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30.06.2005 · IWW-Abrufnummer 051843

Finanzgericht Niedersachsen: Urteil vom 26.10.2004 – 13 K 313/02

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


NIEDERSÄCHSISCHES FINANZGERICHT

URTEIL

vom 26.10.2004
Az.: 13 K 313/02

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, wie der Erstattungsanspruch aus der Einkommensteuerveranlagung für 2000 auf die Eheleute zu verteilen ist.

Die Kläger sind Eheleute, die seit November 1990 verheiratet sind und ab dem Veranlagungszeitraum 1990 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Durch Einkommensteuerbescheid vom 26.11.2001 setzte der Beklagte die Einkommensteuer auf 14.128 DM fest. Dabei legte der Beklagte Einkünfte des Klägers in Höhe von 14.662 DM und Einkünfte der Klägerin in Höhe von 87.330 DM zugrunde. Aufgrund der bereits gegen die Kläger festgesetzten und geleisteten Vorauszahlungen in Höhe von 38.816 DM ergab sich ein Erstattungsanspruch von insgesamt 28.166,42 DM (ESt 24.688,- DM, KiSt Ehefrau 2.156,85 DM, SolZ 1.321,57 DM).

Bereits mit Schreiben vom 15.10.2001 beantragte die Klägerin unter gleichzeitiger Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung für August 2001 eine Verrechnung des Zahlbetrages von 4.715,20 DM mit dem zu erwartenden Erstattungsbetrag aus der ESt-Veranlagung für 2000. Zudem reichten die Kläger am 17.10.2001 und 16.11.2001 jeweils eine Abtretungsanzeige für die Verrechnung mit der Umsatzsteuerzahllast August und September 2001 ein. Mit Schreiben vom 27.11.2001 teilte der Beklagte den Klägern mit, dass er von einem anteiligen Erstattungsanspruch für den Kläger in Höhe von 8.185,68 DM ausgehe und diesen Betrag auf Einkommensteuer 1979, 1989 und 1990 verrechne.
Da die Kläger sich mit dieser Aufteilung nicht einverstanden erklärten, erteilte der Beklagte am 01.02.2002 einen Abrechnungsbescheid über den Erstattungsanspruch aus der Einkommensteuerveranlagung für 2000. Danach wurde vom ESt-Erstattungsanspruch in Höhe von 4.715,20 DM auf die USt August 2001 und in Höhe von 4.923,00 DM auf die USt September 2001 umgebucht. Das Restguthaben teilte der Beklagte jeweils zur Hälfte auf die Kläger auf. Den Anteil der Klägerin in Höhe von 7.524,90 DM reduzierte der Beklagte um die USt - Zahllast für 2000 und erhöhte den Restbetrag um die KiSt sowie 50 vH des SolZ. Den so errechneten Betrag von 7.899,25 DM überwies der Beklagte auf das Konto der Klägerin. Für den Kläger wies der Abrechnungsbescheid den hälftigen Anteil am ESt-Erstattungsanspruch erhöht um den anteiligen SolZ in Höhe von insgesamt 8.185,68 DM aus. Diesen Betrag verrechnete der Beklagte mit Steueransprüchen gegen den Kläger wegen ESt 1979, 1989 und 1990 beim Finanzamt Hannover-Nord.

Den Einspruch gegen den Abrechnungsbescheid wies der Beklagte durch Einspruchsentscheidung vom 23.07.2002 als unbegründet zurück.
Mit ihrer Klage begehren die Kläger die Zurechnung des gesamten Erstattungsbetrags auf die Klägerin. Zur Begründung tragen sie vor, der Erstattungsanspruch stehe allein der Klägerin zu. Der Erstattungsanspruch resultiere aus den geleisteten Vorauszahlungen, die aufgrund der erheblichen positiven Einkünfte der Klägerin festgesetzt worden seien. Die Einkünfte des Ehemannes seien demgegenüber sehr gering. Bei Leistung der Vorauszahlungen habe die Klägerin nur ihre eigene Schuld tilgen wollen. Dies werde dadurch deutlich, dass sämtliche Zahlungen vom betrieblichen Kontokorrent der Ehefrau erfolgt seien.

Der Kläger habe Steuerschulden aus seiner früheren Beteiligung an der B GmbH & Co. KG in Höhe von 20.608,39 Euro. Da die Kläger erst nach Entstehung dieser Steuerschulden am 17.11.1990 geheiratet hätten, könne kein Interesse der Ehefrau an der Begleichung dieser Steuerschulden bestehen. Dies sei auch für den Beklagten erkennbar.

Die Kläger beantragen,

das Guthaben aus der Einkommensteuerveranlagung 2000 in Höhe von 28.166,42 DM als Guthaben der Ehefrau anzusehen, die vom Beklagten vorgenommene Umbuchung rückgängig zu machen und die entsprechende Erstattung vorzunehmen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Klage sei unbegründet. Nach der Rechtsprechung des BFH sei derjenige erstattungsberechtigt, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden sei. Unerheblich sei von wem und mit wessen Mitteln die Zahlung erfolgt sei. Maßgeblich sei lediglich wessen Steuerschuld nach dem Willen des Zahlenden, wie er im Zeitpunkt der Zahlung dem Finanzamt gegenüber erkennbar hervorgetreten sei, getilgt werde. Sei dieser Wille ? wie im Streitfall - nicht erkennbar, stehe Ehegatten als Gesamtschuldnern bei intakter Ehe der Erstattungsanspruch jeweils zur Hälfte zu.

Entscheidungsgründe

I. Die Klage ist begründet. Der Abrechnungsbescheid ist rechtswidrig, soweit er den Erstattungsanspruch anteilig dem Kläger zurechnet. Der Erstattungsanspruch steht ausschließlich der Klägerin zu.

1. Gemäß § 36 Abs. 4 S. 2 EStG i.V.m. § 37 Abs. 2 AO steht ein Überschuss aus der Abrechnung von festgesetzter Einkommensteuer und anzurechnenden Steuern dem Steuerpflichtigen zu, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist. Leistender und damit Inhaber des Erstattungsanspruchs ist für die maßgeblichen Vorauszahlungen, auf denen der Überschuss aus der Abrechnung beruht, ausschließlich die Klägerin, da sie im Zeitpunkt der Zahlung nach der bestehenden Interessenlage ausschließlich auf ihre eigene Steuerschuld zahlen wollte.

2. Für den Beklagten war im Zeitpunkt der Zahlung erkennbar, dass die Klägerin lediglich ihre eigenen Steuerschulden tilgen wollte. Diese Zweckbestimmung der Leistung ergab sich zwar nicht bereits eindeutig aus der Zahlung der Vorauszahlungen durch die Klägerin von ihrem betrieblichen Kontokorrentkonto, da der Zahlende nicht zwangsläufig seine eigene Schuld tilgen muss. Der Wille des Steuerpflichtigen auf seine eigene Steuerschuld zu zahlen, ergibt sich in der Regel jedoch aus der Angabe der Tilgungsbestimmung (wie z.B. Vorauszahlung ESt), aus der Übereinstimmung des Zahlbetrages mit der Steuerschuld und der vorhandenen Interessenlage, dass niemand ohne wirtschaftlich vernünftigen Grund bereit sein wird, die Schuld eines Dritten zu tilgen. Für die Klägerin gab es keinen wirtschaftlich vernünftigen Grund, auf die Schuld eines Dritten, hier ihres Ehemanns, zu zahlen. Die für die Kläger gemeinschaftlich als Gesamtschuldner festgesetzten Einkommensteuervorauszahlungen beruhten ausschließlich auf den gewerblichen Einkünften der Klägerin. Die Einkünfte des Klägers lagen ? wie auch im Vorjahr - nach Abzug der Pauschbeträge unter dem Grundfreibetrag, so dass ein Abzug von Lohnsteuer mangels Steuerpflicht nicht in Betracht kam. Eine Inanspruchnahme des Klägers durch die Finanzbehörde war ausgeschlossen, da weder pfändbare Vermögensgegenstände noch pfändbares Arbeitseinkommen vorhanden waren. Die laufenden Einnahmen des Klägers machten weniger als die Hälfte der insgesamt geleisteten Zahlungen aus, so dass dieser erkennbar nicht in der Lage war, aus eigenem Vermögen oder Einnahmen unter Berücksichtigung der zur Deckung des eigenen Existenzminimums erforderlichen Mittel auch nur einen Teil der Vorauszahlungen zu erbringen. Bei dieser Sachlage und der Kenntnis der Klägerin von den bestehenden Steuerschulden des Klägers, die aus der vorehelichen Zeit stammten, wäre es wirtschaftlich völlig unvernünftig, durch eine Zahlung zugleich für den Kläger, sich eines möglichen eigenen Erstattungsanspruchs zu begeben. Dies umso mehr als die Tilgung der eigenen Vorauszahlungsschuld nach § 44 Abs. 2 Satz 1 AO zugleich auch die Befreiung des Ehemannes bewirkte, ohne dass die Klägerin sich ihrer eigenen Vermögensposition begab.

3. Soweit der BFH in ständiger Rechtsprechung (vgl. nur BFH, Beschluss vom 15.04.2004 II B 63/03, BFH/NV 2004, 1214 m.w.N; BFH, Urteil von 25.07.1989 VII R 118/87, BStBl. II 1990, 41) und ihm folgend die überwiegende Meinung in der Literatur (vgl. lediglich Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung, § 37 Rdnr. 65 ff. m.w.N.) davon ausgeht, dass bei auf der Zusammenveranlagung beruhenden Gesamtschulden von Ehegatten bei intakter Ehe der zahlende Ehegatte grds. zugleich auch auf die Steuerschuld des anderen Ehegatten zahlt, kann der Senat dieser Auffassung für den vorliegenden Streitfall nicht folgen.

a) Diese Auffassung benachteiligt Ehegatten als Gesamtschuldner nicht nur gegenüber anderen Gesamtschuldnerschaften, sondern auch gegenüber dauernd getrennt lebenden Ehegatten. So geht die Rechtsprechung und Literatur bei miteinander nicht verheirateten Gesamtschuldnern davon aus, dass im Fall der Zahlung des zu erstattenden Betrages für Rechnung mehrerer Gesamtschuldner, die geleisteten Zahlungen mangels anderer Anhaltspunkte entsprechend dem Verhältnis ihrer Zahlungspflicht geleistet wurden. Es sei folgerichtig, die Gesamtschuldner jeweils in dem Umfang als erstattungsberechtigt anzusehen, der dem Verhältnis entspricht, in welchem der Erstattungsbetrag auf ihre Rechnung eingezahlt wurde (BFH, Urteil vom 03.06.1976 - III R 40/75, BStBl. II 1976, 605). Vermindert sich die Steuerschuld teilweise, entsteht der Erstattungsanspruch für jeden leistenden Gesamtschuldner im Verhältnis seiner Zahlung zur Ermäßigung der Steuerschuld (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 37 Tz. 75). Denn jeder Gesamtschuldner tilge grds. seine eigene Schuld (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 37 Tz. 69 m.w.N.).

b) Bei zusammen veranlagten Ehegatten wird demgegenüber bei intakter Ehe vermutet, dass der Ehegatte wegen der gemeinsamen Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft den Willen habe, auch die Schuld des anderen Ehegatten zu tilgen. Die generelle Annahme eines solchen Tilgungswillens steht im Widerspruch zur wirtschaftlichen Interessenlage des zahlenden Ehegatten und der zivilrechtlichen Güterrechtslage. Denn Ehegatten sind im Güterstand der Gütertrennung als auch im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft hinsichtlich ihrer Vermögen und ihrer Schulden selbstständig. Deshalb hat im Verhältnis der Ehegatten zueinander grds. jeder von ihnen für die Steuer, die auf seine Einkünfte entfällt selbst aufzukommen (BGH, Urteil vom 20. 3. 2002 - XII ZR 176/00, NJW 2002, 1570). Insofern unterscheiden sich Ehegatten nicht von anderen Gesamtschuldnern, so dass die zivilrechtliche Ausgangslage keine unterschiedliche Willensrichtung bei der Zahlung zwingend vorgibt. Soweit von der grds. Ausgleichspflicht im Innenverhältnis durch eine besondere Regelung oder langjährige Übung abgewichen werden kann, betrifft dies allein das für die Bestimmung des Leistenden grds. unbeachtliche Innenverhältnis zwischen den Ehegatten, da es auf die im Zeitpunkt der Zahlung objektiv erkennbaren Umstände zur Ermittlung der Willensrichtung ankommt. Demzufolge kann eine im Innenverhältnis vom Grundsatz der anteiligen Schuldtragung abweichende Regelung nur maßgeblich sein, soweit diese Umstände dem Finanzamt im Zeitpunkt der Zahlung ausdrücklich bekannt gegeben wurden oder sonst eindeutig erkennbar waren.

c) Auch die zwischen Eheleuten bestehende Wirtschaftsgemeinschaft, die möglicherweise eine Schuldbefreiung auch zugunsten des Ehegatten nahe legen könnte, rechtfertigt nicht die Annahme eines gemeinsamen Zahlungswillens. Zur Befreiung des anderen Ehegatten von der Gesamtschuld bedarf es eines solchen gemeinsamen Tilgungswillens gerade nicht, da die Tilgung der eigenen Schuld zugleich das Erlöschen der Schuld des anderen Ehegatten bewirkt (§ 44 Abs. 2 AO).

d) Die Annahme eines gemeinsamen Tilgungswillens versagt zudem, wenn die Ehegatten bereits in Trennung leben, obgleich sich im Zeitpunkt der Zahlung die erkennbaren Umstände nicht verändert haben müssen. So wäre trotz der Entstehung einer Gesamtschuld aufgrund der für das Trennungsjahr noch zulässigen Zusammenveranlagung ein gemeinsamer Tilgungswille im Zeitpunkt der Zahlung der Vorauszahlung kaum denkbar. Hiervon geht auch die Rechtsprechung des BFH aus, da sie den gemeinsamen Tilgungswillen auf den Zeitraum der intakten Ehe begrenzt. Insofern werden Umstände, die häufig im Zeitpunkt der Zahlung nicht bekannt sind, unzulässigerweise für die Bestimmung des Tilgungswillens herangezogen. Trotz bestehender Gesamtschuld kann die Finanzbehörde folglich für den Erstattungsanspruch aus der Zusammenveranlagung des Trennungsjahres nicht von einer hälftigen Teilung ausgehen mit der Folge, dass auch eine Aufrechnung mit Steuerschulden des Ehegatten in Höhe der Hälfte des Gesamterstattungsanspruchs ausscheidet. Insofern werden dauernd getrennt lebende Ehegatten im Trennungsjahr ohne sachlichen Grund gegenüber anderen Ehegatten bevorzugt.

e) Von einer vergleichbaren Situation ist letztlich auszugehen, wenn ? wie im Streitfall - für einen Ehegatten aus vorehelicher Zeit Steuerschulden bestehen, deren Tilgung der Finanzbehörde nur dadurch ermöglicht wird, weil die von einem Ehegatten geleisteten Vorauszahlungen als gemeinschaftlicher Tilgungsbeitrag angesehen werden und deshalb ein Erstattungsanspruch auf die Eheleute nach Köpfen aufgeteilt wird. Auch in diesen Fällen kann es nicht im Interesse des erwerbstätigen Ehegatten sein, eigenes Einkommen oder Vermögen in der Weise einzusetzen, dass eine Überzahlung nicht ihm selbst, sondern dem Gläubiger des Ehegatten zugute kommt. Insofern ist nach Auffassung des Senats jedenfalls ein gemeinsamer Tilgungswille ausgeschlossen, wenn der Erstattungsanspruch ? wie im Streitfall - auf Vorauszahlungen beruht, die ausschließlich auf die Einkünfte des zahlenden Ehegatten entfallen und der andere Ehegatte während der Ehe keine oder nur geringe nicht zur Steuerpflicht führende Einkünfte erzielt hat.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO). Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzulassen.

RechtsgebietEinkommensteuer 2000

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