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04.11.2005 · IWW-Abrufnummer 053116

Amtsgericht Pinneberg: Urteil vom 10.04.2003 – 68 C 310/01

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


68 C 310/01
verkündet am 2.5.2003

Amtsgericht Pinneberg

Urteil

In dem Rechtsstreit XXX

hat das Amtsgericht Pinneberg durch XXX auf die mündliche Verhandlung vom 10.4.2003 für Recht erkannt:

I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 773,03 Euro nebst 4 % Zinsen seit dem 10.2.2000 zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten dieses Rechtsstreits trägt die Beklagte.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Es bleibt der Beklagten nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach dem Urteil beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Zahlung der restlichen Vergütung für eine Vorfußoperation.

Der Kläger ist leitender Arzt der Abteilung Orthopädie und Sportmedizin der Klinik XXX Hamburg. Die Beklagte befand sich vom 07.10.1999 bis 09.10.1999 in stationärer Behandlung. In diesem Zeitraum wurde die Beklagte vom Kläger ärztlich behandelt. Er operierte die Beklagte am rechten Vor- und Mittelfuß. Die Beklagte wurde bereits 1997 wegen einer Fehlstellung am rechten Vorfuß operiert.

Im Mittelpunkt der Behandlung standen drei Osteotomien und drei Osteosynthesen im Bereich des ersten Strahls sowie am Großzehengelenk. Der KIäger rechnete diese Arbeiten dreimalig mit der Ziffer 2260 der GOÄ ab. Neben anderen Positionen berechnete der Kläger auch die Ziffern 60 GOÄ und 2381 GOÄ. lnsgesamt ergab sich ein Rechnungsbetrag in Höhe von ? 1.545,69.

Die Beklagte erkannte die genannten Ziffern nicht an. Statt der dreimaligen Anrechnung der Ziffer 2260 nahm sie eine einmalige Kostenerstattung gem. der Ziffer 2297 vor. Auf die ihr übersandte Rechnung vom 24.11.1999 zahlte die Beklagte ? 716,83. Mit Schreiben vom 09.02.2000 forderte der Kläger die Beklagte zur sofortigen Zahlung des noch ausstehenden Restbetrages auf.

Der Kläger trägt vor:
Infolge der 1997 erfolgten Operation habe die Beklagte an. einer postoperativen
Fußfehlstellung gelitten. Unabhängig von dieser Fehlstellung habe weiterhin ein sogenannter Hallux valgus gestanden. Zieloperation sei primär die Korrektur der postoperativen Fehlstellung gewesen, wobei der noch immer nicht vollständige korrigierte Hallux valgus mitkorrigiert worden sei. Die zu Erreichung des primären Zieles erfolgten drei Osteotomien einschließlich der durchgeführten Osteosynthesen des Mittelfußknochens I seien. dreimalig unter Ziffer 2260 der GOÄ abzurechnen. Die Ziffer 2297 erfasse lediglich die Osteotomie eines kleinen Röhrenknochens, nicht aber dessen Osteosynthese. Auch die Abrechnung der Ziffer 60 GOÄ sei korrekt. Zwischen dem Kläger und dem Anästhesisten habe eine präoperative Besprechung stattgefunden, die über eine routinemäßige Besprechung hinausgehe. Aufgrund der Krankheitsvorgeschichte mit erhöhten Risiken seien die Art der Blutsperre sowie weitere Einzelheiten der Operation festgelegt worden. Die Ziffer 2381 GOÄ sei anzuwenden, da der Kläger bei der Beklagten .am 2. Strahl eine einfache Hautlappenplastik in Form, einer Z-Plastik durchgeführt habe, die über einen. anatomisch rekonstruierten Wundverschluss hinausgehe. Aufgrund der besonderen Hautveränderungen und Verschwielungen am 2. Strahl sei einer derartige Hautlappenplastik erforderlich gewesen.

Unter Rücknahme der Klage in Höhe von ? 13,67 beantragt derKläger,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ? 815,19 nebst 4 % Zinsen seit dem 10.02.2000 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor:
Für die Operation könne der Kläger nur die Ziffer 2297 GOÄ berechnen. Diese beinhaltet die Operation eines Hallux valgus mittels Mittelfußosteotomie. Wenn eine Osteosynthese erfolge, dann nur, weil vorher eine Osteotomie vorgenommen worden sei. Die Osteosynthese sei nur ein Hilfs- oder Begleitverrichtung der Osteotomie. § 4 Abs. 2. a GOÄ verbiete aber die zusätzliche Berechnung derartiger Verrichtungen. Vielmehr seien durch die einschlägige Ziffer - hier 2297 - alle Maßnahmen mit abgegolten, die zur Erreichung des in der jeweiligen Ziffer beschriebenen Ziels erforderlich seien. Selbst. wenn vorliegend Ziffer 2260 einschlägig sein sollte, dürfe diese Ziffer daher allenfalls einfach in Ansatz gebracht werden.

Die Ziffer 60 GOÄ diene dem Zweck der gemeinsamen Stellung der Diagnose oder gemeinsamen Festlegung der Therapie nach vorausgehender Untersuchung des Kranken. Bei routinemäßige Besprechungen sei die Ziffer 60 nicht heranzuziehen. Vor der Operation sei es generell üblich, dass sich Operateur und Anästhesist über die bevorstehende Operation mit all ihren Risiken austauschen würden. Derartige Besprechungen würden weder den Operateur bei seiner bereits gestellten Diagnose noch die folgende Festlegung eines Therapieplanes beeinflussen. Umstände, die die eigentliche Operation erschwerten, würden nur einen erhöhten Steigerungsfaktor nach § 5 Abs. 2 GOÄ berechtigen.

Eine Hautlappenplastik sei eine Verschiebeplastik, die nur an Stellen mit verschiebbarer Haut durchgeführt werden könne, Aus dem Operationsbericht ließe sich lediglich ein anatomisch rekonstruierter Wundverschluss entnehmen. Ein solcher sei zwingend Bestandteil der Operation. Er könne aufgrund des § 4 Abs. 2 a GOÄ somit nicht gesondert nach Ziffer-2381 GOÄ berechnet werden.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen XXX insoweit wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 10.04.2003 (Blatt 168 ff. d. A.). Es hat außerdem Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Dr. Keller. Insoweit wird Bezug genommen auf das Gutachten vom 11.11.2002 (Blatt 119 ff.d.A.).

Bezüglich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien. gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.

Der Kläger hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf. Zahlung der restlichen Vergütung wegen der vorgenommenen Vorfußoperation in Höhe von ? 773,03.

In Höhe von ? 13,67 hat der Kläger die Klage zurückgenommen. In Höhe von ? 42,16 war die Klage abzuweisen.

Das Gericht geht davon aus, dass der Kläger der Beklagten nicht einen Betrag in Höhe von ? 42,16 gem. Ziffer 2381 GOÄ in Rechnung stellen darf. Der Kläger vermochte nicht zu beweisen, dass die Voraussetzungen für eine Abrechnung gem. der Ziffer 2381 GOÄ bei der. Beklagten vorlagen. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten eine Abrechnung dieser Ziffer abgelehnt. Die Ausführungen des Sachverständigen sind in sich nachvollziehbar und schlüssig. Die Parteien haben gegen .das Gutachten zur Frage 2 keine Einwände erhoben. Das Gericht folgt den Ausführungen des Sachverständigen, wonach eine Abrechnung gem. der Ziffer 2381 GOÄ nicht anrechnungsfähig ist.

Auch eine Abrechnung gem. der Ziffer 60 der GOÄ in Höhe von ? 13,67 ist dem Kläger nicht möglich. Auch insoweit hat der Kläger nicht bewiesen, dass die Voraussetzungen einer Abrechnung gem. dieser Ziffer vorlagen. Der hierzu gehörte Zeuge XXX konnte keine verwertbaren Angaben machen. Er erinnerte sich an den speziellen Fall nicht mehr. Seine Aussage war daher unergiebig. Damit vermochte der Kläger nicht zu beweisen, dass hier zwischen ihm und dem Anästhesisten eine präoperative Besprechung stattgefunden hatte, die über eine routinemäßige Besprechung hinausgegangen ist.

Der Kläger ist aber berechtigt, gem. der Ziffer 2260 dreimalig der Beklagten in Rechnung zu stellen. Die vom Kläger vorgenommenen Osteotomien einschließlich der folgenden Osteosynthesen sind nicht unter die Ziffer 2297 GOÄ, sondern jeweils unter die Ziffer 2260 GOÄ zu subsumieren. Der Kläger konnte insofern nachweisen, dass die Voraussetzungen für eine dreimalige Berechnung der Ziffer 2260 GOÄ vorliegen. Die. Voraussetzungen zur Berechnung der Ziffer 2297 sind indessen nicht gegeben. Die Ziffer 2297 GOÄ erfasst Operationen des Hallux valgus mit Gelenkkopfresektion und anschließender Gelenkplastik und/ oder Mittelfußosteotomie einschließlich der Leistungen nach den Nummern 2295 und 2296. Dass die Ziffer anzusetzen ist, wenn nicht nur eine Mittelfußosteotomie, sondern anschließend eine Osteosynthese erfolgt, lässt sich dem Wortlaut nicht entnehmen. Allerdings ergibt sich aus § 4 Abs. 2 a GOÄ ein bedingter Zusammenhang zwischen der Osteotomie und der folgenden Osteosynthese. Gemäß dieser Vorschrift kann der Arzt für Leistungen, die Bestandteile oder besondere Ausführungen einer anderen Leistung nach dem Gebührenverzeichnis sind, keine Gebühr erheben, wenn er für die andere Leistung eine Gebühr berechnet. Nach den Ausführungen des Sachverständigen werden die durchtrennten Knochen (Osteotomie) bei der von Ziffer 2297 gemeinten Methode durch einen temporären und wenig stabilen Kirschnerdraht fixiert. Unter dieser Art der Verbindung versteht man aber keine Osteosynthese. Nach der aktuellen Ausgabe des medizinischen Standart-Nachschlagewerkes (Psychrembel, 159. Aufl., 2002, S. 1.229) versteht man unter Osteosynthese ein operatives Verfahren zur schnellen Herstellung der vollen Funktionsfähigkeit frakturierter Knochen. Die Stabilisierung der Fraktur kann grundsätzlich auch durch Kirschnerdraht erfolgten. Von der Definition her erscheint diese Sicht vertretbarer als die des Sachverständigen. Liegt der Fall so, dass die Osteosynthese mittels eines simplen. Drahtes vorgenommen werden kann, stellt diese Art der Osteosynthese eine Hilfs- oder Begleitverrichtung der Osteotomie dar. Unter dieser Bedingung darf der Arzt die Osteosynthese gem. § 4 Abs. 2 a GOÄ nicht seperat berechnen. Vorliegend verwandte der Kläger jedoch Schrauben und Klammern zur Osteosynthese. Diese Verbindungsart stellt eine erhebliche aufwendigere Verbindungsart dar als die mit Kirschnerdraht. Der Einwand, der Schwierigkeitsgrad einer Ausführung sei gem. § 5 Abs. 2 GOÄ mittels Steigerungssatz zu berücksichtigen greift hinsichtlich der Ziffer 2297 nicht durch. Nähme man dies an, so läge ein Wertungswiderspruch im Verhältnis zu Ziffer 2260 GOÄ vor. Diese Ziffer weißt für die Osteotomie mit anschließender Osteosynthese einen Punktwert von 1850 auf. Die Ziffer 2297 wird indessen nur mit 1180 Punkten bewertet. Es ist nicht verständlich, weshalb eine zusätzlich durchgeführte Osteosynthese bei einem Hallux valgus .weniger Wert sein sollte als eine Osteosynthese sonstiger Röhrenknochen. Die Ziffer 2260 wurde erst 1995 eingeführt, während § 5 Abs. 2 GOÄ bereits 1965 in Kraft trat. Die Ziffer 2260 ist daher als ,,lex specialis" über § 5 Abs. 2 GOÄ zu betrachten und darf bei allen Osteosynthesen eines kleinen Röhrenknochens berechnet werden, die nicht "einfach" mittels eines Kirschnerdrahtes erfolgen. Die Voraussetzungen für die Ziffer 2260 liegen bereits nach dem Wortlaut vor. Eine dreimalige Berechnung der Ziffer 2260 GOÄ verbietet auch § 4 Abs. 2 a GOÄ nicht. Der Sachverständige hat festgestellt, dass die Operation nicht primär der Korrektur eines Hallux valgus diente. Vielmehr litt die Beklagte auch an einem Metatarsus primus elevatus, einer Fehlstellung der Gelenkfläche des ersten Mittelfußknochens, es erfolgte eine Beseitigung einer Rotationsfehlstellung, die Korrektur eines Hallux Valgus interphalangus unter anderem. Mit Ausnahme des Hallux valgus nennt die GOÄ die aufgeführten Krankheitsbilder nicht als einzelne Gebührenziffern.

Gem. § 6 Abs. 2 GOÄ sind von der GOÄ nicht genannte selbstständige Leistungen analog einer gleichwertigen Leistung des Gebührenverzeichnisses zu berechnen, wobei wiederum § 4 Abs. 2 a GOÄ zu beachten ist. Für die analoge Bewertung wird nicht der "Weg zur Leistung" (Bröck, Kommentar zur GOA § 6 Rdnr. 3), sondern das Leistungsziel gesucht. Leistungsziel war die Korrektur der komplexen Fehlstellungen des 1. Strahles. Dieses Leistungsziel wird von der GOÄ nicht aufgeführt; Eine analoge Berechnung ist daher nicht möglich. In einem solchen Fall' bleibt nur der Weg, durch die Kombination mittlerer genannter Leistungen eine Analogiebewertung zu erreichen (Baukastensystem). Erfolgen zur Errechnung des Leistungszieles drei Osteotomien einschließlich drei Ostesynthesen eines kleinen Röhrenknochens - wie z. B. des Mittelfußknochens -, ist die entsprechende Ziffer 2260 dreimalig anzuwenden.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§. 284, 286, 288. BGB a. F.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92, 269, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

RechtsgebieteMedizinrecht, AbrechnungsrechtVorschriften§ 4 Abs. 2 a GOÄ, Nr. 2260 GOÄ

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