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28.09.2005 · IWW-Abrufnummer 052729

Oberlandesgericht Thüringen: Urteil vom 08.04.2004 – 1 U 438/03

1. Bei einer Genehmigungsplanung schuldet ein Architekt eine Wohnflächenberechnung nur dann, wenn diese nach der Bauvorlagenverordnung des Landes als Genehmigungsvoraussetzung verlangt ist.


2. Eine als besondere vertragliche Leistung übernommene Erfassung des Altbestandes verpflichtet nicht zur Wohnflächenberechnung.

OLG Jena, Urteil vom 08.04.2004 - 1 U 438/03


In dem Rechtsstreit

....

hat der 1. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ####, die Richterin am Oberlandesgericht #### und den Richter am Landgericht #### aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18.03.2004 für Recht erkannt:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Gera vom 15.04.2003, Az.: 4 O 1662/00, wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Kläger zur Last.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Zu den tatsächlichen Feststellungen wird auf die Darstellung im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Der Kläger hat gegen das die Klage abweisende Urteil des Landgerichts form- und fristgerecht Berufung eingelegt. Er verfolgt das Klagebegehren weiter und trägt im Wesentlichen vor, der Beklagte habe eine zutreffende Wohnflächenberechnung geschuldet. Ihm sei die Verwendung der Pläne für Verkaufsverhandlungen bekannt gewesen. Der Beklagte hätte zumindest auf die Ungenauigkeit seiner Flächenberechnung hinweisen müssen.

Der Kläger beantragt,

1. den Beklagten unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Gera vom 15.04.2003 zu verurteilen, an ihn 50.195,04 ? nebst 8 % Zinsen aus 15.728,56 ? seit dem 04.11.1999, aus 19.287,02 ? seit dem 08.08.2000 sowie aus 15.179,45 ? seit dem 04.04.2001 zu bezahlen.

2. festzustellen, dass der Beklagte den weiteren Schaden aus der fehlerhaften Grundflächenberechnung für das Gebäude #### ## in Gera zu tragen hat.

Der Beklagte verteidigt das ihm günstige Urteil als richtig und beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat die Bauakten der ?Unteren Bauaufsichtsbehörde? der Stadt Gera, Az. B 1074/95 s, zu Beweiszwecken beigezogen.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.

1. Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch aus § 635 Abs. 1 BGB a.F.. Die Werkleistung des Beklagten war mangelfrei. Er schuldete dem Kläger aus dem Architektenvertrag keine Wohnflächenberechnung und hat für eine zweckwidrige Verwendung seiner Pläne nicht einzustehen. Hierauf hatte er keinen Einfluss.

Der Beklagte hatte gemäß Architektenvertrag vom 19.10.1995 die Genehmigungsplanung (Grundleistungen 1 bis 4) zu erstellen und dazu als Besondere Leistungen die Bestandserfassung einschließlich der Erstellung von Bestandsplänen übernommen. Weder die Grundleistungen 1 bis 4 noch die Besonderen Leistungen erfordern eine Wohnflächenberechnung.

Nach den Grundleistungen 1 bis 4 aus § 15 HOAI hat der Architekt eine Bauvorlage zu erstellen, mit welcher der Bauherr die Baugenehmigung für sein Vorhaben erlangen kann. Der notwendige Inhalt der Bauvorlage richtet sich nach der jeweiligen Landesbauordnung. Eine Wohnflächenberechnung wird jedoch nur dann geschuldet, wenn dies nach der Bauvorlagenverordnung des Landes als Genehmigungsvoraussetzung verlangt ist (Korbion in Hesse/Korbion/Mantscheff/Vygen, HOAI, 5. Auflage, § 15 Rn. 97; Locher/Koeble/Frik, HAOI, 8. Auflage, § 15, Rn. 116; Löffelmann/Fleischmann, Architektenrecht, 4. Auflage, § 15 Rn. 228; Pott/Dahlhoff/Kniffka, HOAI, 7. Auflage, § 15 Rn. 14). In den maßgeblichen §§ 1, 3 Thüringer Bauprüfverordnung ist eine Wohnflächenberechnung nicht vorgesehen, so dass aus den genannten Grundleistungen keine entsprechende Pflicht des Beklagten hergeleitet werden kann.

Auch in der als Besondere Leistung übernommenen Bestandserfassung war keine Wohnflächenberechnung vorausgesetzt. Es ist bereits fraglich, was unter dem Begriff Wohnfläche zu verstehen ist (vgl. NJW, BGH 1999, 1859f). Zudem ist die Bestandserfassung nicht mit einer Wohnflächenberechnung gleichzusetzen, da beides unterschiedlichen Zwecken dient. Die Bestanderfassung gilt dem Ist-Zustand bei Beginn der Baumaßnahme. Dagegen ist eine Wohnflächenerfassung bei einem zu sanierenden Objekt erst nach Abschluss der Sanierung angezeigt, da sich die Nutzflächen durch Änderungen des Wohnungszuschnitts und anderweitige Baumaßnahmen - wie z.B. Hinterwandinstallationen - ändern können. Eine Wohnflächenberechung ist zudem mit einem höheren Aufwand verbunden, da regelmäßig ein Aufmaß zu erstellen ist, das jede Nische und Schräge erfasst. Die Bestandsdarstellung kann demgegenüber unter Umständen aus vorhandenen Plänen entwickelt werden und als ausreichende Genehmigungsgrundlage genügen. Die Parteien haben dies ausdrücklich klargestellt mit der Klausel: ?Die maßliche Bestandsaufnahme und die Erstellung von Bestandsplänen entfallen, wenn der Auftraggeber dem Auftragnehmer Objektpläne zur Verfügung stellt, die den Modernisierungs-/Umbau-/Instandsetzungszwecken genügen?. Damit wurde ausgedrückt, dass die Qualität der Bestandspläne den beabsichtigen Bauzwecken genügen sollte - mehr nicht.

Darüber hinaus wäre eine Wohnflächenberechung besonders zu vergüten gewesen. Dies hatte der Beklagte bereits mit seinem Antwortschreiben auf die Faxanfrage des Klägers vom 14.05.1996 (Anlage B 4) klargestellt. Der Kläger ist dem nicht entgegengetreten. Daraus kann allerdings geschlossen werden, dass ihm von Anfang an klar war, mit der Bestandserfassung keine abschließende Wohnflächenberechnung zu erhalten.

Schließlich genügten die gelieferten Baudaten auch, um eine Baugenehmigung herbeizuführen. Eine im Vergleich zur Wohnflächenberechung abweichende Fläche konnte sich im Genehmigungsverfahren nicht auswirken, da diese Daten dort unerheblich waren.

Die beigezogenen Bauakten führten zu keinem anderen Ergebnis. Die angestrebte Baugenehmigung hing nicht von der Wohnfläche ab. Sie scheiterte letztlich am Denkmalschutz.

Zu Recht hat deshalb das Landgericht den Schutzzweck der Architektenpflichten auf den Genehmigungszweck begrenzt und einen Zurechnungszusammenhang zwischen eingetretenem Schaden und unterstellter Pflichtverletzung verneint (vgl. auch Saarländisches OLG, BauR 2001, 1936 f.).

2. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn dem Auftragnehmer die unbeschränkte und ungeprüfte Verwendung seiner Baudaten zum Zwecke der Kaufpreiskalkulation und der Teilungserklärungen bekannt war (vgl. Saarländische OLG, BauR 2001, 1936 f.; LG Stuttgart, BauR 1990, 496 f; Löffelmann/Fleischmann, aaO, Rn. 236; Locher/Koeble/Frik, HOAI, 8. Auflage, § 15, Rn. 116). In diesem Fall besteht eine vertragliche Nebenpflicht des Auftragnehmers, auf den eingeschränkten Verwendungszweck ausdrücklich hinzuweisen oder eine Wohnflächenberechnung zu erstellen. Ein Verstoß gegen diese Nebenpflicht kann einen Anspruch aus pVV auslösen.

Dieser Anspruch scheitert jedoch bereits an der erforderlichen Kenntnis des Beklagten. Ihm war nicht bekannt, dass die von ihm errechneten Bauzahlen unabgeändert in Verkaufsprospekte, Teilungserklärungen, in die Kaufpreiskalkulation übernommen werden und bis hin zur Abgrenzung der Eigentumsanteile in der notariellen Verträgen wirken sollten.

Der Kläger hat keine Tatsachen benannt, aus denen diese Kenntnis abgeleitet werden könnte. Dass der Beklagte von der Verkaufsabsicht wusste, war aufgrund der Art des Bauvorhabens zu vermuten. Dies bedarf keiner weiteren Beweisaufnahme, denn es war offensichtlich, dass der Kläger das renovierungsbedürftige Mietshaus nicht selbst nutzen, sondern vermarkten wollte. Die bekannte Vermarktungsabsicht des Klägers ist jedoch nicht gleichzusetzen mit dem Wissen über die konkrete Verwendung der Bestandspläne. Selbst wenn der Beklagte über den Gebrauch der Pläne für Verkaufsverhandlungen gewusst haben mag, musste er nicht davon ausgehen, dass die in den Plänen enthaltenen Baudaten als ungeprüfte Preisgrundlage in Verkaufsprospekte und notarielle Verträge eingehen sollten. Da die Pläne nur zu Bauzwecken erstellt und auch nur dementsprechend honoriert worden waren, konnte der Beklagte nicht ohne weiteres vorhersehen, welche Bedeutung der Kläger den Bauzahlen geben wollte. Es ist es auch nicht ungewöhnlich, wenn Baupläne als erste Orientierung über den Kaufgegenstand an Kaufwillige herausgegeben werden. Auf eine quadratmetergenaue Flächenangabe kommt es dabei nicht an. Soll eine bestimmte Wohnfläche verkauft werden, kann dies einem abschließenden Aufmaß vorbehalten und über eine Anpassungsklausel im Vertrag berücksichtigt werden.

Entgegen der Rechtsansicht des Klägers trifft den Architekten keine Pflicht, eine zutreffende Wohnflächenberechnung selbst dann vorzulegen, wenn die Absicht der Aufnahme der gelieferten Daten in die abzuschließenden Kaufverträge nicht konkret bekannt ist und eine solche Wohnflächenberechnung nicht ausdrücklich in Auftrag gegeben war. Aus den zitierten Entscheidungen kann dazu kein Argument gewonnen werden. In dem vom OLG München (BauR 1973, 122 ff) entschiedenen Fall war der Architekt beauftragt, ein Objekt zu erstellen, das in steuerlich begünstigte Eigentumswohnungen aufzuteilen war, wobei die steuerliche Förderung entscheidend von den Wohnflächen abhing. Derart sich aufdrängende Geschäftsgrundlagen - die steuerliche Einbindung des Architekten und die Abhängigkeit der Flächensummen von der steuerlichen Förderung - sind bei der streitgegenständlichen Wohnungssanierung nicht zu erkennen. Es ist bereits fraglich, ob der Beklagte in die steuerlichen Belange des Klägers eingebunden war. Darüber hinaus ist die im Verkaufsprospekt des Klägers (Anlage K5) angegebene Sonderabschreibung nach dem Fördergebietsgesetz an keine Quadratmeterzahl geknüpft gewesen.

In dem vom LG Stuttgart entschiedenen Fall (BauR 1990, S. 496 f.) war die Wohnflächenberechnung zum Zwecke der Preiskalkulation erstellt worden, was der dort beklagte Architekt - im Gegensatz zum Beklagten dieses Rechtsstreits - wusste.

Soweit Locher/Koeble/Frik, in HOAI, 8. Auflage, § 15, Rn. 124 darauf verweisen, dass der Architekt auch für nicht geschuldete Bauvorlagen die Verantwortung trage und Wohnflächenberechnungen korrekt sein müssten, ist fraglich, ob die Autoren damit eine derart weite Auffassung wie der Kläger vertreten wollen. Der in der angeführten Kommentierung enthaltene Verweis auf Rn. 116 belegt eher, dass die Haftung auf den Fall der nach Bauvorlagenrecht geschuldeten Wohnflächenberechnung begrenzt sein soll. Über diesen vertraglichen Leistungsumfang hinaus kann ein schutzwürdiges Vertrauen des Auftraggebers nur bestehen, wenn der Architekt vom Verwendungszweck - wie bereits angeführt - Kenntnis hat (Saarländisches OLG, BauR 2001, 1936 f).

Einer weiteren Beweisaufnahme bedarf es nicht, da aus den dargelegten Tatsachen keine haftungsbegründende Kenntnis des Beklagten abgeleitet werden kann.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 709 S. 1 u. 2, 711 S. 1 u. 2 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da Revisionszulassungsgründe i.S.d. § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

RechtsgebieteBGB, HOAIVorschriftenBGB a.F. § 635 Abs. 1; BGB n.F. § 634; HOAI § 15; BauPrüfVO-TH §§ 1, 3

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