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02.02.2006 · IWW-Abrufnummer 060217

Landgericht Siegen: Urteil vom 25.07.2005 – 3 S 43/05

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


3 S 43/05 LG Siegen
25 C 1113/04 AG Olpe

Verkündet am 25.7.2005

LANDGERICHT SIEGEN

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

hat die 3. Zivilkammer des Landgerichts Siegen auf die mündliche Verhandlung vom 27. Juni 2005 durch die Richterinnen am Landgericht C, S und K für R e c h t erkannt:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 1. Februar 2005 verkündete Urteil des Amtsgerichts Olpe ? 25 C 1113/04 - abgeändert.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte dem Kläger aus der Kaskoversicherung mit der Versicherungsnummer 710/30/#####/#### Versicherungsschutz für das Schadensereignis vom 25. April 2004 auf dem ADAC Verkehrsübungspark in ####1 P zu gewähren hat.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

GRÜNDE:

I

Auf die tatsächlichen Feststellungen des amtsgerichtlichen Urteils wird gemäß § 540 Abs.1 S.1 Nr.1 ZPO Bezug genommen.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte sei gemäß § 2b Abs.1, 2 AKB von ihrer Leistung befreit. Der Verkehrsübungsplatz sei im Rechtssinn als öffentlicher Weg und Platz anzusehen. Er sei durchaus mit einem Parkhaus zu vergleichen, das von der Rechtsprechung während der Öffnungszeiten als dem öffentlichen Verkehr dienend anerkannt sei. Es handele sich um eine Verkehrsfläche, die einer beliebigen Anzahl von Teilnehmern zur Verfügung stehe, so dass die Benutzung entsprechend risikoreich sei.

In der Berufung wiederholen die Parteien ihre erstinstanzlichen Ausführungen und vertiefen sie. Übereinstimmend tragen sie darüber hinaus vor, dass in dem Benutzungsentgelt für den Verkehrsübungsplatz die Prämie für eine gesonderte Haftpflichtversicherung enthalten sei. Diese Versicherung tritt ein, wenn es bei der Benutzung des Verkehrsübungsplatzes zu einer Schädigung Dritter kommt.

Der Kläger trägt vor: Diese zusätzliche Haftpflichtversicherung werde abgeschlossen, damit der Benutzer des Verkehrsübungsplatzes im Schadensfalle nicht der Gefahr ausgesetzt sei, durch Inanspruchnahme der ohnehin bestehenden Pkw-Haftpflichtversicherung einen Höherstufungsschaden zu erleiden. Der Abschluss einer zusätzlichen Haftpflichtversicherung bei Entrichtung des Benutzungsentgeltes erfolge nicht, weil die ohnehin bestehende Pkw-Haftpflichtversicherung im Schadensfalle nicht einstandspflichtig sei.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Amtsgerichts Olpe abzuändern und festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm aus der Kaskoversicherung mit der Versicherungsscheinnummer 710/30/#####/#### Versicherungsschutz für das Schadensereignis vom 25.04.2004 auf dem ADAC-Verkehrsübungspark in ####1 P zu gewähren.
.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor, durch den Abschluss einer gesonderten Haftpflichtversicherung sei für jeden Benutzer des Verkehrsübungsplatzes erkennbar, dass die Benutzung des Platzes nicht vom allgemeinen Versicherungsschutz gedeckt sei.

II

1.
Die Berufung ist zulässig.
Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die Berufungsbegründung genügt den Anforderungen des § 520 Abs.3 S.2 ZPO. Der erforderliche Wert der Beschwer ist erreicht. Der Kläger gibt unbestritten an, der Schadensumfang habe eine Größenordnung von ca. 4.000,- ?.

2.
Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg.
Die vom Kläger erhobene Feststellungsklage ist zulässig und begründet.

a)
Die Feststellungsklage ist zulässig.
Insbesondere liegen die Voraussetzungen des § 256 Abs.1 ZPO vor. In den Fällen, in denen dem Kläger eine Bezifferung der Schadenshöhe noch nicht möglich ist, steht der Weg der Feststellungsklage offen. Der Kläger hat ein Interesse an der Feststellung der Einstandspflicht. Er ist nicht gehalten, zunächst ? mit weiteren Kosten - ein Gutachten oder einen Kostenvoranschlag einzuholen, um dann den Schaden beziffern und eine Leistungsklage anstrengen zu können. So ist es auch im vorliegenden Fall. Der Kläger hat bislang kein Gutachten oder einen Kostenvoranschlag hinsichtlich der an seinem Pkw entstandenen Schäden eingeholt.

b)
Die Feststellungsklage ist auch begründet.

Die Beklagte ist aus § 1 Abs.1 S.1 VVG verpflichtet, dem Kläger den Schaden zu ersetzen, der an seinem Pkw durch den Vorfall auf dem Verkehrsübungsplatz entstanden ist.
Der am Pkw des Klägers entstandene Schaden ist durch den bestehenden Versicherungsvertrag abgedeckt. Zwar sagt es keine der Parteien ausdrücklich, aus dem Gesamtsinn des Vortrages ergibt sich aber, dass der Beklagte für seinen Pkw eine Vollkaskoversicherung abgeschlossen hat. Eine Vollkaskoversicherung deckt ? im Gegensatz zur Teilkaskoversicherung ? auch durch den jeweiligen Fahrzeugführer herbeigeführte Schäden wie den vorliegenden ab, die bei der Benutzung des versicherten Fahrzeuges entstehen.

Die Beklagte ist nicht wegen einer Obliegenheitsverletzung des Klägers gemäß § 2b Abs.2 AKB von der Einstandspflicht befreit. Der Kläger hat nicht die Obliegenheit des § 2b Abs.1 c AKB verletzt.
Zwar spricht vieles für die Richtigkeit der Argumentation des Amtsgerichts, die Einstufung eines Verkehrsübungsplatzes als öffentlichen Weg oder Platz unter Heranziehung der Rechtsprechung zu Parkhäusern und Parkplätzen, die nur gegen Entrichtung eines Entgelts benutzt werden können, zu bejahen. Der Betreiber des Verkehrsübungsplatzes stellt diesen für Benutzer zur Verfügung, die den Eintrittspreis bezahlen. Mit Ausnahme eines Mindestalters von 16 Jahren werden ansonsten keinerlei Einschränkungen des Benutzerkreises vorgenommen. Diese Umstände könnten dafür sprechen, dass ein Verkehrsübungsplatz in grundsätzlich genau dem gleichen Sinn der Allgemeinheit zur Verfügung steht wie ein kostenpflichtiger Parkplatz oder ein kostenpflichtiges Parkhaus und damit ein öffentlicher Platz im Sinne des § 2b Abs.1 c AKB ist.
Die Frage der Öffentlichkeit des Verkehrsübungsplatzes allein reicht aber nicht aus, um die Voraussetzungen einer Verletzung der Obliegenheit des § 2b Abs.1 c AKB zu bejahen. Denn weiter wäre für eine Obliegenheitsverletzung erforderlich, dass es sich um einen öffentlichen Platz handelt, für dessen Benutzung eine Fahrerlaubnis vorgeschrieben ist. Das ist aber bei Verkehrsübungsplätzen gerade nicht der Fall. Verkehrsübungsplätze dienen ihrem Sinn und Zweck nach gerade auch solchen Personen, die noch keine Fahrerlaubnis haben, dazu, praktische Übung auch ohne Begleitung eines autorisierten Fahrlehrers, nur in Begleitung eines Fahrerlaubnisinhabers zu erwerben und zu sammeln. Genau für diesen Bereich sind sie von ihren Betreibern jedenfalls mit vorgesehen, so dass die maßgebliche Widmung selbst bei der Bejahung des öffentlichen Charakters des Verkehrsübungsplatzes nicht auf den Kreis der Personen mit Fahrerlaubnis beschränkt ist. Genau diese allgemein bekannte und anerkannte Möglichkeit der Verkehrsübungsplätze haben die Tochter des Klägers und dieser bei dem Besuch des Platzes am 25. April 2005 in Anspruch genommen.
Bei einem Verkehrsübungsplatz handelt es sich demnach zwar ? möglicherweise ? um einen öffentlichen Platz (offen gelassen ebenfalls in LG Stuttgart NJW-RR 1987, 986, 986), aber nicht um einen Platz, für dessen Benutzung eine Fahrerlaubnis vorgeschrieben ist. Damit liegen die Voraussetzungen einer Verletzung der Obliegenheit des § 2b Abs.1 c AKB nicht vor.

Im übrigen ist folgendes zu bedenken:
Die Bestimmungen der AKB sind allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 305 Abs.1 BGB (bis 31.12.2001: § 1 AGBG). Nach der Regelung des § 305c Abs.2 BGB (bis 31.12.2001: § 5 AGBG) gehen Zweifel bei der Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingungen zu Lasten des Verwenders; im Fall der AKB gehen Zweifel bei der Auslegung also zu Lasten des jeweiligen Versicherers, hier der Beklagten. Aus den oben genannten Gründen ist schon zweifelhaft, ob ein Verkehrsübungsplatz überhaupt als ?öffentlicher Platz? im Sinne des § 2b Abs.1 c AKB angesehen werden kann. Dieser Zweifel geht zu Lasten der Beklagten.
Darüber hinaus ist der Sinn und Zweck der Vorschrift des § 305c Abs.1 BGB (bis 31.12.2001: § 3 AGBG) zu bedenken. Ein Versicherungsnehmer, der eine Vollkaskoversicherung für einen Pkw abschließt, schließt diese Versicherung ab, um weitestgehend gegen das Risiko abgesichert zu sein, Schäden am eigenen Pkw selbst tragen zu müssen. Dabei ist allgemein bekannt und wird vom Versicherungsnehmer ohne weiteres unterstellt, dass hiervon auch Schäden abgedeckt sind, die bei erlaubter und allgemein üblicher Fahrzeugbenutzung selbst verschuldet werden, z.B. bei selbst verschuldeten Unfällen. Die Benutzung eines Verkehrsübungsplatzes durch Personen, die (noch) keine Fahrerlaubnis haben, in Begleitung des Inhabers einer Fahrerlaubnis ist als Möglichkeit zur Erlangung von Fahrpraxis allgemein bekannt und beliebt; sie wird häufig in Anspruch genommen. Wenn bei solchen Fahrten entstandene Schäden vom Schutz der Vollkaskoversicherung nicht abgedeckt sein sollten, müsste der Versicherer dies in den allgemeinen Versicherungsbedingungen oder in sonstiger Weise zweifelsfrei verdeutlichen. Das ist jedoch durch die Regelung des § 2b Abs.1 c AKB aus den oben genannten Gründen nicht der Fall.

Angesichts dieser Umstände kann sich die Beklagte auch nicht mit Erfolg auf die durch das Benutzungsentgelt abgeschlossene Sonderhaftpflichtversicherung berufen. Denn es ist Sache des Versicherers, eine etwaige Begrenzung des Umfangs des Versicherungsschutzes klarzustellen. Der Versicherer kann sich insoweit nicht auf Angebote von Dritten berufen.

Die Vorschrift des § 61 VVG schließt eine Eintrittspflicht der Beklagten ebenfalls nicht aus.
Die insoweit nach allgemeinen Grundsätzen darlegungsbelastete Beklagte hat keine Umstände vorgetragen, aus denen sich eine grob fahrlässige oder gar vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalles durch den Kläger herleiten ließe. Dass der Kläger seiner Tochter den versicherten Pkw für eine Benutzung des Verkehrsübungsplatzes in seiner Begleitung zur Verfügung gestellt hat, begründet keine grobe Fahrlässigkeit. Denn die Benutzung eines Verkehrsübungsplatzes erfolgt unter kontrollierten Bedingungen und lässt sich deswegen mit der Teilnahme am allgemeinen Straßenverkehr nicht vergleichen.

3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs.1 S.1, 1. HS ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs.2 S.1 ZPO liegen vor. Die Frage der Eintrittspflicht der Vollkaskoversicherung für Schäden, die bei der Benutzung von Verkehrsübungsplätzen entstanden sind, ist bislang ? soweit ersichtlich - gerichtlich nicht geklärt. Da es sich um eine häufige Benutzung handelt, erscheint im Interesse der Versicherten und der Versicherer eine grundsätzliche Klärung erforderlich.

Vorschriften§ 1 Abs. 1 Satz 1 VVG § 2 b AKB, § 305c BGB

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