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03.02.2006 · IWW-Abrufnummer 060344

Finanzgericht Bremen: Urteil vom 07.07.2005 – 1 K 429/02

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


FINANZGERICHT BREMEN

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

1 K 429/02 (3)

In dem Rechtsstreit XXX

wegen Haftung für Lohnsteuer

hat das Finanzgericht Bremen - 1. Senat ? aufgrund mündlicher Verhandlung am
7. Juli 2005 durch
den Präsidenten des Finanzgerichts Hoffmann als Vorsitzenden,
die Richterin am Finanzgericht Dr. Wendt,
den Richter am Finanzgericht Sieling-Wendt,
den ehrenamtlichen Richter Bernsen und
den ehrenamtlichen Richter Neuhaus

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Rechtsmittelbelehrung XXX

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte den Kläger zu Recht für von der Fa. G-GmbH (GmbH) für den Monat Januar 1996 nicht abgeführte Lohnsteuer sowie Folgesteuern als Haftungsschuldner in Anspruch genommen hat.

Der Kläger war bis zum ... 1996 Geschäftsführer der GmbH. Gegenstand des Unternehmens war die Ver- und Bearbeitung von Metallen aller Art, insbesondere die Herstellung von Stahlbauten. Das Stammkapital betrug 750.000 DM. Alleingesellschafterin war die S-AG, die mit weiteren Werftbetrieben zur ... Verbund AG (BVV AG) gehörte.

Für die GmbH stellte der Kläger am ... 1996 beim Amtsgericht B. einen Antrag auf Eröffnung des Vergleichsverfahrens. Nach Anordnung der Sequestration wurde am ... 1997 das Anschlusskonkursverfahren eröffnet.

Die GmbH verfügte von ihrer Gründung bis zum Zeitpunkt des Antrags auf Eröffnung des Vergleichsverfahrens über eine einzige Bankverbindung bei der C. Bank mit der Konto-Nummer ... .

Die GmbH war 1994 auf Weisung ihrer Muttergesellschaft, der S-AG, einem Vertrag über konzerninterne Finanzierungen und Geldanlagen (nachfolgend: Verbundvertrag) zwischen der BVV AG und ihren Beteiligungsgesellschaften beigetreten.

In diesem Vertrag ist u. a. geregelt:

? ? Präambel
Die BVV AG und die ? Verbundunternehmen bilden einen Liquiditätsverbund, in dem ein ständiger gegenseitiger Liquiditätsausgleich erfolgt. Sämtliche frei verfügbaren liquiden Mittel werden ausschließlich bei der Treasury der BVV AG angelegt, Betriebsmittelkredite nur bei der Treasury aufgenommen. ? Liquiditätsüberschüsse und Finanzierungsbedarfe werden stufenweise zu der von der Treasury zu disponierenden Liquidität im Konzern der BVV AG zusammengeführt. ?

2. Automatische Saldenkonzentration
Der gegenseitige Liquiditätsausgleich erfolgt technisch über gesondert zu bezeichnende C-bank-Konten der Vertragsparteien, den sogenannten Cash-Concentration-Konten (? CC-Konto ?). Die BVV AG und die Verbundunternehmen schließen hierzu mit der C-bank die als Anlage beigefügte ?Vereinbarung über ein automatisches Cash Manage-ment-System (ACMS)? ab, mit der bankseitig eine automatische arbeitstägliche Saldenkonzentration aller CC-Konten auf das CC-Konto der Treasury (Zielkonto) geregelt wird. ?

3. Andienung freier liquider Mittel
Die Verbundunternehmen verpflichten sich, alle nicht gebundenen liquiden Mittel so zu disponieren, daß sie durch Gutschrift auf dem eigenen CC-Konto von der automatischen Saldenkonzentration erfaßt werden. Die Andienungspflicht soll gewährleisten, daß ein gleichzeitiger Bedarf anderer Verbundunternehmen an Betriebsmittelkrediten vorrangig aus dem Liquiditätsverbund zur Verfügung gestellt werden kann.

4. Kreditrahmen
Über den Liquiditätsverbund wird der gesamte Bedarf der Vertragsparteien an Betriebsmittelkrediten gesteuert und zur Verfügung gestellt. Eine etwa erforderliche Refinanzierung bei Banken erfolgt nur durch die Treasury.

Anstelle von Betriebsmittelkreditlinien bei Banken räumt die Treasury nach Maßgabe der mit der BVV AG abgestimmten Finanzplanung den Verbundunternehmen einen Kreditrahmen für Betriebsmittelkredite ein, der über das CC-Konto in Anspruch genommen werden kann. Der Kreditrahmen kann jederzeit dem tatsächlichen Bedarf angepasst werden. Der jeweils gültige Kreditrahmen wird den Verbundunternehmen von der Treasury schriftlich mitgeteilt. ? Die BVV AG wird den Verbundunternehmen bis zur Höhe des jeweils zugesagten Rahmens die erforderliche Liquidität bereitstellen. ?

5. Haftung
Die Verbundunternehmen wickeln Finanzierungen und Geldanlagen direkt mit der Treasury ab, die ihrerseits für Rechnung der unmittelbar beteiligten konzernzugehörigen Muttergesellschaft handelt. Demgemäß entstehen Haftungsverhältnisse aus Finanzierungen und Geldanlagen immer nur im Verhältnis von Tochter- zu Muttergesellschaft. ?

Die BVV AG und die Verbundunternehmen stellen untereinander keine Sicherheiten.
??.

Zum Gegenstand des Verbundvertrags war die bereits 1993 zwischen der BVV AG und ihren Beteiligungsgesellschaften mit der C-Bank geschlossene ?Vereinbarung über ein Automatisches Cash Management-System (ACMS)? (nachfolgend: ACMS Vereinbarung) mit u. a. folgendem Wortlaut gemacht worden:

? ? Zwischen den Firmen 1. ... Verbund AG, B.
2. ? - 7. ? -nachstehend Firmen genannt-

und der C-BANK ? -nachstehend Bank genannt-

wird folgende Vereinbarung getroffen:

1. Die Firmen unterhalten bei den örtlichen Filialen der Bank die in der Anlage ? aufgeführten Konten -nachfolgend ?Konten? genannt- ?
Daneben unterhält die Firma zu 1. das aufnehmende Konto ?, nachstehend ?Zielkonto? genannt.

Zur Erreichung eines möglichst hohen Liquiditätsausgleichs innerhalb der Firmengruppe sollen täglich die auf den Konten der Firmen vorhandenen Kontobestände auf das Zielkonto der Firma zu 1 übertragen werden. Die Überwachung konzernintern bestehender Dispositionslinien erfolgt ausschließlich durch die Firmen.

2. Die Bank wird hiermit beauftragt, die vorhandenen Guthaben der Konten der Firmen auf das Zielkonto der Firma zu 1. zu übertragen und Debetsalden auf den Konten der Firmen zu Lasten des Zielkontos der Firma 1. auszugleichen. ? Dabei werden die gesamten Umsätze auf den Konten buchungstäglich pro Wertstellung saldiert und automatisch auf das Zielkonto übertragen. Die Übertragungen der Guthaben und der Debetsalden werden mit endgültiger Wirkung vorgenommen.

3. Sowohl die Firmen für die Konten, als auch die Firma 1. für das Zielkonto, erhalten täglich entsprechende Kontoauszüge.

4. Für einen eventuellen Debetsaldo, der sich ? auf dem Zielkonto der Firma 1. ergibt, übernehmen alle Firmen zu 2.-7. hiermit die gesamtschuldnerische Haftung, soweit diese nicht in Einzelvereinbarungen mit den Firmen zu 2. -7. beschränkt oder ausgeschlossen wird. Dies gilt auch für eine Überziehung des ? Dispositions-/Kreditrahmens. ?

8. ? Die Bank kann diese Vereinbarung bei Vorliegen eines wichtigen Grundes mit sofortiger Wirkung kündigen; sie kann dieses Recht insbesondere dann ausüben, wenn eine wesentliche Verschlechterung oder Gefährdung der Vermögensverhältnisse einer der am ACMS beteiligten Firmen eintritt.?

Daneben gab die BVV AG der GmbH durch ?Betriebsmittelfinanzierungslinie im Rahmen des Cash Concentration im ... Verbund? vom ... 1994 folgende Zusage: ? ? hiermit räumen wir Ihnen im Auftrag und für Rechnung ... Verbund GmbH ab sofort im Rahmen des Cash Concentration? (CC) eine (Kontokorrent-) Linie zur Deckung ihres Betriebsmittelfinanzierungsbedarfs ein in Höhe von DM 1.000.000,00. ?

Bitte berücksichtigen Sie, daß sich der (Gesamt-) Saldo Ihres bei uns geführten CC-Kontos aus folgenden (Einzel-) Salden ergibt: CC-Banküberträge, kapitalisierte CC-Zinsen und Konzernverrechnung. ? Die Erhöhung der oben genannten Betriebsmittelfinanzierungslinie ? sind über Ihre Unternehmensbereichsholding bei uns zu beantragen ??.

Nachdem die Lohnsteuerabzugsbeträge für den Monat Januar und Februar 1996 von der GmbH zwar angemeldet, diese jedoch nicht an das Finanzamt abgeführt worden waren, erließ das Finanzamt nach vorheriger Anhörung am ... 1997 gegen den Kläger als Geschäftsführer der GmbH wegen grob fahrlässigen Pflichtverstoßes i. S. des § 34 i.V.m. § 69 AO einen Haftungsbescheid über insgesamt 125.471,27 DM.

Der vom Kläger dagegen am ... 1997 eingelegte Einspruch hatte teilweise Erfolg.

Mit Schreiben vom ... 2001 hob das Finanzamt den Haftungsbescheid teilweise auf, reduzierte die Haftungssumme ?hinsichtlich der Steuerabzugsbeträge für den Monat Februar 1996? und forderte nunmehr den Kläger zur Entrichtung der noch verbleibenden ?Haftungssumme von 18.288,29 DM für den Monat Januar 1996? auf.

Der wegen dieser Haftungssumme vorliegende Einspruch war vom Bevollmächtigten des Klägers begründet worden wie folgt: Die gesamte Finanz- und Lohnbuchhaltung der GmbH sei bei der S-AG geführt worden. Von dort seien die Lohnabrechnungen und Überweisungsaufträge u. a. für zu zahlende Steuern an ihn als Geschäftsführer der GmbH zwecks Unterzeichnung und Weiterleitung an die C-Bank gegangen. Mit Beginn des ACMS-Systems seien liquide Mittel nur noch nach Bewilligung durch das Cash Management der V-AG bereitgestellt worden. Wörtlich trägt der Prozessbevollmächtigte des Kläger vor: ? Trotz der Unterzeichnung der Überweisungsaufträge durch meinen Mandanten und der damit verbundenen Anweisung an die C-bank ... zur Auszahlung der ? Lohnsteuern etc. an das Finanzamt hatte mein Mandant keinen Einfluss darauf, ob es tatsächlich zu der von ihm verfügten Auszahlung ? kam. ? Dementsprechend entschied allein das Cash Management beim V? nach Rücksprache mit der C-bank darüber, ob die von meinem Mandanten angewiesenen und unterzeichneten Überweisungsaufträge ausgeführt und die Löhne an die Arbeitnehmer der ? GmbH bzw. die Lohnsteuern etc. an das Finanzamt ? per Überweisung ausgezahlt wurden oder nicht. Mein Mandant als Geschäftsführer der ? GmbH hatte darauf keinen Einfluss mehr. Er konnte überhaupt nicht entscheiden, ob und in welcher Höhe die Löhne ausgezahlt bzw. die Lohnsteuern abgeführt wurden.?

Er habe dadurch, dass er die von der Lohnbuchhaltung der S-AG erstellte Lohnabrechnung für Januar 1996 abgezeichnet und die Überweisungsaufträge für die an das Finanzamt auf diese Löhne zu entrichtenden Lohnsteuern etc. unterschieben habe, alles in seiner Macht stehende getan, um seinen steuerlichen Pflichten als Geschäftsführer der GmbH nachzukommen. Es könne ihm nicht vorgeworfen werden, die Auszahlung der Löhne für Januar 1996 nicht nur in anteiliger Höhe angewiesen zu haben, denn er habe über die Finanzsituation bei der V-AG keinen Überblick gehabt. Er habe auch erst nach der Überweisung am ... 1996 von den Zahlungsschwierigkeiten des ACMS erfahren. Die GmbH sei zum Zeitpunkt der Lohnauszahlung für Januar 1996 noch durchaus liquide gewesen. Er habe sich nicht vorstellen können, dass die Auszahlung der auf die Löhne zu entrichtenden Lohnsteuern bei Fälligkeit am ... 1996 durch das für die Auszahlung der Löhne und Lohnsteuern der GmbH allein verfügungsberechtigte Cash Management der BVV AG wegen der inzwischen eingetretenen Insolvenz der BVV AG nicht mehr bewilligt würde. Die Haftungsinanspruchnahme sei nicht rechtmäßig, denn er habe sich nicht grob fahrlässig verhalten. Auch fehle es ? mangels eigener Verfügungsmöglichkeit hinsichtlich der Auszahlung - am Kausalzusammenhang.

Nachdem der Kläger nach Ablehnung durch das Finanzamt beim Finanzgericht einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt und der Antrag durch Beschluss des 2. Senats vom 20.12.2000 (Az. 297133V 5) abgelehnt worden war, wies der Beklagte den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom ... 2001 unter Bezugnahme auf den vorgenannten Beschluss vom 20.12.2000 als unbegründet zurück: Weil die Inanspruchnahme der Arbeitnehmer gem. Abschnitt 118 Absatz 1 Lohnsteuerrichtlinien (LStR) nicht möglich gewesen und der Haftungsanspruch gegen die GmbH nicht realisierbar gewesen sei, sei der Kläger in Anspruch zu nehmen. Er habe sich seit der Einbeziehung der GmbH in den ACMS-Vertrag der Möglichkeit begeben, auf die Einlösung seiner steuerlichen Pflichten als Geschäftsführer Einfluss zu nehmen, denn er sei nicht mehr befugt gewesen, über die Mittel in der GmbH eigenständig zu verfügen. Durch die vertragliche Konstruktion sei die Pflicht zur treuhänderischen Verwaltung der von den Arbeitnehmern einzubehalten Lohnsteuerbeträge auch nicht auf die V-AG übergegangen, denn die GmbH habe sich dadurch ihrer Arbeitgeberstellung und damit ihrer Verpflichtung zur Einziehung und Abführung der Lohnsteuer nicht entledigt. Diesen Aufgaben hätte der Kläger als Geschäftsführer nachkommen müssen, was er aber pflichtwidrig unterlassen habe.

Gegen die am ... 2001 zur Post aufgegebene Einspruchsentscheidung hat der Kläger am ... 2001 Klage erhoben und zur Begründung - unter Bezugnahme auf seinen Vortrag im gerichtlichen Aussetzungsverfahren - folgendes ausgeführt: Die Gehälter der GmbH seien jeweils zum Ende eines Monats, die Löhne jeweils zum 15. des Folgemonats gezahlt worden. Die Gehälter für Januar 1996 seien aufgrund des von ihm unterzeichneten Sammelüberweisungsauftrags vom ... 1996 am ... 1996 bezahlt worden. Bereits mit Lohnsteueranmeldung vom ... 1996 habe er die auf die Januar-Gehälter entfallende Lohnsteuer beim Beklagten angemeldet und den entsprechenden Überweisungsauftrag bei der C-Bank eingereicht. Am Vormittag des ... 1996 habe er den Sammelüberweisungsauftrag für die Auszahlung der Löhne für Januar 1996 unterzeichnet und bei der C-Bank eingereicht. An diesem Tage sei es erstmals seit dem Beitritt der GmbH zum ACMS zu Schwierigkeiten im Rahmen des Liquiditätsausgleichs gekommen. Die C-Bank habe der GmbH an diesem Tag per Fax mitgeteilt, dass Zahlungsaufträge der GmbH (Zitat:) ?in Höhe von derzeit ca. DM 1,0 Mio. vorliegen, deren Ausführung bis heute nicht möglich ist. Desweiteren bitten wir Sie um Verständnis, daß wir zur Vereinfachung ? von einer Rückgabe der Zahlungsaufträge in vorgenannten Höhe vorerst absehen und diese uns weithin zu einer eventuellen Ausführung vormerken?.

Einen Tag später sei ihm dann telefonisch mitgeteilt worden, dass alle zuvor aufgehaltenen Zahlungsaufträge nunmehr ausgeführt worden seien, weshalb er auf dem Fax hand-schriftlich vermerkt habe ?ausgeführt am ... 96 Unterschrift?. Tatsächlich aber habe die C-Bank zwar den Überweisungsauftrag vom ... 1996 für die Januar-Löhne, nicht aber den älteren Überweisungsauftrag vom ... 1996 für die auf die Januar-Gehälter entfallenden Steuerabzugsbeträge ausgeführt.

Der Kläger habe durch die Unterzeichnung der Lohnsteueranmeldungen und der Einreichung entsprechender Überweisungsträger bei der C-Bank alles in seiner Macht Stehende getan, um seinen steuerlichen Pflichten nachzukommen. Weiter heißt es wörtlich: ?Im übrigen war er aufgrund der Besonderheiten des konzerninternen ? ACMS weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht in der Lage, auf die Auszahlung der Lohnsteuer etc. der bei der ? GmbH beschäftigten Arbeitnehmer in irgendeiner Form Einfluss zu nehmen?. ?Vielmehr war es allein die bei der ? V-AG angesiedelte Treasury, die über die liquiden Mittel der angeschlossenen Verbundunternehmen entscheiden konnte. Dementsprechend ist davon auszugehen, daß die Pflicht zur treuhänderischen Verwaltung der ? zu zahlenden Lohnsteuerbeträge seit dem Beitritt der ? GmbH zum ACMS allein von der Treasury wahrgenommen werden konnte und dementsprechend auf die Treasury übergegangen war?.

Er, der Kläger, habe auch weder durch den Beitritt noch durch die aufrechterhaltene Zugehörigkeit zum ACMS gegen die ihm für die GmbH obliegenden steuerlichen Pflichten verstoßen.

Bei dem ACMS-Cash-Management-System handele es sich um ein national und international allgemein anerkanntes Instrument der Konzern-Innenfinanzierung. Ein solches System sei ein Zeichen finanzieller Stärke des betreffenden Konzerns, denn es könnten sich nur finanzstarke Konzerne erlauben, eine externe Finanzierung durch Bankinstitute durch eine eigene, konzerninterne Finanzierung zu ersetzen. Ein Geschäftsführer, der für seine Gesellschaft den Beitritt zu einem solchen System erkläre, verstoße daher nicht gegen die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes (§ 43 Abs. 1 GmbHG). Er, der Kläger, habe sich nicht der Möglichkeit begeben, auf die Einlösung seiner steuerlichen Pflichten als Geschäftsführer Einfluss zu nehmen. Denn durch den Beitritt zum ACMS-System habe sich die GmbH lediglich einem Vertragswerk angeschlossen, nach dem sie verpflichtet gewesen sei, dem Konzernverbund überschüssige Liquidität zur Verfügung zu stellen und die übrigen Beteiligten - insbesondere die ?Treasury? - vertraglich verpflichtet waren, der GmbH laufenden Liquiditätsbedarf unverzüglich zur Verfügung zu stellen. Dazu habe die BVV AG am ... 1994 der GmbH zur Deckung ihres Betriebsmittelfinanzierungsbedarfs eine Kontokorrentlinie in Höhe von 1 Mio. DM eingeräumt. Es habe nicht im freien Belieben der ?Treasury? gestanden, Liquiditätsanfragen der GmbH zu erfüllen oder nicht zu erfüllen, sondern die ?Treasury? und auch die C-Bank seien aufgrund der bestehenden Rechtsbeziehungen verpflichtet gewesen, den Anforderungen der GmbH nachzukommen.

Bereits vor dem Beitritt zum ACMS sei die C-Bank wegen der begründeten Kontoverbindung gegenüber der GmbH vertraglich verpflichtet gewesen, etwaige Überweisungsaufträge auszuführen. An dieser Pflicht der C-Bank habe sich durch den Beitritt der GmbH zum ACMS nur insoweit etwas geändert, als die C-Bank die Ausführung von Überweisungen habe nicht mehr mit der Begründung verweigern dürfen, dass dadurch eine Kreditlinie der GmbH überschritten würde. Die Bank sei nämlich nach Nr. 2 der ACMS-Vereinbarung im Verhältnis zur BVV AG berechtigt und im Verhältnis zur GmbH verpflichtet gewesen, einen etwaigen Debetsaldo auf dem Konto der GmbH zu Lasten des Zielkontos der BVV AG auszugleichen. Mit dieser Überweisungs-Verpflichtung der C-Bank habe die in Nr. 4 des Vertrages über konzerninterne Finanzierungen und Geldanlagen gegenüber den Verbundunternehmen, und damit auch gegenüber der GmbH, geregelte Verpflichtung der BVV AG korrespondiert, nach der die BVV AG die von der GmbH bei der C-Bank abgerufenen liquiden Mittel im Innenverhältnis als Betriebsmittelkredite der GmbH zur Verfügung zu stellen gehabt habe. Damit habe es allein der Entscheidung des Klägers oblegen, die C-Bank zur Zahlung fälliger Steuerbeträge anzuweisen, wobei er darauf habe vertrauen dürfen, dass die C-Bank diese Überweisungsaufträge ausführen und die BVV AG die dazu erforderlichen Mittel als Betriebsmittelkredit zur Verfügung stellen würde. Die Tatsache, dass die C-Bank den Überweisungsauftrag über den Lohnsteuerzahlbetrag - entgegen ihrer telefonischen Mitteilung vom ... - als einzige Überweisung nicht ausgeführt habe, stelle ein vertragswidriges Verhalten der C-Bank dar, welches der Kläger nicht zu vertreten habe.

Mit dem Beitritt zum ACMS-System habe die GmbH daher nur das - im Zeitpunkt ihres Beitritts zu vernachlässigende - Risiko übernommen, dass der Verbundkonzern insgesamt in Zahlungsschwierigkeiten geraten und deshalb nicht mehr in der Lage sein würde, die Vereinbarungen zu erfüllen. Dieses Risiko sei aber dem vergleichbar, das die GmbH habe, wenn sie ihr Geld zur Abwicklung ihres Zahlungsverkehrs einer privaten Bank anvertraue.

Im übrigen habe der Kläger darauf vertrauen dürfen, dass ihn der Konzernvorstand bei drohender Illiquidität des Konzerns unverzüglich informiere. Diese Verpflichtung sei zwischenzeitlich durch das BGH-Urteil vom 17.09.2001 II ZR 178/99, DB 2001, 2338, das sich konkret mit dem ACMS der BVV AG befasse, festgestellt worden. Nach den Feststellungen des BGH habe für den Konzernvorstand Ende 1995 fest gestanden, dass das ACMS nicht mehr in der Lage gewesen sei, die Zahlungsanforderungen der zum Konzernverbund gehörenden Werften in Ostdeutschland zu befriedigen. Hätte der Konzernvorstand die Tochtergesellschaften und damit den Kläger hierüber informiert und wäre die BVV AG dieser ihr nach dem Urteil gegenüber der GmbH obliegenden Vermögensbetreuungspflicht nachgekommen, wäre der Kläger nicht mehr an die Weisungen des Konzernvorstandes gebunden gewesen und hätte in Wahrnehmung seiner eigen Verantwortung als Geschäftsführer die in das ACMS eingelegten Mittel der GmbH wieder abziehen und die im Zusammenhang mit dem ACMS geschlossenen Verträge aus wichtigem Grunde kündigen und die im darauffolgenden Februar 1996 fälligen streitigen Steuern GmbH-intern zahlen können. Zu diesem Zeitpunkt wäre der Überweisungsauftrag des Klägers vom ... 1996 von der Bank in jedem Fall ausgeführt worden, weil die GmbH zu diesem Zeitpunkt - und auch später ? über ausreichende eigene Liquidität verfügt hätte. Dies bedeute im Ergebnis, dass der Kläger durch den Beitritt zum ACMS seine steuerlichen Pflichten als Geschäftsführer nicht verletzt habe und etwaige Pflichtverstöße des Klägers bei Anmeldung oder Überweisung der Lohnsteuer durch die sehr viel schwerer wiegenden Pflichtverstöße des Konzernvorstandes (der BGH habe insoweit festgestellt, dass der Vorstand der BVV AG durch die Unterlassung der Information über die bevorstehende Illiquidität den objektiven Tatbestand des Betruges und der Untreue erfüllt habe) überlagert worden seien.

Dass die im BGH-Urteil festgestellte Vermögensbetreuungspflicht der BVV AG auch gegenüber der GmbH bestanden habe, ergebe sich zumindest seit Spätsommer 1995 aus den umfassenden Rationalisierungsmaßnahmen der BVV AG, wonach Produktivitätsverbesserungen von 20 bis 30% hätten erzielt werden müssen. Entsprechend habe die ...- Werft GmbH (BVW-GmbH) der GmbH bei Lieferungen auch für bereits fertig gestellte und abgerechnete Leistungen nur 70 bis 80% des Rechnungsbetrages ausbezahlt und den Differenzbetrag einbehalten. Für die GmbH, die als Lieferantin etwa 95% ihrer Umsätze allein mit der BVW-GmbH erzielt habe, seien hierdurch enorme Einnahmeausfälle, die ohne geeignete Gegenmaßnahmen kurzfristig zur Zahlungsunfähigkeit der GmbH hätten führen müssen, einhergegangen. Aus diesem Grunde sei der GmbH vom für das ACMS-System verantwortlichen Vorstandsmitglied der BVV AG, Herrn S., zugesagt worden, dass die Muttergesellschaft der GmbH ausreichend Finanzmittel zuführen werde, um die bei der GmbH durch die Einnahmeausfälle entstehenden Verluste auszugleichen. Näheres habe im Zusammenhang mit der Aufstellung der Jahresabschlüsse der Konzerngesellschaften auf den 31.12.1995 durch entsprechende Gesellschafterbeschlüsse der jeweiligen Muttergesellschaften geregelt werden sollen. Bis dahin sei die Liquidität der GmbH dadurch sichergestellt worden, dass - so die weitere Klagebegründung wörtlich - ?sie bei dem ACMS eine nahezu unbegrenzte Kreditlinie in zweistelliger Millionenhöhe? erhalten habe, ohne die die GmbH kurzfristig zahlungsunfähig geworden wäre. An diese Zusage habe sich die BVV AG bis zuletzt tatsächlich gehalten, denn alle Zahlungsanforderungen der GmbH seien stets und ohne Beanstandungen (bis zum ... 1996) von der ACMS ausgeglichen worden.

Hieraus folge die Vermögensbetreuungspflicht der BVV AG, denn auch wenn die GmbH vordergründig Verbindlichkeiten gegenüber dem ACMS gehabt zu haben scheine, sei festzustellen, dass die durch die Rationalisierungsmaßnahmen bei der BVV AG eingetretenen Vermögensvorteile darauf beruht hätten, dass die GmbH für ihre Leistungen eine geringere Gegenleistung erhalten habe, es sich somit wirtschaftlich um Vermögen der GmbH bei der BVV AG gehandelt habe.

Entsprechend sei auch für den Jahresabschluss der GmbH, die 1994 noch über ein positives Eigenkapital in Höhe von DM 5 Mio. verfügt habe, für 1995 wegen dieser Rationalisierungsmaßnahmen ein deutlich schlechteres Ergebnis absehbar gewesen. Gleichwohl habe aber für die GmbH kein Anlass bestanden, von einer Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung auszugehen, weil der GmbH von der BVV AG ein umfassender Verlustausgleich zugesagt und diese Zusage auch tatsächlich eingehalten worden sei. Aus diesem Grund habe der Kläger auch aus dem 1995 bei der GmbH aufgelaufenen Jahresfehlbetrag von rund DM 17,6 Mio. nicht auf Schwierigkeiten des V-Konzerns schließen können oder müssen.

Aber selbst bei Vorliegen einer Pflichtverletzung des Klägers sei diese für den eingetretenen Steuerausfall nicht kausal gewesen, weshalb eine Inanspruchnahme nach § 69 AO ausgeschlossen sei. Für die Feststellung des Kausalzusammenhangs i. S. von § 69 AO gelte die Adäquanztheorie. Danach seien Pflichtverletzungen nur dann ursächlich, wenn sie allgemein oder erfahrungsgemäß den eingetretenen Erfolg verursacht hätten und im konkreten Fall der Erfolg ohne sie nicht eingetreten wäre. Weder im Zeitpunkt des Beitritts in 1994 noch Anfang 1996 sei der eingetretene Erfolg allgemein oder erfahrungsgemäß vorhersehbar gewesen. Insbesondere sei für den Kläger am ... 1996 nicht vorhersehbar gewesen, dass die C-Bank zwar die am ... 1996 veranlasste Überweisung der Januar-Löhne, jedoch die vom Kläger bereits ... 1996 veranlasste Überweisung der auf die Januar-Gehälter entfallenden Steuerabzugsbeträge nicht ausführen würde. Zudem mache die Ausführung der Lohnüberweisung am ... 1996 deutlich, dass zu diesem Zeitpunkt - fünf Tage, nachdem der Kläger die Überweisung der Steuerabzugsbeträge für die Januar-Gehälter veranlasst gehabt habe - die Liquiditätslage der BVV AG zweifellos ausgereicht hätte, um die Steuerabzugsbeträge für die Januar-Gehälter auszugleichen. Wörtlich heißt es in der Klagebegründung weiter: ?Damit, dass die Treasury bzw. die C?-Bank den späteren Überweisungsauftrag über den höheren Betrag dem früheren Überweisungsauftrag über den geringeren Betrag vorziehen würde?, habe der Kläger weder allgemein noch erfahrungsgemäß rechnen können. ?Mit der Nichtausführung des Überweisungsbetrages? hätten ?vielmehr die Treasury bzw. die C?-Bank ? in nicht vorhersehbarer Weise gegen ihre vertragliche Pflichten aus den ACMS-Vereinbarungen verstoßen?.

Im übrigen habe der Kläger die ihm obliegenden steuerlichen Pflichten nicht grob fahrlässig i. S. des § 69 AO verletzt. Nach der Rechtsprechung des BFH sei grobe Fahrlässigkeit nur dann gegeben, wenn jemand die Sorgfalt, zu der er nach den Umständen und seinen persönlichen Kenntnissen verpflichtet und auch im Stande gewesen sei, in ungewöhnlich hohem Maße verletze. Diese Voraussetzungen seien beim Kläger aus den vorgenannten Gründen nicht erfüllt. Insbesondere sei für ihn vor dem ... 1996 noch nicht einmal erkennbar gewesen, dass die V-AG überhaupt in Zahlungsschwierigkeiten geraten würde. Deshalb habe er auch keine Veranlassung gehabt, im Zeitpunkt der Überweisung der Januar-Gehälter eine quotale Kürzung dieser Zahlungen anzuordnen, um die Zahlung der darauf entfallenden Steuerabzugsbeträge sicherzustellen. Eine derartige Pflichtverletzung könne auch nicht daraus hergeleitet werden, dass der Kläger sich beim Beitritt nicht zusätzlich einen Überblick über die Finanzen der BVV AG verschafft habe. Hierin läge eine maßlose Überspannung der an den Geschäftsführer zu stellenden Sorgfaltsanforderungen. Auch, so trägt der Kläger weiter wörtlich vor, ?wäre die Errichtung von Cash-Management-Systemen nach Art der ACMS praktisch nicht mehr möglich, weil sich für die Untergesellschaften keine Geschäftsführer fänden, die bereit wären, neben ihrer Tätigkeit als Leitungsorgane der Untergesellschaften ständig die Finanzen der Konzernmutter zu überwachen - eine Aufgabe, die in Großkonzernen von großzügig ausgestatteten Fachabteilungen für Rechnungswesen und Controlling wahr genommen wird? .

Im übrigen sei für den Fall der Haftung des Klägers zu berücksichtigen, dass den Beklagten ein Mitverschulden träfe, weil dieser es unterlassen habe, selbst einen Konkursantrag gegen die GmbH zu stellen bzw. den streitigen Lohnsteueranspruch zur Konkurstabelle als bevorrechtigte Forderung anzumelden.

Der Kläger beantragt,
den Haftungsbescheid vom ... 1997 in der Fassung des Bescheids vom ... 2001 betreffend die teilweise Aufhebung des Haftungsbescheids und die Einspruchsentscheidung vom ... 2001 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung nimmt er Bezug auf die Einspruchsentscheidung, seine Ausführungen im Verfahren wegen der Aussetzung der Vollziehung und führt ergänzend aus:

Entscheidend für die Inanspruchnahme des Klägers als Haftender sei, dass die einbehaltenen Lohnsteuerabzugsbeträge für den Monat Januar 1996 nicht bis zum Fälligkeitszeitpunkt am 10. des Folgemonats abgeführt worden seien. Die Anmeldung der Lohnsteuerabzugsbeträge für Januar 1996 sei nicht, wie vom Kläger behauptet, am ... 1996 erfolgt. Das Datum auf der Kopie des Überweisungsträgers habe keine Aussagekraft. Es sei zweifelhaft, ob dieser an dem Tag tatsächlich der C-Bank zugeleitet worden sei, denn die Lohnsteueranmeldung Januar 1996 mit dem gleichen Datum sei beim Finanzamt erst am ... 1996 eingegangen. Aber selbst wenn der Kläger die Überweisung am ... 1996 zur Bank gegeben habe, habe er wegen der üblichen Banklaufzeiten nicht damit rechnen dürfen, dass der Betrag am nächsten Tag - und damit fristgemäß - dem Konto des Finanzamts gutgeschrieben werde. So hätten bei den zeitgleich mit den Lohnsteueranmeldungen der Bank zugeleiteten Überweisungsträgern z. B. für die zurückliegenden Monate August 1995 bis Dezember 1995 zwischen dem Datum der Anmeldung und dem Tag der Zahlung zwischen 3 und 7 Tage gelegen. Der Kläger habe damit das Risiko auf sich genommen, das Finanzamt nicht mehr befriedigen zu können, wenn nach dem Fälligkeitszeitpunkt die GmbH zahlungsunfähig werde und die beabsichtigte Abführung der Steuer deshalb nicht mehr möglich sei. Nach dem Urteil des BFH vom 11.12.1990, BStBl. II 1991, 282, liege eine schuldhafte Pflichtverletzung vor, wenn der Geschäftsführer unter Ausnutzung der Schonfrist Steuern verspätet an das Finanzamt zahlen wolle. Hieraus ergebe sich auch die Kausalität zwischen der Pflichtverletzung des Klägers und dem eingetretenen Haftungsschaden.

Im übrigen habe der Kläger durch den Beitritt zum ACMS seinen Handlungsspielraum zur Erfüllung der steuerlichen Pflichten eingebüßt. Zwar werde nicht bestritten, dass dem Kläger die Zusagen von den Vorstandsmitgliedern, den Herren S. und T. gemacht worden seien. Der Kläger habe es aber pflichtwidrig unterlassen, sich über die finanzielle Situation der BVV AG ständig zu informieren. Die Folgen aus dieser Unkenntnis habe er zu tragen, denn die Verantwortlichkeit des Geschäftsführers für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten einer GmbH ergebe sich schon allein aus seiner nominellen Bestellung zum Geschäftsführer. Wenn es ihm nicht möglich gewesen sein sollte, sich über die finanzielle Situation der Firma ständig zu informieren bzw. ihm Unterlagen und Informationen vorenthalten worden sein sollten, entlaste das den Kläger nicht. Er habe dann seine Tätigkeit als Geschäftsführer niederzulegen gehabt.

Auch hätten dem Kläger die finanziellen Schwierigkeiten des BVV AG Verbunds schon deshalb bekannt sein müssen, weil die GmbH einen Jahresfehlbetrag von ca. DM 17,6 Mio. erwirtschaftet und die Bilanz per 31.12.1995 einen Fehlbetrag von ca. 11,5 Mio. ausgewiesen habe.

Das vom Kläger zitierte BGH-Urteil habe im vorliegenden Streitfall keine Auswirkung, denn die Begründung des BGH zur Vermögensbetreuungspflicht folge daraus, dass die Untergesellschaften Forderungen gegenüber der BVV AG gehabt hätten. Am ... 1996 habe die GmbH hingegen Verbindlichkeiten gegenüber der V-AG i. H. von ca. DM 15,88 Mio. gehabt. Von daher sei auch unklar, wie der Kläger bei rechtzeitiger Information durch den Konzernvorstand Mittel bei der V-AG hätte abziehen wollen und können.

Dem Gericht haben die vom Beklagten für die GmbH geführten Lohnsteuerakten (Arbeitgeber und Haftung - St.Nr. ...) sowie die Gerichtsakten zum Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung (297133V 5) vorgelegen. Deren Akteninhalt ist, wie der Inhalt der Gerichtsakten zu dem vorliegenden Verfahren, Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Der Kläger ist in seinen Rechten nicht verletzt. Der Haftungsbescheid vom ... 1997 in der Fassung des Bescheids vom ... 2001 betreffend die teilweise Aufhebung des Haftungsbescheids und die Einspruchsentscheidung vom ... 2001 sind rechtmäßig, weil die Voraussetzungen gem. §§ 69, 34 i. V. m. § 191 AO für eine Haftungsinanspruchnahme des Klägers erfüllt sind.

Der Geschäftsführer einer Gesellschaft kann nach § 69 AO i. V. m. § 34 AO wegen nicht abgeführter Steuern der Gesellschaft durch Haftungsbescheid gem. § 191 AO in Anspruch genommen werden, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig die ihm auferlegten steuerlichen Verpflichtungen der Gesellschaft nicht erfüllt (vgl. BFH-Urteil vom 20. Oktober 1976 I R 116/74, BFHE 121, 5, BStBl. II 1977, 257 m.w.N.). Die Verantwortlichkeit des Geschäftsführers für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten der GmbH ergibt sich allein aus seiner nominellen Bestellung zum Geschäftsführer ohne Rücksicht darauf, ob sie auch tatsächlich ausgeübt werden kann (u.a. BFH-Beschluss vom 13. Februar 1996 VII B 245/95, BFH/NV 1996, 657 m.w.N.). Diese Pflichten, die dem Geschäftsführer als gesetzlichen Vertreter einer GmbH durch § 34 AO auferlegt werden, können nicht durch privat-rechtliche Vereinbarungen abbedungen oder beschränkt werden (BFH-Urteil vom 23. Juni 1998 VII R 4/98, BFHE 186, 132, BStBl. II 1998, 761). Entsprechend kann sich ein GmbH-Geschäftsführer auch nicht damit entlasten, dass er von der Führung der Geschäfte fern-gehalten wurde und die Geschäfte tatsächlich von einem anderen geführt worden sind. Duldet der Geschäftsführer einer GmbH die tatsächliche Geschäftsführung durch einen anderen, hat er durch geeignete Aufsichtsmaßnahmen dafür zu sorgen, dass dieser die steuerlichen Verpflichtungen der Gesellschaft ordnungsgemäß und rechtzeitig erfüllt, da die Verantwortlichkeit gegenüber dem Finanzamt beim Geschäftsführer verbleibt (vgl. Urteil des Sächsischen Finanzgerichts vom 21. Januar 2004, Az. 7 K 1712/99, juris Nr. STRE2004470440, m.w.N. entspr. BFH-Entscheidungen).

Bei nicht abgeführter einbehaltener Lohnsteuer ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH, der der Senat folgt, die Frage des Verschuldens streng zu beurteilen. Der Grund dafür liegt im System des Verfahrens des Lohnsteuerabzugs begründet. Die abzuführende Steuer ist ein bei der Lohnzahlung zurückbehaltener Teil des Lohnes der Arbeitnehmer. Der Arbeitgeber zieht die Lohnsteuer vom Arbeitnehmer, der gem. § 38 Abs. 2 EStG Schuldner der Lohnsteuer ist, gewissermaßen nur treuhänderisch für den Arbeitnehmer und den Steuerfiskus ein. Die einbehaltenen Lohnsteuerbeträge sind für den Arbeitgeber wirtschaftlich fremde Gelder. Er darf sie daher nicht sach- und zweckwidrig selbst verwenden. Die Nichtabführung der Lohnsteuer verletzt daher im allgemeinen ohne weiteres die Pflicht der den Arbeitgeber vertretenden Person, dafür zu sorgen, dass die Steuer aus den von ihr verwalteten Mitteln des Arbeitgebers entrichtet wird. Die Verletzung dieser Verpflichtung ist regelmäßig schuldhaft, denn die ordnungsgemäße Beachtung der gesetzlichen Vorschriften muss von jedem kaufmännischen Leiter eines Gewerbebetriebes verlangt werden (vgl. BFH-Urteil vom 20. April 1982 VII R 96/79, BFHE 135, 416, BStBl. II 1982, 521 m.w.N.). Vertraut der Geschäftsführer auf erteilte Ratschläge anderer Organe des Unternehmens und handelt er danach, so schließt dies sein Verschulden im Zusammenhang mit der nicht fristgerechten Abführung der Steuerabzugsbeträge nicht aus, denn bei der Verpflichtung zur Abführung der Lohnsteuer handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Pflicht des den Arbeitgeber vertretenden Geschäftsführers, die sich privatrechtlichen Vereinbarungen und auch den Dispositionen und Ratschlägen anderer Organe des Unternehmens entzieht (vgl. BFH-Urteil vom 21. Mai 1985 VII R 100/82, BFH/NV 1986, 126 m.w.N.).

Nach § 41 a EStG bestand für die GmbH die Verpflichtung, die von den Einkünften ihrer Arbeitnehmer durch Abzug vom Arbeitslohn zu erhebenden Lohnsteuern bis zum 10. Tag nach Ablauf eines jeden Lohnsteueranmeldungszeitraums (Kalendermonat) an das Finanzamt abzuführen. Der Kläger hat es als Geschäftsführer der GmbH durch zumindest grob fahrlässige Verletzung seiner Pflicht zur Abführung der Lohnsteuern zu verantworten, dass Steueransprüche des Finanzamts endgültig nicht erfüllt worden sind.

Unstreitig war der Kläger als bestellter Geschäftsführer der GmbH deren gesetzlicher Vertreter im Sinne der §§ 69,34 AO. In dieser Funktion gehörte zu seinen Pflichten insbesondere die rechtzeitige Erfüllung der Lohnsteueranmelde- und abführungspflichten der von ihm vertretenen GmbH nach § 41 a EStG. Dieser Verpflichtung zur Abführung der Lohnsteuer ist der Kläger nicht nachgekommen, wodurch er schuldhaft den Haftungsschaden verursacht hat.

Der Kläger hat hierbei auch grob fahrlässig gehandelt. Denn der Kläger hat gegen die ihm obliegenden Pflichten deshalb in grob fahrlässiger Weise verstoßen, weil er in ungewöhnlich großem Maße die Sorgfalt verletzt hat, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten verpflichtet und im Stande war und er infolgedessen entweder den Erfolg (Schaden) nicht vorausgesehen oder darauf vertraut hat, dass der Schaden nicht eintreten werde (vgl. BFH-Urteil vom 21. Februar 1989 VII R 165/85, BFHE 156, 46, BStBl II 1989, 491).

Insoweit kann es der Senat dahin gestellt sein lassen, ob eine grob fahrlässige Pflichtverletzung des Klägers entsprechend der BFH-Rechtssprechung (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 11. Dezember 1990 VII R 85/88, BFHE 163, 119, BStBl II 1991, 282; BFH-Beschluss vom 21. Dezember 1998 VII B 175/98, BFH/NV 1999, 745) bereits daraus zu folgern ist, dass die Lohnsteuer zu dem gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkt 10...1996 nicht angemeldet und nicht abgeführt worden ist, wobei der Kläger den Überweisungsträger (erst) am Freitagvormittag des Vortags zur Bank gegeben hat und der Kläger - wegen der unbestritten z. B. in den Monaten August bis Dezember 1995 zwischen 3 und 5 Tagen liegenden Banklaufzeiten - zu seiner Entschuldigung nicht hat damit rechnen dürfen, dass die Buchung auf dem Konto des Beklagten noch fristgemäß außerhalb der Schonfrist erfolgen wird. Denn der Kläger hat jedenfalls aus - den nachstehenden - anderen Gründen gegen seine Abführungspflichten grob fahrlässig verstoßen.

Eine derartige schuldhafte Pflichtverletzung des Klägers ist allerdings - entgegen der vom Beklagten vertretenen Auffassung - nicht darin begründet, dass der Kläger auf Weisung der Muttergesellschaft der GmbH mit seiner GmbH dem Verbundvertrag und der ACMS-Vereinbarung beigetreten ist. Denn diese Beitrittshandlungen lagen in der freien unter-nehmerischen Entscheidungsbefugnis sowie in der Funktion des Klägers als Geschäftsführungsorgan der GmbH begründet. Zudem änderte sich durch den Beitritt auch nichts an der Verantwortlichkeit des Klägers, als Geschäftsführer für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten der GmbH weiterhin zu sorgen. Denn hierzu war er - nach der vorstehend zitierten ständigen Rechtssprechung des BFH, der der Senat folgt - allein aufgrund seiner nominellen Bestellung zum Geschäftsführer verpflichtet. Der Verbundvertrag und die ACMS-Vereinbarung konnten den Kläger nicht - wie der Kläger rechtsirrig meint - von seiner Verantwortlichkeit für die Erfüllung der ihm als alleinigen Geschäftsführer obliegenden steuerlichen Pflichten freistellen (vgl. BFH-Beschluss vom 13. Februar 1996 VII B 245/95, a.a.O. zum Nichtausschluss der Haftung des Geschäftsführers bei geschlossenem Treuhandvertrag).

Soweit die vertraglichen Gestaltungen, insbesondere die in Nr. 3 des Verbundvertrags geregelte Verpflichtung der GmbH zur ?Andienung freier liquider Mittel? und die in Nr. 1 und 2 der ACMS-Vereinbarung geregelten tagtäglichen Buchungen der GmbH-Guthaben vom eigenen Konto auf das Zielkonto bewirkt haben, dass die GmbH sämtliche eigene Liquidität der Treasury bzw. deren Zielkonto zuzuführen hatte mit der unweigerlichen Folge, dass die GmbH über keine eigene Liquidität (mehr) verfügen konnte, verbleiben die daraus resultierenden Folgen hinsichtlich der Einhaltung der steuerlichen Pflichten im alleinigen Verantwortungsbereich des Klägers als Geschäftsführer. Im Hinblick auf die Lohnsteuerabwicklung gehörte es zu dessen Kernaufgabe, die Liquidität der GmbH sicherzustellen. Denn die Herstellung und Beibehaltung der Liquidität ist unabdingbare Voraussetzung dafür, dass die von der GmbH (nur) treuhänderisch einbehaltene Lohnsteuer auch tatsächlich frist- und ordnungsgemäß an das Finanzamt abgeführt werden kann. Die Verantwortlichkeit für die Erfüllung dieser steuerlichen Verpflichtung der GmbH gegenüber dem Finanzamt verbleibt nach dem Gesetz gem. § 34 Abs. 1 AO beim Kläger als Geschäftsführer. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH sind diese steuerlichen Pflichten des Klägers als gesetzlicher Vertreter gem. § 34 AO öffentlich-rechtlicher Natur und konnten daher nicht durch privatrechtliche Vereinbarungen eingeschränkt oder beseitigt werden (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 21. Mai 1969 I R 8/68, BFHE 96, 39, BStBl II 1969, 539). Der Kläger, der durch die vertraglichen Regelungen anderen - nämlich den bei der Treasury der BVV AG verantwortlich handelnden - Personen unbeschränkten Zugriff auf die gesamte Liquidität seiner GmbH eingeräumt hat, muss sich entsprechend das Handeln dieser Personen zurechnen lassen. Denn durch die vertraglichen Vereinbarungen konnte eine Bindung nur im Innenverhältnis zwischen den Vertragsbeteiligten, nicht aber mit rechtlicher Wirkung im Außenverhältnis gegenüber dem Finanzamt begründet werden. Daher werden gegenüber dem Finanzamt die Pflichtverstöße des Klägers durch die ggf. sehr viel schwerer wiegenden Pflichtverstöße des Konzernvorstandes auch nicht - wie der Kläger rechtsirrig meint - ?überlagert?. Eine Haftungsbegrenzung oder -freistellung des Klägers als Geschäftsführer scheidet deshalb aus.

Dass die bei der Treasury der BVV AG verantwortlich handelnden Personen zumindest grob fahrlässig gehandelt haben, steht für die Beteiligten und den Senat nicht in Frage. Denn aus dem - insoweit unstreitigen - Vortrag des Klägers, der auf das BGH-Urteil vom 17.09.2001 II ZR 178/99 (zitiert nach DB, 2001, 2338) Bezug nimmt, folgt, dass den Verantwortlichen bereits Ende 1995 die mangelnde Liquidität des Verbundes bekannt war. So führt der BGH in dem Urteil aus: ? ? Da BVV die MTW in den Liquiditätsausgleich des BVV-Konzerns einbezog und aus diesem Grunde nicht mehr ausgeschlossen war, dass die MTW ausgezahlten Beihilfebeträge (EU-Mittel) anderen Gesellschaften des im BVV-Konzerns zugute kamen, verlangte THA (Treuhandanstalt) von BVV für die einbezogenen Beträge die Stellung von Sicherheiten zu Gunsten von MTW. ? Zur Einzahlung war MTW verpflichtet, weil sie ? dem zwischen BVV und den Beteiligungsgesellschaften abgeschlossenen Vertrag über konzerninterne Finanzierungen und Geldanlagen ? beigetreten war, nach dem die Verbundgesellschaften verpflichtet waren, frei verfügbare liquide Mittel ausschließlich bei der Treasury von BVV anzulegen. ? Am 3.7.1995 konfrontierte die von BVV beauftragte Boston Consulting Group den Vorstand mit dem Hinweis auf drohende Liquiditätsrisiken: Sie stellte einen sofortigen Handlungsbedarf zur Abdeckung kurzfristiger Liquiditätsrisiken fest und hielt einen über Plan liegenden Cash-Bedarf von 1,1 Milliarden DM für die Jahre 1995 bis 1997 und die Aufnahme langfristiger Kredite für erforderlich. Die Lagebesprechung vom 25.8.1995 führte nach dem von der C & L Treuarbeit Deutsche Revision angefertigten Protokoll zu dem Ergebnis, dass die langfristige Planung eine Rechnungslücke von ca. 300 Mio. DM aufwies und die BVV zur Verfügung stehenden Betriebsmittelkredite von ca. 155 Mio. DM für die Finanzierung kurzfristig auftretenden Finanzierungsbedarfs nicht ausreichten. Da eine Erfüllung der Investitionsverpflichtungen von BVV gegenüber MTW mit Hilfe von Kreditmitteln nach dem Scheitern der mit Bankenvertretern geführten Gespräche ausschied, erklärte der Vorstand am 22.12.1995 ?, dass die Zahlungsanforderungen der Werften in Ostdeutschland an das zentrale Cash-Management nicht mehr bedient werden könnten.? (Hinzusätze in Klammern vom Gericht).

Am 22.12.1995 stand danach für den Konzernvorstand fest, dass das ACMS nicht mehr dazu in der Lage war, die Zahlungsanforderungen der zum Konzernverbund gehörenden Werften in Ostdeutschland zu befriedigen und dass diese Liquiditätslücke auch die übrigen Beteiligungsgesellschaften einbezog. Spätestens zu diesem Zeitpunkt stand damit für die bei der Treasury der BVV AG verantwortlich handelnden Personen, die als Treasury über die liquiden Mittel aller am Verbundunternehmen beteiligten Gesellschaften, mithin auch über die liquiden Mittel der GmbH des Klägers, die faktische ?Alleinherrschaft? hatten, auch fest, dass das ACMS mangels ausreichender liquider Mittel finanziell ?zusammengebrochen? war. Insbesondere wegen der - aus Gründen der dramatischen Liquiditätsdefizite der Verbundunternehmen - gescheiterten Gespräche mit den Bankenvertretern und dem der C-Bank in der ACMS-Vereinbarung in Nr. 8 eingeräumten Recht zur sofortigen Kündigung, ? wenn eine wesentliche Verschlechterung oder Gefährdung der Vermögensverhältnisse einer der am ACMS beteiligten Firmen eintritt?, war es für die bei der Treasury Verantwortlichen offensichtlich, dass nicht (mehr) ohne Zweifel gewährleistet war, dass die Bank Zahlungsanforderungen Dritter ohne weiteres voll erfüllt. Wegen dieser Umstände bestand für den Vorstand der BVV AG und den bei der Treasury verantwortlich handelnden Personen die Verpflichtung, im Hinblick auf die lohnsteuerlichen Verpflichtungen der Verbundunternehmen dafür zu sorgen und zu veranlassen, dass aus den zur Verfügung stehenden Mitteln die Löhne nur gekürzt als Vorschuss oder Teilbetrag ausgezahlt werden und aus den dann übrig bleibenden Mitteln die entsprechende Lohnsteuer an das Finanzamt abgeführt wird. Insoweit unterstellt der Senat zu Gunsten des Klägers, dass dieser als verantwortlicher Geschäftsführer der GmbH die bei der Lohnsteuerabwicklung in seinem Auftrage bei der Treasury der BVV AG verantwortlich handelnden Personen auch auf die o. g. Pflichten hingewiesen hat, denn anderenfalls hätte der Kläger wegen dieser Unterlassung grob fahrlässig und schuldhaft gehandelt. Mithin hätte von dieser Verpflichtung zur Kürzung der Löhne nur dann abgesehen werden dürfen, wenn eine unvorhersehbare Verschlechterung der Liquidität zwischen den Zeitpunkten der Lohnzahlung und der Lohnsteuerfälligkeit eingetreten wäre (vgl. BFH-Urteil vom 20. April 1993 VII R 67/92, BFH/NV 1994, 142 m.w.N.). Darin, dass eine derartige ?unvorhersehbare? Verschlechterung der Liquidität zum streitigen Lohnsteuerabführungszeitpunkt im Februar 1996 jedoch bereits angesichts der seit spätestens Dezember 1995 bei der Treasury der BVV AG bestehenden Liquiditätsengpässe ausgeschlossen werden kann und die bei der Treasury verantwortlich handelnden Personen anstelle des Klägers als Geschäftsführer der GmbH den entsprechend bestehenden Lohnsteuerabführungsverpflichtungen nicht nachgekommen sind, liegt die grob fahrlässige Pflichtverletzung. Diese muss sich der Kläger - wie oben ausgeführt - als der für die Einhaltung der lohn-steuerlichen Verpflichtungen verantwortliche Geschäftsführer der GmbH als eigene grob fahrlässige Pflichtverletzung zurechnen lassen.

Die Haftung des Klägers ergibt sich überdies auch aus seinem eigenen Tun, denn ihm oblagen aufgrund der mit der BVV AG eingegangenen vertraglichen Bindungen diverse Überwachungspflichten. Schon weil der Kläger nach eigenem Vortrag selbst davon ausging, dass wegen der von der BVW-GmbH nur noch zu 70 bis 80 % bezahlten Rechnungsbeträge die Rationalisierungsmaßnahmen der BVV AG auf die GmbH übergewälzt worden waren mit der Folge, dass die GmbH bei der BVV AG trotz der hohen in Anspruch genommenen Betriebsmittelfinanzierungslinie wirtschaftlich im Endergebnis Vermögensansprüche begründet hatte - mithin nach Nr. 3 Verbundvertrag GmbH-eigene Gelder bei der Treasury der BVV AG disponiert und ?verwahrt? hatte -, resultierten derartige Pflichten daraus, dass die BVV AG gegenüber der GmbH nach Nr. 5 des Verbundvertrags keine Sicherheiten zu stellen hatte. Ebenso bestanden für den Kläger Überwachungspflichten, um etwaige sich aus der Übernahme der gesamtschuldnerischen Haftung für das Zielkonto der Treasury der BVV AG für die GmbH ergebende Haftungsrisiken (Nr. 4 der ACMS-Vereinbarung) auszuschließen. Auch wegen der vorgenannten weiteren internen vertraglichen Zuständigkeitsvereinbarungen, wie insbesondere die Delegation der Lohnbuchhaltung an die S-AG und die Auszahlung durch die ACMS-Abwicklung, hatte der Kläger als Geschäftsführer die Pflicht zur Überwachung. Soweit er diesen Pflichten nicht nachgekommen ist, kann er sich nicht entschuldigen, weil er als gesetzlicher ?Vertreter in finanziellen Krisensituationen seiner Überwachungspflicht nicht genügt? (BFH-Urteil vom 23. Juni 1998 VII R 4/98, a.a.O.) hat.

Den Kläger entlastet nicht, dass er den - unstreitig erteilten - Zusagen des Vorstands der Zwischenverbund AG und gleichzeitigen Finanzvorstands der Holding, Herrn S., und des Vorstandsvorsitzenden und Geschäftsführers der GmbH-Muttergesellschaft, Herrn T., hinsichtlich der Ausdehnung der Betriebsmittellinie insoweit, dass stets ein Ausgleich erfolgen oder auf andere Weise für Liquidität der GmbH gesorgt werde, vertraut hat. Zum Zeitpunkt dieser Zusagen war die GmbH - wie der Kläger selbst vorträgt -aufgrund der von der Hauptkundin (BVW AG) auf sie abgewälzten Rationalisierungsmaßnahmen der Verbund AG mit den daraus folgenden Rechnungskürzungen und wegen des auf Anweisung der Konzerspitze von der GmbH durchzuführenden Programms zur Frühpensionierung älterer Arbeitnehmer, das kurzfristig einen erheblichen Geldbedarf in der GmbH erzeugte, in einer desolaten finanziellen Situation. Diese Umstände der wirtschaftlichen Bedrohung der GmbH und der weitere Umstand, dass der Kläger wusste, dass er für den Fall der Beschränkung der Betriebsmittelfinanzierungslinie für die GmbH Konkurs anzumelden hätte, mussten ihn gerade im Hinblick auf die von ihm zu erfüllenden lohnsteuerlichen Verpflichtungen zu erhöhter Wachsamkeit und auch Nachforschungen dahin veranlassen, ob zukünftig die Liquidität der GmbH durch den Verbund tatsächlich sichergestellt war, damit die einbehaltenen Lohnsteuern tatsächlich an das Finanzamt ausgezahlt werden konnten. Diese notwendig von ihm auszuübende Kontrolle war dem Kläger aber - nach eigenem Bekunden - gar nicht möglich. Dies folgt zwingend aus seinem Vortrag im Einspruchsverfahren und im gerichtlichen Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung, wonach die Überweisungsaufträge für zu zahlende Steuern nur nach Bewilligung durch das Cash-Management bereitgestellt wurden und dieses allein nach Rücksprache mit der C-Bank darüber entschied hat, ob die von ihm angewiesenen und unterzeichneten Überweisungsaufträge tatsächlich ausgeführt und ausgezahlt wurden oder nicht. Er hat danach überhaupt nicht entscheiden können, ob und in welcher Höhe die Lohnsteuern abgeführt wurden und war - wie er wörtlich selbst vorträgt - ?aufgrund der Besonderheiten des konzerninternen ? ACMS weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht in der Lage, auf die Auszahlung der Lohnsteuer ? in irgendeiner Form Einfluss zu nehmen?. Aufgrund der vorgenannten Situation der GmbH hätte dem Kläger spätestens zum Ende des Jahres 1995 klar sein müssen, dass ihm erhöhte lohnsteuerliche Überwachungspflichten zukamen, er diese wegen seines eigenen Unvermögens zur Überwachung jedoch nicht erfüllen konnte. Dennoch hat er seine Tätigkeit als Geschäftsführer fortgesetzt. Hierin liegt die dem Kläger anzulastende grob fahrlässige Pflichtverletzung, denn nach der Rechtsprechung des BFH ist die Pflichtwidrigkeit des Handelns eines Haftungsklägers darin zu sehen, dass dieser keinerlei Kontrollen ausgeübt und unter dem Einfluss des Alleingesellschafters die Verfügung über die Konten der GmbH aus der Hand gegeben hat mit der Folge, dass bei Fälligkeit Mittel zur Entrichtung der Steuer nicht zur Verfügung standen (vgl. BFH-Beschuss vom 23. April 1991 VII B 216/90, BFH/NV 1992, 178).

Die vom Kläger (erst) im vorliegenden Klageverfahren erhobene gegensätzliche Behauptung, es habe allein seiner Entscheidung oblegen, die C-Bank zur Zahlung fälliger Steuerbeträge anzuweisen, steht dem nicht entgegen. Denn auch bei Unterstellung, er sei zur Anweisung selbst befugt gewesen, stand die tatsächliche Zahlungsausführung der Bank - nach Nr. 8 der ACMS-Vereinbarung - unter dem Vorbehalt der Nichtausführung bei wesentlicher Verschlechterung der Vermögensverhältnisse einer der am ACMS beteiligten Firmen, insbes. der Firma zu 1. Eine Überwachung und/oder Kontrolle dieser beteiligten Firmen war ihm aber nicht möglich. Aus diesem Umstand resultiert auch, dass das Verhältnis und das Risiko der GmbH gegenüber der Treasury nicht dem ? wie der Kläger meint ? gegenüber einer fremden Bank gleicht. Denn bei eigenständiger Vertragsabwicklung des GmbH-Kontos bei einer fremden Bank wäre der Kläger in seiner Funktion als Geschäftsführer als einziges vertretungsberechtigtes Organ der GmbH zu jeder Zeit über die tatsächliche und faktische Liquiditäts- und Finanzierungslage informiert gewesen.

Eine derartige Kontroll- und Überwachungspflicht stellt, wie der Kläger weiter zu Unrecht meint, auch nicht eine maßlose Überspannung der an den Geschäftsführer zu stellenden Sorgfaltsanforderungen da, denn betreffend die Lohnsteuerabführung erwachsen die zu erfüllenden Sorgfaltspflichten des Geschäftsführers einer GmbH als vorstehend dargelegte öffentlich-rechtliche Pflichten. Schon zwecks Einhaltung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung dürfen derartige Pflichten nicht durch individualvertragliche Regelungen betreffend die Abläufe und Kontrollmechanismen innerhalb eines Unternehmens bzw. durch komplizierte oder verkomplizierte Strukturen innerhalb eines Unternehmens eingeschränkt oder beseitigt und dadurch ?ausgehebelt? werden. Sind derartige Abläufe im Unternehmen für den Geschäftsführer der anhängenden GmbH, soweit es dessen zu verantwortenden Handlungsbereich betrifft, nicht (mehr) durchschau- und/oder kontrollierbar, hat dieser, um seinen Pflichten in seinem Verantwortungsbereich zu genügen, persönlich konsequent zu handeln. Deshalb kann sich der Kläger zu seiner Entlastung auch nicht auf sein eigenes Unvermögen, seinen Aufgaben als Geschäftsführer nachzukommen, berufen, denn ? ? wer den Anforderungen an einen gewissenhaften Geschäftsführer nicht entsprechen kann, muß vielmehr von der Übernahme des Geschäftsführeramtes absehen bzw. es niederlegen? (BFH-Beschluss vom 5. März 1998 VII B 36/97, BFH/NV 1998, 1325 m.w.N.). ?Bis zu seinem Rücktritt bleibt er für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten voll verantwortlich? (vgl. BFH-Beschluss vom 13. Februar 1996 VII B 245/95, a.a.O.).

Wegen der vorstehenden Gründe können auch die weiteren vom Kläger gegen seine Verantwortlichkeit benannten Einwendungen nicht zum begehrten Haftungsausschluss führen.

Auch der Entschluss des Beklagten, den Kläger anstelle der GmbH als Haftungsschuldner in Anspruch zu nehmen, ist nicht zu beanstanden.

Bei der Inanspruchnahme des Klägers als Haftungsschuldner nach §§ 69, 34 AO handelt es sich gem. § 191 AO eine Ermessensentscheidung des Beklagten, die vom Gericht nach Maßgabe des § 102 FGO darauf zu überprüfen ist, ob der Haftungsbescheid rechtswidrig ist, weil das Finanzamt die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 13. April 1978 V R 109/75, BFHE 125, 126, BStBl II 1978, 508). Bei der Überprüfung sind dem Gericht eigene Ermessenserwägungen verwehrt. Die Ermessensentscheidung muss vom Finanzamt im Haftungsbescheid, spätestens aber in der Einspruchsentscheidung begründet werden. Die bei der Ausübung des Ermessens angestellten Überlegungen wie die Abwägung des Für und Wider der Inanspruchnahme des Haftungsschuldners müssen aus der Entscheidung erkennbar sein.

Weil wegen des im Februar 1996 gestellten Antrags auf Eröffnung des Vergleichsverfahrens und Eröffnung des Anschlusskonkursverfahrens eine Realisierung der Steueransprüche des Beklagten bei der GmbH nicht in Betracht kam, ist die im Rahmen seines Erschließungsermessens getroffene Entscheidung des Beklagten, den Kläger als Geschäftsführer der GmbH in Anspruch zu nehmen, nicht ermessensfehlerhaft.

Im Rahmen des Erschließungsermessens kann zwar ausnahmsweise auch ein Mitverschulden des Finanzamts bei der Realisierung der Steueransprüche gegen den Steuerschuldner zu berücksichtigen sein. Dies ist nach der Rechtsprechung des BFH, der sich das Gericht anschließt, dann geboten, wenn der Finanzbehörde eine besonders grobe oder vorsätzliche Pflichtverletzung zur Last fällt und das eigene Verschulden des Haftungsschuldners nur gering ist und dahinter zurücktritt (vgl. BFH-Beschluss vom 2. Juli 2002 VII B 345/00, BFH/NV 2002, 4 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind vorliegend aber nicht gegeben. Insoweit geht der Kläger rechtsirrig davon aus, dass ein Mitverschulden darin liege, dass das Finanzamt es zu Unrecht unterlassen habe, selbst einen Konkursantrag gegen die GmbH zu stellen. Denn das Finanzamt ist grundsätzlich nicht dazu verpflichtet, im Wege eines gegen die Gesellschaft selbst gestellten eigenen Konkursantrags, der mit Risiken hinsichtlich Kosten und Ausgang eines solchen Verfahrens behaftet ist, die Durchsetzung des Steueranspruchs zu betreiben, bevor es den Geschäftsführer in die Haftung nimmt. Auch musste das Finanzamt nicht vor bzw. statt der Haftungsinanspruchnahme des Klägers den streitigen Lohnsteueranspruch zur Konkurstabelle anmelden.

Denn das Finanzamt handelt nach der Rechtsprechung des BFH selbst dann ohne (auch anteiliges) Mitverschulden, wenn es bereits eingezogene Beträge für die Konkursmasse freigibt bzw. an diese auszahlt (vgl. BFH-Urteil vom 12. März 1985 VII R 22/84, BFH/NV 1987, 227) oder aber für einen längeren Zeitraum andere Vollstreckungsmaßnahmen oder andere Beitreibungsmaßnahmen unterlässt (vgl. BFH-Beschluss vom 21. Januar 1986 VII S 30/85, BFH/NV 1986, 518; BFH-Beschluss vom 11. Mai 2000 VII B 217/99, BFH/NV 2000, 1442).

Aber selbst wenn man die Handlungsweise des Beklagten als pflichtwidrig ansehen würde, könnte darin vorliegend zumindest keine besonders grobe oder vorsätzliche Pflichtverletzung gesehen werden, die die beim Kläger durch vorstehende Gründe festgestellte grobe Pflichtverletzung bei weitem überwiegen würde. Hinzu kommt, dass der Kläger auch nicht dargelegt und nachgewiesen hat, dass eine Anmeldung der Steuerforderung zur Konkurstabelle zur Befriedigung des Finanzamtes hätte führen können.

Weil die Klage danach insgesamt unbegründet ist, folgt die Kostenentscheidung aus
§ 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht gegeben sind.

RechtsgebietAOVorschriften§ 5 AO, § 34 AO, § 69 AO, § 191 Abs. 1 AO

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