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03.06.2005 · IWW-Abrufnummer 051419

Finanzgericht Münster: Beschluss vom 17.05.2005 – 8 K 4710/01 E

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


FINANZGERICHT MÜNSTER

BESCHLUSS

8. Senat
8 K 4710/01 E

In dem Rechtsstreit XXX

wegen Einkommensteuer 1996

hat der 8. Senat des Finanzgerichts Münster unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht und der Richter am Finanzgericht und aufgrund mündlicher Verhandlung am 5. April 2005 beschlossen:

1) Der Senat setzt das Verfahren aus.

2) Es wird eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber eingeholt, ob § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b Einkommen-steuergesetz (EStG) und § 22 Nr. 3 Satz 1 EStG jeweils in der für den Veranlagungszeitraum 1996 maßgeblichen Fassung des Einkommensteuergesetzes vom 7.09.1990 BGBl. I 1990, 1898 insoweit mit Artikel 3 Grundgesetz (GG) unvereinbar und nichtig ist, als im Veranlagungszeitraum 1996 die Durchsetzung des Steueranspruchs bei der Veräußerung von Wertpapieren und bei der Durchführung von Optionsgeschäften wegen struktureller Vollzugshindernisse weitgehend vereitelt wird.

Rechtsmittelbelehrung:
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Tatbestand:

A. Gegenstand der Vorlage

Zu entscheiden ist, ob eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber einzuholen ist, ob § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG und § 22 Nr. 3 Satz 1 EStG in der jeweils für den Veranlagungszeitraum 1996 maßgeblichen Fassung des Einkommensteuergesetzes vom 7.09.1990 (BGBl. I 1990, 1898) insoweit mit Artikel 3 GG unvereinbar und nichtig ist, als im Veranlagungszeitraum 1996 die Durchsetzung des Steueranspruchs bei der Veräußerung von Wertpapieren und bei der Durchführung von Optionsgeschäften wegen struktureller Vollzugshindernisse weitgehend vereitelt wird.

Die Kläger (Kl.) sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden.

Der Kl. erzielte im Streitjahr 1996 als Parfümeur Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Außerdem war er in großem Umfang am Kapitalmarkt tätig. Neben Zinsen aus Sparguthaben und festverzinslichen Wertpapieren erzielte er auch Dividenden aus Aktien im In- und Ausland. Außerdem tätigte er Spekulations-, Options- und Finanztermingeschäfte an verschiedenen Terminbörsen.

Für die Jahre 1994 bis 1996 fand bei dem Kl. eine Außenprüfung (Ap) statt.

Der Prüfer stellte fest, dass der Kl. im Streitjahr 1996 Wertpapiere ge- und verkauft hat. Soweit bei den 37 Verkaufsgeschäften der Verkauf innerhalb von sechs Monaten stattfand, erzielte der Kl. hieraus einen Veräußerungsverlust i. H. v. insgesamt 8.304,46 DM.

Der Kl. führte unter Einschaltung einer Bank im Streitjahr 1996 außerdem Optionsgeschäfte u. a. an der Deutschen Terminbörse (DTB) durch. Er erwarb Rechte, innerhalb einer bestimmten Frist Wertpapiere zu einem festgelegten Basiswert zu kaufen (call) oder zu verkaufen (put). Dies sind sogenannte long-Positionen. Hierfür zahlte er Optionsprämien.

Weiterhin schloss der Kl. hinsichtlich der long-Positionen 44 sogenannte Glattstellungsgeschäfte (Gegengeschäfte zu den Eröffnungsgeschäften) ab, für die er seinerseits Optionsprämien erhielt. Soweit diese Geschäfte innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten erfolgten, erzielte der Kl. unter Berücksichtigung von Courtage und Provision hieraus einen Gewinn i. H. v. insgesamt 26.275,90 DM. Zum Teil entfiel dieser Gewinn auf long-Positionen, die sich nicht auf Wertpapiere sondern auf den Deutschen Aktien-Index (DAX) bezogen.

Außerdem verpflichtete sich der Kl. als Verkäufer von Kaufoptionen (call) und Verkaufsoptionen (put) und somit als sogenannter Stillhalter (short-Positionen). Hierfür erhielt er Optionsprämien. In acht Fällen bezogen sich diese Verkaufsgeschäfte auf Aktien und in 38 Fällen auf den DAX.

Auch hinsichtlich der short-Positionen schloss der Kl. Glattstellungsgeschäfte ab, für die er seinerseits Optionsprämien zu zahlen hatte.

Für die Glattstellungsgeschäfte bei den vom Kl. eingeräumten Optionsrechten (short-Positionen) erzielte er im Streitjahr 1996 unter Berücksichtigung von Courtage und Provision einen Überschuss i. H. v. insgesamt 43.602,32 DM. Ein Teil dieses Überschusses entfiel auf short-Positionen, die sich nicht auf Wertpapiere sondern auf den DAX bezogen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Ap-Bericht vom 8.11.1999 (insbesondere auf Tz. 15 i. V. m. der Anlage 3) und auf den vom Beklagten (Finanzamt - FA -) vorgelegten Ordner, in dem die o. a. Geschäfte dokumentiert sind, sowie auf den Schriftsatz des FA vom 19.10.2004 nebst Anlagen verwiesen.

Außerdem tätigte der Kl. im Streitjahr 1996 an der DTB Geschäfte (Eröffnungs- und Glattstellungsgeschäfte) mit Terminkontrakten (sogenannten Future), wobei sich diese zum Einen auf Bundesanleihen zum Anderen auf den DAX bezogen.

Der Prüfer ging hinsichtlich der o. a. Tätigkeit des Kl. von einer privaten Vermögensverwaltung und nicht von der Erzielung gewerblicher Einkünften aus und nahm deshalb die Besteuerung entsprechend dem BMF-Schreiben vom 10.11.1994 BStBl. I 1994, 816 über die einkommensteuerrechtliche Behandlung von Options- und Finanztermingeschäften an der Deutschen Terminbörse (DTB) und von anderen als Optionsscheine bezeichneten Finanzinstrumente im Bereich der privaten Vermögensverwaltung vor. Dementsprechend sah er die Geschäfte des Kl. mit dem Bund-Future und dem DAX-Future nicht als steuerpflichtig an, wohl aber die übrigen vom Kl. getätigten o. a. Geschäfte.

Der Prüfer meinte, dass der vom Kl. mit den Optionsrechten (long-Positionen) erzielte Gewinn i. H. v. 26.275,90 DM unter Abzug des vom Kl. mit der Veräußerung von Wertpapieren gemachten Verlustes i. H. v. 8.304,46 DM, somit ein Betrag i. H. v. 17.971,44 DM als Veräußerungsgewinn gem. § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG in der Fassung des Streitjahres und der Überschuss aus den short-Positionen i. H. v. 43.602,23 DM als Einkünfte aus Leistungen gem. § 22 Nr. 3 EStG steuerpflichtig seien.

Das FA berücksichtigte dementsprechend im Einkommensteuer-Änderungsbescheid 1996 vom 26.11.1999 erstmals zusätzliche Spekulationsgewinne gem. § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG i. H. v. 17.971,00 DM und Einkünfte aus Leistungen gem. § 22 Nr. 3 EStG i. H. v. 43.602,00 DM.

Mit dem hiergegen eingelegten Einspruch beantragten die Kl., bei den sonstigen Einkünften gem. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG die Spekulationsgewinne um 5.442,63 DM und die Einkünfte aus Leistungen gem. § 22 Nr. 3 EStG um 18.008,73 DM zu kürzen. Die Beträge würden sich aufgrund der steuerlich unbeachtlichen DAX-Optionsgeschäfte ergeben. Zur Begründung verwiesen sie auf ein Schreiben vom 12.10.1999 des Rechtsanwaltes C, H.

Dieser wies darauf hin, dass es zwar richtig sei, dass die Finanzbehörde Anweisungen gegeben habe, Gewinne/Verluste durch Glattstellung von DAX-Optionen grundsätzlich als steuerpflichtige Geschäfte anzusehen. Rechtlich richtig sei dagegen, dass sämtliche Geschäfte in DAX-Optionen sogenannte offene Differenzgeschäfte seien, d. h. von vorneherein nur einen Anspruch auf einen Barausgleich bei Ausübung geben würden. Einerseits würden die Finanzbehörden im BMF-Erlass vom 10.11.1994, BStBl. I 1994, 816, sagen, dass eine Option auf den DAX dem Inhaber bei Ausübung lediglich einen Anspruch auf Barausgleich gewähre, also ein steuerpflichtiges Spekulationsgeschäft von vorneherein nicht in Betracht komme, andererseits sollen bei Glattstellung solcher Geschäfte durch ein Gegengeschäft jedoch dann steuerpflichtige Geschäfte entstehen, wenn diese Geschäfte innerhalb der damals noch gültigen 6-Monats-Periode stattfinden würden. Diese Darstellung sei insbesondere unter Berufung auf die im Erlass zitierten BFH-Urteile inkonsequent und falsch.

Zum Einen seien grundsätzlich bereits verdeckte Differenzgeschäfte, bei denen keine diesem Geschäft zugrunde liegenden Produkte angeschafft oder veräußert würden, keine Anschaffungs- und Veräußerungsgeschäfte im Sinne des § 23 EStG, wenn keine Waren geliefert würden und nur die Differenz gezahlt würde, so ausdrücklich der BFH im Urteil vom 06.12.1983, VIII R 172/83, BStBl. II 1984, 132. In der BFH-Rechtsprechung heiße es ausdrücklich, dass solche Differenzgeschäfte, die wie z. B. Termingeschäfte, keine Umsätze von Wirtschaftsgütern hätten, weder zu Einkünften aus Spekulationsgeschäften noch aus sonstigen Leistungen führen würden. Als Begründung ziehe der BFH auch heran, dass im Umsatzsteuerrecht ebenfalls angenommen werde, dass bei der Durchführung von Differenzgeschäften ein Leistungsaustausch nicht stattfinde, den Teilnehmern vielmehr zu Spieleinnahmen verholfen werde (Hinweis auf BFH-Urteil vom 13.10.1988, IV R 220/85, BStBl. II 1989, 39).

Sämtliche vorerwähnten BFH-Entscheidungen seien zu verdeckten Differenzgeschäften ergangen, also zu solchen Geschäften, bei denen der Barausgleich nur stillschweigend vereinbart worden sei. Im Fall der DAX-Option sei aber ein Barausgleich in den Optionsbedingungen festgeschrieben, es handele sich mithin also bereits um offene Differenzgeschäfte. Da bei offenen Differenzgeschäften die Differenzerzielungsabsicht das einzige Kriterium sei, könne in konsequenter Anwendung der BFH-Rechtsprechung hier keine Besteuerung erfolgen. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn es sich um andere Arten von Optionen handele, wie beispielsweise um Aktienoptionen. Hier könnten dann die dem Optionsgeschäft zugrunde liegenden Aktien bei Ausübung bezogen werden, so dass hier ein Wirtschaftsgut erworben werde und kein ?Spiel? stattfinde. Richtigerweise habe der BFH bei der Spekulation in Aktienoptionen entschieden, dass hier ein Wirtschaftsgut erworben bzw. veräußert werde, da die der Option zugrunde liegenden Aktien jederzeit erworben werden könnten (Hinweis auf BFH-Urteil vom 24.07.1996, X R 139/93, BFH/NV 1997, 105).

Zwar behaupte der BFH in diesem Fall, dass der Überschuss nur deshalb erzielt würde, weil das Optionsrecht als solches übertragen würde. Der hier vom BFH entschiedene Fall sei jedoch nicht vergleichbar, da es sich um Aktien-Optionsrechte handele, denen bei Ausübung ein Bezug von Aktien zugrunde liegen würde, mithin es sich bei der Option um ein echtes Wirtschaftsgut handeln würde. Dies sei nach der vorerwähnten anderslautenden BFH-Rechtsprechung eben gerade bei verdeckten bzw. offenen Differenzgeschäften grundsätzlich nicht der Fall.

Es sei streng zu unterscheiden zwischen Geschäften in Optionsscheinen, also Geschäfte in Wertpapieren, sowie Geschäften in Optionen, denen ein real zu beziehendes Wirtschaftsgut zugrunde liege, und Geschäften in Optionen, die lediglich im Wege des Barausgleichs ausgeglichen würden, sogenannte offene Differenzgeschäfte. Eine weitere Überlegung zeige die Richtigkeit dieser Auffassung. In dem Erlass vom 10.11.1994 heiße es, dass Financial Futures, also DTB-Futures, per se nicht zur Besteuerung führen würden, da das Basisobjekt nicht lieferbar sei. Unter III. 2. zu den DAX-Futures heiße es ausdrücklich, dass bei DAX-Futures, da das Basisobjekt nicht lieferbar sei, Gewinne oder Verluste aus der Glattstellung oder aus dem zu erbringenden Barausgleich steuerlich unbeachtlich seien. Da Futures und Optionen grundsätzlich steuerlich gleichbehandelt werden müssten, und immer dann, wenn eine Lieferung des Basisobjektes nicht möglich sei, kein steuerbares Geschäft nach der höchstrichterlichen BFH-Rechsprechung vorliegen solle, müsse dies, was für DAX-Futures gelte, konsequenterweise auch bei DAX-Optionen gelten, so dass auch dort Geschäfte aus Glattstellungen steuerfrei bleiben müssten.

Das FA wies den Einspruch als unbegründet zurück (Einspruchsentscheidung vom 25.07.2001). Es meinte, es sei zutreffend davon ausgegangen, dass die DAX-Optionsgeschäfte sowohl zu Einkünften aus Spekulationsgeschäften ( § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 b EStG), als auch zu Einkünften aus Leistungen gemäß § 22 Nr. 3 EStG führen würden.

Inhalt des Optionsgeschäftes sei grundsätzlich der Erwerb oder die Veräußerung des Rechts, eine bestimmte Anzahl von Wertpapieren einer bestimmten, zum Optionshandel zugelassenen Aktienart (Basisaktien) jederzeit während der Laufzeit der Option zu einem im Voraus vereinbarten Preis (Basispreis) entweder vom Kontrahenten (Stillhalter) zu kaufen oder an ihn zu verkaufen. Für dieses Recht habe der Inhaber der Option bei Abschluss des Optionsgeschäftes die Optionsprämie zu zahlen.
Ein Future hingegen sei eine für beide Vertragsparteien verbindliche Vereinbarung, zu einem festgelegten künftigen Zeitpunkt einen bestimmten Basiswert zu einem vereinbarten Preis zu kaufen bzw. zu verkaufen.

Der Unterschied zwischen Option und Future bestehe darin, dass eine Option für ihren Käufer ein Recht, aber keine Verpflichtung zum Kauf bzw. Verkauf des Basiswertes darstelle. Beim Optionsgeschäft habe nur der Verkäufer der Option die Verpflichtung zur Lieferung bzw. zur Abnahme gegen Zahlung, sofern der Optionsinhaber von seinem Recht Gebrauch mache. Beim Future hingegen bestehe definitiv sowohl eine Verpflichtung zur Lieferung, als auch zur Abnahme gegen Zahlung. Nach den Regelungen im BMF-Schreiben vom 10.11.1994 a. a. O. werde grundsätzlich zwischen Optionsgeschäften an der DTB und Finanztermingeschäften im Bereich der privaten Vermögensverwaltung unterschieden. Gewinne und Verluste aus der Glattstellung oder aus dem zu erbringenden Barausgleich seien bei DAX-Futures steuerlich unbeachtlich, weil das Basisprojekt nicht lieferbar sei (Tz. 21). Der Betriebsprüfer habe im Streitfall die Futures auf den Deutschen Aktienindex (DAX) auch steuerlich nicht berücksichtigt.

Die Option auf den DAX gewähre dem Inhaber bei der Ausübung lediglich einen Anspruch auf Barausgleich. Es komme auch für diese Fälle ein steuerpflichtiges Spekulationsgeschäft nicht in Betracht (Tz. 17). Bei der Glattstellung solcher DAX-Optionsgeschäfte durch ein Gegengeschäft würden aber die Ausführungen in den Tz. 8 und 12 entsprechend gelten. Danach sei die Differenz zwischen der gezahlten und der aus dem glattgestellten Abschluss des Stillhaltergeschäfts erzielten Optionsprämie als Spekulationsgewinn bzw. ?verlust unter den weiteren Voraussetzungen des § 23 EStG zu berücksichtigen.

Für den Verkauf von Kauf- oder Verkaufsoptionen auf den DAX würden die Bestimmungen der Tz. 13, 15 und 16 entsprechend gelten. Kaufe der Verkäufer einer Kaufoption eine Kaufoption der gleichen Serie unter Closing-Vermerk, handele es sich bei der gezahlten Optionsprämie wirtschaftlich betrachtet um Aufwendungen zur Befreiung von der zuvor eingegangenen Stillhalter-Bindung und damit um Aufwendungen zur Sicherung der vereinnahmten Optionsprämie. Die für den glattstellenden Kauf einer Kaufoption vom Stillhalter gezahlte Optionsprämie einschließlich der Nebenkosten dürften daher als Werbungskosten bei den Einkünften aus § 22 Nr. 3 EStG abgezogen werden. Diese Ausführungen würden entsprechend auch für den Verkäufer einer Verkaufsoption gelten (Tz. 16). Die in der Anlage 3 (ab S. 7) des Betriebsprüfungsberichts aufgeführten Glattstellungen der DAX-Optionen würden Einkünfte aus § 22 Nr. 3 EStG darstellen. Die getätigten Optionsgeschäfte hätten alle mit der Glattstellung geendet. Der Auffassung der Kl., dass Futures und Optionen grundsätzlich steuerlich gleichbehandelt werden müssten, wenn eine Lieferung des Basisobjektes nicht möglich sei, stehe der o. g. Erlass des BMF entgegen.

Mit der hiergegen eingelegten Klage haben die Kl. zunächst begehrt, die Optionsgeschäfte auf den DAX in der von ihnen genannten Höhe nicht der Besteuerung zu unterwerfen und den Steuerbescheid entsprechend abzuändern. Sie berufen sich insoweit weiterhin auf das Schreiben des Rechtsanwaltes C vom 12.10.1999.

Darüber hinaus berufen sich die Kl. nunmehr auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9.03.2004 2 BvL 17/02 BGBl. I 2004, 591, BStBl. II 2005, 56. Sie meinen, daraus ergebe sich, dass die vom FA der Steuerfestsetzung 1996 bei den vom Kl. getätigten Spekulationsgeschäften zugrunde gelegten Vorschriften des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG und des § 22 Nr. 3 EStG in den jeweils für das Streitjahr 1996 geltenden Fassungen wegen eines strukturellen Vollzugsdefizits mit Artikel 3 Abs. 1 des GG unvereinbar und deshalb nichtig seien.

Die Kl. beantragen,

unter Änderung des Einkommensteuer-Änderungsbescheides für 1996 vom 26.11.1999 sowie unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 25.07.2001 die Einkommensteuer 1996 dahingehend anderweitig festzusetzen, dass bei der Einkommensteuer 1996 die laut Außenprüfungsbericht angesetzten Einkünfte gem. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG und gem. § 22 Nr. 3 EStG, soweit damit Einnahmen aus Optionsgeschäften auf den DAX oder Einnahmen aus anderen Spekulationsgeschäften bzw. Optionsgeschäften erfasst worden sind, nunmehr bei der Einkommensteuerfestsetzung nicht mehr berücksichtigt werden,

hilfsweise, die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung zuzulassen, und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Es hält unter Hinweis auf die Einspruchsentscheidung an seiner Rechtsauffassung fest. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der vom FA vorgelegten Steuerakten sowie auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Der Senat hat in diesem Verfahren am 3.06.2004, 16.09.2004 und 5.04.2005 mündlich verhandelt. Auf die Niederschriften hierüber wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

B. Gründe für die Vorlage an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG)

Die Vorlage an das BVerfG ist gemäß Artikel 100 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i. V. m. § 80 Abs. 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (BverfGG) geboten, weil der Senat § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG und § 22 Nr. 3 Satz 1 EStG jeweils in der für das Veranlagungsjahr 1996 maßgeblichen Fassung des Einkommensteuergesetzes vom 07.09.1990 BGBl. I 1990, 1898 insoweit wegen Verstoßes gegen Artikel 3 Abs. 1 GG für verfassungswidrig hält, als im Veranlagungszeitraum 1996 die Durchsetzung des Steueranspruches bei der Veräußerung von Wertpapieren und bei der Durchführung von Optionsgeschäften wegen struktureller Vollzugshindernisse weitgehend vereitelt wird.

I. Anwendung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b EStG und des §§ 22 Nr. 3 Satz 1 EStG
im Streitfall

Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 7 Einkommensteuergesetz (EStG) unterliegen der Einkommensteuer auch sonstige Einkünfte im Sinne des § 22 EStG. § 22 Nr. 2 EStG zählt Geschäfte im Sinne des § 23 EStG ? in dieser Vorschrift bis einschließlich Veranlagungszeitraum 1998 als ?Spekulationsgeschäfte?, danach als ?private Veräußerungsgeschäfte? bezeichnet ? zu den sonstigen Einkünften. § 23 EStG hat in seiner für den Veranlagungszeitraum 1996 maßgeblichen Fassung auszugsweise den folgenden Wortlaut:

§ 23

Spekulationsgeschäfte

(1) Spekulationsgeschäfte (§ 22 Nr. 2) sind

1. Veräußerungsgeschäfte, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung beträgt:
a) bei Grundstücken und Rechten, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen (z. B. Erbbaurecht, Mineralgewinnungsrecht) nicht mehr als zwei Jahre,
b) bei anderen Wirtschaftsgütern, insbesondere bei Wertpapieren, nicht mehr als sechs Monate;
2. Veräußerungsgeschäfte, bei denen die Veräußerung der Wirtschaftsgüter früher erfolgt als der Erwerb.
( . . .)

(2) Spekulationsgeschäfte liegen nicht vor, wenn Wirtschaftsgüter veräußert werden, deren Wert bei Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 6 anzusetzen ist. § 17 ist nicht anzuwenden, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b vorliegen. Bei der Veräußerung von Anteilsscheinen am Geldmarkt-, Wertpapier-, Beteiligungs- und Grundstücks-Sondervermögen sowie von ausländischen Investmentanteilen gilt Satz 1 nur, soweit im Veräußerungspreis ein Zwischengewinn enthalten ist.

(3) ...
Satz 4: Verluste aus Spekulationsgeschäften dürfen nur bis zur Höhe des Spekulationsgewinns, den der Steuerpflichtige im gleichen Jahr erzielt hat, ausgeglichen werden; sie dürfen nicht nach § 10 d EStG abgezogen werden.

§ 22 EStG hat in seiner für den Veranlagungszeitraum 1996 maßgeblichen Fassung auszugsweise den folgenden Wortlaut:

§ 22

Arten der sonstigen Einkünfte

Sonstige Einkünfte sind
1. (...)
2. (...)
3. Einkünfe aus Leistungen, soweit sie weder zu anderen Einkunftsarten (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 6) noch zu den Einkünften der Nummern 1, 1 a, 2 oder 4 gehören, z. B. Einkünfte aus gelegentlichen Vermittlungen und aus der Vermietung beweglicher Gegenstände. Solche Einkünfte sind nicht steuerpflichtig, wenn sie weniger als 500,00 Deutsche Mark im Kalenderjahr betragen haben. Übersteigen die Werbungskosten die Einnahmen, so darf der übersteigende Betrag bei Ermittlung des Einkommens nicht ausgeglichen werden; er darf auch nicht nach § 10 d abgezogen werden;
4. (...)

Auf der Grundlage der genannten Vorschriften ? ihre Verfassungsmäßigkeit unterstellt ? wäre der angefochtene Einkommensteueränderungsbescheid 1996 vom 26.11.1999 rechtmäßig.

Das FA hat dann die strittigen Differenzgewinne aus den Optionsgeschäften und die Verluste aus den Wertpapiergeschäften zu Recht der privaten Vermögensverwaltung zugerechnet (vgl. unten 1.) und als Einkünfte aus Spekulationsgeschäfte gemäß § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG in der für das Streitjahr 1996 geltenden Fassung beurteilt (vgl. unten 2.). Es hat ferner zutreffend die Optionsprämie, die der Kl. als Stillhalter erhalten hat, der Besteuerung nach § 22 Nr. 3 Satz 1 EStG unterworfen (vgl. unten 3.).

1. Private Vermögensverwaltung
Der Kl. war im Rahmen der von ihm getätigten Wertpapiergeschäfte und der von ihm an der DTB getätigten Optionsgeschäfte nicht gewerblich im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG tätig. Eine Tätigkeit ist gewerblich gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG, wenn eine selbständige nachhaltige Betätigung vorliegt, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird, die Betätigung sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt und sie die Grenzen der privaten Vermögensverwaltung überschreitet (ausführlich Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25. Juni 1984 GrS 4/82 BStBl. II 1984, 751 unter C. III. 3 b) aa); seither ständige Rechtsprechung z. B. BFH-Urteile vom 31.07.1990 I R 173/83, BStBl. II 1991, 66, vom 20.12.2000 X R 1/97 BStBl. II 2001, 706 und vom 30.07.2003 X R 7/99, BStBl. II 2004, 408 jeweils m. w. N.).

Der Kl. hat mit seinem Wertpapierhandel bzw. Optionshandel die Grenzen privater Vermögensverwaltung nicht überschritten. Ein derartiger Handel überschreitet die Grenze zur gewerblichen Betätigung nur in besonderen Fällen. Der An- und Verkauf von Optionen und von Wertpapieren ist ein Gewerbebetrieb, wenn sich der Steuerpflichtige wie ein ?Händler? verhält. Beweisanzeichen für eine Zuordnung zu diesem Bild sind der Umfang der Geschäfte, das Unterhalten eines Büros oder einer Organisation zur Durchführung von Geschäften, das Ausnutzen eines Marktes unter Einsatz beruflicher Erfahrung, das Anbieten der Tätigkeit gegenüber Dritten und andere für eine private Vermögensverwaltung ungewöhnliche Verhaltensweisen.

Der An- und Verkauf von Optionen kann ferner die Grenze der privaten Vermögensverwaltung überschreiten, wenn der Steuerpflichtige ohne Einsatz eigenen Vermögens mit beruflich erlangten Kenntnissen Kursdifferenzen ausnützt und sich damit ?bankentypisch? verhält. Bei der rechtlichen Zuordnung anhand der Kriterien kann nicht isoliert auf einzelne Merkmale abgestellt werden, vielmehr ist das Gesamtbild entscheidend, wobei die einzelnen Beweisanzeichen zu gewichten und gegeneinander abzuwägen sind (vgl. BFH-Urteil vom 1.06.2004 IX R 35/01 BStBl. II 2005, 26). Danach stellt sich die Betätigung des Kl. im Rahmen des Optionshandels nicht als gewerblich dar, da keinerlei Umstände erkennbar sind, die dafür sprechen könnten, dass sich der Kl. gewerblich betätigt hat. Die Optionsgeschäfte haben nach Art, Anzahl und Volumen den Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung nicht überschritten. Der Kl. hat keine speziell gewonnenen beruflichen Erfahrungen eingesetzt und ist stets nur für eigene Rechnung tätig geworden. Er hat außerdem kein eigenes Büro unterhalten und für die Durchführung der Aufträge eine Bank eingeschaltet (vgl. die von den Kl. unwidersprochenen Ausführungen des FA im Schriftsatz vom 19.10.2004).

2. Die Besteuerung der Wertpapiergeschäfte und der erworbenen Optionen (sogenannte long-Positionen) gem. §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 S. 1 Buchst. b EStG.

Ein Spekulationsgeschäft (§ 22 Nr. 2 EStG) ist gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG die Veräußerung von Wirtschaftsgütern, insbesondere von Wertpapieren, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als sechs Monate beträgt. Die Regelung erfasst nur Veräußerungsgeschäfte über Wirtschaftsgüter. Der Begriff Wirtschaftsgut entspricht grundsätzlich demjenigen der übrigen Einkunftsarten (vgl. BFH-Urteil vom 14.11.1978 VIII R 72/76 BStBl. II 1979, 298) und umfasst sämtliche vermögenswerte Vorteile, die selbständig bewertbar und längerfristig nutzbar sind. Selbständige Wirtschaftsgüter sind deshalb auch entgeltlich erworbene Optionsrechte; ihre Veräußerung innerhalb der Spekulationsfrist unterliegt nach §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG der Besteuerung (vgl. bereits BFH-Urteil vom 19.05.1982 I R 257/78 BStBl. II 1982, 768).

Für den Erwerb und die Veräußerung von Wertpapieroptionen gelten keine Besonderheiten.

Inhalt eines solchen Optionsgeschäftes ist der Erwerb oder die Veräußerung des Rechts, eine bestimmte Anzahl von Wertpapieren einer bestimmten, zum Optionshandel zugelassenen Aktienart (Basisaktien) jederzeit während der Laufzeit der Option zu einem im voraus vereinbarten Preis (Basispreis) entweder vom Kontrahenten (Stillhalter) zu kaufen (Kaufoption) oder an ihn zu verkaufen (Verkaufsoption). Für dieses Recht hat der Inhaber der Option bei Abschluss des Optionsgeschäftes die Optionsprämie zu zahlen. Allerdings ist das ?Optionsrecht? nicht schon beim Optionsgeber (Stillhalter) ein ? selbstgeschaffenes ? selbständiges, im Vermögensbereich übertragbares Wirtschaftsgut (BFH-Urteil vom 28.11.1984 I R 290/81, BStBl. II 1985, 264; BFH-Urteil vom 28.11.1990 X R 197/87 BStBl. II 1991, 300 m. w. N.). Das wird es erst in der Hand des Optionsnehmers, der gegen Zahlung der Optionsprämie das Optionsrecht erworben hat. Der Gewinn aus der Veräußerung des entgeltlich erworbenen Optionsrechtes an einen Dritten innerhalb der Spekulationsfrist unterliegt deshalb nach §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG der Einkommensteuer (BFH-Urteil vom 21.07.1995 X B 167/94 BFH/NV 1996, 34 m. w. N. aus der Literatur und Rechtsprechung der Finanzgerichte).

Es ist aber ohne Bedeutung, ob zivilrechtlich nicht nur der Ersterwerb der Option vom Stillhalter (Primärgeschäft), sondern auch die Weiterveräußerung des Optionsrechtes durch oder an eine nicht termingeschäftsfähige Person (Sekundärgeschäft) ein unverbindliches Börsentermingeschäft i. S. d. §§ 50 ff Börsengesetz ist (verneinend für Geschäfte mit abgetrennten Aktienoptionsscheinen: BGH-Urteil vom 16.04.1991 XI Z R 88/90 BGHZ 114, 177; bejahend für Verträge über Weiterveräußerung, Rückkauf und Aufhebung laufender unverbriefter Aktienoptionen: BGH-Urteil vom 04.02.1992 XI ZR 32/91 BGHZ 117, 135) und/oder dem Differenzeinwand (§§ 762, 764 BGB) unterliegt. Einen Rechtsgrundsatz des Inhalts, dass Differenzgeschäfte wegen ihres ?Spielcharakters? schlechthin nicht steuerbar wären, gibt es nicht (BFH-Urteil vom 28.11.1990 X R 197/87 BStBl. II 1991, 300). Für die Anwendung der §§ 22 Nr. 2, 23 EStG ist allein entscheidend, ob es sich um ein Rechtsgeschäft handelt, das auf die entgeltliche Übertragung eines Wirtschaftsgutes an eine andere Person gerichtet ist. Dass nach bürgerlichem Recht Ansprüche aus Differenzgeschäften zwar erfüllbar, aber nicht einklagbar sind, ist für den Tatbestand des § 22 Nr. 2, § 23 EStG ohne Bedeutung.

Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus den Entscheidungen des BFH vom 08.12.1981 VIII R 125/79 BStBl. II 1982, 618 und vom 25.08.1987 IX R 65/86 BStBl. II 1988, 248. Nach dieser Rechtsprechung ist bei Devisentermingeschäften wegen des Fehlens einer Verpflichtung zur Lieferung von Gegenständen der Tatbestand des Spekulationsgeschäftes (§ 22 Nr. 2, § 23 EStG) und mangels entgeltlicher Leistung der Tatbestand des §§ 22 Nr. 3 EStG nicht erfüllt. Im Streitfall dagegen hat der Kl. die entgeltlich erworbenen Optionsrechte während der Laufzeit der Option innerhalb der Frist des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG durch Glattstellung veräußert (vgl. dazu unten). Der von ihm erzielte Überschuss ist ? auch wenn bei Nichtausübung der Option durch den Letzterwerber letztlich nur Kurserwartungen und Kursdifferenzen den Wert des Optionsrechtes bei Erwerb und Veräußerung beeinflusst haben ? Ergebnis des auf effektive Übertragung des Optionsrechtes gerichteten und tatsächlich durchgeführten Vertrages und deshalb ein Veräußerungsgeschäft im Sinne des § 22 Nr. 2, § 23 EStG (vgl. zum Vorstehenden BFH-Urteil vom 24.07.1996 X R 139/93 BFH/NV 1997, 105 m. w. N.).

Das Optionsgeschäft endet entweder mit Ausübung der Option oder deren Verfall. Ebenso wie dem Optionsgeschäft unbeschadet des möglichen Differenzcharakters des nachfolgenden Kauf- oder Verkaufsgeschäfts steuerrechtlich ein Anschaffungsgeschäft zugrunde liegt (vgl. BFH-Urteil vom 28.11.1990 X R 197/87 BStBl. II 1991, 300), lässt auch die gleichzeitige Anschaffung und Veräußerung von Kauf- und Verkaufsoptionen die Leistungsverpflichtung der Optionsgeber unberührt (vgl. Giloy DStZ 1991, 551).

Diese Rechtsgrundsätze treffen auch für die an der Deutschen Terminbörse (DTB) ? jetzt EUREX ? getätigten Optionsgeschäfte in der Form standardisierter Doppeloptionen (sogenannte Closing-Trades) zu. Deshalb kann ein Doppeloptionsgeschäft an der DTB auch kein (verdecktes) Differenzgeschäft sein. Anders als bei den steuerfreien Differenzgeschäften im Sinne der BFH-Rechtsprechung, denen Kaufverträge zugrunde liegen, besteht bei Doppel-Optionsgeschäften, die Leistungsverpflichtung des Optionsgebers allein im Leistungsaustausch zur Optionsprämie. Die Verwertung der Option ist ein nachfolgender, eigenständig zu beurteilender Vorgang (vgl. Giloy DStZ 1991, 551 und Warnke in Lademann/Söffing, Brockhoff Kommentar zum EStG, Stand März 1998, § 23 Rdn. 253).

Die Closing Trades führen durch Kombinationen unterschiedlicher Basisgeschäfte (Kauf/Verkaufsoptionen) unter unmittelbarer Verrechnung der Rechte und Pflichten aus beiden Geschäften zur Glattstellung.

Wie dieses Institut der sogenannten Glattstellung einer Kauf-Position an der DTB (jetzt EUREX) steuerlich zu beurteilen ist, war lange Zeit unklar bzw. streitig. Inzwischen dürfte mit den beiden BFH-Urteilen vom 24.06.2003 IX R 2/02 BStBl. II 2003, 752 und vom 29.06.2004 IX R 26/03 BStBl. II 2004, 995 eine Klärung erfolgt sein.

Die Unklarheit der steuerlichen Beurteilung beruhte darauf, dass bei der DTB bzw. jetzt EUREX im Gegensatz zur herkömmlich begründeten Optionsrechte die Option nicht durch Verkauf, sondern allein durch Glattstellung verwertet werden kann. Dazu muss der Inhaber der Option eine Option gleicher Serie mit Closing-Vermerk kaufen, um das Recht aus der Option durch Verrechnung mit der Verpflichtung aus der Option zum Erlöschen zu bringen. Mit dem Verkauf der Option (Gegengeschäft) will der Verkäufer gar nicht die sonst übliche Verpflichtung des Stillhalters eingehen, sondern ausschließlich eine Option verwerten. Streitig war, ob man diesen Vorgang nicht nur wirtschaftlich sondern auch rechtlich als Weiterveräußerung der zuvor erworbenen Option gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG ansehen kann.

Hierbei sind folgende Erwägungen zu den Optionsgeschäften, insbesondere zu deren Abwicklung an der DTB zu berücksichtigen: zu den Wirtschaftsgütern, die Gegenstand eines Spekulationsgeschäftes sein können, zählen auch Optionen (BFH-Urteil vom 24.07.1996 X R 139/93 BFH/NV 1997, 105). Dies gilt auch für an der DTB (jetzt EUREX) gehandelten Optionen. Der Erwerber einer Kauf- oder Verkaufsoption (Call/Put-Option) ? sogenannte long-Positionen ? erwirbt wie bei einer Option im konventionellen Handel das Recht, vom Stillhalter jederzeit während der Laufzeit der Option (amerikanische Variante) oder zu einem vorgegebenen Zeitpunkt (europäische Variante) die den Gegenstand des Optionsgeschäftes bildenden Wertpapiere oder Rechte zum vereinbarten Preis zu kaufen oder an ihn zu verkaufen (BFH-Urteil vom 18.12.2002 I R 17/02 BStBl. II 2004, 126).

Dem entspricht die Verpflichtung des Stillhalters, die Ausübung der Option zu dulden und sich zur Erfüllung der Leistungs- oder Abnahmepflichten bzgl. des Gegenstandes der Option bereit zu halten. Diese Bindung an sein Vertragsangebot nimmt dem Stillhalter die Befugnis, im Rechtssinne über den Optionsgegenstand zu verfügen. Umgekehrt ermöglicht sie dem Optionsnehmer, für eine bestimmte Zeit Kursänderungen oder sonst bedeutsame Umstände zu Lasten des Stillhalters auszunutzen und so auf dessen Kosten zu spekulieren.

Mit dem dargestellten Inhalt bedeutet das Stillhalten durch den Optionsverkäufer eine wirtschaftlich und rechtlich selbständige Leistung, die losgelöst von dem etwa nachfolgenden Effektengeschäft zu beurteilen ist. Es handelt sich nicht um eine Neben-, sondern um die eigentliche Hauptleistung des Verkäufers aus dem Optionsvertrag (so auch Herzig/Briesemeister, Der Betrieb ? DB ? 2002, 1570, 1574), die inhaltlich spiegelbildlich dem Optionsrecht des Optionsnehmers entspricht. Das vom Optionsverkäufer hierfür bezogene Entgelt dient seiner Entschädigung für die Bindung und die Risiken, die er durch die Begebung des Optionsrechts eingeht. Es wird neben anderen Einflussgrößen auch durch die Optionslaufzeit und damit die Bindungsdauer des Stillhalters bestimmt, die auf der anderen Seite wiederum den Zeitwert des Optionsrechts des Inhabers als marktrelevante Größe beeinflusst (BFH-Urteile vom 18.12.2002 I R 17/02 BStBl. II 2004, 126 unter II. 2. a) der Gründe und vom 28.11.1990 X R 197/87 BStBl. II 1991, 300 unter I. 1. c) der Gründe, jeweils m. w. N.).

Einen Veräußerungs- oder einen veräußerungsähnlichen Vorgang begründet der Optionsvertrag hingegen nicht (BFH-Urteile vom 28.11.1984 I R 290/81 BStBl. II 1985, 264 und vom 28.11.1990 X R 197/87, BStBl. II 1991, 300). Durch ihn wird ? unabhängig davon, ob die Option später ausgeübt wird oder nicht ? ein Vermögenswert weder veräußert noch in seiner Substanz gemindert. Dies zeigt sich insbesondere im Fall einer Verkaufsoption, gilt aber gleichermaßen für eine Kaufoption. Die jeweils bestehenden Rechte am Optionsgegenstand bleiben bis zur Ausübung der Option bestehen, auch der Wert des Optionsgegenstandes selbst wird durch die Einräumung des Optionsrechtes nicht berührt (vgl. zum Vorstehenden BFH-Urteil vom 18.12.2002 I R 17/02, BStBl. II 2004, 126).

An der DTB (jetzt EUREX) bestehen gewisse Besonderheiten bei der Abwicklung von Optionsgeschäften, die es dem Stillhalter erleichtern, sich schneller und unkomplizierter von seiner Bindung wieder zu lösen, und die es umgekehrt dem Erwerber von Optionen erleichtern, die erworbenen Optionen durch Glattstellungsgeschäfte wirtschaftlich zu verwerten.

Die DTB GmbH übernimmt als sogenannte Clearing-Stelle zentral die Abwicklung, Besicherung sowie geld- und stückemäßige Regulierung aller DTB-Geschäfte. Sie ist alleiniger Vertragspartner aller Kontrakte und schuldet die Erfüllung sämtlicher Verpflichtungen aus den abgeschlossenen Optionsgeschäften. Von daher ist ein individuelles Bonitätsrisiko weitgehend eleminiert. Der Umstand, dass die Clearing-Stelle Vertragspartner aller DTB-Geschäfte ist, ermöglicht den Beteiligten den Abschluss von sogenannten Closing-Trades. Es handelt sich dabei um den Abschluss von glattstellenden Gegengeschäften, bei denen der Anleger einen oder mehrere Kontrakte aus der Optionsserie kauft, die er zuvor verkauft hat (oder umgekehrt) und gleichzeitig zum Ausdruck bringt, dass beide Geschäfte verrechnet werden sollen (Closing). Dieses Schließen bzw. Glattstellen einer Position ist nach den DTB-Handelsbedingungen die einzige Möglichkeit, wirtschaftlich den Verkauf eines erworbenen Optionsrechtes oder aber die Befreiung aus einer Stillhalterverbindlichkeit vor Ablauf der Optionsfrist darzustellen, da die Übertragung von Optionen auf Dritte im DTB-System nicht vorgesehen ist (Häuselmann/Wiesenbart, DB 1990, 641, 643).

Neben den vier Grundtypen des Optionsgeschäftes, Kauf- und Verkauf einer Kauf- bzw. Verkaufsoption, die als ?Grundgeschäfte? bezeichnet werden, bietet die DTB daneben auch den standardisierten Abschluss von Kombinationen einzelner Optionskontrakte an. Außerdem gibt es sogenannte DTB-Futures Geschäfte (Terminkontrakte). Der Aktienindexterminkontrakt DAX-Future beinhaltet den standardisierten ?Kauf? bzw. ?Verkauf? des Deutschen Aktienindex. Da dieser als Gegenstand nicht handelbar ist, erhält der Käufer bei Fälligkeit keinen Liefer- sondern nur einen Barzahlungsanspruch in Höhe der Differenz zwischen dem vereinbarten Terminpreis und dem höheren Indexstand bei Fälligkeit.

In der Praxis wird die Mehrzahl aller Futuregeschäfte nicht durch Lieferung bzw. Barausgleich, sondern durch Glattstellung beendet, d. h. ein Terminkauf wird durch einen entsprechenden Verkaufskontrakt mit Closing-Vermerk vor Fälligkeit aufgelöst. Der Anleger spekuliert dabei nur auf Erzielung einer positiven Differenz aus beiden Terminkursen.

Ein DTB Optionsgeschäft kann durch Ausübung, Glattstellung oder Verfall der Option beendet werden. Ein Verkauf im Sinne einer Veräußerung des Optionsrechtes an Dritte ist im DTB-System nicht vorgesehen (vgl. zum Vorstehenden und zu den dort zitierten Clearing-Bedingungen an der DTB Häuselmann/Wiesenbart, DB 1990, 641). Die wenigsten (ca. 5 - 10 %) aller an der DTB gehandelten Kontrakte werden effektiv erfüllt (Fleischmann, INF 1996, 289, 291).

Seit 1998 firmiert die DTB unter Zusammenschluss mit der Schweizerischen Terminbörse als EUREX (Harenberg, NWB Fach 3 § 23 EStG 4/03 S. 429; zu den Clearing Bedingungen der EUREX Clearing AG vgl. http: //www. eurexchange. com./download/rules_clearconditions_download_de. pdf).

Ein Teil des Schrifttums lehnt die Steuerpflicht eines Glattstellungsgeschäftes von zuvor erworbenen Optionen (long-Optionen) gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG aus unterschiedlichen Gründen ab. So meint z. B. Heuer, bei den Optionsgeschäften an der DTB, die über eine Clearingstelle glattgestellt würden, liege ein steuerfreies Differenzgeschäft in verdeckter Form vor. Dabei wird eine dem zivilrechtlichen Differenzgeschäftsbegriff am weitesten folgende Auffassung (sogenannte Einheitstheorie) vertreten. Bei diesem Cash-Settlement entstehe und erlösche das Optionsrecht, allerdings getrennt durch eine logische Sekunde für das Zustandekommen des Verrechnungsvertrages. Dabei wird nach dieser Literaturmeinung der Erlös aus dieser sogenannten Closing-Transaktion als eine Art Abstandszahlung oder Verzichtsentgelt für die Aufgabe der Vermögensposition Option charakterisiert. Ausgangspunkt ist dabei die zivilrechtliche Einordnung des Differenzgeschäfts. Das in § 764 Satz 1 BGB geregelte Differenzgeschäft liege vor, wenn Waren oder Wertpapiere, über die der Vertrag laute, nicht wirklich geliefert werden sollen, sondern wenn lediglich der aus Marktschwankungen sich ergebende Unterschied ausgeglichen werden solle. Das Differenzgeschäft sei durch fehlende wirtschaftliche Berechtigung gekennzeichnet, d. h. dass es im Gegensatz zum wirtschaftlich berechtigten Geschäft (z. B. zur Kurssicherung) nur Spielcharakter aufweise. Ein Differenzgeschäft sei durch Differenzerzielungsabsicht und fehlende wirtschaftliche Berechtigung gekennzeichnet. Die zivilrechtliche Rechtsprechung habe eine umfangreiche Indizienlehre entwickelt, die auf diese Merkmale schließen lasse. Differenzgeschäfte würden nach der Darlegungsform der Differenzerzielungsabsicht in offene und verdeckte unterschieden. Dabei erfolge beim ersteren die Vereinbarung über den Differenzausgleich ausdrücklich während beim letzteren die Differenzerzielungsabsicht nicht explizite über einen Vertrag geregelt werde, sondern unausgesprochen bestehe (vgl. zum Vorstehenden Heuer, StuW 1992, 313 (316/317), Hamacher, Wertpapiermitteilungen, - WM ? 1990, 1443).

Allerdings meint auch Heuer nicht, dass sich die Steuerfreiheit bereits aus der Geschäftsform des Differenzgeschäftes ableiten lasse. Das Argument der grundsätzlichen Steuerfreiheit werde ? so Heuer ? nach einer Literaturmeinung im Wesentlichen von der Meinung der Rechtsprechung und Literatur zu Spielen und Wetten abgeleitet, dass diese eine nicht steuerbare Tätigkeit darstellen würden. Dies hält er nicht für zutreffend. Heuer beruft sich zur Begründung seiner Auffassung vielmehr auf die Rechtsprechung des BFH, der in mehreren Entscheidungen Gewinne und Verluste aus privaten Devisentermingeschäften, die in der Form des Differenzgeschäftes getätigt worden seien, für nicht steuerbar erklärt habe (Hinweis auf BFH-Urteile vom 08.12.1981, VIII R 125/79 BStBl. II 1982, 618; vom 25.08.1987 IX R 65/86 BStBl. II 1988, 248 und vom 13.10.1988 IV R 220/85 BStBl. II 1989, 39).

Der BFH stelle dabei nicht auf die zivilrechtliche Geschäftsform des Differenzgeschäftes ab, sondern auf die Tatbestandsvoraussetzungen, insbesondere auf die nicht gegebenen Tatbestände der Anschaffung und Veräußerung aufgrund fehlender tatsächlicher Lieferung bzw. Leistung. Der BFH untersuche die Tatbestandsvoraussetzungen Anschaffung oder Erwerb und Veräußerung detailliert und folge dabei dem zivilrechtlichen Abstraktionsprinzip. Das Ergebnis seiner Betrachtungen sei hierbei eindeutig, dass die Tatbestände Anschaffung und Veräußerung schon wegen der fehlenden schuldrechtlichen Begründung nicht vorliegen würden (Heuer StuW 1992, 313 (316 bis 318)).

Fleischmann teilt diese Auffassung. Er meint, der BFH verneine eindeutig die Auffassung, dass ein Spekulationsgeschäft im Sinne von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG auch jedes Differenzgeschäft ohne Lieferverpflichtung sei, bei dem es den Beteiligten von vornherein nur auf die Auszahlung der Kursdifferenz ankomme. Wenn bei einem Differenzgeschäft keine schuldrechtliche Vereinbarung über den Erwerb und die Veräußerung von Wirtschaftsgütern, also über die Lieferung von Gegenständen getroffen werde, könne dieses Geschäft kein Spekulationsgeschäft nach § 23 Abs. 1 EStG sein. Es mangele an einem Veräußerungsgeschäft über einen Gegenstand. Private Geschäfte in spekulativer Absicht ohne Verpflichtung zur Veräußerung und damit zur Lieferung von Wirtschaftsgütern würden von § 23 EStG nicht erfasst. Insbesondere gelte dieses für Geschäfte mit Spielcharakter. Der BFH erteile einer möglichen Auslegung des § 23 EStG auch dahingehend eine klare Absage, dass eine Spekulation ohne Veräußerungsgeschäft steuerbar sein solle.

Der Privatanleger habe bei den Optionsgeschäften an der DTB in der Regel kein Interesse an einer effektiven Erfüllung der Kontrakte. Sein Ziel sei die Realisierung einer Differenz zu seinen Gunsten. Um dieses Ziel zu erreichen, müsse er zunächst eine Opening-Transaktion durchführen. Sie sei Teil eines einheitlichen Gesamtgeschehens, das von der Differenzerzielungsabsicht gekennzeichnet sei. Damit sei nicht isoliert auf die Opening-Transaktion abzustellen, die für sich betrachtet von beiden Partnern einerseits durch Zahlung der Optionsprämie, andererseits durch Einräumung des Optionsrecht erfüllt werde. Die bei der Opening-Transaktion geleistete Zahlung der Optionsprämie sei nur Ausfluss eines den Besonderheiten der DTB genügenden Zahlungsmodus. Die gewünschte Differenzbildung erfolge in zwei Tranchen. Beurteilungsebene sei nämlich nicht das Verhältnis von Options- und Ausübungsphase einer Option (wirtschaftlicher Verkauf als Spekulationsgeschäft), sondern es sei auf den Zusammenhang zweier Optionsphasen eines wirtschaftlich einheitlichen Gesamtgeschehens abzustellen, das aus zwei Teilakten bestehe (Fleischmann INF 1996, 289 ? 291).

Im Übrigen meint Fleischmann, dass bei einer an der DTB vorgenommenen Glattstellung auch deshalb kein Spekulationsgeschäft im Sinne von § 23 EStG vorliegen könne, weil es an der für die Anwendung des § 23 EStG notwendigen Anschaffung und Weiterveräußerung von nämlichen Wirtschaftsgütern fehle. Der Abschluss des glattstellenden Gegengeschäftes erfülle diese Nämlichkeit nicht. Vielmehr werde im Rahmen der Glattstellung ein zweiter, zur Opening-Transaktion gegenläufiger Kontrakt ? versehen mit einem die Glattstellung bezeichnenden besonderen Closing-Vermerk - abgeschlossen. Daher fuße die Annahme einer Rückveräußerung der im ersten Geschäftsteilakt erworbenen Option auf einer fiktiven Sachverhaltsannahme und entspreche nicht den tatsächlichen Vorgängen. Es werde nicht die im ersten Geschäftsteilakt erworbene, nämliche Option zurückübertragen. Eine Weiterveräußerung wäre im übrigen auch vom Regularium der DTB nicht gedeckt (Fleischmann INF 1996, 289, 292; derselbe DB 1996, 1747, 1751).

Dieser Auffassung widerspricht eine zweite Grundposition, die von Heuer als sogenannte Trennungstheorie bezeichnet wird (Heuer StuW 1992, 313, 326). Sie nimmt auch beim Optionsgeschäft eine strikte Trennung vor und verneint grundsätzlich die Differenzgeschäftseigenschaft. So hatte z. B. das Finanzgericht Köln über einen Sachverhalt zu entscheiden, in dem die Klin. u. a. in der Weise tätig war, dass sie jeweils zu den selben Bedingungen (Stückzahl, Basispreis, Verfalltag) eine Option kaufte und verkaufte bzw. verkaufte und kaufte (vom Finanzgericht Köln als Doppelgeschäfte bezeichnet). Entgegen der Auffassung der Klin. ? so das Finanzgericht Köln ? handele es sich bei den Doppelgeschäften nicht um nichtsteuerbare Differenzgeschäfte (Hinweis auf BFH-Urteil vom 08.12.1981 VIII R 125/79 BStBl. II 1982, 618). Nach § 764 Satz 1 BGB liege ein Differenzgeschäft vor, wenn ein auf Lieferung von Wertpapieren lautender Vertrag in der Absicht geschlossen werde, dass der Unterschied zwischen dem vereinbarten Preis und dem Börsenpreis der Lieferungszeit von dem verlierenden Teil an den gewinnenden gezahlt werden solle. Nach dem zuvor genannten BFH-Urteil würden bei einem Differenzgeschäft keine Einkünfte aus Leistungen vorliegen, da bei einem auf Spiel angelegten Geschäft Leistungen nicht erbracht würden. Keiner der Beteiligten gestatte dem anderen oder einem Dritten etwas gegen Entgelt. Es gebe lediglich Gewinner oder Verlierer, die etwas erhalten und zahlen, ohne dass ein Leistungsaustausch stattfinde. Alle diese Merkmale würden bei den von der Klin. getätigten Doppelgeschäften nicht zutreffen. Ein Leistungsaustausch finde hier sehr wohl statt. Die Klin. sei bei Abschluss der Optionsverträge rechtlich verbindliche Liefer- bzw. Abnahmeverpflichtungen eingegangen. Hierin liege die Leistung im Sinne des § 22 Nr. 3 EStG. Beim Verkauf einer Kaufoption z. B. und dem anschließenden Kauf einer entsprechenden Kaufoption ? die Reihenfolge könne dabei auch umgekehrt sein ? existiere für die Klin. sehr wohl eine Lieferverpflichtung, der sie bei Ausübung der Option durch den Käufer nachkommen müsse. Durch den Kauf einer entsprechenden Kaufoption vermeide die Klin. nur, dass sie bei Ausübung der Option mit der Differenz zwischen dem Basispreis und dem Tagesbörsenkurs belastet werde. Das dem jeweiligen Verkauf einer Option durch die Klin. entsprechende Gegengeschäft solle nur einen Verlust auf der Vermögensebene verhindern. Dies habe auf die Steuerbarkeit der erhaltenen Optionsprämie keinen Einfluss (FG Köln Urteil vom 7.04.1987 5 K 55/86 EFG 1987, 508).

Der BFH hat ebenfalls schon in einer im Jahr 1984 ergangenen Entscheidung darauf hingewiesen, dass bei der rechtlichen Einordnung von Optionsgeschäften nicht wegen der Differenzerzielungsabsicht auf nicht steuerbare Geschäfte geschlossen werden könne. Es könne dahingestellt bleiben, ob die in jenem Fall umstrittenen Optionsgeschäfte beim jeweiligen Optionskäufer auf den Erwerb von Wertpapieren oder auf die Erzielung eines Preisunterschiedes (Differenz; § 764 BGB) gerichtet gewesen seien (Hinweis u. a. auf BGH-Urteil vom 20.12.1971 II ZR 156/69 BGHZ 58, 1) und ob in diesem Fall bei der Klin. die Tatbestandverwirklichung des § 22 Nr. 3 EStG mit der Begründung verneint werden könnte, dass ein auf Spiel angelegtes Geschäft vorliege, in dem es lediglich Gewinner und Verlierer gebe, ohne dass ein Leistungsaustausch stattfinde (Hinweis u.a. auf BFH-Urteil vom 08.12.1981 VIII R 125/79 BStBl. II 1982, 618). Denn die umstrittenen Optionsgeschäfte wären auch dann nicht als Differenzgeschäfte anzusehen, wenn hinsichtlich der beabsichtigten oder zustande gekommenen Wertpapiergeschäfte eine Differenzabsicht (§ 764 BGB) zu bejahen wäre. Das Optionsgeschäft werde von beiden Vertragsteilen durch die Einräumung des Optionsrechts einerseits und durch die Zahlung des Optionsgeldes andererseits voll erfüllt. Erst bei dem nach Ausübung der Option zustande kommenden Wertpapiergeschäft könne sich die Frage stellen, ob ein Differenzgeschäft vorliege (BFH-Urteil vom 28.11.1984 I R 290/81, BStBl. II 1985, 264).

Bezogen auf die hier vorliegende Frage, wie Eröffnungs- und Gegengeschäft bei Optionsgeschäften an der DTB (jetzt EUREX) rechtlich einzuordnen sind, käme man bei Zugrundelegung der Trennungstheorie zum Ergebnis, dass Eröffnungs- und Gegengeschäft vollständig getrennt zu behandeln sind. In dem Closing-Geschäft (Glattstellung) wäre dann keine (Rück-) Veräußerung des Wirtschaftsgutes Option zu sehen.

Heuermann weist in DB 2003, 1919 zutreffend daraufhin, dass derjenige, der mit der Einheitstheorie argumentiere, zivilrechtlich argumentiere. Er meint, in der Tat gewähre der BGH in vielen Fällen den Differenzeinwand, weil er ein verdecktes Differenzgeschäft annehme, das nach § 764 BGB zu beurteilen sei. Sinn dieser Vorschrift sei es, volkswirtschaftlich sinnlosen Differenzspekulationen die rechtliche Anerkennung zu versagen. Deshalb habe die Rechtsprechung Indizien für ein verdecktes Differenzgeschäft entwickelt.

Einen Differenzeinwand gebe es allerdings nicht mehr in der bisherigen Weise. § 764 BGB sei mit Wirkung ab dem 01.07.2002 aufgehoben worden. Der Gesetzgeber des 4. Finanzmarktförderungsgesetzes habe stattdessen die Optionsgeschäfte mit Wertpapieren vollständig neu geregelt und ihre Anerkennung an besondere Voraussetzungen geknüpft, die in §§ 37 d ff. des Wertpapierhandelsgesetzes normiert seien. Sei ein Finanztermingeschäft (zum Begriff § 2 Abs. 2 a Wertpapierhandelsgesetz) danach gemäß § 37 g Wertpapierhandelsgesetz verboten, so sei es nichtig (§ 37 g Abs. 1 Satz 1 Wertpapierhandelsgesetz). Daraus seien steuerrechtlich aber keine Folgerungen zu ziehen, wenn die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis dieses Rechtsgeschäftes gleichwohl eintreten und bestehen ließen. Nach § 41 Abs. 1 AO sei die Unwirksamkeit des Geschäftes für die Besteuerung unerheblich. Aus den nämlichen Gründen könne man auch nicht mit der zivilrechtlichen Judikatur zu § 764 BGB argumentieren, um zu einer einheitlichen Transaktion zu gelangen. Vielmehr müsse steuerrechtlich geprüft werden, ob Eröffnungs- und Gegengeschäft eine Einheit bilden würden. Es sei danach zu fragen, ob sich das Verhalten des Steuerpflichtigen als Teilschritt einer von vornherein auf ein anderes Ziel gerichteten Handlungsfolge darstelle. Der Teilschritt selbst dürfe keinen eigenständigen wirtschaftlichen Zweck verfolgen. Diese Voraussetzungen würden aber nicht vorliegen, wenn der Steuerpflichtige ein Optionsrecht an der EUREX erwerbe. Denn er könne auch die Option ausüben oder sie verfallen lassen. Deshalb könne man nicht sagen, das an der Terminbörse abgeschlossene Optionsgeschäft sei von vornherein und lediglich auf Glattstellung des Eingangsgeschäftes durch Abschluss eines Gegengeschäftes mit Closing-Vermerk gerichtet (Heuermann DB 2003, 1919, 1220).

Anders als die strikte Trennungstheorie betont die gemäßigte Trennungstheorie den Zusammenhang des Glattstellungsgeschäftes mit dem Eröffnungsgeschäft, zieht aber ? anders als die Einheitstheorie ? nicht beide Geschäfte zu einer steuerrechtlichen Einheit zusammen, sondern sieht in der Glattstellung die Veräußerung der zunächst erworbenen Option. Diese vermittelnde Auffassung vertritt seit langem die Finanzverwaltung (BMF-Schreiben vom 10.11.1994 BStBl. I 1994, 816 Tz. 2, 8).

Ihr hat sich auch der IX. Senat des BFH in seinen Urteilen vom 24.06.2003 IX R 2/02 BStBl. II 2003, 752 und vom 29.06.2004 IX R 26/03 BStBl. II 2004, 995 angeschlossen.

Der BFH hat hierzu in seinem Urteil vom 24.06.2003 folgendes ausgeführt:

?Zu den Wirtschaftsgütern, die Gegenstand eines Spekulationsgeschäftes sein können, zählen auch Optionen (BFH-Urteil vom 24.07.1996 X R 139/93 BFH/NV 1997, 105). Denn es handelt sich um vermögenswerte Vorteile, die selbständig bewertbar und längerfristig nutzbar sind. Der Be-griff des Wirtschaftsguts wird in § 23 Abs. 1 EStG in keinem anderen Sinne gebraucht, als in den Vorschriften über die übrigen Einkommensarten (BFH-Urteil vom 2.05.2000 IX R 74/96 BStBl. II 2000, 469). Das gilt auch für an der DTB (jetzt: EUREX) gehandelte Optionen. Der Erwerber einer Put/Call-Option ? wie im Streitfall die Klin. ? erwirbt wie bei einer Option im konventionellen Handel das Recht, vom Stillhalter jederzeit während der Laufzeit der Option (amerikanische Variante) oder zu einem vorgegebenen Zeitpunkt (europäische Variante) die den Gegenstand des Optionsgeschäfts bildenden Wertpapiere oder Rechte zum vereinbarten Preis zu kaufen oder an ihm zu verkaufen (BFH-Urteil vom 18.12.2002 I R 17/02 BStBl. II 2004, 126; zu den Besonderheiten bei der DTB (vgl. Häuselmann/Wiesenbart, DB 1990, 641, 642; Fleischmann DB 1996, 1747 ff.). Für dieses Recht hat der Erwerber bei Abschluss des Optionsgeschäftes die Optionsprämie zu zahlen (zum Erwerbstatbestand BFH-Urteil in BFH/NV 1997, 105).

Die Klin. hat die erworbenen Optionen durch Gegengeschäfte veräußert.

An der DTB gehandelte Optionen können nicht an Dritte veräußert, sondern nur durch Gegengeschäfte ?glattgestellt? und das bedeutet geschlossen werden. Der Optionsberechtigte verkauft der DTB eine Option der gleichen Serie, aus der er zuvor gekauft hat, und kennzeichnet das Geschäft als Glattstellungs- oder Closing-Geschäft (vgl. zur Funktionsweise Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen ? BMF ? vom 10.11.1994 BStBl. I 1994, 816, Tz. 2; eingehend Fleischmann die Informationen über Steuer und Wirtschaft ? INF ? 1996, 289 ff.; derselbe INF 2003, 225, 226). Dadurch veräußert er seine zuvor erworbene Option.

Eröffnungs- und Glattstellungsgeschäft bilden keine Einheit, die sich lediglich auf den ? nicht steuerbaren - Differenzausgleich richtet (vgl. dazu BFH-Urteil in BStBl. II 1988, 248 m. w. N.). Der BFH geht in ständiger Rechtsprechung von einer Trennung zwischen Optionsvertrag und Übertragungsgeschäft aus (BFH-Urteile vom 28.11.1990 X R 197/87, BStBl. II 1991, 300 und im BFH-Urteil vom 8.12.2002 I R 17/02 BStBl. II 2004, 126; Harmacher, Wertpapier-Mitteilungen ? WM ? 1995, 777; vgl. auch Herzig/Briesemeister, DB 2002, 1570, 1576). Dies gilt auch im Zusammenhang mit einer Glattstellung. Unabhängig davon, unter welchen Voraussetzungen zivilrechtlich ein verdecktes Differenzgeschäft vorliegt, das der Erzielung von Spekulationsgewinnen in Form von Differenzen zwischen An- und Verkaufspreis dient (zu den Voraussetzungen Bundesgerichtshof ? BGH ? Urteil vom 18.12.2001 XI ZR 363/00, BGHZ 149, 294 Neue Juristische Wochenschrift ? NJW 2002, 892 m. w. N.), spricht gegen eine einheitliche Betrachtung von Eröffnungs- und Glattstellungsgeschäft, dass das Eröffnungsgeschäft ? worauf das Finanzgericht zu Recht hinweist ? nicht stets zu einer Glattstellung (Gegengeschäft) führt. Der Optionsteilnehmer kann vielmehr innerhalb der Optionsfrist oder zum Optionstermin von seinem Recht Gebrauch machen und Wertpapiere zum zuvor vereinbarten Festpreis erwerben (zutreffend Harenberg in Hermann/Heuer/Raupach ? HHR ? Einkommen- und Körperschaftssteuergesetz, Kommentar, 21. Auflage, § 23 EStG Anm. 200; vgl. auch Hamacher, WM 1990, 1441, 1442, 1444; Häuselmann/Wiesenbart, Produkte der deutschen Terminbörse ? die Besteuerung von Optionen und Futures, 1990, S. 32 ff.). Auch in den Fällen des sog. Dividenden-Strippings hat der BFH eine Zusammenfassung der einzelnen Geschäfte u. a. deshalb abgelehnt, weil die Beteiligten ? wie hier ? prinzipiell frei in der Entscheidung seien, ein Anschlussgeschäft zu tätigen und ein realistisches Risiko in Form von Kursrisiken bestünde (vgl. BFH-Urteil vom 15.12.1999 I R 29/97 BStBl. II 2000, 527; zur Gesamtplanrechtsprechung im Steuerrecht eingehend Förster/Schmidtmann, Steuer- und Wirtschaft ? StuW ? 2003, 114, 117 m. w. N.). Dem entspricht es, auch hier Eröffnungs- und Glattstellungsgeschäfte nicht als einheitliches Rechtsgeschäft zu verstehen (a. A. Crezelius in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 23 Rdn. B 108; Heuer, StuW 1992, 313, 326).

Das Gegengeschäft, mit dem der Optionsberechtigte seine Position glattstellt, führt zu einer Veräußerung der Option.

Eine ?Veräußerung? ist entsprechend dem rechtlichen Verständnis dieses Begriffs, wie es sich z. B. aus den §§ 135 und 136 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) erschließt, als Verfügung zu verstehen, die das Ergebnis eines obligatorischen Geschäfts sein muss. Eine Verfügung ist ein Rechtsgeschäft, das unmittelbar darauf gerichtet ist, auf ein bestehendes Recht einzuwirken, es zu verändern, zu übertragen oder aufzuheben, so Larenz/Wolff, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, § 23 Rz. 36; grundlegend Reichsgericht, Urteil vom 7.07.1917 V 66/17, RGZ 90, 395, 399). Unbeschadet der Maßgeblichkeit des obligatorischen Vertrages für die Fristberechnung (BFH-Urteil vom 2.10.2001 IX R 45/99 BStBl. II 2002, 10) ist der Steuertatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG nur dann erfüllt, wenn das schuldrechtliche Geschäft unter den Voraussetzungen des § 39 der Abgabenordnung (AO 1977) dinglich vollzogen wird und es zu einer Veräußerung und damit zu einer Verfügung über das Recht kommt.

Genauso verhält es sich bei dem Glattstellungsgeschäft: Weil der Optionsberechtigte seine Option nach den Handelsbedingungen an der DTB nicht an Dritte veräußern kann, bildet die Glattstellungstransaktion den einzigen Weg, sich von der eingegangenen Position zu trennen (vgl. dazu Fleischmann INF 1996, 289; derselbe, INF 2003, 225 f.) und dabei ihren wirtschaftlichen Wert zu verwirklichen. Das Gegengeschäft führt zu einer Aufhebung des Optionsrechts. Nach dem DTB-Handelsbedingungen werden dadurch Kauf- und Verkaufspositionen einer Serie gegeneinander glattgestellt (siehe dazu Häuselmann/Wiesenbart DB 1990, 641, 643). Unabhängig davon, ob dies durch Aufrechnung oder mittels eines Aufrechnungsvertrages geschieht (vgl. dazu Palandt/Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, 62. Auflage, 2003, § 387 Rz. 19 ff.), ist das Rechtsgeschäft darauf gerichtet, das Recht aus der Option durch Verrechnung mit der Verpflichtung aus der Option zum Erlöschen zu bringen (so zutreffend Giloy, Deutsche Steuerzeitung ? DStZ ? 1991, 551, 553; Hamacher WM 1990, 1441, 1444; Rüskamp DB 1991, 1243, 1244).

Liegt bereits in der Aufhebung des Optionsrechts eine Verfügung über dieses (also das nämliche) Recht, so kommt es nicht darauf an, dass es sich nicht als Rückveräußerung der erworbenen Option darstellt. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG fordert nicht, dass die erworbene Position zurückübertragen wird, und damit als solche weiter fortbestehen muss (so aber Hamacher, WM 1990, 1441, 1444; derselbe, WM 1995, 777, 782; Fleischmann, INF 1996, 289, 292; derselbe in DB 1996, 1747, 1751; derselbe in INF 2003, 225 ff.). So hat der BFH ein steuerbares Spekulationsgeschäft auch dann angenommen, wenn ein Fremdwährungsguthaben gegen ein höheres Guthaben in DM getauscht wird (BFH-Urteil in BStBl. II 2000, 469) und dadurch erlischt. Dem entspricht es, auch das in der Glattstellungstransaktion liegende, auf das Erlöschen der Option gerichtete Rechtsgeschäft als Veräußerung anzusehen.

Diese Veräußerung führt nicht lediglich zu einem Rückgängigmachen des Eröffnungsgeschäfts, sondern zu seiner wirtschaftlichen Erfüllung. Maßgebend für den Steuertatbestand ist nämlich, dass mit der Glattstellung die Werterhöhungen des Wirtschaftsgutes realisiert werden. Der Optionsberechtigte erhält für das Gegengeschäft eine Prämie, die von der Kursentwicklung der den Gegenstand des Optionsgeschäfts bildenden Wertpapieren oder Rechten abhängt und damit den Wert der Option selbst repräsentiert. Das Glattstellungsgeschäft führt so zu einem Vermögenszuwachs des Steuerpflichtigen und zu einer Steigerung seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Der Optionsberechtigte realisiert dadurch die Wertsteigerung im Privatvermögen in Form des erzielten Kursgewinns. Hierin liegt der Zufluss des ?Veräußerungspreises? im Sinne von § 23 Abs.4 EStG i. V. m. § 11 Abs. 1 EStG.

Mit dieser Bewertung der Glattstellungstransaktion folgt der Senat im Ergebnis der Auffassung der Finanzverwaltung (BMF in BStBl. I 1994, 816; so bereits Giloy, DStZ 1991, 551) und des ihr folgenden Schrifttums (Blümich/Glenk, Einkommensteuergesetz, Körperschaftssteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 23 EStG Rz. 50 und 51; Warnke in Lademann, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 23 Rz. 250; zu § 23 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG n. F. Harenberg in HHR, § 23 EStG Anm. 200? (Zitatende).

Der Senat schließt sich dieser Rechtsauffassung an. Die vom BFH vorgenommene Beurteilung wird am besten dem Sinn und Zweck des Gesetzes gerecht. Mit der Glattstellung werden die Werterhöhungen des Optionsrechtes realisiert. Der Optionsberechtigte erhält für das Gegengeschäft, mit dem er Optionsrechte in gleicher Serie verkauft, eine Prämie, die den Wert der (erworbenen) Optionsrechte repräsentiert. Zwar verkauft er nicht die erworbenen Optionen, aber Positionen der gleichen Serie, und zwar genau mit dem Ziel, eine Werterhöhung zu verwirklichen. Dann ist aber neben dem Wortlaut auch der Zweck erfüllt, den das Gesetz mit der Besteuerung der privaten Veräußerungsgeschäfte verbindet; denn mit der Glattstellung realisiert der Optionsberechtigte die Wertsteigerungen im Privatvermögen in Form der erzielten Kursgewinne (vgl. auch Heuermann DB 2003, 1919, 1921).

Soweit bisher ersichtlich, ist die Rechtsauffassung des BFH in diesem Punkt bisher nicht kritisiert worden (vgl. Harenberg, FR 2003, 1140).

Zwar hat Wagner nach Bekanntwerden des BFH-Urteils vom 24.06.2003 IX R 2/02 BStBl. II 2003, 752 in NWB Fach 3, 12695 darauf hingewiesen, dass das Finanzgericht Köln in seinem Urteil vom 22.01.2003 14 K 3337/99 EFG 2003, 853 die Glattstellung für nicht steuerbar halte. Die Revision sei unter dem Aktenzeichen IX R 26/03 anhängig. Die Rechtslage sei noch nicht gesichert. Inzwischen hat aber der BFH in jenem Revisionsverfahren IX R 26/03 seine Rechtsauffassung mit Urteil vom 29.06.2004 BStBl. II 2004, 995, bestätigt (ebenso durch BFH-Urteil vom 14.12.2004 VIII R 81/03 JURIS Dokument-Nr.: STRE 200550085 und BFH-Urteil vom 14.12.2004 VIII R 5/02 JURIS Dokument-Nr. STRE 200550104).

Bei diesem oben dargestellten Optionsgeschäften (long-Positionen) an der DTB kommt es entgegen der Auffassung der Kl. auch nicht darauf an, dass die zugrundeliegenden Basiswerte bei Optionen, die ? wie hier ? teilweise nicht auf Aktien gerichtet sind, sondern von der Entwicklung des DAX abhängig sind, nicht geliefert werden können. Denn entscheidend ist nicht, wie ein dem Optionsgeschäft nachfolgendes Ausführungsgeschäft abgewickelt wird oder werden kann. Entscheidend ist, dass der Erwerber einer Option, unabhängig davon, welcher Basiswert der Option zugrunde liegt, ein Wirtschaftsgut erwirbt, welches er im konventionellen Handel durch Veräußerung an Dritte oder vorliegend an der DTB durch ein Glattstellungsgeschäft mit eventuellem wirtschaftlichen Gewinn veräußern kann. Dies wird ihm an der DTB durch die dort praktizierte Art der Geschäftsabwicklung unabhängig davon ermöglicht, ob bei einer Ausübung der Option der Basiswert geliefert werden kann. Wenn der zugrunde liegende Wert nicht geliefert wird oder nicht geliefert werden kann (z. B. bei einem Index-Wert) wandelt sich die Verpflichtung aus der Option in einen Barausgleich. Das ändert aber entgegen der Auffassung der Kl. nichts daran, dass das Optionsrecht selbst als fungibler Gegenstand das für § 23 EStG maßgebende Wirtschaftsgut ist (BFH-Urteil vom 29.06.2004 IX R 26/03 BStBl. II 2004, 995 für Devisenoptionen).

Wenn die Verfassungsmäßigkeit des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG unterstellt wird, hat das FA dementsprechend zutreffend den Gewinn bei der Veräußerung von Optionsrechten (long-Positionen) i. H. v. 26.275,90 DM im Einkommensteueränderungsbescheid 1996 vom 26.11.1999 berücksichtigt und hiervon ebenfalls zutreffend den im selben Jahr erzielten Verlust aus der Veräußerung von Wertpapieren i. H. v. 8.304,46 DM gem. § 23 Abs. 3 Satz 4 EStG abgezogen, so dass nach dieser Vorschrift insgesamt noch 17.971,44 DM in dem Änderungsbescheid berücksichtigt worden sind.

3. Die Besteuerung der eingeräumten Optionen (sogenannte short-Positionen) gem. § 22 Nr. 3 EStG

Das FA hat ? die Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift unterstellt ? ebenfalls zu Recht die Optionsprämien, die der Kl. als Stillhalter für das Einräumen von Optionsrechten (Short-Positionen) erhalten hat, als Einkünfte aus Leistungen gem. § 22 Nr. 3 EStG der Besteuerung zugrundegelegt und dabei die vom Kl. bei den Glattstellungsgeschäften gezahlte Optionsprämien als Werbungskosten berücksichtigt.

Leistungen im Sinne von § 22 Nr. 3 EStG ist jedes Tun, Unterlassen oder Dulden, das Gegenstand eines entgeltlichen Vertrages sein kann und das um das Entgeltes Willen erbracht wird; ausgenommen sind Veräußerungsvorgänge und veräußerungsähnliche Vorgänge im privaten Bereich, bei denen ein Entgelt dafür erbracht wird, dass ein Vermögenswert in seiner Substanz endgültig aufgegeben wird (Urteile des BFH vom 21.09.1982 VIII R 73/79 BStBl. II 1983, 201; vom 28.11.1984 I R 290/81 BStBl. II 1985, 264; vom 9.08.1990 X R 140/88 BStBl. II 1990, 1026).

Unter diese Vorschrift fällt nach der ständigen Rechtsprechung des BFH, der sich der erkennende Senat anschließt, auch das Entgelt, das der Stillhalter als Entschädigung für die Bindung und die Risiken, die er durch die Begebung des Optionsrechts eingeht, unabhängig vom Zustandekommen des Wertpapiergeschäfts allein für die Stillhaltung erhält. Dies gilt auch für den Optionshandel an der DTB (BFH-Urteil vom 29.06.2004 IX R 26/03 BStBl. II 2004, 995 m. w. N.).

Bei den umstrittenen Optionsgeschäften handelt es sich nicht um Veräußerungsvorgänge oder um veräußerungsähnliche Vorgänge, bei denen ein Entgelt dafür gezahlt wird, dass ein Vermögenswert in seiner Substanz endgültig aufgegeben wird (vgl. oben Seite 17.).

Der Erwerber einer Put-Call-Option erwirbt das Recht, vom Stillhalter jederzeit während der Laufzeit der Option (amerikanische Variante) oder zum vorgegebenen Zeitpunkt (europäische Variante) die den Gegenstand des Optionsgeschäfts bildenden Wertpapiere oder Rechte zum vereinbarten Preis zu kaufen oder an ihn zu verkaufen (BFH-Urteile vom 28.11.1984 I R 290/81 BStBl. II 1985, 264; vom 28.11.1990 X R 197/87 BStBl. II 1991, 300; vgl. auch BGH-Urteile vom 16.02.1981 II ZR 179/80 BGHZ 80, 80; vom 22.10.1984 II ZR 262/83, BGHZ 92, 317). Dem entspricht die Verpflichtung des Stillhalters, die Ausübung der Option zu dulden und sich zur Erfüllung Leistungs- oder Abnahmepflichten bzgl. des Gegenstandes der Option bereit zu halten. Diese Bindung an sein Vertragsangebot nimmt dem Stillhalter die Befugnis im Rechtssinne, über den Optionsgegenstand ? im Falle einer Verkaufsoption gleichsam ?negativ? ? zu verfügen. Umgekehrt ermöglicht sie dem Optionsnehmer, für eine bestimmte Zeit Kursänderungen oder sonst bedeutsame Umstände zu Lasten des Stillhalters auszunutzen und so auf dessen Kosten zu spekulieren. Mit dem dargestellten Inhalt bedeutet das Stillhalten durch den Optionsverkäufer eine wirtschaftlich und rechtlich selbständige Leistung, die losgelöst von dem etwa nachfolgenden Effektengeschäft zu beurteilen ist. Es handelt sich nicht um einen Neben-, sondern um die eigentliche Hauptleistung des Verkäufers des Optionsvertrages, die inhaltlich spiegelbildlich dem Optionsrecht des Optionsnehmers entspricht. Das vom Optionsverkäufer hierfür bezogene Entgelt dient seiner Entschädigung für die Bindung und die Risiken, die er durch die Begebung des Optionsrechts eingeht (vgl. oben S. 17 des Urteils).

Ungeachtet des spekulativen Charakters des Optionsgeschäfts und der dadurch bedingten rechtlichen Nähe zum Termineinwand (§ 50 ff. des Börsengesetzes in der Fassung vor dem Gesetz zur Änderung des Börsengesetzes vom 11.07.1989 BGBl I 1989, 1412) und zum Differenzeinwand (§§ 762 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches) erbringt der Stillhalter durch das vereinbarungsgemäße Bereithalten von Geldbeträgen bzw. Wertpapieren gegen Erhalt der Optionsprämie eine wirtschaftlich und rechtlich selbständige Leistung gegen Entgelt, die auch in steuerrechtlicher Hinsicht losgelöst von einem etwa nachfolgenden Wertpapiergeschäft zu beurteilen ist. Der Optionsvertrag und das Wertpapiergeschäft sind wirtschaftlich und rechtlich nicht derart miteinander verknüpft, dass sie steuerrechtlich als Einheit aufzufassen wären.

Die Leistung des Stillhalters ist ein wirtschaftlich relevantes Verhalten, das als solches marktgerecht vergütet wird. Die eigenständige wirtschaftliche Bedeutung des Wertpapieroptionsgeschäftes liegt insbesondere darin, dass der Anleger durch den Erwerb von Kaufoptionen mit einem gegenüber dem Erwerb der Basiswerte per Kasse relativ geringen Kapitaleinsatz an möglichen Kurssteigerungen der Basiswerte teilhaben kann (Hebel- oder Leverage-Effekt). Durch Optionskombinationen kann er unterschiedliche Anlagestrategien verfolgen und Verluste begrenzen. Der Stillhalter seinerseits spekuliert darauf, dass sein Vertragspartner die Option verfallen lässt. Tritt dieser Fall ein, ist offenkundig, dass mit der verbleibenden Prämie lediglich die Einräumung der Option abgegolten wurde. Das wirtschaftliche Eigengewicht des Wertpapieroptionsgeschäftes kommt weiterhin darin zum Ausdruck, dass seit geraumer Zeit Optionen Gegenstand eines Sekundärmarktes sind; Gewinne können auch durch die Veräußerung der laufenden Option realisiert werden (vgl. BFH-Urteil vom 28.11.1990 X R 197/87 BStBl. II 1991, 300 unter I. 2 d der Gründe m. w. N.).

Die Leistung des Optionsgebers ist auch dann nach § 22 Nr. 3 EStG steuerbar, wenn das Optionsgeschäft zivilrechtlich ein Differenzgeschäft im Sinne des § 764 BGB sein sollte. In Übereinstimmung mit dem BFH-Urteil vom 28.11.1984 I R 290/81 BStBl. II 1985, 264 (unter III.) ist darauf abzustellen, dass das Optionsgeschäft von beiden Vertragsteilen durch die Einräumung des Optionsrechts einerseits und durch die Zahlung des Optionsentgelts andererseits voll erfüllt wird. Anders als bei privaten Waren- und Devisentermingeschäften ?in der Art eines Differenzgeschäftes?, bei denen nach Auffassung des VIII. Senats des BFH eine bürgerlich-rechtliche Beurteilung ?mit der Rechtsfolge aus § 117 Abs. 1 und 2 BGB? (BFH-Urteil vom 8.12.1981 VIII R 125/79 BStBl. II 1982, 618, 620 unter 1 b aa) zur Verneinung eines schuldrechtlich wirksamen Anschaffungs- bzw. Veräußerungsgeschäfts führt, wird die im Tatbestand des § 22 Nr. 3 EStG vorausgesetzte Leistung, die dann auch tatsächlich erbracht wird, durch eine Bewertung als Differenzgeschäft (§ 764 BGB) nicht ausgeschlossen.

Ob bereits das optionsbegründende Rechtsgeschäft unter denselben Voraussetzungen wie das anschließende Wertpapiergeschäft dem Differenzeinwand unterliegt, ist umstritten (vgl. zum Meinungsstand die Zitate im BFH-Urteil vom 28.11.1990 X R 197/87 BStBl. II 1991, 300 unter I. 5 der Gründe). Diese Frage kann hier indes dahingestellt bleiben. Auch wenn man die Eigenschaft des Wertpapieroptionsgeschäftes als Differenzgeschäft bejahen wollte, besagte dies nur, dass die Optionsprämie als Entgelt für das Stillhalten denselben bürgerlich-rechtlichen Bestimmungen unterliegt wie das Differenzgeschäft. Ob ?Geschäfte mit Spielcharakter? steuerbar sind, richtet sich nach dem jeweils einschlägigen Steuertatbestand. Einen Rechtsgrundsatz des Inhalts, das Differenzgeschäfte wegen eines ?Spielcharakters? schlechthin nicht steuerbar wären, gibt es nicht. Vielmehr ist für die Anwendung des § 22 Nr. 3 EStG entscheidend, dass der Optionsgeber auch dann eine Leistung gegen Entgelt erbringt, wenn sein Anspruch auf das Entgelt dem Differenzeinwand unterliegt. Das nach bürgerlichem Recht Ansprüche aus Differenzgeschäften zwar erfüllbar, aber nicht klagbar sind, ist für den Tatbestand des § 22 Nr. 3 EStG ohne Bedeutung.

Die Rechtsprechung des BFH zur Nichtsteuerbarkeit privater Devisentermingeschäfte ist auf die Aussage beschränkt, dass im Hinblick auf den Ausschluss einer Verpflichtung zur effektiven Lieferung der Tatbestand des § 22 Nr. 2, § 23 EStG und mangels entgeltlicher Leistung der Tatbestand des § 22 Nr. 3 EStG nicht erfüllt sind. Demgegenüber erbringt der Stillhalter eines Optionsgeschäftes die vereinbarte Leistung; die Optionsprämie ist sofort bei Vertragsschluss fällig. Wird der Anspruch auf die Prämie beispielsweise in ein Kontokorrentkonto aufgenommen, ?leistet? der Stillhalter auch dann, wenn er die Prämie wegen des Differenz- und/oder Börsentermineinwands nicht einklagen können sollte (vgl. zum vorstehenden BFH-Urteil vom 28.11.1990 X R 197/87 BStBl. II 1991, 300 unter I. 5. der Gründe).

Es kommt entgegen der Auffassung der Kl. auch nicht darauf an, worauf die Option beruht (vgl. Peter in Finanzrundschau ? FR ? 1998, 545, 548; Blümich/Glenk, Einkommensteuergesetz, Körperschaftssteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 23 EStG Rz. 95 m. w. N.; Philipowski, Deutsches Steuerrecht ? DStR ? 2004, 978, 981). Zwar ist die effektive Abnahme oder Lieferung der Basiswerte in Bezug auf den DAX ausgeschlossen. Indes dient das vom Optionskäufer bezogene Entgelt allein seiner Entschädigung für die Bindung und die Risiken, die er eingeht, weil er ein Optionsrecht begibt. Dieses Stillhalten bedeutet eine wirtschaftliche und rechtlich selbständige Leistung, die losgelöst von dem nachfolgenden Effektengeschäft und damit auch unabhängig davon zu beurteilen ist, ob es zu einer Abnahme oder Lieferung von Basiswerten oder von vornherein lediglich zu einem Ausgleich in Geld kommt (BFH-Urteil vom 29.06.2004 IX R 26/03 BStBl. II 2004, 995 unter II. 1. b) aa) und der Gründe).

Gegen die Steuerbarkeit der Optionsprämien nach § 22 Nr. 3 EStG spricht nicht, dass die Einräumung der Option als ?Veräußerung? eines Wirtschaftsguts beurteilt werden müsste, was zur Folge hätte, dass das Stillhalter-Geschäft unter § 23 EStG zu subsumieren wäre oder ? falls es nicht dem Tatbestand des § 23 EStG erfüllte ? auch nicht nach § 22 Nr. 3 EStG steuerbar wäre (vgl. BFH-Urteil vom 29.06.2004 IX R 26/03 BStBl. II 2004, 995 unter II. 1. b) bb) mit Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des BFH, z. B. BFH-Urteile vom 10.09.2003 XI R 26/02 BStBl. II 2004, 218, und vom 14.09.1999 IX R 88/95 BStBl. II 1999, 776).

Der Steuertatbestand des § 22 Nr. 2 i. V. m. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil es an einem der ?Veräußerung? vorgeschalteten Erwerb fehlt.

Auch § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG ist nicht einschlägig (a. A. Schultze/Grelck in DStR 2003, 2103; Harenberg, in Kommentierte Finanzrechtsprechung ? KFR ? F. 3 EStG, § 23 4/03, S. 429, 431; ders., FR 2003, 1140). Danach sind Spekulationsgeschäfte Veräußerungsgeschäfte, bei denen die Veräußerung der Wirtschaftsgüter früher erfolgt als der Erwerb. Obschon die Norm Fälle abdecken soll, ?in denen es dem Steuerpflichtigen regelmäßig nur auf die Differenz ankommt? ( so die Begründung des Regierungsentwurfes zu § 42 EStG 1925, zitiert nach Strutz, Kommentar zum Einkommensteuergesetz vom 10. August 1925, 1929, § 42 Anm. 2), ist sie nicht bloß auf den Unterschied zwischen dem vereinbarten Preis und dem Börsen- oder Marktpreis ausgerichtet, sondern setzt nach ihrem Wortlaut den ?Erwerb? des vorher veräußerten Wirtschaftsgutes voraus (vgl. auch Strutz a. a. O., Anm. 7). Deshalb sind die Tatbestandsmerkmale dieser Vorschrift so auszulegen wie in § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG (vgl. Flume, DB 1978, 1097 ff.).

Nach diesen Maßstäben fehlt es im Streitfall bereits an der Veräußerung eines Wirtschaftsguts. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH erfüllt die im Rahmen eines Stillhaltergeschäfts eingeräumte Option beim Optionsgeber (hier beim Kl.) nicht die Merkmale eines selbstgeschaffenen Wirtschaftsguts (BFH-Urteile vom 28.11.1984 I R 290/81 BStBl. II 1985, 264; vom 28.11.1990 X R 197/87 BStBl. II 1991, 300 unter I. 3 und BFH-Urteil vom 18.12.2002 I R 17/02 BStBl. II 2004, 126, bereits zum Handel an der DTB).

Heuermann in DB 2004, 1848, 1851 tritt mit überzeugenden Argumenten der u. a. von Schultze/Grelck DStR 2003, 2103 vertretenen und von der Rechtsauffassung des BFH abweichenden Auffassung im Schriftum entgegen, die die Prämie im Zusammenhang mit der Optionseinräumung nicht als Bindungsentgelt sondern als Veräußerungsentgelt sieht.

Sei die eingeräumte Option beim Optionsgeber kein Wirtschaftsgut und bilde die Einräumung für sich keine Veräußerung des Rechts, so stelle sich die Frage, ob sich diese Wertung ändere, wenn und soweit die Position durch ein Gegengeschäft geschlossen werde. Zur Erinnerung weist Heuermann auf folgendes hin:
Eine erworbene Option werde mit ihrer Glattstellung veräußert, weil sich nur so der Optionsberechtigte von dem Recht lösen und seinen Wert realisieren könne. Erst die Glattstellung schaffe den Konnex, der das Eröffnungsgeschäft und das Glattstellungsgeschäft so miteinander verbinde, dass das Eröffnungsgeschäft als Erwerb und das Gegengeschäft als Veräußerung des Optionsrechts gewertet werden könne. Komme es nun zur Glattstellung einer short-Position, so könnte man nunmehr korrespondierend mit der Rechtslage bei erworbenen Optionen ebenso von einem Erwerb sprechen, der der Veräußerung vorgelagert sei. Erst die Glattstellung bewirke dann, dass sich das Einräumen eines Optionsrechts als Veräußerung darstelle. Das wäre die genaue Umkehrung der Rechtslage bei den long-Positionen. Aber könne man diese Kehre vollziehen und welche Folgen für die Prämie hätte sie, fragt Heuermann. Wäre mit dem Glattstellen die prinzipielle Trennung überwunden, könnte man dann in der Einräumung einer Option eine Veräußerung sehen, weil man im Glattstellen selbst den Erwerb des Optionsrechts sehe? Dann müsste sich aber rückwirkend der Vorgang des Einräumens steuerrechtlich anders bewerten lassen. Außerdem würde die eingeräumte Option zu einem Wirtschaftsgut werden. Das letztere könne bejaht werden; denn es sei denkbar, dass sich die eingeräumte Option zu einem Wirtschaftsgut verdichte, wenn sich der Optionsgeber mittels eines Gegengeschäfts davon löse. Mit der Glattstellung realisiere er einen Wert am Markt. Er verlasse den bloßen Nutzungsbereich. Problematisch aber sei, ob sich auch der Charakter der Prämie ändere. Sei sie bisher Gegenleistung für das übernommene Risiko gewesen, so müsste sie jetzt zu einem Veräußerungserlös werden. Indes werde man soweit nicht gehen können. Denn die Prämie sei eben nicht durch die Glattstellung wirtschaftlich veranlasst, sondern durch die mit dem Einräumen der Option verbundene Risikoübernahme. Der im Zeitpunkt der Zahlung gegebene wirtschaftliche Zusammenhang lasse sich nachträglich nicht mehr korrigieren (Heuermann DB 2004, 1848, 1851).

Ob das Glattstellen einer eingeräumten Option im Rahmen einer short-Position als Termingeschäft die Voraussetzungen eines privaten Veräußerungsgeschäfts im Sinne von § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 S. 2 EStG in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24.03.1999 (BGBl I, 402, BStBl. I 1999, 304) ? EStG n. F. ? erfüllt, kann hier offen gelassen werden, weil dieser Tatbestand erst ab dem Veranlagungszeitraum 1999 anwendbar ist. Nach § 52 Abs. 39 S. 2 EStG n. F. ist § 23 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 EStG n. F. auf Termingeschäft anzuwenden, bei denen der Erwerb des Rechts auf einen Differenzausgleich, Geldbetrag oder Vorteil nach dem 31.12.1998 erfolgt (vgl. zum Vorstehenden das BFH-Urteil vom 29.06.2004 IX R 26/03 BStBl. II 2004, 995 unter II. 1 b) bb) (1) und (2) der Gründe).

Wenn die Verfassungsmäßigkeit des § 22 Nr. 3 EStG unterstellt wird, hat das FA demnach zutreffend den Gewinn bei der Einräumung von Optionsrechten (short-Positionen) i. H. v. 43.602,23 DM im Einkommensteueränderungsbescheid 1996 vom 26.11.1999 nach dieser Vorschrift berücksichtigt.

II. Zur Verfassungsmäßigkeit des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 b EStG und des § 22 Nr. 3
EStG

Auf der Grundlage des vorstehenden Auslegungsergebnisses müsste der erkennende Senat, die Verfassungsmäßigkeit von § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 b EStG und § 22 Nr. 3 S. 1 EStG unterstellt, die Klage als unbegründet abweisen. Indes widersprechen diese Bestimmungen nach Überzeugung des Senats in dem in der Vorlagefrage genannten Umfang dem allgemeinen Gleichheitssatz (Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG)).

1. Die Rechtsentwicklung der im Streitfall maßgeblichen Vorschriften.

a) Die Rechtsentwicklung der im Streitfall maßgeblichen Vorschrift des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Buchst. b stellt sich ? bis zum Streitjahr 1996 - wie folgt dar:

Der Wortlaut des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG geht auf die Vorschriften zur Steuerbarkeit sonstiger Leistungsgewinne in §§ 41 Abs. 1 Nr. 1, 42 EStG 1925 (RGBl I 1925, 189, 198) zurück. In der Folgezeit sind dann im wesentlichen Änderungen bei der Länge der Spekulationsfrist erfolgt. Wegen der Einzelheiten wird auf den BFH-Vorlagebeschluss vom 16.07.2002 IX R 62/99 BStBl. II 2003, 74 unter B. I. 1 der Gründe verwiesen.

b) Die weitere Rechtsentwicklung der maßgeblichen Vorschrift ? nach dem Streitjahr 1996 ? stellt sich kurz gefasst wie folgt dar:

Durch Art. 1 Nr. 31 des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 (StEntlG 1999/2000/2002) vom 24.03.1999 (BGBl I 1999, 402, BStBl. I 1999, 304) wurde § 23 EStG grundlegend neu gefasst. Bis dahin als Spekulationsgeschäfte bezeichneten Veräußerungstatbestände werden ? unter gleichzeitiger Änderung der Nummerierung in § 23 Abs. 1 EStG ? nunmehr als ?private Veräußerungsgeschäfte? betitelt. Ferner wurde die Spekulationsfrist bei der Veräußerung von (anderen Wirtschaftsgütern, insbesondere) Wertpapieren auf ein Jahr heraufgesetzt.

c) Die Rechtsentwicklung der im Streitfall maßgeblichen Vorschrift des § 22 Nr. 3 EStG stellt sich ? bis zum Streitjahr 1996 ? wie folgt dar:

Die zur Zeit geltende Regelung des § 22 Nr. 3 EStG beruht im wesentlichen auf den Änderungen durch das Einkommensteuergesetz 1934 vom 16.10.1934 (RGBl I 1934, 1005), vgl. Jansen in Hermann/Heuer/Raupach, Kommentar zum Einkommensteuer- und Körperschaftssteuergesetz, Stand März 2000, § 22 Rdn. 371 m. w. N.

Die weitere Rechtsentwicklung der maßgeblichen Vorschrift ? nach dem Streitjahr 1996 ? stellt sich kurz gefasst wie folgt dar:

Gem. dem mit StEntlG 1999/2000/2002 vom 24.03.1999 (BGBl I 1999, 402, BStBl. I 1999, 304) eingefügten Satz 4 wurde § 22 Nr. 3 EStG um die Möglichkeit der Verlustverrechnung nach § 10 d EStG erweitert.

2. Verfassungsrechtliche Beurteilung des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG
durch das BVerfG

Das BVerfG hat mehrfach zu § 23 EStG Stellung genommen (s. BVerfG-Beschluss vom 9.07.1969 2 BvL 20/65 BVerfGE 26, 302, BStBl. II 1970, 156 zur unwiderlegbaren Vermutung der Spekulationsabsicht; BVerfG-Beschluss vom 8.10.1975 1 BvR 141/75 HFR 1975, 581; BVerfG-Beschluss vom 16.08.1977 1 BvR 836/76 HFR 1977, 510, zur Berücksichtigung eines Kaufkraftverlustes bei der Ermittlung der Anschaffungskosten i. S. d. § 22 EStG).

Abgesehen von der Frage ihres gleichheitsgerechten Vollzugs begegnet die zur Überprüfung durch das BVerfG gestellte materielle Steuernorm selbst keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

Der 2. Senat des BVerfG hat in seinem Beschluss vom 9.07.1969 2 BvL 20/65 BStBl. II 1970, 156 einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG verneint, soweit Gewinne aus Veräußerungsgeschäften i. S. d. § 23 Abs. 1 EStG den sonstigen Einkünften nach § 22 EStG zuzurechnen und zu besteuern sind. Dabei hat das Gericht betont, dass der Gesetzgeber verfassungsrechtlich nicht gehindert wäre, Gewinne aus jeder Veräußerung von Gegenständen des Privatvermögens zu besteuern.

Das BVerfG hat jedoch mit Urteil vom 9.03.2004 2 BvL 17/02 BGBl I 2004, 591, BStBl. II 2005, 56 entschieden, dass die Besteuerung von privaten Spekulationsgeschäften bei Wertpapieren in den Veranlagungszeiträumen 1997 und 1998 verfassungswidrig ist. Danach ist § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Buchst. b des Einkommensteuergesetzes in der für die Veranlagungszeiträume 1997 und 1998 geltenden Neufassung des Einkommensteuergesetzes vom 16.04.1997 mit Art. 3 Abs. 1 des GG unvereinbar und nichtig, soweit er Veräußerungsgeschäfte bei Wertpapieren betrifft. Die Nichtigerklärung erstrecke sich nicht auf Nachfolgeregelungen der zur Prüfung gestellten Norm.

In den Gründen der Entscheidung heißt es u. a.:

Die von der zur Prüfung gestellten Steuernorm begründete materielle Steuerpflicht ist verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden. Die mangelhafte Durchsetzung dieser materiellen Pflicht verstößt jedoch gegen das verfassungsrechtliche Gebot tatsächlicher gleicher Steuerbelastung durch gleichen Gesetzesvollzug. Dies führt zur Verfassungswidrigkeit der materiellen Steuernorm.

Das BVerfG bezieht sich dabei unter B. II. 1. der Gründe auf das Urteil des BVerfG zur Zinsbesteuerung vom 27.06.1991 2 BvR 1493/89 (BVerfGE 84, 239, BStBl. II 1991, 694) und meint:? Wie der 2. Senat des BVerfG in seinem Urteil zur Zinsbesteuer vom 27.06.1991 dargelegt hat, verlangt der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG für das Steuerrecht, dass die Steuerpflichtigen durch ein Steuergesetz rechtlich und tatsächlich gleich belastet werden. Wird die Gleichheit im Belastungserfolg durch die rechtliche Gestaltung des Erhebungsverfahrens prinzipiell verfehlt, kann dies die Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Besteuerungsgrundlage nach sich ziehen.?

Im übrigen weist das BVerfG zusammengefasst in seinem Urteil zur Begründung der Verfassungswidrigkeit des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Buchst. b auf folgendes hin:

a) Nach dem Gleichheitssatz müssen die Steuerpflichtigen durch ein Steuergesetz rechtlich und tatsächlich gleich belastet werden. Um die Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Besteuerungsgrundlage zu vermeiden, benötigt, das materielle Steuergesetz ein normatives Umfeld, das die tatsächliche Lastengleichheit der Steuerpflichtigen gewährleistet. In Betracht kommen das Instrument des Quellenabzugs oder im Veranlagungsverfahren die Ergänzung des Deklarationsprinzips durch das Verifikationsprinzip. Für die Feststellung eines strukturellen Vollzugshindernisses kommt es maßgeblich auf den Regelfall des Besteuerungsverfahrens an. Werden bestimmte Einkünfte materiell-rechtlich zutreffend nur bei einer qualifizierten Erklärungsbereitschaft des Steuerpflichtigen erfasst und bleibt ein Fehlverhalten bei der Erklärung ohne ein praktisch bedeutsames Entdeckungsrisiko möglich, dann liefert bereits dies hinreichende Grundlagen für die Feststellung einer im Gesetz strukturell angelegten Ungleichmäßigkeit der Rechtsanwendung. Das einkommensteuerrechtliche Veranlagungsverfahren muss als Massenverfahren behördliche Ermittlungsmaßnahmen sachgerecht konzentrieren, um praktikabel zu bleiben. Ein gleichheitsgerechter Vollzug sollte ohne unverhältnismäßige Mitwirkungsbeiträge der Steuerpflichtigen oder übermäßigen Ermittlungsaufwand der Finanzbehörde möglich sein. Wenn die Finanzverwaltung wegen einer bestimmten materiellen Norm generell verschärft prüfen muss, um überhaupt einen annähernd gleichmäßigen Belastungserfolg erreichen zu können, kann dies Indiz für das Bestehen mangelhafter Erhebungsstrukturen sein. Für ein strukturelles Erhebungsdefizit kann auch sprechen, dass die Besteuerung bestimmter Einkünfte im Vergleich mit anderen Einkünften Erhebungsmängel aufweist, wie sie bei den anderen Einkünften regelmäßig in solchem Ausmaß nicht vorkommen. Auch Nachbesserungsversuche der Finanzverwaltung können auf strukturelle Erhebungsmängel hindeuten.
b) Nach diesen Maßstäben entspricht die Besteuerung von Spekulationsgewinnen aus privaten Wertpapiergeschäften in den Veranlagungszeiträumen 1997 und 1998 nicht den Anforderungen des Gleichheitssatzes im Steuerrecht. Eine gleichheitsgerechte Durchsetzung des Steueranspruchs scheitert an strukturellen Erhebungsmängeln. Diese Feststellung ist möglich, obwohl das tatsächliche Ausmaß steuerlich nicht erfasster Spekulationsgewinne und korrespondierender Steuerausfälle mangels greifbarer Zahlen nicht bekannt ist. Der Verwaltungsvollzug kann nämlich tragfähige Hinweise insbesondere für mangelhaftes Erklärungsverhalten der Steuerpflichtigen liefern, wenn es an tatsächlich aktivierten oder zu befürchtenden behördlichen Kontrollmaßnahmen fehlt. Strukturell gegenläufige Erhebungsregeln lassen ein tatsächliches Erhebungsdefizit hinsichtlich der materiellen Steuernorm vermuten. Weiter kommt es auf das Gewicht normativer Defizite an.

aa) Die einkommenssteuerliche Erfassung von Spekulationsgewinnen aus privaten Wertpapiergeschäften hängt vor allem von der Erklärungsbereitschaft des Steuerpflichtigen ab. Wer für die Jahre 1997 und 1998 seine Steuererklärung in der vorgeschriebenen Form abgegeben und nicht erkennbar widersprüchliche oder unwahrscheinliche Angaben zu Spekulationsgewinnen bei Wertpapieren gemacht hat, hat bei unvollständiger oder wahrheitswidriger Erklärung daraus erzielter Gewinne regelmäßig nur ein geringes Entdeckungsrisiko getragen. Die Ausgestaltung der Erklärungsvordrucke ist einer gleichheitswidrigen Vollzugssituation insoweit förderlich. Denn allgemeine ermittlungsbeschränkend wirkende Verfahrensgrundsätze werden für die Veranlagungszeiträume 1997 und 1998 nicht ausreichend durch praktikable und effiziente, auf hinreichende Überprüfbarkeit im regulären Veranlagungsverfahren angelegte Erhebungsregeln ergänzt. Nach dem Untersuchungsgrundsatz ermittelt die Finanzbehörde den Sachverhalt von Amtswegen. Nach dem einschlägigen Erlassen sollen die Finanzbehörden den Angaben des Steuerpflichtigen in der Steuerklärung folgen, soweit diese schlüssig sind und nicht greifbare Umstände für deren Fehlerhaftigkeit vorliegen. Das Entdeckungsrisiko bei mangelhafter Erklärung der in den Veranlagungszeiträumen 1997 und 1998 erzielten Spekulationsgewinne ist im Regelfall des Besteuerungsverfahrens sehr gering. Der Steuerpflichtige ist außerhalb der Steuererklärung weder zur Mitteilung über von ihm getätigte Spekulationsgewinne noch zur Glaubhaftmachung durch die Beifügung von Belegen verpflichtet. Ebenso wenig unterliegt er einer Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflicht. Eine Überprüfung auf andere Weise ist den Veranlagungsstellen schon bei Durchführung der Veranlagung für die betroffenen Veranlagungszeiträume 1997 und 1998 kaum eröffnet gewesen. Die Wahrscheinlichkeit, dass dem Veranlagungsfinanzamt Kontrollmitteilungen aus einer Außenprüfung bei Kreditinstituten vorliegen, ist äußerst gering. Der Außenprüfung bleibt ein wesentlicher Teil der zur unmittelbaren Aufdeckung von Spekulationsgewinnen aus privaten Wertpapiergeschäften geeigneten Konten ohnehin verschlossen. Das nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs Zufallserkenntnisse, die den Verdacht einer Steuerverkürzung im Einzelfall begründen, mitgeteilt werden dürfen, hilft jedenfalls für den Regelfall der Veranlagung nicht weiter. Differenzen in der Rechtsprechung verschiedener Senate des Bundesfinanzhofs führen in der Praxis zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit, welche Befugnisse die Finanzämter tatsächlich im Einzelfall der Bankenprüfung haben und wie die Finanzgerichte ergriffene Kontrollmaßnahmen rechtlich bewerten. Für den Regelfall der Veranlagung liegen hinsichtlich der Veranlagungszeiträume 1997 und 1998 auch keine Erkenntnisse über private Wertpapiergeschäfte aufgrund von Sammelauskunftsersuchen der Finanzverwaltung vor. Mitteilungen von Kreditinstituten an das Bundesamt für Finanzen sind für die hier in Rede stehenden Zeiträume ausdrücklich auf die Prüfung der rechtmäßigen Inanspruchnahme des Sparerfreibetrags und des Pauschbetrags für Werbungskosten bei Kapitalerträgen beschränkt gewesen. Sonstige Umstände, die einer Veranlagungsstelle losgelöst von den Angaben der Steuererklärung hinsichtlich möglicher Spekulationsgewinne aus privaten Wertpapiergeschäften konkret den Anlass zur weiteren Sachverhaltsermittlung geben könnten, sind für die Veranlagungszeiträume 1997 und 1998 nicht erkennbar. Eine spätere Überprüfung im Rahmen einer Außenprüfung ist bei Privatpersonen für gewöhnlich nicht vorgesehen. Auf einzelne Maßnahmen der Steuerfahndung kommt es für die Feststellung eines strukturellen Erhebungsdefizits nicht an.Das Entdeckungsrisiko bleibt im Regelfall des Veranlagungsverfahrens aber selbst dann gering, wenn man den Rahmen für ein zulässiges Auskunftsverlangen der Finanzbehörden weiterziehen sollte. Auch insoweit bestehen faktische und rechtliche Ermittlungshemmnisse. So ist bereits die Errechnung von Spekulationsgewinnen insbesondere bei Giro-Sammelverwahrung von Wertpapieren schwierig. Außerdem gibt es keine auf einschlägige Unterlagen bezogene Aufzeichnungs-, Aufbewahrungs- oder Beschaffungspflichten des Steuerpflichtigen. Umstritten ist, worauf sich die Verpflichtung zur Vorlage von Urkunden bezieht. Kreditinstitute dürfen nur subsidiär informatorisch in Anspruch genommen werden, wenn der Steuerpflichtige nicht hinreichend mündlich oder schriftlich informiert.
bb) Auch was die realitätsgerechte Ausgestaltung des Erhebungsverfahrens angeht, ist von einem strukturellen Erhebungsdefizit in den Veranlagungszeiträumen 1997 und 1998 auszugehen. Diejenigen, die über die für eine Besteuerung notwendigen Informationen verfügen, müssen für diesen Zeitraum nicht die einschlägigen Daten gegenüber den Finanzbehörden allgemein und den Bedürfnissen eines Massenverfahrens entsprechend transparent machen. Eine Jahresbescheinigung über Kapitalerträge und Veräußerungsgewinne aus Finanzanlagen wird inzwischen insbesondere von Kreditinstituten und Finanzdienstleistungsinstituten unter anderem für nach dem 31.12.2003 abgeschlossene Wertpapierveräußerungsgeschäfte verlangt. Für die hier in Rede stehenden Veranlagungszeiträume wird vor allem mit dem Verbot von Kontrollmitteilungen der Finanzverwaltung eines der wirksamsten Mittel zur Sachverhaltsaufklärung genommen.
cc) Die Erhebung der Einkommensteuer auf Spekulationsgewinne bei Wertpapieren lädt gegenüber der Steuererhebung bei anderen Einkünften in den Veranlagungszeiträumen 1997 und 1998 zu rechtswidrigem Handeln geradezu ein. Bei Spekulationsgeschäften mit Grundstücken ist der Notar gesetzlich zur Anzeige gegenüber der Finanzverwaltung verpflichtet. Bei Steuerpflichtigen, die einen gewerblichen oder land- und forstwirtschaftlichen Betrieb unterhalten oder einer selbständigen freiberuflichen Tätigkeit nachgehen, ist die voraussetzungslose Außenprüfung möglich. Bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ist der zur Einkünfteerzielung eingesetzte Vermögensgegenstand nicht zu verheimlichen, regelmäßig wird er auf Dauer gehalten. Häufig sollen Verluste steuerlich geltend gemacht werden. Bei Einkünften aus Kapitalvermögen existieren eine Quellensteuer sowie die Kontrolle durch Mitteilungen von Kreditinstituten an das Bundesamt für Finanzen. Bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ist die Erhebung der Einkommensteuer in Form einer - hoch effizienten - Quellensteuer (Lohnsteuer) ausgestaltet.

dd) Die von Bundes- und Landesfinanzverwaltungen vorgetragenen Nachbesserungen beim Vollzug entfalten eher Indizwirkung für als gegen das Bestehen eines strukturellen Vollzugsdefizits in den Veranlagungszeiträumen 1997 und 1998. Insoweit deutet nichts daraufhin, dass das festzustellende tatsächliche Erhebungsdefizit nur Folge temporärer Mängel der Finanzverwaltung gewesen wäre.

c) Der Gesetzgeber ist dafür verantwortlich, dass das maßgebliche Verfahrensrecht keine Regelungen enthält, durch die eine wirksame Kontrolle von Spekulationsgewinnen aus privaten Wertpapiergeschäften gewährleistet ist, sondern die für beide Erhebungszeiträume anzuwendenden verfahrensrechtlichen Regelungen einer solchen Kontrolle sogar entgegenwirken. Dem Gesetzgeber waren die gleichheitsrechtlichen Anforderungen an den Vollzug der zur Prüfung gestellten Steuernorm bekannt. Sowohl die ermittlungsbeschränkende Wirkung durch früheren Bankenerlasses als auch die Voraussetzungen für die Gleichheit im Belastungserfolg sind im Zinsurteil des 2. Senats vom 27.06.1991 klargestellt.
d) Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung und den diesen Gründen zugrunde liegenden Unterlagen, Auskünften und Feststellungen wird auf das BVerfG-Urteil vom 9.03.2004 2 BvL 17/02 BGBl. I 2004, 541, BSTBl. II 2005, 56 Bezug genommen.

3. Verfassungsrechtliche Beurteilung des § 22 Nr. 3 EStG in der Rechtsprechung:

Das BVerfG hatte mit Beschluss vom 30.09.1998 2 BvR 1818/91 BVerfGE 99, 88, BGBl I 1998, 3430 entschieden, dass § 22 Nr. 2 S. 3 EStG in den seit den Veranlagungszeiträumen 1984 geltenden Fassungen mit Art. 3 GG unvereinbar und nichtig ist, soweit er sich auf laufende Einkünfte aus Vermietung beweglicher Gegenstände bezieht. Die Verfassungswidrigkeit hat nach dem Beschluss des BVerfG die Nichtigkeit der Vorschrift in dem im Tenor des BVerfG-Beschlusses bestimmten sachlichen und zeitlichen Umfang zur Folge. Damit sind die Verluste aus der Vermietung beweglicher Gegenstände i. S. d. § 22 Nr. 3 S. 3 EStG für die vergangenen Veranlagungszeiträume entsprechend dem das Einkommensteuergesetz bestimmenden allgemeinen Regeln über Verlustausgleich und Verlustabzug zu behandeln.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt dieses Beschlusses verwiesen.

Im übrigen bestehen - abgesehen von der Frage ihres gleichheitsgerechten Vollzugs - gegenüber der zur Überprüfung durch das BVerfG gestellten materiellen Rechtsnorm des § 22 Nr. 3 EStG selbst keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Die in § 22 Nr. 3 EStG aufgestellten Voraussetzungen für die Steuerbarkeit sonstiger Leistungen genügen rechtsstaatlichen Anforderungen an die Bestimmtheit eines Steuergesetzes. Ob und unter welchen Voraussetzungen Einkünfte aus Leistungen i. S. v. § 22 Nr. 3 EStG anzunehmen seien, lässt sich mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln hinreichend sicher erkennen. Die Verwendung von Generalklauseln und unbestimmten Rechtsbegriffen sowie deren Auslegungsbedürftigkeit können nur ausnahmsweise zur Feststellung mangelnder Bestimmtheit führen (BVerfG-Beschlüsse vom 13.08.1986 1 BvR 587/86 Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK - Einkommensteuergesetz 1975, § 22 Nr. 3, Rechtsspruch 4; vom 4.06.1993 2 BvR 1148/92, StRK, ESTG 1975, § 22 Nr. 3, Rechtsspruch 14).

Zur Frage der strukturellen Erhebungsdefizits betreffend § 22 Nr. 3 EStG liegt bisher noch keine Entscheidung des BVerfG vor.

III. Rechtsansicht des vorlegenden Senats zur Verfassungsmäßigkeit von § 23 Abs.
1 S. 1 Nr. 1 Buchst. b und § 22 Nr. 3 EStG:

Nach Überzeugung des vorlegenden Senats sind § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG und § 22 Nr. 3 S. 1 EStG jeweils in der für den Veranlagungszeitraum 1996 maßgeblichen Fassung mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Im Veranlagungszeitraum 1996 ist die Durchsetzung dieser Normen bei der Veräußerung von Wertpapieren und bei der Durchführung von Optionsgeschäften wegen struktureller Vollzugshindernisse weitgehend vereitelt. Aus diesem Grund werden die o. a. materiellen Steuernormen in dem angegebenen Umfang von den Finanzbehörden tatsächlich nicht vollzogen. Hierin liegt ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die den Gesetzgeber zuzurechnende mangelhafte Durchsetzung dieser materiellen Pflicht verstößt gegen das verfassungsrechtliche Gebot tatsächlich gleicher Steuerbelastung durch gleichen Gesetzesvollzug mit der Folge, dass die beiden angegebenen materiellen Steuernormen selbst verfassungswidrig sind.

Das BVerfG hat in seinem o. a. Urteil vom 9.03.2004 2 BvL 17/02 BStBl. II 2005, 56 im einzelnen ausgeführt, dass die Besteuerung von Spekulationsgewinnen aus private Wertpapiergeschäften nicht den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG entspricht. Eine gleichheitsgerechte Durchsetzung des Steueranspruchs gem. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG scheitere an strukturellen Erhebungsmängeln (vgl. oben). Allerdings betrifft diese Entscheidung die Veranlagungszeiträume 1997 und 1998.

Der Senat ist der Meinung, dass die vom BVerfG getroffenen Feststellungen zum Erhebungsdefizit und die sich daraus ergebenden Rechtsgrundsätze im o. a. BVerfG-Urteil vom 9.03.2004 auch auf das hier vorliegende Streitjahr 1996 übertragbar sind. Im Jahr 1996 bestand dasselbe strukturelle Erhebungsdefizit wie in den Jahren 1997 und 1998, da im Jahr 1996 insoweit gegenüber den Veranlagungszeiträumen 1997 und 1998 keine anderen Umstände bei der Durchsetzung des Steueranspruchs bei Wertpapiergeschäften vorliegen.

Dieses auch in 1996 bestehende strukturelle Vollzugsdefizit war dem Gesetzgeber zuzurechnen.

Hinsichtlich der Veranlagungszeiträume 1997 und 1998 hat insoweit das BVerfG unter C. IV. der Gründe folgendes ausgeführt:

?Dem Gesetzgeber ist es zuzurechnen, dass der Vollzugsbefehl der zur Prüfung gestellten materiellen Steuernorm in der Praxis des Erhebungsverfahrens für die Veranlagungszeiträume 1997 und 1998 nicht gleichheitsgerecht umzusetzen ist. In seiner Verantwortlichkeit fällt es, dass bei der vorgesehenen Erhebungsform das maßgebliche Verfahrensrecht keine Regelungen enthält, durch die eine wirksame Kontrolle von Spekulationsgewinnen aus privaten Wertpapiergeschäften gewährleistet ist, sondern die für beide Erhebungszeiträume anzuwendenden verfahrensrechtlichen Regelungen einer solchen Kontrolle sogar entgegenwirken.

Dem Gesetzgeber musste sich bereits für das Streitjahr des Ausgangsverfahrens (1997) die Erkenntnis aufdrängen, dass für die in Frage stehende Spekulationssteuer mit Blick auf die Form der Erhebung sowie die nähere Regelung des Erhebungsverfahrens das von Verfassungs wegen vorgegebene Ziel der Gleichheit im Belastungserfolg ?prinzipiell? nicht zu erreichen sein würde. Sowohl die ermittlungsbeschränkende Wirkung des früheren Bankenerlasses als auch die Voraussetzungen für die Gleichheit im Belastungserfolg sind im Zinsurteil des 2. Senats vom 27.06.1991 klargestellt. Dem Gesetzgeber war demnach deutlich, welchen gleichheitsrechtlichen Anforderungen der Vollzug der materiellen Steuernorm des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG zu genügen hatte. Die Kritik am Vollzug des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG ist nicht erst in den Jahren nach 1997 immer deutlicher artikuliert worden. Bereits in dem 1994 vorgelegten Abschlussbericht der vom Finanzministerium des Landes Nordrhein-Westfalen eingesetzten Arbeitsgruppe ?Steuerausfälle? wurde unter ?Einzelbeispiele zur Missbrauchsbekämpfung? ausgeführt, dass Spekulationsgewinne weitgehend nicht erklärt würden (vgl. Überprüfung der Möglichkeiten zur vollständigen Ausschöpfung der Steuerquellen ? Teil II ? Abschlussbericht der Arbeitsgruppe ?Steuerausfälle?, Der Steuerberater - StB - 1994, 446, 449 f.). In besonderer Weise musste sich die Frage der Verifikation von Spekulationsgewinnen aus privaten Wertpapiergeschäften für den Gesetzgeber zudem angesichts deutlich steigender Börsenkurse stellen.

Entgegen seiner Verantwortlichkeit für eine Nachbesserung hat der Gesetzgeber jedoch an der Nachfolgeregelung des Bankenerlasses (§ 30 a AO) festgehalten, die Erhebungsform der Einkommensteuer auf private Veräußerungsgewinne bei Wertpapieren nicht geändert und jedenfalls für die Zeit der Gültigkeit der hier zur Prüfung gestellten Steuernorm keine Instrumente für eine wirksame Kontrolle der Besteuerung von privaten Veräußerungsgewinnen bei Wertpapieren zur Verfügung gestellt.?

Diese vom BVerfG genannten Gründe treffen nicht nur auf die im BVerfG-Urteil dort den Gegenstand der Untersuchung bildenden Wertpapiergeschäfte i. S. d. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 b EStG, sondern ebenso auf die gem. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG steuerpflichtigen Optionsgeschäfte (long-Positionen) wie auch auf die gem. § 22 Nr. 3 EStG steuerpflichtigen Optionsgeschäfte (short-Positionen) zu, und zwar auch für das hier vorliegende Streitjahr 1996. Denn soweit gem. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG und gem. § 22 Nr. 3 EStG Optionsgeschäfte steuerpflichtig sind, besteht dasselbe strukturelle Erhebungsdefizit. Auch insoweit besteht hinsichtlich dieser beiden materiellen Steuergesetze kein normatives Umfeld, das die tatsächliche Lastengleichheit der Steuerpflichtigen gewährleistet. Es sind keine Gründe ersichtlich, dass die Finanzverwaltung im Veranlagungszeitraum 1996 besser als in den Veranlagungszeiträumen 1997 und 1998 zur Durchsetzung ihrer insoweit gegebenen Steueransprüche in der Lage gewesen sein könnte. Der Gesetzgeber hat für den Veranlagungszeitraum 1996 hinsichtlich der zur Prüfung gestellten beiden Steuernormen ebenfalls keine Instrumente für eine wirksame Kontrolle der Besteuerung von privaten Veräußerungsgeschäften bei Wertpapieren und bei Gewinnen aus Optionsgeschäften zur Verfügung gestellt.

Dem Gesetzgeber musste sich auch bereits für das Streitjahr des vorliegenden Verfahrens (1996) die Erkenntnis aufdrängen, dass für die in Frage stehenden Spekulationsgeschäfte mit Wertpapieren und Optionsrechten mit Blick auf die Form der Erhebung sowie die nähere Regelung des Erhebungsverfahrens das von Verfassungs wegen vorgegebene Ziel der Gleichheit im Belastungserfolg ?prinzipiell? nicht zu erreichen sein würde. Sowohl die ermittlungsbeschränkende Wirkung des früheren Bankenerlasses als auch die Voraussetzungen für die Gleichheit im Belastungserfolg sind bereits im Zinsurteil des 2. Senats des BVerfG vom 27.06.1991 2 BvR 1493/89 BStBl. II 1991, 654 klargestellt. Dem Gesetzgeber war demnach deutlich, welchen gleichheitsrechtlichen Anforderungen der Vollzug der materiellen Steuernormen des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 b und § 22 Nr. 3 EStG auch hinsichtlich von Spekulationseinkünften aufgrund von Wertpapier- und Optionsgeschäften zu genügen hatte.

In einer Anmerkung zu dem Urteil des BVerfG vom 27.06.1991 hat Felix bereits 1991 in FR 1991, 375, 389 ff. darauf hingewiesen, dass das Zins-Versteuerungs-Urteil präjudizielle Wirkung für weitere steuervollzugs-defizitäre Bereiche entfalten werde. Bekanntlich würden massenweise auch andere deklarationspflichtige Einkünfte verschwiegen. Die entsprechenden Vollzugsdefizite seien im Sinne der Argumentation des Zins-Versteuerungs-Urteils vom 27.06.1991 (Abschnitt C. I. 1. d) dem Gesetzgeber zuzurechnen. Als eines von mehreren Beispielen hierfür weist Felix u. a. daraufhin, dass auch bei der Besteuerung von Wertpapier-Spekulationsgewinnen ein gravierendes Vollzugsdefizit bestehe.

Insoweit ist außerdem auf den Abschlussbericht der Arbeitsgruppe ?Steuerausfälle? des Landesfinanzministeriums Nordrhein-Westfalen in StB 1994, 399, 446 hinzuweisen, den auch das BVerfG im Urteil vom 9.03.2004 2 BvL 17/02 BStBl. II 2005, 56 (unter A. I. 4 und C. IV. der Gründe) zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht hat.

IV. Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage

Der Senat hat das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des BVerfG zu der Vorlagefrage einzuholen, weil es für die Entscheidung des Streitfalls auf die Gültigkeit des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG und des § 22 Nr. 3 S. 1 EStG ankommt (Art. 100 Abs. 1 GG; § 80 Abs. 2 BVerfGG).

Im Rahmen des anhängigen Klageverfahrens ist eine abschließende Sachentscheidung darüber zu treffen, ob die vom Finanzamt bei der Außenprüfung ermittelten Einkünfte aus Wertpapier- und Optionsgeschäften gem. § 22 Nr. 2 i. V. m. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Buchst. b und gem. § 22 Nr. 3 S. 1 EStG jeweils in den für das Veranlagungsjahr 1996 maßgeblichen Fassungen des Einkommensteuergesetzes aufgrund dieser materiellen Steuerrechtsnormen der Besteuerung zu unterwerfen sind. Sind die Kl. durch materielle Steuerrechtsnormen betroffen, die sie aufgrund des festzustellenden strukturellen Erhebungsdefizits in gleichheitswidriger Weise belasten, würde die Steuerbelastung der Kl. im Streitjahr geringer ausfallen, wenn die vorgelegten Normen aufgrund ihrer Unvereinbarkeit mit dem den Prüfungsmaßstab dienenden Verfassungsrecht keine Anwendung finden dürften.

Der Senat geht bei der Frage der Entscheidungserheblichkeit davon aus, dass das BVerfG entsprechend seinem Urteil vom 9.03.2004 2 BvL 17/02 BStBl. II 2005, 96 (unter D. II. der Gründe) die zur verfassungsrechtlichen Überprüfung durch das BVerfG gestellten Normen in den in der Vorlagefrage enthaltenen Umfang nicht nur mit der Verfassung für unvereinbar, sondern auch für nichtig erklären wird. Unabhängig davon würde eine Entscheidung des BVerfG auch bei einer Unvereinbarkeitserklärung des BVerfG für den vorliegenden Rechtsstreit erheblich sein, weil dann der Senat gem. § 74 FGO das Verfahren aussetzen würde, bis der Gesetzgeber das Erhebungsverfahren neu geregelt hat (vgl. dazu BFH-Beschluss vom 16.07.2002 IX R 62/99 BStBl. II 2003, 74 unter IV. 3. b der Gründe).

Somit liegt in jedem Fall wegen der Notwendigkeit einer alternativen Entscheidung durch den vorlegenden Senat die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage vor.

Der erkennende Senat hält die Überprüfung der in der Vorlagefrage enthaltenen Normen durch das BVerfG auch nicht deshalb für entbehrlich, weil der BFH inzwischen in mehreren Urteilen für die Veranlagungszeiträume 1989 bis 1994 entschieden hat, dass die weitere Anwendung von § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG verfassungsrechtlich zulässig sei (BFH-Urteile vom 1.06.2004 IX R 35/01 BStBl. II 2005, 26 für Kalenderjahre bis einschließlich 1993 und vom 29.06.2004 IX R 26/03 BStBl. II 2004, 995 für 1994).

Seine Auffassung hat der BFH im Urteil vom 29.06.2004 unter II. 1. a) cc) der Gründe für den Veranlagungszeitraum 1994 wie folgt begründet:

?Das BVerfG hat mit Urteil vom 9. März 2004 2 BvR 17/02 (BGBl I 2004, 591) die Besteuerung privater Wertpapiergeschäfte lediglich für die Jahre 1997 und 1998 für verfassungswidrig und § 23 EStG insoweit für nichtig erklärt. Zwar ist davon auszugehen, dass auch im Streitjahr 1994 ein vergleichbares Vollzugsdefizit gegeben war, wie es das BVerfG für die Jahre 1997 und 1998 festgestellt hat. Es ist indes ausgeschlossen, dass das BVerfG § 23 EStG für Wertpapiergeschäfte im Streitjahr für nichtig erklären würde. In seinem Urteil zur Zinsbesteuerung vom 27.06.1991 2 BvR 1493/89 (BVerfGE 84, 239, BStBl. II 1991, 654) hat das BVerfG zwar in Bezug auf § 20 EStG ein mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbares Vollzugsdefizit festgestellt, die darauf gestützte Verfassungsbeschwerde aber gleichwohl zurückgewiesen, weil die Verfassungsrechtslage bisher nicht erkannt worden sei und deshalb Anlass bestanden habe, das bisherige Recht noch für eine Übergangszeit hinzunehmen und dem Gesetzgeber Gelegenheit zu geben, sich binnen einer angemessen Frist auf die nunmehr geklärte verfassungsrechtliche Lage einzustellen. Diese Erwägungen gelten ebenso für das Vollzugsdefizit, welches das BVerfG nunmehr für § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG festgestellt hat. Auch hier war die Verfassungsrechtslage seinerzeit nicht erkannt worden. Die dem Gesetzgeber insoweit zuzubilligende Übergangszeit umfasst auch noch das Streitjahr 1994, weil die Frage des gleichheitswidrigen Vollzugsdefizits in der Fachwelt für die Vorschrift des § 20 EStG (vgl. die Nachweise im BVerfGE 84, 239, BStBl. II 1991, 654 unter C. II. 1. b) dd) der Gründe) deutlich früher aufgeworfen worden ist als für § 23 EStG (vgl. dazu die Nachweise im Urteil des BVerfG vom 9. März 2004 2 BvR 17/02 BGBl I 2004, 591 unter A. I. 4. der Gründe).?

Wenn der BFH aus diesen Erwägungen folgert, dass bezüglich der Erfassung des Spekulationsgewinns für die Kalenderjahre 1993 und 1994 dem Gesetzgeber insoweit noch eine Übergangszeit zuzubilligen sei, ist dies nach Auffassung des Senats jedenfalls für den Zeitraum nach 1994 nicht mehr gerechtfertigt. Die BFH-Urteile enthalten auch keine Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Übergangszeit noch für das Kalenderjahr 1996 bestanden haben könnte. Es sind ebenfalls keine Gründe zu erkennen, dass es dem Gesetzgeber an einer ausreichenden Sensibilität bezüglich der steuerlichen Erfassung von Spekulationsgewinne gefehlt hat, zumal er bezüglich der Zinsbesteuerung bei Einführung der Zinsabschlagssteuerung sehr schnell reagiert hat (vgl. Schleswig Holsteinisches Finanzgericht Beschluss vom 1.12.2004 2 V 365/04 DStRE 2005, 196). Auch in der Fachliteratur waren bereits 1991 die Erhebungsprobleme hinsichtlich der Spekulationseinkünfte bei Wertpapiergeschäften und damit auch hinsichtlich von Optionsgeschäften erörtert worden (Felix in FR 1991, 375, 389 ff.).

Dem Gesetzgeber musste sich längere Zeit vor dem Veranlagungszeitraum 1996 die Erkenntnis aufdrängen, dass für die in Frage stehenden Spekulationsgeschäfte mit Blick auf die Form der Erhebung sowie die nähere Regelung des Erhebungsverfahrens das von Verfassungs wegen vorgegebene Ziel der Gleichheit im Belastungserfolg ?prinzipiell? nicht zu erreichen sein würde. Hinzuweisen ist auch in diesem Zusammenhang auf den in 1994 vorgelegten Abschlussbericht der vom Finanzministerium des Landes Nordrhein-Westfalen eingesetzten Arbeitsgruppe ?Steuerausfälle?. Darin wurde unter ?Einzelbeispiele zum Missbrauchsbekämpfung? ausgeführt, dass Spekulationsgewinne weitgehend nicht erklärt würden (StB 1994, 446 (449 f.)). In besondere Weise musste sich die Frage der Verifikation von Spekulationsgewinnen aus privaten Wertpapiergeschäften (und damit auch aus Optionsgeschäften) für den Gesetzgeber zudem angesichts der etwa ab dem Jahr 1994 bis zum Ende des Jahres 1999 deutlich gestiegenen Aktienkursen stellen (vgl. dazu Bericht des Bundesrechnungshofes vom 24.04.2002 BTDrucks 14/8863, Seite 4, den das BVerfG ebenfalls seinem Urteil vom 9.03.2004 2 BvL 17/02 BStBl. II 2005, 56 zugrunde gelegt hat).

Obwohl der Kl. im Streitjahr 1996 keinen Spekulationsgewinn sondern einen Verlust i. H. v. 8.304,46 DM erzielt hat, besteht im vorliegenden Fall auch die Entscheidungserheblichkeit hinsichtlich der Frage, ob Spekulationsgewinne aus Wertpapiergeschäften im Streitjahr 1996 gem. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG steuerpflichtig sind, bzw. ob diese Vorschrift insoweit wegen eines strukturellen Erhebungsdefizits mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar ist. Wenn nämlich das BVerfG ggf. die Vorschrift des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG nur insoweit für nichtig erklären würde als davon Optionsgeschäfte (long-Positionen) erfasst werden, hätte diese (beschränkte) Nichtigkeitserklärung hinsichtlich dieser Vorschrift gerade nicht zur Folge, dass damit der § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG für das Jahr 1996 auch insoweit als nichtig anzusehen ist, als diese Vorschrift Veräußerungsgewinne von Wertpapieren erfasst. Dass Veräußerungsgewinne von Wertpapieren wegen Nichtigkeit dieser Vorschrift nicht steuerpflichtig sind, hat das BVerfG nur für die Jahre 1997 und 1998 entschieden. Dies hätte zur Folge, dass der Kl. zu seinen Gunsten die Berücksichtigung des Verlustes aus der Veräußerung von Wertpapieren i. H. v. 8.304,46 DM bei der Einkommensteuerveranlagung 1996 verlangen könnte.

Die Nichtigkeitserklärung durch das BVerfG für die Jahre 1997 und 1998 hat zur Folge, dass die Vorschrift des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG hinsichtlich der Veräußerungsgewinne bei Wertpapiergeschäften weggefallen ist. Die Erfüllung der Voraussetzungen dieses Steuertatbestandes bildet die Grundlage für die Ermittlung der Einkünfte aus Wertpapierspekulationsgeschäften gem. § 23 Abs. 3 EStG. Nach Wegfall des Steuertatbestandes ist mithin nicht nur für den Ansatz von Spekulationsgewinnen, sondern auch von Spekulationsverlusten keine Rechtsgrundlage mehr vorhanden (vgl. BFH-Urteil vom 14.07.2004 IX R 13/01 BFH/NV 2004, 1437 unter II. 2. a) der Gründe).

Da die Entscheidung des BVerfG nur die Veranlagungszeiträume 1997 und 1998 betrifft, wäre für 1996 demnach noch eine Rechtsgrundlage für die Berücksichtigung von Spekulationsverlusten aus Wertpapiergeschäften vorhanden. Wenn die Nichtigkeit des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG hier nur hinsichtlich der Optionsgeschäfte (long-Positionen) nicht aber hinsichtlich der Veräußerungsgewinne aus Wertpapiergeschäften festgestellt würden, wäre der Verlust aus der Veräußerung von Wertpapieren, den der Kl. im Streitjahr 1996 erlitten hat, nach den allgemeinen einkommensteuerrechtlichen Regelungen für Verlustausgleich und Verlustabzug zu berücksichtigen. Insoweit folgt der Senat den Gründen im BFH-Urteil vom 1.06.2004 IX R 35/01 BStBl. II 2005, 26 zur verfassungskonformen Einschränkung des Verlustausgleichs hinsichtlich des Abzugsverbotes des § 23 Abs. 4 S. 3 EStG. In diesem Urteil hat sich der BFH zur Begründung auf den Beschluss des BVerfG vom 30.09.1998 2 BvR 1818/91 BVerfGE 99, 88, BGBl I 1998, 3430 berufen, wonach der völlige Ausschluss der Verlustverrechnung bei laufenden Einkünften aus der Vermietung beweglicher Gegenstände nach § 22 Nr. 3 S. 3 EStG gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. Die Gründe im Beschluss des BVerfG vom 30.09.1998 hinsichtlich der Verlustverrechnungsregelung in § 22 Nr. 3 S. 3 EStG a. F. hat der BFH zu Recht auf die insoweit vergleichbare Verlustverrechnungsregelung des § 23 Abs. 4 S. 3 EStG übertragen. (vgl. hierzu auch BFH-Urteile vom 14.07.2004 IX R 13/01 BFH/NV 2004, 1437 unter II. 2. a) der Gründe und vom 7.09.2004 IX R 73/00 BFH/NV 2005, 51 unter II. 3. der Gründe).

Ein solches Ergebnis, wonach der Kl. nach den allgemeinen einkommensteuerrechtlichen Regelungen für Verlustausgleich und Verlustabzug einen Verlust aus Wertpapiergeschäften abziehen könnte, ohne die Veräußerungsgewinne bei den Optionsgewinnen versteuern zu müssen, hält der Senat jedoch nicht für zutreffend, weil nach Überzeugung des Senats § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Buchst. b auch hinsichtlich der Ermittlung der Einkünfte aus Wertpapierspekulationsgeschäften im Streitjahr 1996 verfassungswidrig ist (vgl. oben). Bei dementsprechenden Wegfall des Steuertatbestandes des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG wäre mithin nicht nur für den Ansatz von Spekulationsgewinnen aus Wertpapiergeschäften, sondern ? wie hier ? auch von Spekulationsverlusten keine Rechtsgrundlage mehr vorhanden. Denn die Erfüllung der Voraussetzungen dieses Steuertatbestandes bildet die Grundlage für die Ermittlung der Einkünfte aus Wertpapierspekulationsgeschäften (vgl. BFH-Urteil vom 14.07.2004 IX R 13/01 BFH/NV 2004, 1437 unter II. 2. a) der Gründe).

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