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30.06.2005 · IWW-Abrufnummer 051840

Finanzgericht Köln: Urteil vom 27.01.2005 – 2 K 5754/01

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Finanzgericht Köln
2. Senat

Urteil

2 K 5754/01

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten anlässlich der Festsetzung der Einkommensteuer für die Veranlagungszeiträume 1998 und 1999 um das Verhältnis von Betriebsausgabenabzug und Werbungskostenspauschale bei vergleichbaren Aufwendungen für zwei Einkunftsarten.

Die Kläger sind Ehegatten und wurden in den Streitjahren zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

Der Kläger ist von Beruf Jurist. Er war als angestellter Assessor bei der A-AG in C tätig und erzielt aus dieser Tätigkeit Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Darüber hinaus übte er eine freiberufliche Tätigkeit als Rechtsanwalt aus und erzielt hieraus Einkünfte aus selbständiger Arbeit.

Den Gewinn aus seiner selbständigen Arbeit ermittelte der Kläger in beiden Streitjahren mit einer Einnahme-Überschuss-Rechnung.

Als Betriebsausgaben waren hierin jeweils u.a. Raumkosten (Miete, Energiekosten, Abgaben/Versicherung), Versicherungen, Beiträge, Gebühren, Kfz-Kosten (Steuer, Versicherung, Reparaturen, Treibstoff, Abschreibung), Bewirtungskosten, geringwertige Wirtschaftsgüter, Porto, Telefon, Bürobedarf, Fachliteratur, Steuerberatungskosten und Bankgebühren enthalten.

Die Steuererklärung für den Veranlagungszeitraum 1998 reichten die Kläger im September 1999, jene für 1999 im August 2000 ein.

Bei der Festsetzung der Einkommensteuer für 1998 erhöhte der Beklagte den Gewinn des Klägers um den Betrag von 824,00 DM unter folgender Überlegung:
? Die nichtselbständige und die selbständige Tätigkeit des Klägers seien vergleichbar, so dass typische Aufwendungen wie Porto, Telefon, Bürobedarf, Fachliteratur nur einmal anfielen;
? letztlich könne der Kläger daher bei den Werbungskosten im Zusammenhang mit seiner nichtselbständigen Tätigkeit nur spezifische Aufwendungen abziehen, die mit dem Angestelltenverhältnis in Zusammenhang stünden; diese Aufwendungen seien im Wege der Schätzung wie folgt zu berechnen:

Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte
230 Tage x 6 Km x 0,70 DM 960 DM
Arbeitsmittel 180DM
Kontoführung 30 DM
Summe Werbungskosten 1.176 DM 1.176 DM
gewährte Werbungskostenpauschale 2.000 DM zuviel Werbungskosten 824 DM;
? die durch die Gewährung des Pauschbetrages von 2.000 DM erfolgte Überberücksichtigung von
Werbungskosten könne im Rahmen der Gesamtbemessungsgrundlage rechnerisch durch Streichung von Betriebsausgaben in Höhe von 824 DM ausgeglichen werden.

Gegen den diese Abweichung von der Steuererklärung umsetzenden Einkommensteuerbescheid für 1998 vom 11.01.2000 legten die Kläger am 13.01.2000 Einspruch ein.

Die Kläger begründeten ihren Rechtsbehelf im Wesentlichen wie folgt: Auch wenn die Tätigkeiten des Klägers fachlich artverwandt seien, sei es tatsachlich ausgeschlossen, dass die geltend gemachten Betriebsausgaben zugleich Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit darstellten. Die selbständige Tätigkeit als Rechtsanwalt werde vom Kläger völlig getrennt von der nichtselbständigen Arbeit als angestellter Jurist bei den A-AG ausgeübt, was sich bereits aus der Treuepflicht gegenüber dem Arbeitgeber ergebe. Gerade aufgrund der Anstellung als Jurist könne der Kläger es sich nicht leisten, die verschiedenen Tätigkeitsbereiche miteinander zu verquicken. Die anwaltliche Tätigkeit werde ausschließlich ausgeübt nach Beendigung der regulären Arbeitszeit beim Arbeitgeber. Soweit Gerichtstermine anfielen, müsse der Kläger hierfür Urlaub oder Gleitzeitausgleich beanspruchen.

Eine Betrachtung der Betriebsausgaben belege, dass die Aufwendungen nichts mit der Anstellung bei der
A-AG zu tun hätten. Das betreffe auch die Raumkosten, da der Kläger sein privates Büro nur für die anwaltliche Tätigkeit nutze und nicht im Rahmen seiner Anstellung benötige. Hier stehe ihm ein eigener Arbeitsplatz beim Arbeitgeber zur Verfügung. Auch die Versicherungen, Beiträge und Gebühren beträfen eindeutig nur die selbständige Arbeit. Entsprechendes gilt für die Telefongebühren. Die Bewirtungskosten fielen im Rahmen seines freiberuflichen Mandates an. Gleiches gelte für die angeschafften geringwertigen Wirtschaftsgüter. Ausgaben für Porto, Bürobedarf und Fachliteratur seien ausschließlich im Zusammenhang mit der anwaltlichen Tätigkeit entstanden. Es sei völlig abwegig anzunehmen, dass der Kläger im Rahmen seiner Anstellung Porto, Bürobedarf usw. selbst anschaffe und bezahle. Ebenso sei hinsichtlich der Fachliteratur darauf hinzuweisen, dass bei der A AG eine Rechtsbibliothek vorhanden sei, so dass der Kläger nur relativ geringe Aufwendungen für Fachliteratur habe.

Theoretisch sei es vorstellbar, dass der Kläger Fachliteratur des Arbeitgebers für seine freiberuflichen Belange nutze, einen Bleistift in sein privates Büro mitnehme oder hin und wieder ein Telefonat vom Arbeitsplatz aus führe, das die selbständige Arbeit betreffe. Der umgekehrte Fall, den der Beklagte mit der vorgenommenen Kürzung der Betriebsausgaben unterstelle, widerspreche jedoch völlig der allgemeinen Lebenserfahrung und sei vorliegend auch nicht zutreffend. Es finde vielmehr eine exakte Trennung der Rechtsanwaltstätigkeit von der Angestelltentätigkeit statt.

Der angefochtene Einkommensteuerbescheid wurde aufgrund einer Mitteilung über Beteiligungseinkünfte sowie weiterer Einwendungen der Kläger mehrfach geändert, zuletzt mit Bescheid vom 05.07.2000.

Den Einspruch der Kläger wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 19.09.2001 als unbegründet zurück.

Zur Erläuterung führte der Beklagte aus, er habe die Einkünfte des Klägers aus selbständiger Arbeit zu Recht um die Differenz zwischen dem gewährten Arbeitnehmer-Pauschbetrag von 2.000 DM und den - geschätzten - tatsächlichen Werbungskosten i.H.v. 1.176 DM, also um 824 DM, erhöht.

Der Kläger dürfe als Betriebsausgaben von seinen Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit nur diejenigen Aufwendungen abziehen, die durch diese Tätigkeit veranlasst würden. Soweit die Aufwendungen der Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit dienten, müssten sie bei der Ermittlung dieser Einkünfte berücksichtigt werden und dürften insoweit nicht den Gewinn aus freiberuflicher Tätigkeit mindern.

Dem Vortrag des Klägers, im Zusammenhang mit seiner nichtselbständigen Arbeit seien keine der als Betriebsausgaben geltend gemachten Aufwendungen angefallen, könne nicht gefolgt werden. Im Streitfall bestehe zwischen der selbständigen und der nichtselbständigen Tätigkeit des Kläger ein so enger Zusammenhang, dass die Aufwendungen - zumindest zum Teil (wie z.B. Fachliteratur, Versicherungen, Beiträge, Gebühren, Bürobedarf) - ihrer Natur nach weder ausschließlich zu der einen noch zu der anderen Einkunftsart gehörten.

Da aus diesem Grunde eine eindeutige Trennung nicht möglich sei, müssten die Aufwendungen im Wege der Schätzung auf die beiden Einkunftsarten verteilt werden. Diese Aufteilung erfolge grundsätzlich danach, in welchem Umfang die Aufwendungen vermutlich durch die beiden Tätigkeiten veranlasst wurden.

Aus Vereinfachungsgründen sei im Streitfall eine Aufteilung unterblieben und die Einkünfte aus selbständiger Arbeit seien um die Differenz zwischen den angenommenen tatsächlichen Werbungskosten und dem Arbeitnehmer-Pauschbetrag von 2.000 DM erhöht worden, weil davon auszugehen sei, dass der Anteil der Kosten, der auf die nichtselbständige Arbeit entfalle, mindestens diese Höhe erreiche.

Bei der Festsetzung der Einkommensteuer für den Veranlagungszeitraum 1999 verfuhr der Beklagte ähnlich. Im Erstbescheid vom 19.09.2000 erhöhte er die Betriebsausgaben des Klägers sogar um 2.000 DM, worauf die Kläger am 20.09.2000 ebenfalls Einspruch einlegten.

Unter teilweise Stattgabe in der Einspruchsentscheidung vom 19.09.2001 wies der Beklagte den Einspruch aber insoweit als unbegründet zurück, als die Kläger auch die Rückgängigmachung eines Kürzungsbetrages von - wie im Vorjahr - 824,00 DM begehrt hatten.

Gegen den Einkommensteuerbescheid für 1998 vom 05.07.2000 und den Einkommensteuerbescheid für 1999 vom 19.09.2000 und die korrespondierenden Einspruchsentscheidung vom 19.09.2001 haben die Kläger am 01.10.2001 die vorliegende Klage erhoben, mit welcher sie ihr Begehren auf Rückgängigmachung der Kürzung des Betriebsausgabenabzug weiterverfolgen.

Die Kläger beziehen sich auf ihr Vorbringen im Vorverfahren und weisen nochmals darauf hin, dass beide Tätigkeiten des Klägers völlig getrennt ausgeübt würden.

Die Kläger beantragen,

die mit geändertem Bescheid vom 05.07.2000 festgesetzte Einkommensteuer 1998 unter teilweiser Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 19.09.2001 für das Jahr 1998 aufzuheben .und die Einkünfte aus selbständiger Arbeit um DM 824,- verringert, neu festzusetzen;

die mit Bescheid vom 19.09.2000 festgesetzte Einkommensteuer 1999 unter teilweiser Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 19.09.2001 für das Jahr 1999 aufzuheben und die Einkünfte aus selbständiger Arbeit um DM 824,- verringert, neu festzusetzen;
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen;
hilfsweise,
die Revision zuzulassen. Der Beklagte bezieht sich im Wesentlichen auf sein Vorbringen im Vorverfahren.

Das Gericht hat die Kläger unter Fristsetzung aufgefordert, ggfls. Tatsachen für eine Zuordnung von bestimmten Aufwendungen zu den Einkünften aus freiberuflicher bzw. nichtselbständiger Tätigkeit vorzulegen. Auf Nachfrage der Kläger wurde diesen erläutert, dass bei der gerichtlichen Entscheidung die Frage relevant sein könnte, ob es außer den dem Betrag in Höhe von 1.176 DM zugrunde liegenden Aufwendungen (z.B. Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte) noch andere Ausgaben gegeben hat, die eindeutig dem Bereich der nichtselbständige Arbeit zuzuordnen sind.

Die Kläger haben daraufhin geantwortet, die zur selbständigen Tätigkeit aufgeführten Aufwendungen hätten auch ausschließlich zur Erzielung von Einkünften aus der Rechtsanwaltstätigkeit des Klägers gedient. ;

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Die angefochtenen Verwaltungsakte sind rechtmäßig. Eine Aufhebung der Maßnahmen nach § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung - FGO - bzw. eine Änderung gemäß § 100 Abs. 2 FGO kommt deshalb nicht in Betracht.
Der Beklagte hat zu Recht die Bemessungsgrundlage für die Einkommensteuerfestsetzungen in den Streitjahren um jeweils 824,00 DM nach § 162 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung - AO - erhöht.

1. Die Kläger können zunächst nicht mit Erfolg geltend machen, die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Einkommensteuerbescheide ergebe sich aus dem Umstand, dass der Beklagte zu Unrecht Betriebsausgaben i.S.d. § 4 Abs. 4 Einkommensteuergesetz - EStG - gekürzt habe.

Denn der Beklagte durfte eine Richtigstellung des Werbungskostenabzuges rechnerisch auch durch Kürzung der Betriebsausgaben vornehmen; die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen bildet einen mit Rechtsbehelfen nicht selbständig anfechtbaren Teil des Steuerbescheids, § 157 Abs. 2 AO (soweit die Besteuerungsgrundlagen nicht gesondert festgestellt werden, was im Streitfall ausscheidet).

Maßgeblich als Bemessungsgrundlage für die Einkommensteuerfestsetzung ist gemäß § 2 Abs. 5 Satz 1 EStG das "zu versteuernde Einkommen", welches sich nach Abs. 4 der Vorschrift aus dem Gesamtbetrag der Einkünfte zusammensetzt. Einkünfte sind nach Abs. 2 der Vorschrift solche aus selbständiger (§18 EStG) und nichtselbständiger (§19 EStG) Arbeit. Deshalb ist das Finanzamt in der Berechnung der Grundlage der Besteuerung insoweit frei, als es für die Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung nur auf die insgesamt zutreffende Bemessungsgrundlage ankommt, die ihrerseits zu einer zutreffenden Steuerfestsetzung führen muss.

Eine Beschwer des Steuerpflichtigen im unzutreffenden Ansatz einzelner Besteuerungsgrundlagen ist ausnahmsweise nur dann gegeben, wenn sich eine maßgebende, die Bindungswirkung herstellende Rechtsgrundlage konkret auf eine Besteuerungsgrundlage bezieht (vgl. auch BFH-Beschluss vom 27. August '. 1997 - X B 184/95, BFH/NV 1998, 336).

Dies ist im Streitfall nicht ersichtlich und wird von den Klägern auch nicht vorgetragen.

1. Die Rechtswidrigkeit der Steuerfestsetzung könnte sich somit nur daraus ergeben, dass der Beklagte in den Streitjahren jeweils eine um 854,00 DM zu hohe Bemessungsgrundlage angesetzt hat.

Da die Betriebsausgaben offenbar zutreffend erklärt worden sind - der Beklagte erhebt hier in der Sache keine Einwendung -, wäre die Steuerfestsetzung nur dann rechtswidrig, wenn der Werbungskostenabzug falsch berechnet worden wäre. Der Maßstab für die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide ergibt sich deshalb aus der Fragestellung, ob der Beklagte zu Recht anstelle des Werbungskostenpauschbetrages von 2.000,00 DM nach §9a Satz 1 Nr. 1 EStG nur einen Werbungskostenabzug nach §9 Abs. 1 EStG von jeweils 1.176,00 DM gewährt und damit letztlich die Bemessungsgrundlagen um 854,00 DM erhöht hat.

Der Beklagte hat jedenfalls nach der überkommenen Rechtsprechung, welcher der erkennende Senat hier folgt, im Ergebnis zu Recht nur jeweils die Betriebsausgaben voll, die Werbungskosten aber nur im Höhe von 1.176,00 DM zum Abzug zugelassen.

Denn eine Berücksichtigung des Arbeitnehmer-Pauschbetrages nach § 9a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG kommt nach der überkommenen Rechtsprechung neben einem korrespondierenden Abzug von Betriebsausgaben nicht in Betracht; die Ausgaben sind vielmehr im Wege der Schätzung auf die beiden in Betracht kommenden Einkunftsarten aufzuteilen.

a. Die Geltendmachung des Pauschbetrages nach § 9a Satz 1 Nr. 1 EStG neben den - gleichartigen -Betriebsausgaben für Bürobedarf, Fachliteratur u. dergl. ist nach der geltenden höchstrichterlichen Finanzrechtsprechung (BFH-Urteil vom 16. März 1967 - IV R 210/66, BFHE 88, 414; BStBI III 1967, 418) und der vorherrschenden Literaturmeinung (vgl. Prinz in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG-Kommtar, Losebl. 2004, § 9a Rz. 21; Drenseck in Schmidt, EStG-Kommentar 23. Aufl. 2004, § 9a Rz.. 3), denen der erkennende Senat folgt, ausgeschlossen.

? Es bestehen zwar im Allgemeinen keine Bedenken dagegen, dass die Finanzbehörden in geeigneten Fällen aus Vereinfachungsgründen Werbungskosten oder Betriebsausgaben pauschalieren. Da diese Anordnungen aber nur durch den Gesichtspunkt der Vereinfachung gerechtfertigt werden können und nicht zu einer im Gesetz nicht vorgesehenen Steuermilderung benutzt werden dürfen, sind sie nur in den Fällen anwendbar, wo sie zu einer tatsächlichen Vereinfachung der Ermittlung der richtigen Einkünfte durch den Steuerpflichtigen und die Verwaltung führen können.

Wenn indessen bei einem sowohl als Arbeitnehmer als auch als Freiberufler tätigen Steuerpflichtigen zahlreiche Aufwendungen erheblichen Umfangs anfallen, die beide Arten seiner Einkünfte betreffen, so führt die Pauschalierung der nur eine der Einkunftsarten betreffenden Aufwendungen in der Regel zu keiner Vereinfachung, sondern zu einer wesentlichen Erschwerung der Ermittlung des richtigen Einkommens. Denn während die zutreffende Verteilung der einzelnen Aufwendungen auf die verschiedenen Einkunftsarten dann keine ins Gewicht fallende steuerliche Bedeutung gewinnt, wenn nur die nachgewiesenen Aufwendungen berücksichtigt werden, ist die Aufteilung zahlreicher einzelner Aufwendungen im Wege der Schätzung für die zutreffende Ermittlung des Einkommens von großer Bedeutung, wenn der auf eine bestimmte Einkunftsart entfallende Teil der Aufwendungen durch eine Pauschale berücksichtigt ist. Denn dieser Teil der tatsächlichen Aufwendungen muss unberücksichtigt bleiben und darf sich nicht neben der Pauschale einkommensmindernd auswirken (BFH-Urteil vom 16. März 1967 a.a.O.).

? So liegt es im Streitfall, da der Kläger Aufwendungen geltend macht, die beide Arten seiner Einkünfte betreffen.

Denn Kläger hat zum einen zwar behauptet, seine beiden Tätigkeiten seien nicht "verquickt". Tatsächlich war der Kläger aber hier wie dort als Jurist tätig, so dass Überschneidungen der Aufwendungen zwangsläufig gewesen sein mussten. Der Kläger hat nicht darlegen können, dass bestimmte - vom Beklagten nicht erfasste -Aufwendungen nur auf seine nichtselbständige Tätigkeit entfallen sind. Umgekehrt hat der Kläger ebenfalls nicht vortragen können, dass sich seine Tätigkeit als Rechtsanwalt etwa aufgrund eines besonderen vertretenen Fachgebietes deutlich von jener als Assessor unterschieden hätte.

Mangels spezifischer Aufwendungen für die nichtselbständige Arbeit verblieben für den vom Beklagten nicht gewährten Restbetrag von 854,00 DM nur noch allgemeine Aufwendungen wie Raumkosten, Fachliteratur und Büromaterial. Diese Aufwendungen sind jedoch bereits als Betriebsausgaben bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit abgezogen worden.

a. Der Beklagte durfte nach der höchstrichterlichen Finanzrechtsprechung (vgl. BFH-Urteil vom 04. November 1965 - IV 32/64 U, BFHE 84, 243; BStBI III 1966, 89), welcher der erkennende Senat ebenfalls folgt, anstelle der Gewährung des Pauschbetrages die Höhe der Werbungskosten im Schätzungswege nach § 162 Abs. 1 AO bestimmen.

? Nach § 4 Abs. 4 EStG durfte der Kläger als Betriebsausgaben von seinen Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit nur diejenigen Aufwendungen abziehen, die durch diese Tätigkeit veranlasst wurden. Soweit die Aufwendungen der Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit dienten (§ 9 EStG), mussten sie bei der Ermittlung der Einkünfte des Klägers als Assessor berücksichtigt werden und durften nicht seinen Gewinn aus freiberuflicher Tätigkeit mindern. Die Aufteilung ist nach objektiven Gesichtspunkten vorzunehmen.

Soweit die Aufwendungen nicht ihrer Natur nach und ausschließlich mit der nichtselbständigen oder der ? selbständigen Tätigkeit zusammenhängen, ist die Aufteilung durch Schätzung vorzunehmen. Denn gerade wenn eine genaue und eindeutige Ermittlung oder Berechnung der Besteuerungsgrundlagen nicht möglich ist, sind sie zu schätzen.

? Diese Kriterien liegen dem Grundsatz nach im Streitfall ebenfalls vor.

Denn wenn es zulässig gewesen wäre, vermischte Aufwendungen im Wege der Schätzung einer Einkunftsart zuzuweisen, so muss es im Interesse des Steuerpflichtigen ebenso zulässig sein, anstelle der völligen Versagung von Werbungskosten den unbenannten Pauschbetrag aus § 9a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG im Wege der Schätzung auf wahrscheinlich tatsächlich entstandene Aufwendungen zurückführen. Nichts anderes hat der Beklagte getan, als er Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, Arbeitsmittel und Kontoführungsgebühren geschätzt hat.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

III.

Die Revision war zuzulassen, denn es ist ein Revisionsgrund gegeben: Der Rechtsstreit hat grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.#

1. Eine Sache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn die für die Beurteilung des Streitfalles maßgebende Rechtsfrage das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. BFH vom 17. September 1974 - VII B 112/73, BStBI II 1975, 196). Eine Grundsatzrevision ist dementsprechend zuzulassen, wenn eine vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfrage klärungsbedürftig ist (vgl. hierzu BFH vom 07. März 1994 V B 95/93, BFH/NV 1995, 650).

1. Die genannten Erfordernisse sind im Streitfall erfüllt. Dem erkennenden Senat erscheint es nicht ohne Weiteres erklärlich, warum einerseits die Gewährung des Pauschbetrages aus § 9a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG verwehrt wird, wenn daneben gleichartige Aufwendungen als Betriebsausgaben geltend gemacht werden, andererseits aber der Pauschbetrag ganz offensichtlich nicht zur Disposition des Rechtsanwenders stehen soll.

In der Literatur wird hierzu vertreten, § 9a EStG beinhalte eine "nicht widerlegbare gesetzliche Vermutung für das Entstehen von Werbungskosten" (vgl. Prinz a.a.O. § 9a Rz. 18 a.E. - freilich unter Bezugnahme auf FG des Saarlandes, Urteil vom 09. November 1983 -1 126/82, EFG 1984, 174, wonach neben dem besonderen Werbungskosten-Pauschbetrag [z.B. für Journalisten] nicht auch noch der allgemeine Werbungskosten-Pauschbetrag von damals 564 DM berücksichtigt werden darf).

Der Steuerpflichtige soll nach Literaturmeinung einen "Rechtsanspruch auf den Ansatz der Pauschbeträge" haben (vgl. Drenseck a.a.O., § 9a Rz. 1).

Diese Auffassung geht offenbar zurück auf die überkommene Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes, wonach der Werbungskostenpauschbetrag gemäß § 9a EStG ein echter "Durchschnittsbetrag" ist, den der Gesetzgeber zur Vereinfachung geschaffen hat und der "jedem Arbeitnehmer" als Mindestbetrag an Werbungskosten zusteht, ohne Rücksicht darauf, ob auch tatsächlich durchschnittlich Werbungskosten in Höhe des Pauschbetrags entstehen. Die Finanzbehörden können danach die Anwendung des Pauschsatzes nicht mit der Begründung versagen, dass einem Arbeitnehmer tatsächlich keine oder nur wesentlich geringere Werbungskosten entstünden (vgl. BFH-Urteil vom 18. April 1958 - VI 17/58 U, BFHE 67, 56; BStBI III 1958, 294).

Die Anwendung der zitierten höchstrichterlichen Grundsätze führt im Streitfall dazu, dass nicht "jedem Arbeitnehmer", nämlich nicht dem Kläger, der Pauschbetrag nach § 9a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gewährt wird.

RechtsgebietEStGVorschriften§§ 2 Abs. 5 S.1, 4 Abs. 4, 9 Abs. 1, 9a S.1 Nr.1 EStG

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