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27.04.2005 · IWW-Abrufnummer 050601

Finanzgericht Niedersachsen: Urteil vom 25.11.2004 – 11 K 269/04

Steuerpflicht des außerhalb der Spekulationsfrist realisierten Kursgewinns aus einer innovativen Telekommunikationsschuldverschreibung (so genannte Down-Rating-Anleihe) als Einnahmen aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Buchst. c EStG).


NIEDERSÄCHSISCHES FINANZGERICHT

URTEIL

vom 25.11.2004
Az.: 11 K 269/04

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob bei den Einkünften aus Kapitalvermögen der Klägerin ein Betrag in Höhe von 4.872 ? nicht als Einnahmen aus Kapitalvermögen angesetzt werden darf. Weiter begehren die Kläger die Berücksichtigung von Spenden in Höhe von 90 ? als Sonderausgaben.

Die Kläger wurden im Streitjahr 2003 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Der Kläger bezog überwiegend Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Die Klägerin erzielte u.a. Einkünfte aus Kapitalvermögen. Sie erwarb in der Zeit vom 4. Januar 2002 bis zum 3. Dezember 2002 über die Börse verzinsliche Schuldverschreibungen des amerikanischen Telekommunikationsunternehmens AT&T im Nennwert von 72.000 ?. Die Anschaffungskurse lagen zwischen 98,7 v.H. und 99,1 v.H. Die Anschaffungskosten betrugen ohne Transaktionskosten insgesamt 71.772 ?. Am 5. Dezember 2003 veräußerte die Klägerin auf Anregung ihres Bankberaters die Anleihen zu einem Kurs von 106,45 v.H. und erzielte daraus einen Veräußerungserlös von insgesamt 76.644 ?.

Die Steuerbescheinigung der Bank vom 5. Dezember 2003 weist neben den Stückzinsen von 252,30 DM einen Betrag von 4.872 ? aus, der als ?Ersatzbemessungsgrundlage gem. § 43 a Abs. 2 EStG? bezeichnet und der Kapitalertragsteuer von 30 v.H. (Zinsabschlag) unterworfen wurde.

Die Schuldverschreibung wurde ursprünglich mit 6,0 v.H. verzinst. Die Emissionsbedingungen des Wertpapiers sehen vor, dass sich der Zinssatz erhöht, sollte der Emittentin von zwei Rating-Agenturen herabgestuft werden. Da diese Bedingung während der Laufzeit eintrat, stieg der Zinssatz an. Er lag im Veräußerungszeitpunkt bei 6,75 v.H.

In der Erträgnisaufstellung der Bank für das Streitjahr 2003 ist der als Kapitalertrag von der Bank der Kapitalertragsteuer unterworfene Betrag von 4.872 ? unter der Zeile ?Verkaufserträge auf-/abgezinster Wertpapiere einschließlich Ersatzbemessungsgrundlage bei Finanzinnovationen? bescheinigt. Daneben wurde der Abzug von 986,62 ? Kapitalertragsteuer (Zinsabschlagsteuer) und 54,26 ? Solidaritätszuschlag bescheinigt.

Die Klägerin erklärte den Betrag in der Anlage KAP zur Steuererklärung 2003 unter den Einnahmen aus festverzinslichen Wertpapieren. Der Beklagte (das Finanzamt) veranlagte die Kläger insoweit erklärungsgemäß. Bei den geltend gemachten Sonderausgaben der Kläger berücksichtigte das Finanzamt einen Spendenbetrag von 90 ? nicht, da die Kläger keine entsprechende Spendenbescheinigung vorgelegt hatten. Diese wurde im Klageverfahren nachgereicht.

Mit Schreiben vom 3. Mai 2004 erhoben die Kläger Sprungklage gegen den Einkommensteuerbescheid 2003, der das Finanzamt zustimmte. Sie tragen vor, bei dem Betrag über 4.872 ? handele es sich um einen Veräußerungsgewinn aus dem Verkauf der Anleihen. Dieser Veräußerungsgewinn sei nach Ablauf der Spekulationsfrist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) entstanden und damit steuerfrei.

Unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und Stimmen in der Literatur sind sie sinngemäß der Auffassung, die Besteuerung des Veräußerungsgewinn entspreche zwar dem Gesetzeswortlaut des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG, wonach zu den Einnahmen aus Kapitalvermögen auch die Einnahmen aus der Veräußerung von besonders ausgestatteten Schuldverschreibungen gehören. Die streitige Schuldverschreibung habe zwar keinen festen Zinssatz und die Verzinsung sei abhängig von einem ungewissen Ereignis, nämlich der Rating-Herabstufung durch Rating-Agenturen. Doch entspreche die Versteuerung des Veräußerungserlöses in Höhe von 4.872 ? nicht der Rechtsprechung. Die Besteuerung stelle zudem einen Verstoß gegen die ursprünglichen gesetzgeberischen Ziele und den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) dar.

Die Kläger beantragen sinngemäß,

den Einkommensteuerbescheid 2003 vom 8. April 2004 zu ändern und die Einkommensteuer soweit herabzusetzen, als sie sich unter Minderung der Einnahmen aus Kapitalvermögen in Höhe von 4.872 ? und Anerkennung von Spenden in Höhe von 90 ? als Sonderausgaben ergibt.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen als die Kläger mehr als die noch geltend zu machenden und zu berücksichtigenden Spenden von 90 ? betrifft.

Es trägt dazu vor, nach Vorlage der Spendenbescheinigung seien diese als Sonderausgaben abziehbar.

Die Kläger seien im übrigen nach ihrer Steuererklärung veranlagt worden. Die Versteuerung habe in der für das Streitjahr 2003 gültigen Fassung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG zu erfolgen gehabt. Danach sei der Veräußerungserlös in Höhe des Kursgewinnes (Marktrendite) steuerbar und steuerpflichtig.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Der Einkommensteuerbescheid 2003 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten, da die nachgewiesen Spenden bislang nicht berücksichtigt und die Einnahmen aus Kapitalvermögen zu hoch angesetzt worden sind.

Das Finanzamt ist zutreffend bereit, die streitigen Spenden nunmehr als Sonderausgaben anzuerkennen. Eine weitere Begründung erübrigt sich daher. Das zu versteuernde Einkommen der Kläger ist deshalb um 90 ? zu mindern.

Die Veräußerungseinnahmen aus dem Verkauf der Schuldverschreibung sind nicht in Höhe der Differenz zwischen Anschaffungsaufwendungen und Veräußerungserlös (Marktrendite) als Einnahmen aus Kapitalvermögen zu versteuern.

Nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 EStG in der für das Streitjahr 2003 gültigen Fassung gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen u.a. auch die Einnahmen aus der Veräußerung oder Abtretung von sonstigen Kapitalforderungen, bei denen die Höhe der Erträge von einem ungewissen Ereignis abhängt (Buchst. c, 2. Alt.) oder bei denen die Kapitalerträge in unterschiedlicher Höhe gezahlt werden (Buchst. d, 1. Alt.), soweit sie der rechnerisch auf die Besitzzeit entfallenden Emissionsrendite entsprechen.

Die streitbefangene Schuldverschreibung ist ein Wertpapier, bei dem die Verzinsung von einem ungewissen Ereignis abhängt, da sich der Zinssatz während der Laufzeit danach richtet, wie bestimmte Rating-Agenturen das emittierend Unternehmen während der Laufzeit des Wertpapiers einstufen. Die Basisverzinsung von 6 v.H. steigt nach den Emissionsbedingungen an, wenn es zu einem Down-Rating des Anleiheschuldners kommt. Auf diese Weise wird das Risiko ausgeglichen, das durch eine andere, schlechtere Bewertung des Emittenten am Markt hervorgerufen wird. Diese Zinsausstattung soll ermöglichen, dass das Wertpapier nach einer Rating-Herabstufung und Einordnung in eine höhere Risikoklasse als Anlagemedium für institutionelle Anleger interessant (dazu Harenberg, NWB Fach 3 S. 11717).

Da bei Ausgabe der Schuldverschreibung nicht feststand, ob es zu einer Herabstufung des Emittenten kommt, ist der Zinssatz, letztlich der Ertrag, abhängig von dem ungewissen Ereignis der Herabstufung. Die Schuldverschreibung erfüllt als Wertpapier damit den Tatbestand des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Buchst. c EStG mit der steuerrechtlichen Folge, dass die Einnahmen aus der Veräußerung grundsätzlich in Höhe der besitzzeitanteiligen Emissionsrendite bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu erfassen sind.

Der Begriff der Emissionsrendite ist allerdings im Gesetz nicht definiert. Im Wirtschaftsleben wird unter Emissionsrendite die Rendite von festverzinslichen Wertpapieren bei erstmaliger Abgabe (= Emission) verstanden (vgl. Gabler Wirtschafts-Lexikon, 14. Aufl., "Emissionsrendite"). Eine solchermaßen definierte Emissionsrendite können Schuldverschreiben der hier vorliegenden Art nicht haben, da bei der Emission nicht bekannt ist, ob und wann sich die Verzinsung ändern wird. Die Basisverzinsung ist keine bei Ausgabe des Wertpapiers vom Emittenten zugesicherte Rendite (Harenberg, NWB, a.a.O.).

Für derartige Wertpapiere sieht das Gesetz in § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG vor, dass die Einnahmen aus Kapitalvermögen nach der Differenz aus dem Entgelt für der Erwerb und den Einnahmen aus der Veräußerung (Marktrendite) zu berechnen sind. Die abrechnende Bank hat nach dieser Methode einen ?Gewinn? ermittelt und als Kapitalertrag der Kapitalertragsteuer unterworfen. Allerdings wurde der Betrag von 4.872 ? in der Steuerbescheinigung irrtümlich als ?Ersatzbemessungsgrundlage? bezeichnet, tatsächlich handelt es sich jedoch um die ertragsteuerrechtlich und kapitalertragsteuerrechtlich (§ 43 a Abs. 2 Satz 2 EStG) zutreffende Bemessungsgrundlage (Marktrendite; dazu Harenberg, Berater-Brief Vermögen 10/2004, 18) und nicht um die nur kapitalertragsteuerlich zu Grunde zu legende Ersatzbemessungsgrundlage des § 43 a Abs. 2 Satz 3 EStG.

Die Ermittlung des Kapitalertrags nach der Marktrendite im Sinne des Satzes 2 der Vorschrift durchbricht allerdings das System der Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG). Die Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen wird von dem Grundsatz beherrscht, dass zwischen dem Kapitalvermögen als solchem und dem Ertrag als Frucht des Kapitals zu unterscheiden ist; grundsätzlich wirken sich deshalb Wertänderungen der Kapitalanlage als solche auf die Besteuerung der erzielten Erträge im Rahmen des § 20 EStG nicht aus (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 9. Oktober 1979 VIII R 67/77, BStBl II 1980, 116, m.w.N.; vom 11. Februar 1981 I R 98/76, BStBl II 1981, 465; vom 15. Dezember 1987 VIII R 281/83, BStBl II 1989, 16; vom 27. Juni 1989 VIII R 30/88, BStBl II 1989, 934; vom 2. März 1993 VIII R 13/91, BStBl II 1993, 602; Harenberg in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 20 EStG Anm. 92; Harenberg/Irmer, Die Besteuerung privater Kapitaleinkünfte, 3. Aufl. 2003, S. 57). Ausnahmsweise können sich z.B. bei Nullkoupon-Anleihen aus Wertsteigerungen Kapitalerträge im Sinne des § 20 EStG insoweit ergeben, als in ihnen Nutzungen enthalten sind (vgl. BFH in BStBl II 1993, 602, 603, m.w.N.).

In § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG wird die Fiktion aufgestellt, dass bei fehlender Emissionsrendite als Kapitalertrag "der Unterschied zwischen dem Entgelt für den Erwerb und den Einnahmen aus der Veräußerung, Abtretung oder Einlösung der Wertpapiere oder Kapitalforderungen" gilt. Dadurch werden sämtliche Wertänderungen der Kapitalanlage als Kapitalertrag berücksichtigt. Die Besteuerung nach der Marktrendite stellt danach einen Systembruch dar, weil auch Wertänderungen ohne den Charakter eines Nutzungsentgelts als Kapitalertrag gelten. Bei einem solchen Eingriff in ein bestehendes Besteuerungssystem sind die tatbestandlichen Voraussetzungen, unter denen die systemwidrigen Rechtsfolgen eintreten sollen, eindeutig und unmissverständlich festzulegen. Ist dies nicht geschehen, liegt jedenfalls im Zweifel eine restriktive Auslegung näher als eine extensive, zumal nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Systemwidrigkeit einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz indizieren kann (vgl. Beschlüsse vom 7. November 1972 1 BvR 338/68, BVerfGE 34, 103, 115; vom 22. Februar 1984 1 BvL 10/80, BVerfGE 66, 214, 224, m.w.N.).

Tatsächlich wäre eine Gesetzesauslegung, die zur Folge hätte, dass reine Kursgewinne nicht nur hilfsweise, sondern unabwendbar als Kapitalertrag erfasst werden, aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht unbedenklich. Die bei der Besteuerung nach der Marktrendite erfasste Wertänderung jedweder Art bei Kapitalanlagen im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG einerseits und die Nichterfassung vergleichbarer Wertänderungen bei den übrigen Kapitalanlagen andererseits führt zu einer Ungleichbehandlung: Während bei den ausschließlich festverzinslichen Kapitalanlagen auf Marktzinsänderung beruhende Wertänderung als Marktrendite - außerhalb der privaten Veräußerungsgeschäfte des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG - nicht versteuert werden müssen, werden bei den hier streitigen Schuldverschreibungen jegliche Wertänderung unabhängig von ihrer Ursache erfasst. Die darin liegende Ungleichbehandlung hält nur dann einer Überprüfung am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes stand, wenn sich für sie einleuchtende Gründe anführen lassen.

Der Senat schließt sich den Bedenken des VIII. Senat des BFH im Urteil vom 24. Oktober 2000, VIII R 28/99 (BStBl 2001, 97) an, ob es hinreichend einleuchtende Gründe dafür gäbe, bei den in § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG aufgeführten Kapitalanlagen reine marktbedingte Kursgewinne zu erfassen, die ausschließlich die Kapitalvermögensebene betreffen, während bei den übrigen Kapitalanlagen (z.B. Festzinsanleihen) darauf verzichtet wird. Es erscheint zweifelhaft, ob allein Gründe der Verwaltungsvereinfachung diese Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten. Jedenfalls ist nicht ohne Weiteres erkennbar, dass der Verwaltungsmehraufwand unverhältnismäßig oder unzumutbar wäre, der entstünde, wenn für die Berechnung des zu berücksichtigenden Kapitalertrags eine Methode vorgeschrieben würde, bei der reine kapitalmarktbedingte Kursgewinne aus dem zu versteuernden Kapitalertrag - zumindest annäherungsweise - zu eliminieren wären.

Die Finanzverwaltung hat diese Problematik selbst erkannt und im BMF-Schreiben vom 30. April 1993 (BStBl I 1993, 343) unter Tz. 1 ausgeführt, ?lediglich marktzinsbedingte Kursschwankungen während der Laufzeit sind der Vermögenssphäre zuzuordnen, sodass bei Zwischenveräußerung bzw. -erwerb nur die besitzzeitanteilige Emissionsrendite als Kapitalertrag anzusehen ist?. Diese scheidet aber bei Wertpapieren der vorliegenden Art als Bemessungsgrundlage aus. Im BMF-Schreiben vom 14. Juli 2004 IV C 1 S 2252 171/04 führt die Finanzverwaltung aus, der Gesetzgeber wollte mit § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG solche Vorgänge nicht in die Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen einbeziehen, die eindeutig der Vermögensebene zuzuordnen sind. Deshalb werden von der Norm z.B. realisierte Kursverluste oder Kursgewinne nicht erfasst, die durch Bonitätsveränderungen beim Emittenten (Zahlungseinstellung, Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder wirtschaftliche Erholung des Emittenten und Wiederaufnahme der Zinszahlungen) zutreffend nicht erfasst. Solche Vermögensminderungen oder mehrungen will die Finanzverwaltung zu Recht nur im Rahmen des § 23 EStG erfassen. Eine solche einschränkende Auslegung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG hält der Senat aus systematischen Gründen für zwingend geboten. Eine steuerrechtliche Erfassung solcher Wertänderungen des Kapitalvermögens kann nicht wie das BMF im Schreiben vom 14. Juli 2004 meint aus Vereinfachungsgründen im Rahmen des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG hingenommen werden.

Die im Streitfall von der Klägerin realisierte Kurssteigerung ist nach diesen Grundsätzen nicht als Kapitalertrag zu erfassen. Die Kurssteigerung hat ganz eindeutig marktbedingte Ursachen und stellt keinen ?verdeckten? oder ?versteckten? Kapitalertrag dar, wie er mit Einführung der Vorschrift im Jahr 1994 erfasst werden sollte. Die Kurssteigerung ist nicht Frucht der Kapitalüberlassung, sondern eine Reaktion des Kapitalmarkts auf die angestiegene Verzinsung der konkreten Schuldverschreibung. In einen Marktumfeld mit einem niedrigen Zinsniveau, wie es bekanntlich in den Jahren 2002/2003 bestand, erfährt eine Anleihe mit einer Verzinsung von 6,75 v.H. naturgemäß eine vermehrte Nachfrage, die zu steigenden Kursen führt. Der hohe Zinssatz ist Ausgleich für die Bonitätsverschlechterung des Emittenten und der dadurch zu befürchtenden Rückzahlungsrisiken. Die Klägerin hat mit ihrem vom Bankberater empfohlenen Verkauf des Wertpapiers lediglich auf eine günstige Kapitalmarktsituation regiert und eine Vermögenssteigerung außerhalb der Frist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG realisiert, die nicht als Kapitalertrag im Rahmen des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG zu erfassen ist. Die Einkünfte aus Kapitalvermögen sind folglich um den Betrag von 4.872 ? zu vermindern.

Der Senat folgt mit dieser Entscheidung im Ergebnis dem FG Berlin im Urteil vom 22. April 2004 1 K 1100/03, EFG 2004, 145 (Rev. VIII R 48/04), mit dem eine realisierte Kursminderung (negative Marktrendite) aus dem Verkauf einer argentinischen Stufenzinsanleihe nicht zur Verrechnung (negative Einnahmen aus Kapitalvermögen) zugelassen wurde.

Das Finanzamt wird die Einkommensteuer 2003 deshalb unter Berücksichtigung der Auffassung des Senats insgesamt neu berechnen und festsetzen.

Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der hier vertretenen Auslegung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG zugelassen (§ 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 135 Abs. 1, 136 Abs. 1 Satz 3 FGO.

Die Nebenentscheidungen folgen aus § 151 Abs. 1 und 3 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

RechtsgebietEStGVorschriften§ 20 II S. 1 Nr. 4 Buchst. c EStG

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