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20.09.2005 · IWW-Abrufnummer 052616

Landgericht Offenburg: Beschluss vom 12.04.2005 – 3 Qs 120/04

Eine strafbefreiende Erklärung unterliegt auch dann dem Verwendungsschutz des § 13 StraBEG, wenn sie materiell-rechtlich nach § 7 oder § 1 Abs. 7 StraBEG keine strafbefreiende Wirkung entfaltet.


Geschäftsnummer: 3 Qs 120/04

Landgericht Offenburg
3. Große Strafkammer

Beschluss

vom 12. April 2005

Beschwerdesache des

Dr. F.

wegen Verdachts der Steuerhinterziehung

1. Es wird festgestellt, dass die aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts O. vom 01.09.2004, 3 Gs 78/04, am 02.09.2004 beim Beschwerdeführer durchgeführte Durchsuchung rechtswidrig war.

2. Im übrigen wird die Beschwerde des Dr. F. gegen den Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts O. vom 01.09.2004 - 3 Gs 78/04 - als unbegründet verworfen.

3. Bezüglich der bei der genannten Durchsuchung beschlagnahmten Gegen-stände wird das Verfahren dem Amtgericht O. zur Entscheidung in eigener Zuständigkeit gemäß § 98 Abs. 2 StPO zurückgegeben.

4. Der Beschuldigte Dr. F. trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens, wobei die Gebühr um die Hälfte ermäßigt wird. Die Staatskasse trägt die Hälfte der im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers.

G R Ü N D E

(?)

Die Durchsuchung beim Beschwerdeführer am 02.09.2004 war rechtswidrig. Die strafbefreiende Erklärung des Beschwerdeführers hätte im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht verwertet werden dürfen, § 13 StraBEG. Allein auf sie stützt sich aber der der Durchsuchung zugrundeliegende Beschluss.

1. Das Strafbefreiungserklärungsgesetz vom 23.12.2003 gibt Steuerhinterziehern die befristete Möglichkeit einer Strafbefreiung und einer pauschalisierten Versteuerung in Höhe von lediglich 25 % der bislang nicht deklarierten Einkommen. Ziel des Gesetzes ist insbesondere der Zugriff auf zumindest einen Teil der bislang hinterzogenen Einkünfte, aber auch die Herstellung von Rechtsfrieden für die Vergangenheit. Hierfür muss der Steuerunehrliche im Laufe des Jahres 2004 die bislang verschwiegenen Einnahmen gegenüber der Finanzbehörde offenlegen und innerhalb von zehn Tagen nach Abgabe der Erklärung, spätestens aber bis zum 31.12.2004 25 % der erklärten Beträge als Steuer entrichten. Gemäß § 1 Abs. 1 StraBEG kann er dann nicht wegen §§ 370, 370 a AO oder § 26 c UStG bestraft werden. § 4 des Gesetzes regelt den Umfang der Strafbefreiung näher. § 7 führt die Voraussetzungen auf, unter denen die strafbefreiende Wirkung der Erklärung ausgeschlossen ist. In teilweiser Parallelität zur Selbstanzeige nach § 371 Abs. 2 AO ist dies u.a. dann der Fall, wenn vor Eingang der strafbefreienden Erklärung beim Erklärenden ein Amtsträger der Finanzbehörden zur steuerlichen Prüfung oder zur Ermittlung einer Steuerstraftat erschienen ist oder wenn die Tat bereits entdeckt war und der Erklärende dies wusste oder bei verständiger Würdigung damit rechnen musste, aber auch, wenn einem Tatbeteiligten die Einleitung des Strafverfahrens bekannt gegeben worden ist und der Erklärende dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste.

§ 13 StraBEG regelt, dass es sich bei dem Inhalt einer strafbefreienden Erklärung um geschützte Daten handelt, die ohne Einwilligung des Betroffenen grundsätzlich nur für solche Steuerstrafverfahren verwendet werden dürfen, die sich auf Zeiträume nach 2002 beziehen. Eine Ausnahme gilt lediglich, wenn sich aus dem Inhalt einer strafbefreienden Erklärung Anhaltspunkte für ein Verbrechen oder ein vorsätzliches Vergehen ergeben, das im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren bedroht ist. Auch dann dürfen die Daten aber nicht zu dem Zweck übermittelt werden, ein Verfahren erst einzuleiten. Außerdem dürfen sie nicht zum Nachteil der Personen zu Beweiszwecken verwendet werden, die nach dem StraBEG Strafbefreiung erlangt haben.

2. Für die Frage, ob der Inhalt der Erklärung vom 25.08.2004 als Beweismittel verwendet werden kann oder aber gem. § 13 Abs. 1 StraBEG geschützt ist, ist es nicht von Bedeutung, ob und in wie weit sie auch materiell-rechtlich eine Bestrafung des Beschuldigten wegen der Straftatbestände verhindert, die möglicherweise in ihrem Vorfeld begangen wurden, oder ob die Bestrafung möglich ist, weil einer der Ausnahmetatbestände des § 7 StraBEG erfüllt ist.

§ 13 StraBEG regelt nämlich allein die prozessuale Frage, ob die in der Erklärung enthaltenen Informationen als Beweismittel gegen den Erklärenden oder einen Teilnehmer an seiner Straftat verwendet werden können. Dies hängt nicht von der materiell-rechtlichen Frage ab, ob eine - u. U. auf andere Beweismittel gestützte - Bestrafung wegen des angezeigten Sachverhalts möglich ist.

Allerdings vertritt das Bundesministerium der Finanzen in seinem bundeseinheitlichen Merkblatt zur Anwendung des StraBEG vom 03.02.2004, Bundessteuerblatt 2004, S. 225 ff, S. 237, unter Ziff. 14.4 die Auffassung, dass der Inhalt der Erklärung dann nicht nach § 13 StraBEG geschützt ist, wenn ?aufgrund eines nicht fristgerecht behobenen formalen Mangels, wegen des Vorliegens eines Ausschlusstatbestandes nach § 7 StraBEG oder wegen nicht oder nicht rechtzeitig geleisteter Zahlung keine Straffreiheit eingetreten? ist (so auch Taplan, DStR 2004, 1732, 1733).

Diese Auffassung teilt die erkennende Kammer jedoch nicht.
§ 13 Abs. 2 Satz 3 StraBEG verbietet jegliche Verwertung, selbst unter den Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 des § 13 Abs. 2 StraBEG, wenn die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine Strafbefreiung gegeben sind. Diese Sonderregelung für wirksame strafbefreiende Erklärungen macht deutlich, dass die anderen Regelungen des § 13 StraBEG auch für andere, somit materiell-rechtlich nicht wirksame, also im Ergebnis nicht strafbefreiende Erklärungen gelten.
Auch der Wortlaut des Gesetzes lässt nichts dafür erkennen, dass die Frage der materiell-rechtlichen Strafbefreiung bzw. des Ausschlusses derselben nach § 7 StraBEG für die Verwertbarkeit der Erklärung von Bedeutung ist. Vielmehr wird in § 7 und 10 StraBEG der gleiche Begriff der ?strafbefreienden Erklärung? verwendet; dennoch werden die Folgen einer materiell rechtlichen Unwirksamkeit der Erklärung geregelt.

Auch der Zweck des Gesetzes, möglichst viele Steuerunehrliche in eine zumindest beschränkte Steuerpflicht zurückzuholen und hierdurch Finanzeinkünfte zu erzielen, würde nicht erreicht, wenn der Steuerhinterzieher damit rechnen müsste, sich durch die Abgabe der strafbefreienden Erklärung erst einem Strafverfahren auszusetzen, das zuvor möglicherweise nicht gegen ihn hätte geführt werden können, unabhängig von der materiell rechtlichen Folge einer tatsächlichen Straffreiheit (vgl. hierzu Hellmann, WiStra 2004, 201, 205).

Auch wenn der Beschuldigte Dr. F. materiell-rechtlich für die in Betracht kommenden Straftatbestände des § 370 AO, der Beihilfe hierzu zugunsten der Fa. S. und/oder der Beihilfe oder Anstiftung zur Bestechlichkeit oder Bestechung im geschäftlichen Verkehr nach § 299 StGB belangt werden kann, weil einer der Ausnahmetatbestände des § 7 StraBEG eingreift, kann seine Erklärung vom 25.08.2004 in diesem Zusammenhang nicht als Beweismittel genutzt werden.

3. Auch bezüglich des Teils der strafbefreienden Erklärung, der sich auf das Steuerjahr 2002 bezieht, richtet sich dessen Verwendbarkeit als Beweismittel im Strafverfahren nach den Voraussetzungen des § 13 StraBEG.

Der Beschwerdeführer hat seine ursprüngliche Einkommenssteuererklärung für das Jahr 2002 unter Verschweigung der erst in der strafbefreienden Erklärung genannten, erheblichen Einkünfte am 31.10.2003 und somit nach dem Stichtag des 17.10.2003 abgegeben. Nach § 1 Abs. 7 StraBEG ist aber ?die Abgabe einer strafbefreienden Erklärung ausgeschlossen?, soweit die Tat nach dem 17. Oktober 2003 begangen wurde.
Hieraus wird teilweise, unter anderem vorliegend von den Ermittlungsbehörden, der Schluss gezogen, bei einer nach § 1 Abs. 7 StraBEG ?ausgeschlossenen? strafbefreienden Erklärung handele es sich nicht um eine solche nach § 13 StraBEG, so dass die Verwendungsbeschränkung dieser Vorschrift hierauf nicht zur Anwendung komme.

Die Formulierung in § 1 Abs. 7 StraBEG ist aber nach Auffassung der Beschwerdekammer nicht so zu verstehen, dass eine nach dem Stichtag abgegebene Erklärung keine strafbefreiende Erklärung im Sinne des Gesetzes sei.
Andernfalls hätte nahe gelegen, den Gesetzeswortlaut dahingehend zu formulieren, dass ?eine strafbefreiende Erklärung im Sinne dieses Gesetzes nicht vorliegt, wenn...?.
Auch aus der Systematik des Gesetzes lässt sich nicht entnehmen, dass mit dieser Vorschrift dem Erklärenden der Verwendungsschutz des § 13 StraBEG entzogen werden sollte, wenn er die zugrunde liegende Straftat nach dem 17.10.2003 begangen hatte.
Durch die Regelung des § 1 Abs. 7 StraBEG, die erst durch den Vermittlungsausschuss eingefügt wurde, sollte verhindert werden, dass ein Steuerpflichtiger, der über dem pauschalen Steuersatz von 25 % liegt, nach der Beratung des Gesetzes eine falsche Steuererklärung in der Absicht abgibt, anschließend in den Genuss des 25prozentigen Pauschalsatzes für Steuersünder zu kommen (vgl. Benne, StB 2004, 343, 344 m.w.N.). Dieser Regelungszweck erfordert es nicht, einer aus diesem Grunde unwirksamen strafbefreienden Erklärung den Verwertungsschutz des § 13 StraBEG zu entziehen. Dies würde vielmehr der Gesetzesintention des StraBEG insgesamt widersprechen. Diese ist vorwiegend fiskalpolitischer Natur (Benne, a.a.O.). Zur Erreichung einer höchstmöglichen Teilnahme an dem Steuerbegünstigungsmodell des Amnestiegesetzes ist es aber erforderlich, das Risiko der strafbefreienden Erklärung so gering wie möglich zu halten.
Aus der Formulierung und der systematischen Stellung des § 1 Abs. 7 StraBEG kann daher nach Auffassung der Beschwerdekammer nicht geschlossen werden, dass der Gesetzgeber hier ein unter Umständen so nicht vorhergesehenes Risiko für den Erklärenden schaffen wollte. Gerade am vorliegenden Beispiel wird deutlich, dass die strafbefreiende Erklärung bei der Aufdeckung von bis dahin systematisch begangener Steuerhinterziehung leicht auch das letzte abgerechnete Steuerjahr mit umfasst, ohne dass der Erklärende vor der Erklärung gesondert prüft, wann konkret die Steuererklärung für dieses letzte Jahr abgegeben wurde. Wenn dieser materiell-rechtlich unwirksame Teil der Erklärung nicht dem Verwertungsschutz unterläge, würde dies in Fällen wie dem vorliegenden in der Regel einen Anfangsverdacht für die vorhergehenden Jahre auslösen, der ausreichen würde, um einen Durchsuchungsbeschluss beim Beschuldigten zu erwirken. Dann würden aber aus Furcht vor dem Risiko, einen Fehler zu machen, zahlreiche Steuerstraftäter von der Abgabe einer strafbefreienden Erklärung abgehalten werden. Genau dies sollte aber durch das StraBEG in fiskalpolitischem Interesse verhindert werden.
Der Gesetzgeber hat daher in § 13 StraBEG nach Auffassung der Beschwerdekammer unter Berücksichtigung rechtsstaatlicher Grundsätze abschließend geregelt, unter welchen Umständen die eigene Erklärung des Steuerstraftäters als Beweismittel gegen ihn zugelassen sein soll. Dass er den Ausnahmetatbestand des § 1 Abs. 7 StraBEG systematisch an anderer Stelle geregelt hat als die materiellrechtlichen Ausnahmetatbestände des § 7 StraBEG, dürfte sich aus der Entstehungsgeschichte erklären und sagt über die prozessuale Verwertbarkeit des einen oder anderen - materiellrechtlichen - Grundes für die Unwirksamkeit der Erklärung nichts aus.

4. Die Verwertbarkeit der geschützten Daten aus der strafbefreienden Erklärung des Beschwerdeführers vom 25.08.2004 im vorliegenden Ermittlungsverfahren ist somit nach Auffassung der Beschwerdekammer ausschließlich am Maßstab des § 13 StraBEG selbst zu messen.

Hiernach kommt ihre Verwendung, soweit dies dem derzeitigen Aktenstand zu entnehmen ist, nicht in Betracht.

RechtsgebieteAO, StraBEG, UStGVorschriften§ 370 AO, § 370a AO, § 371 Abs. 2 AO, § 1 Abs. 7 StraBEG, § 7 StraBEG, § 13 StraBEG, § 26c UStG

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