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12.04.2005 · IWW-Abrufnummer 050996

Amtsgericht Dillingen: Urteil vom 17.03.2005 – 2 C 0045/05

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Amtsgericht Dillingen a. d. Donau

2 C 0045/05

Verkündet am 17.03.2005

IM NAMEN DES VOLKES

In dem Rechtsstreit

...
- Kläger -

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Probst u. Koll.,
Ziegelstr. 14, 89407 Dillingen a. d. Donau

- 244799 ...

gegen

Bayer. Versicherungsverband Vers. AG v. d. d. Vorstandsvors. Heinz Prokop
Frankenthaler Str. 1-9, 81501 München

Geschäftszeichen: 300 04 166141 Ft 001
- Beklagte -

Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt Gnahm Günther,
Herzog-Georg-Str. 26, 89415 Lauingen (Donau)

- ... -

wegen FREISTELLUNG

erlässt das Amtsgericht Dillingen a. d. Donau

durch den Richter am Amtsgericht Ortmann

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 07.03.2005 folgendes

ENDURTEIL

1. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von Gebührenansprüchen der Rechtsanwälte Hubert Probst und Meinrad Ludwig, Ziegelstraße 14, 89407 Dillingen a. d. Donau, gemäß Rechnung vom 21.10.2004 in Höhe von restlich 174,-- Euro freizustellen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 350,-- Euro abwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Schadenersatz aus Anlass eines Verkehrsunfalls vom 11.09.2004. Die alleinige Haftung der Beklagten ist zwischen den Parteien unstreitig. Mit Schreiben vom 05.10.2004 hat die Beklagte Vollzahlung angekündigt und gleichzeitig den Schaden des Klägers mit insgesamt 6.125,90 Euro vollständig ausgeglichen. Strittig sind zwischen den Parteien noch offene Rechtsanwaltsgebühren. Die Prozessbevollmächtigten des Klägers haben ihre Gebühren wie folgt abgerechnet:

Gegenstandswert: 6.125,90 EUR

1,3 Geschäftsgebühr, § 13 I RVG, Nr. 2400 W 487,50 EUR
Auslagenpauschale für Post- und Telekom-
munikationsdienstleistungen, Nr. 7002 W 20,00 EUR
Zwischensumme 507,50 EUR
16 % Umsatzsteuer (MWSt.) aus 507,50 EUR 81,20 EUR
Gesamtsumme 588,70 EUR

Hiervon hat die Beklagte unter Zugrundelegung einer Geschäftsgebühr in Höhe von 0,9 gem. Nr. 2400 VV-RR einen Betrag in Höhe von 414,70 Euro übernommen. Mit der Klage verfolgt der Kläger seine Freistellung hinsichtlich der restlichen Gebührenansprüche seiner Prozessbevollmächtigten in Höhe von 174,-- Euro.

Der Kläger vertritt die Auffassung, die Mittelgebühr für die Geschäftsgebühr gem. Nr. 2400 VV-RVG betrage 1,5. Bei der Abwicklung eines üblichen Verkehrsunfalls handele es sich grundsätzlich um eine durchschnittliche Angelegenheit, bei welcher dieser Mittelwert zugrunde zu legen sei. Auch im konkreten Fall habe zunächst eine Unfallaufnahme in Form einer Besprechung mit seinen Prozessbevollmächtigten stattgefunden. Nachdem der Verkehrsunfall durch einen mitgeführten Anhänger ausgelöst worden war, welchen der Versicherungsnehmer der Beklagten ausgeliehen hatte, war hierbei insbesondere die Frage zu klären, ob die Versicherung des ziehenden Fahrzeuges oder die des Anhängers in Haftung zu nehmen ist. Ferner wurde besprochen, welche Schadenspositionen in Betracht kommen und wie die Schadensregulierung im Einzelnen abzuwickeln ist. Anschließend musst über den Zentralruf der Versicherungen die zuständige Haftpflichtversicherung ausfindig gemacht werden. Nach Vorlage des von ihm in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachtens wurde mit seinen Prozessvertretern besprochen, dass ein Kratzer an der Motorhaube und ein Schaden am Deckel des Handschuhfaches übersehen worden war. Weiter wurde besprochen, dass er - der Kläger - nur für 3 Tage einen Mietwagen nimmt und für die restliche Zeit Nutzungsausfall geltend macht. Schließlich wurde erörtert, dass die Reparaturkosten und die Mietwagenkosten nach Eingang von der Beklagten direkt an die Mietwagenfirma bzw. Reparaturfirma zu überweisen sind, was dann auch geschehen sei. Somit handele es sich hier um eine durchschnittliche Schadensregulierung, welche die Mittelgebühr gem. Vergütungsvereinbarung Nr. 2400 rechtfertige. Nachdem hiernach aber eine Gebühr von mehr als 1,3 nur gefordert werden kann, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war und diese Voraussetzungen hier unstreitig nicht vorliegen, sei letztendlich bei der Abrechnung eine Gebühr von 1,3 in Ansatz gebracht worden.

Der Kläger beantragt daher wie folgt zu erkennen:

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von Gebührenansprüchen der Rechtsanwälte Hubert Probst und Meinrad Ludwig, Ziegelstraße 14, 89407 Dillingen a. d. Donau, gemäß Rechnung vom 21.10.2004 in Höhe von restlich 174,-- Euro freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, die Prozessbevollmächtigten des Klägers hätten insgesamt 4 Schreiben an sie gerichtet. Die Schreiben hätten sich jeweils auf wenige Zeilen beschränkt. Unabhängig davon hätten die darin übersandten Belege auch zusammen in einem Schreiben übersandt werden können. Jedenfalls sei nach Vorlage der vollständigen Belege sofort bezahlt worden. Eine rechtliche Auseinandersetzung zum Haftungsgrund sei nicht erforderlich gewesen. Somit handele es sich um eine Unfallabwicklung aller einfachster Art, so dass selbst bei Unterstellung einer durchschnittlichen Bedeutung und durchschnittlichen wirtschaftlichen Verhältnissen insgesamt eine unterdurchschnittliche Angelegenheit vorliege. Nach Auffassung der Beklagten wäre hier daher auch eine Mindestgebühr in Höhe von 0,5 angemessen, keinesfalls jedoch eine höhere Gebühr als 1,0.

Zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie die vorgelegten Urkunden Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

Die alleinige Haftung der Beklagten aus dem streitgegenständlichen Unfallereignis ist zwischen den Parteien unstreitig. Somit hat der Kläger gem. § 246 BGB auch Anspruch auf Erstattung der erforderlichen Rechtsverfolgungskosten. Diese belaufen sich auf insgesamt 588,70 Euro. Nachdem die Beklagte hierauf bereits einen Teilbetrag in Höhe von 414,70 Euro bezahlt hat, war sie zur Freistellung des Klägers hinsichtlich der restlichen Gebührenforderung der Rechtsanwälte Probst und Ludwig in Höhe von 174,-- Euro zu verurteilen.

Die Klägervertreter haben außergerichtlich einen Unfallschaden reguliert. Diese Tätigkeit ist nach Nr. 2400 VV-RVG zu vergüten. Die Vorschrift sieht einen Gebührenrahmen von 0,5 - 2,5 vor, aus dem die konkrete Gebühr im Einzelfall zu bestimmen ist. Die Bestimmung der angemessenen Gebühr hat gem. § 14 I RVG unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit, der wirtschaftlichen Verhältnisse des Auftraggebers und eines besonderen Haftungsrisikos des Anwalts zu erfolgen. Die Festsetzung der Gebühr unterliegt der richterlichen Kontrolle. Hierbei war die Einholung eines Gutachtens der Rechtsanwaltskammer gem. § 14 II RVG nicht veranlasst, da diese Norm nur im Verhältnis zwischen Mandant und beauftragtem Rechtsanwalt gilt, nicht jedoch für den Fall, dass ein Geschädigter - wie hier - Anwaltskosten als Schaden gegenüber einem Dritten geltend macht.

Vorliegend haben die Klägervertreter einen Verkehrsunfall mit einem Schadensvolumen von mehr als 6.000,-- Euro abgewickelt. Für die Unfallaufnahme war eine Besprechung mit dem Kläger erforderlich. Hierbei war insbesondere auch die Frage zu klären, ob die Haftpflichtversicherung des ziehenden Fahrzeuges oder die des vom Versicherungsnehmer der Beklagten nur geliehenen Anhängers in Anspruch zu nehmen ist. Über den Zentralruf der Versicherungen musste dann die zuständige Haftpflichtversicherung ausfindig gemacht werden. Nach Vorlage des vom Kläger in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachtens war eine weitere Besprechung erforderlich, nachdem ein Kratzer an der Motorhaube und ein Schaden am Deckel des Handschuhfaches übersehen worden war. Ebenso war zu klären, für welche Zeit der Schadenersatzanspruch auf Nutzungsausfall beschränkt wird. Letztendlich war auch die unmittelbare Überweisung der Reparatur- und Mietwagenkosten an die betreffenden Firmen mit dem Kläger vorher abzusprechen und anschließend auszuführen. Im Rahmen der Unfallregulierung hat der Klägervertreter insgesamt 4 Schreiben an die Beklagte gerichtet, wobei neben dem Schadensgutachten und den Belegen über die einzelnen Schadenspositionen auch der von den Klägervertretern ausgefüllte Fragebogen für Anspruchsteller übersandt wurde.

Unstreitig erfolgte seitens der Beklagten zu keinem Zeitpunkt ein Haftungseinwand, so dass die Regulierung innerhalb weniger als 1 Monat abgeschlossen war. Gleichwohl ist hier nach Auffassung des Gerichts in Anbetracht des oben geschilderten Arbeitsaufwandes und der durchschnittlichen Bedeutung der Angelegenheit von einer durchschnittlichen anwaltlichen Tätigkeit auszugehen. Für die weiteren Bemessungskriterien der wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers sowie des besonderen Haftungsrisikos des Rechtsanwalts liegen keine Erkenntnisse vor, so dass diese Kriterien auf die Bemessung des Gebührensatzes keinen Einfluss nehmen können.

Liegt somit eine durchschnittliche Angelegenheit vor, so ist diese - im Übrigen auch nach Auffassung der Beklagten - mit der entsprechenden durchschnittlichen Gebühr zu vergüten. Ebenso wie nach dem früheren § 12 BRAGO ist nach dem RVG in durchschnittlichen Fällen grundsätzlich von der Mittelgebühr auszugehen. Diese liegt bei dem in VV 2400 vorgegeben Gebührrahmen zwischen 0,5 und 2,5 bei exakt 1,5. In Anbetracht der nicht unerheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten gehen Praxis und herrschende Meinung heute überwiegend von dieser Mittelgebühr aus (vergl. Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert/Müller-Rabe RN 95 zu VV 2400 - 2403). Ist allerdings - wie hier zwischen den Parteien unstreitig - die Tätigkeit des Rechtsanwaltes weder umfangreich noch schwierig, so kann gem. Nr. 2400 VV-RVG eine Gebühr von mehr als 1,3 nicht gefordert werden. Es verbleibt somit bei der Regelgebühr von 1,3. Auch bei so genannten einfachen Verkehrsunfallregulierungen hat der Rechtsanwalt des Geschädigten Anspruch auf Erstattung dieser Gebühr (vergl. Gerold/Schmidt/von Eiken/Madert/Müller-Rabe RN 96 zu VV 2400 - 2403).

Letzteres steht im Übrigen in Einklang mit der Rechtsprechung zur früheren BRAGO. Auch dort wurden Unfallregulierungen der vorliegenden Art in aller Regel als durchschnittliche Angelegenheit behandelt und dem zufolge mit der Mittelgebühr vergütet. Nachdem sich am Begriff der durchschnittlichen Angelegenheit nichts geändert hat, ist es nur konsequent, wenn auch nach der neuen Regelung des RVG in solchen Fällen die Mittelgebühr in Ansatz gebracht wird. Soweit dies zu einer nicht unerheblichen höheren Vergütung des Rechtsanwaltes führt, liegt dies in der von der Beklagten zu Recht zitierten völlig neuen Gebührenstruktur des RVG. Diese darf aber nicht nachträglich dahingehend untergraben werden, dass man früher einhellig als durchschnittlich bewertete Angelegenheiten nunmehr plötzlich als unterdurchschnittlich qualifiziert, nur um sich nicht allzu weit von der früheren Mittelgebühr in Höhe von 7,5/10 nach BRAGO entfernen zu müssen. Zu Recht führt die Beklagte in diesem Zusammenhang aus, dass die Feststellung der richtigen Gebühr intern aus dem RVG zu entnehmen ist und jeglicher Vergleich des RVG mit der früheren BRAGO systemfremd ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 I ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.

Die Berufung war gem. § 511 IV ZPO zuzulassen, da die Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung ist und die Fortbildung des Rechts sowie die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichtes erfordert. Allein aufgrund der Vielzahl der Angelegenheiten und der damit verbundenen erheblichen wirtschaftlichen Bedeutung für die Beteiligten bedarf es hier einer obergerichtlichen Klärung der noch immer uneinheitlichen Rechtsprechung und Regulierungspraxis.

RechtsgebietRVGVorschriftenNr. 2400 VV RVG

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