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09.01.2006 · IWW-Abrufnummer 060006

Finanzgericht Niedersachsen: Urteil vom 27.09.2005 – 3 K 717/04

Neben § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG ist eine weitere Privatentnahme für Fahrten bei anderen Einkunftsarten nicht möglich.


Tatbestand

Streitig ist, ob bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb des Klägers neben den Entnahmen für die private Nutzung eines Kfz i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG (Einkommensteuergesetz) (sog. 1 % Regelung) auch noch eine Privatentnahme wegen der Nutzung des betrieblichen Pkw`s für Fahrten des Klägers, die als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit zu erfassen sind, zu berücksichtigen ist.

Der Kläger erzielt Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit als Prokurist. Diesbezüglich fährt er arbeitstäglich von seinem Wohnsitz in B. nach W. In seiner Einkommensteuererklärung hat er hier Werbungskosten nach den geltenden Pauschbeträgen für Fahrten Wohnung/ Arbeitsstätte geltend gemacht. Weiterhin erzielt er Einkünfte aus Gewerbebetrieb, indem er in Räumlichkeiten seiner Ehefrau (Klägerin) die sich in L. befindet, eine Schankwirtschaft betreibt. Im Streitjahr hat er zwei im Betriebsvermögen befindliche PKW genutzt. In der Gewinnermittlung hat er eine Entnahme für die private Nutzung dieser Kfz, die er dem Betriebsvermögen zugeordnet hat, gem. § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 ff EStG nach der sogenannten 1 %-Regelung erfasst.

Im Rahmen einer Betriebsprüfung wurde durch den Beklagten neben der 1 % Regelung nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG eine Privatentnahme für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in W. erfasst, und der Gewinn entsprechend erhöht. Die weitere Privatentnahme wurde nach dem Verhältnis der auf die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte entfallenen Kilometer im Verhältnis zur Gesamtfahrleistung und den tatsächlichen Kosten berechnet. Demnach entfielen im Streitjahr 48,80 % der Fahrleistung auf die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte.

Der Kläger macht geltend, dass neben der Privatentnahme nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 1 EStG eine weitere Entnahme nicht anzusetzen sei. Diese stehe weder mit dem Einkommensteuergesetz noch mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Einklang. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG sei eine vereinfachte Bewertung der privaten Nutzung des betrieblichen Kfz`s mit der 1 %-Methode bezweckt worden. Hierbei handele es sich um eine grundsätzlich zwingende grobtypisierende und pauschalierende Bewertungsregelung die auch als verfassungsgemäß angesehen werde. Diese Vorschrift regele den Wertansatz für die private Nutzung eines betrieblichen Kfz abschließend.

Nach der Verfügung der OFD Frankfurt vom 23.12.1998 (S 2145 A-15-S-II 20) seien sämtliche Privatfahrten abgegolten. Auch nach der Verfügung der OFD Erfurt vom 27. Januar 1999 (S 2177 A-01-St 324) seien durch die 1 %-Regelung alle nicht für den Arbeitgeber ausgeführten Fahrten abgegolten. Es seien auch sämtliche andere Aufwendungen z. B. Unfallkosten abgegolten.

Auch bei der Führung von Fahrtenbüchern für die Erfassung des Privatanteils der Kfz-Kosten werde nach der einschlägigen Verwaltungsanweisung nur zwischen betrieblichen und privaten Fahrten unterschieden, nicht auch zwischen privaten Fahrten und solchen im Zusammenhang mit anderen Einkunftsarten.

Der Beklagte macht geltend, dass durch die sog. 1 %-Regelung nicht sämtliche betriebsfremden Nutzungen abgegolten seien. § 4 Abs. 5 Nr. 6 EStG erfasse nur Fahrten Wohnung-Betriebsstätte. Dies habe zur Folge, dass die Fahrten Wohnung-Arbeitsstätte nicht abgegolten seien. Die 1 % Regelung betreffe vielmehr nur Fahrten, die von der jeweiligen Einkunftsart erfasst seien bzw. reine Privatfahrten darstellten. Insoweit liege eine Lücke im Gesetz vor. Zudem sei zu berücksichtigen, dass der Kläger bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit auch Werbungskosten für die Fahrten Wohnung-Arbeitsstätte geltend gemacht habe. Die von ihm vertretene Auffassung stünde auch in Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung der Oberfinanzdirektion Hannover (S 2227-323-StH221). Die vom Klägervertreter zitierten Verfügungen seien zur Behandlung von Unfallkosten ergangen und hier nicht einschlägig.

Entscheidungsgründe/Gründe

1. Der Beklagte hat zu Unrecht neben der Privatentnahme nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 ff EStG eine weitere Privatentnahme für die Fahrten Wohnung/Arbeitsstätte der Besteuerung unterworfen.

a. Nach §§ 4 Abs. 1 S. 2, 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 1 EStG sind Entnahmen der Steuerpflichtigen für sich, ihren Haushalt oder für andere betriebsfremde Zwecke mit dem Teilwert anzusetzen. Für die private Nutzung eines Kraftfahrzeugs wird gem. § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG für jeden Monat ein Betrag i.H.v. 1 v.H. des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der ersten Zulassung angesetzt. Der Begriff des Betriebs wird zwar nicht einheitlich beurteilt, er umfasst in seiner weitesten Form jedoch nur sämtliche Gewinneinkunftsarten i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 ? 3 EStG (vgl. hierzu Schmidt/Heinicke § 4 EStG, Rn. 25). Sofern ein betriebliches Fahrzeug auch für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte genutzt wird, so dürfen die Aufwendungen diesbezüglich für jeden Kalendermonat 0,03 v.H. des Listenpreises i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 4 S.2 EStG für jeden Kilometer des Entfernung zwischen Wohnung und Betriebsstätte nicht übersteigen (§ 4 Abs. 5 Nr. 6 S. 3 EStG). Betriebsstätte i.S. des § 4 Abs. 5 Nr. 6 EStG ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH der Ort, an dem die beruflichen oder gewerblichen Leistungen erbracht werden, die den steuerbaren Einkünften zugrunde liegen (Beschluss des BFH vom 20.10.2000 IV B 41/00, juris). Ausgehend vom obigen Betriebsbegriff und der einschlägigen BFH-Rechtsprechung erstreckt sich dieser Begriff jedoch auf die jeweilige Einkunftsart, in der die Aufwendungen anfallen (Beschluss des BFH vom 20.10.200 IV B 41/00, a.a.O.; Urteil des BFH vom 13.07.1989 IV R 55/88, BStBl II 1990, 23; Urteil des BFH vom 19.09.1990 X R 110/88, BStBl II 1991, 208; Urteil des BFH vom 31.07.1996 XI R 5/95, BFH/NV 1997, 291).

Bei der Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2,3 EStG handelt es um eine Typisierung des Gesetzgebers, die verfassungsgemäß ist (Urteile des BFH vom 24.02.2000 III R 59/98, BStBl II 2000, 273; vom 13.02.2003 X R 23/01, BStBl II 2003, 472). Nach der Auffassung des Gesetzgebers stellt diese Regelung, neben der Möglichkeit die Privatfahrten durch Fahrtenbuch nachzuweisen, den ausschließlichen Bewertungsmaßstab für die private Nutzung des Kfz ohne Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte dar (BT-Drs 13/1686 vom 13.06.1995, Bl 9).

b. Nach dem Wortlaut des § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 1 EStG sind Entnahmen für alle betriebsfremden Zwecke gewinnerhöhend zu erfassen. Nach dem o.g. Betriebsbegriff sind auch Aufwendungen für Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i.S.d. §§ 2 Abs. 1 Nr. 4, 19 EStG betriebsfremd, da es sich bei dieser Einkunftsart nicht um eine Gewinneinkunftsart handelt. Im Bereich Einkunftsarten, in denen der Gewinn zu ermitteln ist, wird für sämtliche relevanten Bereiche nur zwischen einer betrieblichen und einer privaten Veranlassung bzw. Zuordnung unterschieden. Einen dritten Bereich, der die Einkunftsarten i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 4 ? 7 EStG umfasst, gibt es dort nicht. Im Bereich der Entnahme von Geldern sind z.B. auch unzweifelhaft die Bezahlungen von Rechnungen, die dem Bereich der Vermietung und Verpachtung zuzuordnen sind, als Privatentnahme zu erfassen, weil sie einem betriebsfremden Zweck dienen. Da der Gesetzgeber in § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2ff EStG auch keine weitere Eingrenzung hinsichtlich des Begriffes ?private Nutzung? vorgenommen hat, ist von der allgemeinen Abgrenzung auszugehen. Dies bedeutet, dass es sich insoweit hier um eine abschließende Regelung handelt, von der auch Aufwendungen im Zusammenhang mit den Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 Nr. 4 ? 7 EStG erfasst sind. Wie die Kläger zu Rechts ausführen, verlangt auch die Finanzverwaltung bei der Führung eines Fahrtenbuches für betriebliche Kfz keine weitere Differenzierung der Privatfahrten, um diese mit den Werbungskosten der anderen Einkunftsarten abgleichen zu können.

Die Tatsache, dass der Kläger bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit noch die Pauschbeträge für die Fahrten Wohnung/Arbeitsstätte gem. § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG geltend machen kann, steht dem o.g. Ergebnis nicht entgegen. Der Gesetzgeber hat bei der Einführung dieser Regelung davon abgesehen, den Werbungskostenabzug auf die tatsächlichen Aufwendungen zu begrenzen, sondern hat eine Pauschalierung getroffen. Es kann auch nicht von einer doppelten steuerlichen Berücksichtigung ausgegangen werden, da gem. § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 ff EStG bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb die gesetzlich vorgesehene Korrektur erfolgt. Zudem ist diese Regelung hinsichtlich der Höhe auch nicht auf die tatsächlichen Aufwendungen beschränkt. § 9 Abs. 1 EStG sieht keine Einschränkung des Werbungskostenabzugs auf Beträge vor, die nicht schon bei den Einkünften i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1-3 EStG erfasst sind, da davon ausgegangen wird, dass hier eine Korrektur über die Privatentnahmen erfolgt und somit ein doppelter Abzug ausgeschlossen ist. Die vom Kläger angeführten Verfügungen treffen keine ausdrückliche Regelung zur vorliegenden Streitfrage, der Auffassung der OFD Hannover wird aus den obigen Gründen nicht gefolgt.

Es ist zudem auch keine weitere Erhöhung der Privatentnahme nach § 4 Abs. 5 Nr. 6 EStG vorzunehmen. Wie sich aus dem o.g. Betriebsstättenbegriff ergibt, kann sich dieser bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb nicht auf eine ?Betriebsstätte? bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit erstrecken, da hier ein Betriebsbegriff zu berücksichtigen ist, der sich maximal auf die Gewinneinkünfte i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1-3 EStG erstreckt. Der Wortlaut des Gesetzes ist insoweit eindeutig, für eine Analogie kein Raum, da es dem Gesetzgeber vorbehalten bleibt, diese Fälle ggf. gesetzlich zu regeln.

RechtsgebietEinkommensteuerVorschriften§ 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG

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