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02.08.2005 · IWW-Abrufnummer 052114

Finanzgericht Niedersachsen: Urteil vom 19.05.2005 – 5 K 244/03

Die sog. 1%-Methode (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG) ist im Umsatzsteuerrecht grundsätzlich kein geeigneter Maßstab für die Aufteilung der privaten und unternehmerischen Nutzung eines Fahrzeugs.

Vorläufig noch nicht rechtskräftig


NIEDERSÄCHSISCHES FINANZGERICHT

URTEIL

vom 19.05.2005

Az.: 5 K 244/03

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Frage, ob in den Streitjahren eine Überlassung von betrieblichen Kraftfahrzeugen durch die Klägerin an ihre Arbeitnehmer zu deren privater Mitbenutzung vorgelegen hat.

Die Klägerin betrieb mehrere Spielhallen und stellte in verschiedenen Gaststätten Automaten auf. Zwei ihrer Arbeitnehmer, der Geschäftsführer und der Zeuge X , übten die technische Wartung dieser Automaten aus und suchten die zum Teil außerhalb liegenden Gaststätten auf. Hierzu nutzten sie jeweils ein der Klägerin gehörendes Kraftfahrzeug. Die Arbeitnehmer unterhielten je ein privates Kraftfahrzeug. Der Klägerin entstanden Kraftfahrzeug-Aufwendungen einschließlich der Absetzung für Abnutzung (AfA) in Höhe von

58.071 DM 1996,
63.712 DM 1997,
47.917 DM 1998 und
34.074 DM 1999.

Im Rahmen einer von dem Beklagten durchgeführten Lohnsteuer-Außenprüfung konnte die Klägerin ihre Behauptung, eine private Nutzung der Kraftfahrzeuge sei untersagt worden, nicht nachweisen. Deshalb ging der Beklagte davon aus, dass die Arbeitnehmer die Fahrzeuge der Klägerin nicht nur ausschließlich für betriebliche Zwecke nutzten. Die Bemessungsgrundlage für den deshalb angenommenen geldwerten Vorteil wurde für Lohnsteuerzwecke nach den Grundsätzen der Ein-Prozent-Methode ermittelt. Hiernach ergab sich ein geldwerter Vorteil von

16.142 DM 1996,
16.539 DM 1997,
16.431 DM 1998 und
18.435 DM 1999.

Für Zwecke der Umsatzsteuerfestsetzung unterwarf der Beklagte den geldwerten Vorteil der privaten Kraftfahrzeugnutzung der Umsatzsteuer in gleicher Höhe und erließ dementsprechend nach § 164 Abs. 2 AO geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1996 bis 1999.
Die gegen die Änderungsbescheide gerichteten Einsprüche wies der Beklagte als unbegründet zurück. Hiergegen richtet sich die Klage.

Die Klägerin trägt vor, ihre Arbeitnehmer hätten die Kraftfahrzeuge nicht privat genutzt. Zwar sei kein Fahrtenbuch geführt worden. Das Verbot der privaten Nutzung sei aber jedem Mitarbeiter bekannt gewesen, da auf diese Regelung hingewiesen worden sei. Der Hinweis sei mündlich und schriftlich erfolgt. Die entsprechenden schriftlichen Hinweise könnten allerdings aufgrund des Zeitablaufes heute nicht mehr vorgelegt werden. Das Verbot der privaten Mitbenutzung sei jedoch mündlich regelmäßig erneuert worden.

Die Klägerin beantragt,
die Einspruchsentscheidung vom 25 März 2003 und die Änderungsbescheide zur Umsatzsteuer vom 08. März 2000 (1996 bis 1998) bzw. 05. November 2001 (1999) aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Der Hinweis der Klägerin, sie habe ihren Arbeitnehmern die private Nutzung eines Firmenfahrzeugs untersagt, sei allein nicht ausreichend. Die Einhaltung dieses Verbotes müsse auch überwacht werden. Das Nutzungsverbot und seine Überwachung durch den Arbeitgeber müssten als Beleg zum Lohnkonto genommen werden. Dies sei im Streitfall nicht geschehen. Aus diesen Gründen rechtfertige sich die Bestimmung der Bemessungsgrundlage nach der Ein-Prozent-Methode.

Der Senat hat durch Vernehmung des Zeugen X Beweis erhoben zu der Frage, ob die Kraftfahrzeuge der Klägerin ausschließlich betrieblich genutzt wurden. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 19. Mai 2005 (Bl. 53 ff. d. A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist teilweise begründet.

Der Beklagte hat zu Recht Umsatzsteuer für einen Privatnutzungsanteil im Zusammenhang mit der Überlassung der Kraftfahrzeuge an die Arbeitnehmer erhoben. Allerdings war die Bemessungsgrundlage hierfür zu reduzieren.

Die Klägerin tätigte durch die Überlassung der Kraftfahrzeuge an ihre Arbeitnehmer zu betriebsfremden Zwecken nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbare Umsätze. Den Nachweis, dass ihre Arbeitnehmer die ihnen überlassenen Kraftfahrzeuge ausschließlich beruflich genutzt haben, hat die Klägerin allerdings im Streitfall nicht erbracht.

Im Allgemeinen gilt zwar für den Steuerprozess, dass der Steuergläubiger die objektive Beweislast für die den Steueranspruch begründenden Tatsachen trägt, während dem Steuerpflichtigen die objektive Beweislast für diejenigen Tatsachen obliegt, die die Steuerbefreiung oder Steuerermäßigung begründen oder die den Steueranspruch aufheben oder einschränken (BFH-Urteile vom 20. März 1987 III R 172/82, BStBl II 1987, 679; vom 05. November 1970 ? V R 71/ 67, BStBl II 1971, 220 und vom 20. Mai 1969 ? II 25/61, BStBl II 1969, 550). Nach ständiger Rechtsprechung des BFH spricht bezüglich der Nutzung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs durch einen Arbeitnehmer jedoch ein Anscheinsbeweis dafür, dass ein dem Arbeitnehmer überlassenes betriebliches Fahrzeug auch privat genutzt wird. Aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung kann deshalb im Einzelfall nach den Regeln des Anscheinsbeweises davon auszugehen sein, dass betriebliche Kraftfahrzeuge auch privat genutzt werden (BFH vom 14.05.1999 ? VI B 258/98, BFH/NV 1999, 1330). Dies gilt auch dann, wenn die private Nutzung arbeitsvertraglich untersagt ist, das Verbot aber weder durch die Führung von Fahrtenbüchern noch anderweitig vom Arbeitgeber überwacht wird (BFH-Urteil vom 19. Dezember 2003 ? VI B 281/01, BFH/NV 2004, 488).

Der auf Erfahrungssätzen beruhende Anscheinsbeweis kann allerdings durch Gegenbeweis entkräftet oder erschüttert werden. Hierzu bedarf es nicht des Beweises des Gegenteils. Es genügt vielmehr, dass ein Sachverhalt dargelegt wird, der die ernstliche Möglichkeit eines anderen als den der allgemeinen Erfahrung entsprechenden Geschehensablauf ergibt (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 14. März 1989 ? VII R 75/85, BStBl II 1989, 534). Im Streitfall steht nicht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Arbeitnehmer der Klägerin die ihnen überlassenen Kraftfahrzeuge ausschließlich betrieblich nutzten. Zwar hat der Zeuge X bekundet, dass er private Fahrten wegen des durch die Klägerin ausgesprochenen Verbots von Privatfahrten mit dem Fahrzeug nicht durchgeführt habe. Durch diese Aussage ist der Anscheinsbeweis jedoch nicht erschüttert.

Zum einen konnte der Zeuge nämlich hinsichtlich der möglichen Privatfahrten lediglich über sein eigenes Fahrverhalten und nicht auch über das des Geschäftsführers der Klägerin Auskunft geben. Zudem ist der Umstand, dass der Zeuge X das Bestehen eines Privatfahrverbots bestätigte, nicht geeignet, einen atypischen Geschehensablauf zu belegen. Denn sowohl der Zeuge X als auch der Geschäftsführer der Klägerin haben in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend bekundet, dass dieses Verbot nicht überwacht worden sei. Es ist jedoch ungewöhnlich, dass ein Arbeitgeber keinerlei Auflagen zur Führung eines Fahrtenbuches oder zur Überprüfung eines von ihm ernsthaft gewollten und durchgeführten Verbots getroffen hat. Schon aus diesem Grund konnte der Geschäftsführer der Klägerin gegenüber dem Beklagten nicht zuverlässig Auskunft darüber erteilen, ob nicht auch der Zeuge X private Fahrten durchführte. Dies gilt umso mehr, als eine Überwachung des Verbots einer privaten Nutzung gerade durch Außendienstmitarbeiter wegen der häufigen Abwesenheit vom Betriebsgrundstück leicht umgangen werden kann. Hinzu kommt, dass die Überwachung zusätzlich dadurch erschwert wurde, dass der Zeuge X die Autoschlüssel nach seiner eigenen Aussage ständig zur freien Verfügung hatte.

Diese Umstände relativieren das von der Klägerin behauptete Verbot und seine Einhaltung derart, dass sie den Anscheinsbeweis nicht entkräften können.

Sachzuwendungen des Arbeitgebers an seine Arbeitnehmer ? ohne ein dafür besonders berechnetes Entgelt ? sind als entgeltlicher Umsatz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG zu beurteilen. Denn bei der Nutzungsüberlassung von Firmenfahrzeugen zu privaten Zwecken handelt es sich um tauschähnliche Umsätze im Sinne von § 3 Abs. 12 S. 2 UStG. Bei solchen tauschähnlichen Umsätzen gilt nach § 10 Abs. 2 Satz 2 UStG der Wert jedes Umsatzes als Entgelt für den anderen Umsatz. Bemessungsgrundlage dieser Umsätze ist demnach der Wert der nicht durch den Lohn abgegoltenen Arbeitsleistung der Arbeitnehmer (vgl. FG München, Urteil vom 28. April 2004 ? 14 K 1869/01, DStRE 2004, 1299).

Dieser Wert kann ? in Ermangelung geeigneter Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen - wie etwa einem Fahrtenbuch ? anhand der Gesamtkosten des Arbeitgebers für die Überlassung der Fahrzeuge geschätzt werden, denn bei nicht möglicher oder unzumutbarer Sachaufklärung hat auch das Finanzgericht eine Schätzungsbefugnis (§ 96 Abs. 1 S. 1 FGO i.V.m. § 162 AO). Bei einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen sind alle für die Schätzung bedeutsamen Umstände zu berücksichtigen, § 162 Abs. 1 S. 2 AO. Die gewählte Schätzungsmethode muss dem Ziel gerecht werden, die Besteuerungsgrundlagen durch Wahrscheinlichkeitsüberlegungen so zu bestimmen, dass sie der Wirklichkeit möglichst nahe kommen (BFH-Urteile vom 10. Oktober 1986 ? VI R 12/83, BFH/NV 1987, 698, und vom 18. Dezember 1984 ? VIII R 195/82, BStBl. II 1986, 226).

Schätzungsunschärfen, die sich zu Ungunsten des Steuerpflichtigen ergeben, muss dieser dabei hinnehmen (BFH-Urteil vom 18. Dezember 1984 ? VIII R 195/92, BStBl. II 1986, 226).

Der Wert der Nutzungsentnahme nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG (sog. 1%-Methode) ist für das Umsatzsteuerrecht grundsätzlich kein geeigneter Maßstab, die Kosten auf die Privatfahrten und die unternehmerischen Fahrten aufzuteilen (vgl. BFH-Urteil vom 11. März 1999 ? V R 78/98, BFH/NV BFH/R 1999, 1178), denn der Entnahmewert geht vom Listenpreis des Fahrzeugs aus und berücksichtigt weder die tatsächlich auf den Betrieb des Fahrzeugs entfallenden Kosten noch die konkreten Nutzungsverhältnisse im Einzelfall. Zwar kann nach Auffassung der Finanzverwaltung der Unternehmer, der den Wert der Nutzungsentnahme nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG ermittelt, aus Vereinfachungsgründen von diesem Wert auch bei der Bemessungsgrundlage für die umsatzsteuerpflichtigen Überlassung von Kraftfahrzeugen an seine Arbeitnehmer ausgehen (vgl. BMF-Schreiben vom 29. Mai 2000 ? IV D 1 ? S 7303b ? 4/00, BStBl. I 2000, 819, Rdnr. 26). Die Klägerin hat von dieser Vereinfachungsregelung jedoch im Streitfall keinen Gebrauch gemacht. Sie wehrt sich vielmehr gerade gegen diese Berechnungsmethode.

Im vorliegenden Fall schätzt der Senat den Privatnutzungsanteil der Arbeitnehmer auf 25 v.H. der der Klägerin entstandenen Kraftfahrzeug-Aufwendungen geschätzt.

Für die Ermittlung des Umfangs privater Nutzung von betrieblich genutzten Kraftfahrzeugen durch den Unternehmer ging die Finanzverwaltung bis einschließlich 1995 von einem regelmäßig ohne Nachweis anzusetzenden Privatnutzungsanteil von 30 bis 35 v.H. aus (vgl. Abschnitt 118 EStR in der im Jahr 1995 geltenden Fassung).

Dieser Wert wurde auch in der Rechtsprechung als sachgerechter Anknüpfungspunkt für die Schätzung des Privatnutzungsanteils betrieblicher Kraftfahrzeuge qualifiziert (BFH-Urteil vom 22. August 2002 ? IV R 42, 43/01, BFH/NV 2003, 302, FG München, Urteil vom 26. Februar 2003 ? 10 K 1032/01, n. v., Thüringer Finanzgericht, Urteil vom 12. März 1997 ? II 279/96, DStRE 1997, 946). Nach Ansicht des Senates sind diese Grundsätze wegen der vergleichbaren Sachlage auch auf Fälle übertragbar, in denen der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern Kraftfahrzeuge überlässt, die diese privat nutzen. Der vom Senat deutlich unter dem regelmäßig ohne Nachweis angesetzten Privatnutzungsanteil von 25 v.H. liegende Anteil rechtfertigt sich zum einen daraus, dass beide Arbeitnehmer in den Streitjahren ein privates Kraftfahrzeug zur Verfügung hatten. Hinzu kommt, dass es sich bei den Arbeitnehmern um Außendienstmitarbeiter handelt, bei denen der prozentuale Anteil der betrieblichen Nutzung höher liegt als bei Arbeitnehmern, die das Kraftfahrzeug lediglich für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte betrieblich nutzen.

Dabei dürfen bei dieser Schätzung des Werts der Gegenleistung anhand der entstandenen Kosten keine Kosten ausgeschieden werden, bei denen ganz oder teilweise kein Vorsteuerabzug möglich war, weil die entgeltliche Fahrzeugüberlassung nicht unter das Besteuerungsverbot des Art. 6 Abs. 2 Buchstabe a der Richtlinie 77/388/EWG fällt (FG München, Urteil vom 28. April 2004 ? 14 K 1869/01, DStRE 2004, 1299).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Da sich die Klägerin gegen die Umsatzsteuerfestsetzungen im Zusammenhang mit der Überlassung ihrer Kraftfahrzeuge an ihre Arbeitnehmer in Höhe von 10.430,37 DM insgesamt wandte, diese jedoch lediglich auf 7.816,25 DM herabgesetzt wurde, waren ihr ¾ und dem Beklagten ¼ der Kosten aufzuerlegen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

RechtsgebietUmsatzsteuerVorschriften§ 10 Abs. 2 S. 2 UStG

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