht ?alles" fertiggestellt gehabt habe, so dass er die Änderungen ?step by step" habe einarbeiten können. Drüber hinaus sei von dem Pauschalhonorar auch noch ein Betrag von 889,65 Euro (1500,- DM) abzuziehen. Es sei zwischen den Parteien nämlich vereinbart gewesen, dass in dem Pauschalhonorar von 14.000 DM netto auch ein Betrag von 1500 DM netto für den Wärmeschutznachweis enthalten sei. Diesen Betrag habe der Kläger direkt vom Bauherrn enthalten. Unstreitig ist insoweit, dass der Kläger dem Bauhernn jedenfalls einen Betrag in Höhe von 250 Euro in Rechnung gestellt hat.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrages wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß dem Beweisbeschluss vom 13.01.2004 (Bl. 81 d.A.). Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen J. vom 15.05.2004 (Bl. 89 ff. d.A.), das Ergänzungsgutachten vom 09.11.2004 Bl.116 ff. d.A.) und auf die Verhandlungsniederschrift vom 21.01.2005 (Bl. 130 d.A.) Bezug genommen. Zu dem Termin am 21.01.2005 war zudem der Beklagte R. als Partei geladen worden, um ihn auf Antrag des Klägers zu der behaupteten mündlichen Vereinbarung einer Zusatzvergütung nach Aufwand zu hören. Er ist ohne Angaben von Entschuldigungsgründen nicht erschienen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zum Teil begründet.

Der Kläger kann gemäß § 631 BGB die Zahlung von noch 5.065,64 Euro von den Beklagten als Gesamtschuldnern verlangen.

1) Die Parteien haben eine Abrechnung der zusätzlichen Arbeiten nach Aufwand mündlich vereinbart. Die entsprechende Behauptung des Klägers sieht das Gericht gemäß §§ 446, 454 Abs.1 ZPO als bewiesen an. Der Kläger hat in seinem Schriftsatz vom 06.12.2004 zum Beweis einer solchen Vereinbarung die Vernehmung des Beklagten R. als Partei beantragt. Die Voraussetzungen für eine Parteivernehmung nach § 445 ZPO lagen vor, so dass das Gericht mit Verfügung vom 16.12.2004 das persönliche Erscheinen des Beklagten R. zur Vernehmung als Partei angeordnet hat. Die Ladung wurde dem Beklagten R. ausweislich der Zustellungsurkunde am 21.12.2004 zugestellt, und zwar einschließlich einer schriftlichen Belehrung über die Folgen des Nichterscheinens (Formular ZP 29). Der Beklagte R. ist im Termin nicht erschienen. Weder der erschienene Beklagte P. noch der gemeinsame Prozessbevollmächtigte der Beklagten konnten Angaben zu dem Grund für das Nichterscheinen des Beklagten R. machen. Das Gericht hat sowohl in diesem Termin als auch noch einmal mit Beschluss vom 21.01.2005 auf die Bestimmung des § 454 ZPO hingewiesen. Dennoch ist bis heute kein Grund für das Fernbleiben des Beklagten R. genannt worden. Das Gericht sieht daher die Aussage durch den Beklagten R. als verweigert an (§ 454 ZPO). Diese Verweigerung kann das Gericht nur dahin werten, dass es die behauptete mündliche Abrede gegeben hat ( § 446 ZPO). Das gilt umsomehr als in Anbetracht des deutlich unter den Sätzen der HOAI liegenden, zunächst vereinbarten, Pauschalhonorars eine Vereinbarung über eine Vergütung der Zusatzarbeiten nach der Lebenserfahrung nicht fernliegt.

Diese Vereinbarung ist auch wirksam. Zwar trifft es zu, dass nach § 64 Abs.3 Nr.5 HOAI nachträglich notwendig werdende (wesentliche) Änderungen der Ausführungsplanung als besondere Leistungen eingeordnet werden, die nach § 5 Abs.4 HOAI (u.a.) eine schriftliche Vereinbarung erfordern. Jedoch können sich die Beklagten als Fachleute auf dieses Schriftformerfordernis jedenfalls nicht berufen (§ 242 BGB). Das gilt umsomehr, als sie sich bereits bei Abschluss der ursprünglichen Pauschalvereinbarung bewußt über die Vorgaben der HOAI (§ 4) hinweggesetzt haben.

2) Der Sachverständige, Dipl. Ing. J., hat einen Ansatz von 55,2 ?Ingenieursstunden" und 35 ?Konstruktionsstunden" für notwendige Zusatzarbeiten für angemessen gehalten. Diese Annahme hat er in seinem schriftlichen Gutachten und auch mündlich nachvollziehbar und schlüssig erläutert. Der Einwand des Klägers, es sei ?unklar geblieben", weshalb die ?Mehrarbeiten" für die Pläne 5, 6 und 11 nach den Ausführungen des Sachverständigen nicht vergütet werden sollen, trifft nicht zu. Diese Pläne, die erst bei der Durchführung der Zusatzarbeiten (nämlich zeitlich nach der Erstellung des ersten bzw. zweiten Nachtrages zur Statik) erstellt wurden, ändern nach dem vorliegenden Gutachten keine bereits zuvor erstellten Pläne ab. Der den Plänen 5, 6 und 11 zugrundeliegende Arbeitsaufwand stellt vielmehr einen ?Sowieso-Aufwand" dar. Das heißt, entsprechende Pläne hätten auch dann erstellt werden müssen, wenn es nicht zu den Änderungen der Vorgaben durch die Beklagten bzw. den Bauherrn gekommen wäre. Demgemäß hat der Sachverständige zu Recht angenommen, dass der Aufwand für die Erstellung der Pläne 5, 6 und 11 von der ursprünglich vereinbarten Pauschalvergütung abgedeckt sei. Im. Anhörungstermin hat der Sachverständige dazu erläutert, dass die Frage möglicherweise dann anders zu beurteilen sein könnte, wenn sich durch nachträgliche Vorgaben der Beklagten auch das Bauvolumen insgesamt geändert hätte. Dieser Punkt ist mit den Parteien und dem Sachverständigen ausführlich erörtert worden. Insbesondere hat der Sachverständige darauf verwiesen, dass er - wenn eine Veränderung des Bauvolumens tatsächlich erfolgt sein sollte - für eine eventuell gewünschte Neuberechnung weitere Angaben benötige. Die vorliegenden Pläne genügten dafür nicht. Zudem hat er angegeben, dass es dann auch noch auf den Schwierigkeitsgrad der weiteren Arbeiten ankomme, so dass die eventuell weitere Vergütung des Klägers durchaus sehr geringfügig ausfallen könnte. Wegen der letztgenannten Einschätzung des Sachverständigen einerseits und des für ein weiteres Ergänzungsgutachten notwendigen Kostenvorschusses andererseits hat der Kläger gebeten, ihm eine Überlegungsfrist einzuräumen. Innerhalb der gewährten Schriftsatzfrist hat er sodann auf eine weitere Begutachtung zu diesem Punkt verzichtet.

Die von dem Kläger in seiner Abrechnung angenommene Stundenvergütung von 40,90 Euro je Ingenieursstunde und von 35,79 Euro je Konstruktionsstunde hat der Sachverständige als angemessen angesehen. Das Gericht hat keinen Grund, an dieser zu zweifeln, zumal sich diese Beträge jeweils im unteren Bereich der in § 6 Abs.2 HOAI vorgesehenen Sätze bewegen. Mit einem Zuschlag für Unwägbarkeiten errechnet der Sachverständige ein dem Kläger zustehendes weiteres Honorar von 3600 Euro Plus Mehrwertsteuer. Das Gericht schließt sich dem an.

3) Sieht man die Vereinbarung über eine Zusatzvergütung als nicht bewiesen oder unwirksam an, steht dem Kläger der oben genannte Betrag nach den Grundsätzen zum Wegfall der Geschäftsgrundlage (jetzt: § 313 BGB) zu. Da die Zusatzarbeiten auch nach Einschätzung des Sachverständigen den üblichen Toleranzrahmen deutlich überschreiten, hat eine Anpassung des vereinbarten Pauschalhonorars zu erfolgen (vgl. Werner/Pastor, 10. Auflage, Rdnr. 2478ff., 2495). In Abänderung seiner im Beschluss vom 19.10.2004 geäußerten Rechtsauffassung hält es das Gericht nunmehr für angemessen und billig, diese Anpassung durch Abrechnung der notwendigen Zusatzarbeiten nach Aufwand vorzunehmen.

4) Von dem zunächst vereinbarten Pauschalhonorar von 7.158,09 Euro ist kein Abzug wegen der Vergütung des Wärmeschutznachweises durch den Bauherrn vorzunehmen. Nach § 77 Abs.2 Nr.1 HOAI handelt es sich bei der Erstellung des Wärmeschutznachweises um eine Leistung für Thermische Bauphysik und nicht um einen Bestandteil des Leistungsbildes Trägwerksplanung. Da der Kläger behauptet, die Pauschalvereinbarung habe sich nur auf die Tragwerksplanung bezogen, wäre es Sache der Beklagten gewesen, für ihre gegenteilige Behauptung Beweis anzutreten. Das haben sie jedoch nicht getan.

5) Nach dem Vorstehenden ergibt sich die folgende Berechnung:

Pauschalhonorar 7.158,09 Euro
Zusatzvergütung + 3.600,00 Euro
Abzüglich Abschlag - 4.090,36 Euro
____________________

6.667,73 Euro
Zzgl. MWSt. + 1.066,84 Euro
____________________

7.734,57 Euro

abzgl. Zahlung - 2.668,93 Euro
______________________

5065,64 Euro

6) Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286, 288 BGB.

7) Die außergerichtlichen Mahnkosten sind nicht schlüssig dargelegt. Es fehlt dazu an jeglichem Vortrag,

8) Die prozessualen Nebenentscheidungen finden ihre Rechtsgrundlage in §§ 92 Abs.1, 91 a, 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

RechtsgebieteBGB, HOAIVorschriftenBGB §§ 242, 631, HOAI § 64 Abs. 3 Nr. 5

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