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18.01.2006 · IWW-Abrufnummer 060091

Oberlandesgericht Oldenburg: Urteil vom 01.12.2005 – 8 U 161/05

Der Statiker schuldet wie der Architekt nur eine Bauaufsicht gegenüber dem Bauherrn und nicht gegenüber dem Bauunternehmer.

OLG Oldenburg, Urteil vom 01.12.2005 - 8 U 161/05


in dem Rechtsstreit

...

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg auf die mündliche Verhandlung vom 24. November 2005 durch die Richter Dr. H., Dr. M. und W.

für Recht erkannt:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 29. April 2005 verkündete Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Wert der Beschwer übersteigt nicht 20.000 ?.

Gründe:

I.

Im Jahre 1997 fertigte der Beklagte die Bauantragsunterlagen und die Statik für den Bau einer Garage auf dem Grundstück "W. Straße 162, G." im Auftrag der Bauherrin. Gebaut wurde die Garage durch den Versicherungsnehmer der Klägerin B., der dem Beklagten - der mit der Bauleitung nicht beauftragt war - mitgeteilt hatte, dass das Dachgeschoss der Garage möglicherweise noch bebaut werden solle. Die Statik des Beklagten sah vor, dass Balken mit einem Querschnitt von 12/22 als Durchlaufbalken in einem Abstand von 0,65 m mit einer Reserve von 25% für Tragfähigkeit und 10% für Durchbiegung vorhanden waren. Hingegen baute B. keine Durchlaufbalken ein, sondern gestoßene Balken.

Ein Jahr später ließ die Bauherrin das Dachgeschoss der Garage um weitere Wohnräume aufstocken. Der Beklagte war auch hier wieder ohne Bauleitungsaufgaben mit dem Planungsentwurf einschließlich der Statik beauftragt. B. war erneut Bauunternehmer der Rohbauarbeiten. Der Beklagte legte seinen statischen Berechnungen zugrunde, dass seine Ursprungsplanungen 1997 zur Ausführung gelangten. Allerdings reduzierte er die Tragfähigkeit von 3,4 kN auf 2,5 kN pro Quadratmeter, weil zwischenzeitlich in der Garage Abstellräume gebaut worden waren, in denen der Beklagte eine zusätzliche Stütze sah. Den Einbau der gestoßenen Balken berücksichtigte er nicht, da ihm diese nicht bekannt gegeben worden waren.

Unmittelbar nach Bezug der Räume kam es zu einem Abreißen der dauerelastischen Fugen und zu einem Reißen des Bodenbelages, einhergehend mit einer tiefen, z. T. mehrere Zentimeter starken Absenkung des fertigen Fußbodens (Estrichs) in der Wohnung über der Garage. Die Nachbesserung wurde vergeblich versucht

Daraufhin strengte die Bauherrin beim Amtsgericht I. ein selbständiges Beweisverfahren gegen den Bauunternehmer B. und gegen den Beklagten zur Ermittlung der Ursachen der Bodenverwerfungen, der Haftungsanteile von B. und des Beklagten sowie zur Art und zu den Kosten einer Mängelbeseitigung an. Der Sachverständige G. stellte in seinem Gutachten als Ursache für das Absacken des Bodens statische Fehlannahmen des Beklagten und eine nicht handwerkliche Ausführung der statischen Vorgaben fest.

Die Klägerin zahlte als Haftpflichtversicherer des Bauunternehmers B. an die Bauherrin zur Beseitigung der Mängel insgesamt 23.336,25 ?. Hiervon verlangt sie im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs vorn Beklagten 40% ersetzt.

Der Einzelrichter der 5. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück hat den Beklagten nach Beweiserhebung mit seinem am 29.04.2005 verkündeten Urteil zur Zahlung von 7.934,33 ? verurteilt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Entscheidungsgründe des Urteils Bezug genommen.

Mit seiner Berufung gegen das Urteil macht der Beklagte eine Rechtsverletzung nach § 546 ZPO geltend.

Er trägt vor:

Er sei bei der streitgegenständlichen Baumaßnahme nicht als Architekt tätig gewesen. Weder habe er die Bauleitung noch die Bauaufsicht gehabt; - darauf habe er nicht einmal Einfluss gehabt. Die Bauherrin habe seine schriftliche Statik am Tag ihrer Erstellung abgeholt und sofort wie vereinbart mit pauschal unter 1.000,- DM bezahlt. Damit seien seine Tätigkeit und sein Auftrag beendet gewesen. Das Bauvorhaben sei nach der NBauO für die Statik genehmigungsfrei gewesen, die Bauherrin habe nur die Erklärung benötigt, dass eine Statik gefertigt worden sei. Zu den vom Bauunternehmer B. eigenmächtig vorgenommenen Abweichungen von seiner Statik 1997 hinsichtlich der gestoßenen und reduzierten Balken sei er nicht befragt worden, auch nicht zu den gegenüber den Lastannahmen der Statik 1998 erheblich erhöhten Lasten. Sein Auftrag sei nicht so weit gegangen, von sich aus zu überprüfen, ob der Bauunternehmer sich an seine statischen Vorgaben aus dem Vorjahr richte.

Der Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie macht sich den Inhalt der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils zu eigen und wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der vorgetragenen und gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten führt in der Sache zum Erfolg.

Die angefochtene Entscheidung beruht auf einer Rechtsverletzung im Sinne der §§ 513, 546 ZPO.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 BGB aus gemäß § 67 WG übergegangenem Recht des Bauunternehmers B. Denn der Beklagte hatte in seiner Funktion als von der Bauherrin beauftragter Statiker keine Pflichtverletzung begangen. Die Pflichtverletzung aber wäre Voraussetzung für die Anwendung des § 426 Abs. 1 BGB (vgl. BGH, NJW 1965, 1175, 1176).

Während das Landgericht die Pflichtverletzung des Bauunternehmers B. zutreffend festgestellt hat (B. hatte die statischen Vorgaben des Beklagten nicht handwerksgerecht umgesetzt, indem er auf dem Unterzug keine durchlaufenden, sondern gestoßene Balken gesetzt hatte), hat der Beklagte entgegen der Ansicht des Landgerichts keine Pflichten verletzt. Zu Unrecht hat das Landgericht seine Auffassung auf das mündlich erstattete Gutachten des Sachverständigen G. gestützt, der ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 19.04.2005 u.a. ausgeführt hat: "Meines Erachtens liegt der Fehler des Beklagten darin, dass er in seinen statischen Berechnungen keine Hinweise auf die konkrete Ausführung des Aufbaus gemacht hatte. Meines Erachtens hätte er mitteilen müssen, welche Materialien nur verwandt werden durften, damit seine Berechnungen tragfähig gewesen waren. Dies ist nicht erfolgt und stellt insoweit meines Erachtens einen Fehler dar. Meines Erachtens hätte der Beklagte nachfragen müssen, ob seine Ursprungsstatik aus dem Jahr 1997 tatsächlich auch so zur Ausführung gekommen ist. Spätestens hätte dies erfolgen müssen, als die Rundstütze um Erdgeschoss eingebaut worden ist. Meines Erachtens hätte der Beklagte - das wäre jedenfalls der übliche Blick gewesen - bei Erstellung der zweiten Statik sich vergewissern müssen, ob die erste Statik auch tatsächlich zur Ausführung gelangt ist ... Meines Erachtens hätte ein Statiker auch sehen müssen, dass keine durchlaufenden Balken eingezogen worden waren, als die Balkenlage noch offen lag. Das war zum Zeitpunkt des Einbaus der Stütze im Dachgeschoss. Meines Erachtens ergibt sich aus den Baugenehmigungsunterlagen, dass auch ein Fliesenbelag vorgesehen war, der von vornherein eine größere Belastung bringt."

Die Versäumnisse, die der Sachverständige G. dem Beklagten anlastet, wären nur dann eine Pflichtverletzung, wenn der Beklagte Architekt gewesen wäre. Der mit der Planung beauftragte Architekt muss in der Tat dem ausführenden Unternehmer besonders schadensträchtige Details in einer jedes Risiko ausschließenden Weise verdeutlichen (BGH, NZBau 2000, 433). Unstreitig war der Beklagte jedoch nicht als Architekt tätig geworden. Er hatte weder die Bauleitung noch die Bauaufsicht. Auf Bauleitung und Bauaufsicht hatte er keinen Einfluss. Seine Aufgabe war es, die Entwurfsunterlagen für die Baugenehmigung und die Statik als Grundlage des Bauantrags für das im Übrigen genehmigungsfreie Bauvorhaben am Schreibtisch zu fertigen. Die endgültige Ausgestaltung des Bauvorhabens war zu jenem Zeitpunkt noch offen - die Bauherrin hatte nur ungefähre Vorstellungen. Nur in diesem eingeschränkten Umfang war der Beklagte beauftragt worden. Die Bauherrin hatte seine schriftliche Statik am Tag ihrer Erstellung abgeholt und. sofort bezahlt. Damit waren die Tätigkeit des Beklagten und sein Auftrag beendet. Das genaue Aussehen des endgültigen Gebäudes wollte die Bauherrin mit dem Bauunternehmer B. besprechen.

Auf der Grundlage eines solchen Auftrags war der Beklagte nicht verpflichtet, in seiner Statik u.a. die hier den Schaden auslösende Belagsart Fliesen auszuschließen, falls der Bauunternehmer B. seine statischen Vorgaben nicht handwerksgerecht umsetzen und statt der von ihm vorgegebenen durchlaufenden lediglich gestoßene Balken setzen würde. Nur der bewusste Verstoß des Bauunternehmers gegen die statischen Vorgaben des Beklagten (es hatte ein Kran gefehlt, der zum Einbau der in der Statik vorgesehenen Balken erforderlich gewesen wäre) hatte zur starken Absenkung des Fußbodens in der Wohnung über der Garage geführt und damit einhergehend zum Reißen der dauerelastischen Fugen und des Bodenbelags geführt. Demgegenüber wären ausweislich der Feststellungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. E. die statischen Vorgaben des Beklagten ausreichend gewesen, wenn die Balkenlage so zur Ausführung gelangt wäre, wie sie vom Beklagten geplant war. Einen möglichen Verstoß des Bauunternehmers gegen seine Vorgaben brauchte der Beklagte in seiner Statik nicht zu berücksichtigen, zumal er nicht beauftragt worden war, den Bauunternehmer anzuleiten oder zu beaufsichtigen.

Aus dem Umstand, dass der Beklagte auf der Baustelle gewesen war und die gestoßenen Balken hätte sehen können, ergibt sich noch keine seine Haftung begründende Pflichtverletzung. Unstreitig war er vorn Bauunternehmer B. nicht auf dessen Verstoß gegen die Statik hingewiesen worden. Vor diesem Hintergrund lässt sich nicht feststellen, dass der Beklagte von sich aus auf die gestoßenen Balken hatte aufmerksam werden können. Aber selbst, wenn dies der Fall gewesen sein sollte, entfällt seine Haftung im Innenverhältnis zum Bauunternehmer B. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kann die Prüfung der beiderseitigen Haftungsanteile im Innenverhältnis zwischen dein Architekten und dem Bauunternehmer zu dem Ergebnis führen, dass der Architekt gegenüber dem Bauunternehmer von der Haftung gänzlich frei ist, wenn der Mangel auf ein Verschulden des Bauunternehmers bei der Herstellung des Bauwerks zurückzufahren ist und wenn der Architekt nur seine Aufsichtspflichten verletzt hat (vgl. NJW 1965, 1175, 1176). Vorliegend hatte der Beklagte nicht einmal die Pflicht zur Aufsicht übernommen, während der Bauunternehmer B. vorsätzlich von den eindeutigen statischen Vorgaben des Beklagten abgewichen war und die Folgen bewusst fahrlässig heraufbeschworen hatte. Bs. eigenmächtiges Abweichen von der Statik ohne Rücksprache mit dem Beklagten rechtfertigt im Innenverhältnis eine Freistellung des Beklagten gegenüber dem Bauunternehmer. Denn ein möglicherweise leichtfahrlässig unterbliebener Hinweis des Statikers im Rahmen einer etwaigen Nebenpflicht zum Statikervertrag fällt im Innenverhältnis zum Bauunternehmer gegenüber dessen bewussten Verstoß gegen die ihm eindeutig gesetzten Vorgaben der Statik nicht ins Gewicht.

Nach allem haftet der Beklagte im Rahmen des Gesamtschuldnerausgleichs zwischen ihm und dem Bauunternehmer B. unter keinem in Betracht zu ziehenden Gesichtspunkt.

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713, 26 Nr. 8 EGZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

RechtsgebietBGBVorschriftenBGB § 426

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