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02.03.2005 · IWW-Abrufnummer 050562

Finanzgericht Niedersachsen: Urteil vom 25.11.2004 – 11 K 459/03

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


NIEDERSÄCHSISCHES FINANZGERICHT

URTEIL

vom 25.11.2004
Az.: 11 K 459/03

Tatbestand

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Klägerin ihren Arbeitnehmern S für die Zeit vom ... bis ... und K für die Zeit vom ... bis ... einen betrieblichen Pkw auch für private Zwecke zur Verfügung gestellt hat und diese gegebenenfalls zugewendeten geldwerten Vorteile als Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit dem Lohnabzug unterfallen.

Die Klägerin betreibt in T einen Bäckereibetrieb mit 192 Arbeitnehmern. Sie unterhält im Umland ca. 20 Filialen, die von ihr mit Backwaren beliefert werden.

Im Februar 1999 führte der Beklagte bei der Klägerin eine Lohnsteueraußenprüfung durch, die den Zeitraum vom 1. Januar 1995 bis 31. Dezember 1998 umfasste. Dabei stellte der Prüfer fest, dass die Klägerin in ihrem Fuhrpark einen Audi A 3 hielt, der ihren Arbeitnehmern zur Verfügung stand. Im Prüfungsbericht wurde zu diesem Sachverhalt vermerkt, dass für Kraftfahrzeuge, die sich für eine private Nutzung eigneten, ab sofort Fahrtenbücher zu führen seien. Sollten die zu führenden Fahrtenbücher nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechen, so werde bei der nächsten Lohnsteueraußenprüfung zur Abgeltung eines geldwerten Vorteils aus der Überlassung betrieblicher Fahrzeuge an Arbeitnehmer von der so genannten 1%-Regelung Gebrauch gemacht. Die Auflage gelte auch für zukünftig angeschaffte Kraftfahrzeuge.

Im November 2002 fand eine erneute Lohnsteueraußenprüfung statt, die die Jahre 1999 bis 2001 umfasste. Dabei griff der Prüfer erneut die Gestellung von Kraftfahrzeugen durch die Klägerin auf. Er stellte fest, dass dem damaligen Verkaufsleiter S ein Audi A 3 in der Zeit vom ... bis zum ... unentgeltlich zur Verfügung gestanden hatte. Im April 2000 wurde dieses Fahrzeug verkauft und durch einen VW-Bus ?T 4 Caravelle? ersetzt. Ab diesem Zeitpunkt hatte die Klägerin einen geldwerten Vorteil für die Überlassung des Pkw für private Zwecke dem Lohnabzug unterworfen.

Der neuen Verkaufsleiterin K wurde ab ... ein VW-Golf zur Nutzung überlassen.

Die mit den beiden Arbeitnehmern geschlossenen Arbeitsverträge waren durch Vereinbarungen vom ... bzw. ... ergänzt worden. Danach war es den Arbeitnehmern ausdrücklich untersagt, die gestellten Fahrzeuge für private Zwecke und Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu nutzen. Die Fahrzeuge waren nach Arbeitsschluss auf dem Betriebsgelände der Klägerin abzustellen und die Schlüssel abzugeben. Zuwiderhandlungen konnten die sofortige Auflösung des Arbeitsverhältnisses zur Folge haben.

Da die Klägerin dem Prüfer entgegen der erteilten Auflage aus der Vorprüfung keine Fahrtenbücher vorlegte, ging der Prüfer von einer unentgeltlichen Mitbenutzung der beiden Fahrzeuge für Fahrten der beiden Arbeitnehmer zwischen Wohnung und Arbeitsstätte und anderen privaten Zwecken aus, ermittelte den sich hieraus nach seiner Meinung ergebenden geldwerten Vorteil nach der 1%-Methode und unterwarf ihn der Lohnsteuer. Soweit möglich, erfolgte eine Nachversteuerung der Vorteile nach § 40 Abs. 2 Nr. 2 Einkommensteuergesetz (EStG), im Übrigen erfolgte die Nachversteuerung unter Berücksichtigung eines Nettosteuersatzes, weil die Klägerin sich bereit erklärt hatte, die Steuer für ihre Arbeitnehmer zu übernehmen.

Gegen den Haftungs- und Nachforderungsbescheid erhob die Klägerin Einspruch. Zur Begründung trug sie vor, eine private Nutzung der beiden Fahrzeuge durch die Arbeitnehmer habe nicht stattgefunden. In den beiden Arbeitsverträgen sei nunmehr ausdrücklich vereinbart worden, dass die Fahrzeuge nicht für Privatfahrten oder Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte genutzt werden dürften. Die Fahrzeuge dienten den beiden Verkaufsleitern für ihre täglichen Inspektionen bei den umliegenden Filialen. Über die Ergebnisse der Besuche müssten die beiden Arbeitnehmer arbeitstäglich im Stammbetrieb in T. Bericht erstatten. Die Pkw müssten nach der ausdrücklichen Regelung in den Arbeitsverträgen nach Dienstschluss und an den Wochenenden auf dem Betriebsgelände der Klägerin im Stammbetrieb geparkt werden, die Schlüssel seien im Betrieb zu deponieren. Zuwiderhandlungen könnten zur Auflösung des Arbeitsvertrages führen.

S und K würden ihre Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit privaten Fahrzeugen durchführen. S unterhalte einen eigenen Pkw ?VW-Bus? mit dem amtlichen Kennzeichen ..., der schon deshalb erforderlich sei, um seine große Familien mit fünf Kindern zu transportieren. Das amtliche Kennzeichen des Kraftfahrzeugs der K laute ... Erst durch eine vertragliche Nachverhandlung sei S später ein familientauglicher VW T 4 Caravelle unentgeltlich auch für Privatfahrten zur Verfügung gestellt worden, die steuerlichen Konsequenzen hieraus habe die Klägerin gezogen.

Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Im Einspruchsbescheid führte der Beklagte aus, dass trotz eines arbeitsvertraglichen Verbots von dem Ansatz eines geldwerten Vorteils für die Überlassung eines betrieblichen Pkw durch den Arbeitgeber an seinen Arbeitnehmer zu privaten Zwecken nur dann abgesehen werden könne, wenn der Arbeitgeber die Einhaltung des Verbots überwache oder wenn wegen der besonderen Umstände des Falles die verbotene Nutzung so gut wie ausgeschlossen sei, z.B. wenn der Arbeitnehmer das Fahrzeug nach seiner Arbeitszeit und am Wochenende auf dem Betriebsgelände abstelle und den Schlüssel abgebe. Geeignete Unterlagen zur Überwachung des Nutzungsverbots habe die Klägerin aber nicht vorgelegt. Der Auflage zur Führung eines Fahrtenbuchs sei sie nicht nachgekommen, sodass eine private Mitbenutzung nicht ausgeschlossen werden könne.

Mit ihrer bei Gericht am ... eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Ergänzend trägt sie vor, dass K im streitbefangenen Zeitraum mit ihren Brüdern H und J in einer Haushaltsgemeinschaft gelebt habe. Der Bruder J habe sich ganzjährig auf Montage befunden, sei somit in Zeitabschnitten zwischen ein bis zwei Wochen auf wechselnden Einsatzstellen tätig gewesen. Er habe während dieser Zeit kein privates Fahrzeug benötigt, weil er zu den Arbeitsstätten mit Fahrzeugen seines Arbeitgebers transportiert worden sei. Im gemeinsamen Haushalt der Familien ... hätten drei Fahrzeuge zur Verfügung gestanden, ein BMW 730, ein Audi A 3 und ein VW-Golf. S habe während der fraglichen Zeit privat einen VW-Bus ?Caravelle? unterhalten, schon um seine große Familie transportieren zu können. Weiterhin hätten ihm und seiner Ehefrau drei Motorräder zur Verfügung gestanden, eines davon mit einem Seitenwagen.

Die Klägerin beantragt,

den Haftungs- und Nachforderungsbescheid vom ... in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom ... ersatzlos aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält an seiner im Einspruchsbescheid geäußerten Rechtsansicht fest. Ergänzend teilt er mit, dass nach Erkenntnissen des Finanzamts B auf den Namen von S und K keine privaten Fahrzeuge zugelassen seien. Das nach der Vorprüfung in den Arbeitsverträgen ausdrücklich vereinbarte Nutzungsverbot für private Zwecke könne das Führen eines Fahrtenbuchs nicht ersetzen, weil eine Überprüfung nicht nachgewiesen worden sei. Verbleibende Zweifel gingen daher zu Lasten der Klägerin.

Der Beklagte hat die Steuerakten der Klägerin mit Schreiben vom ... an das Gericht übersandt.

In der mündlichen Verhandlung hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin den Ablauf der Tätigkeiten der beiden Arbeitnehmer S und K nochmals geschildert. Danach müssten die beiden nach Rückkehr von ihren täglichen Kontrollbesuchen in den einzelnen Filialen in den Stammbetrieb zurückkehren und dort Bericht erstatten. Dabei seien die Schlüssel für die beiden Pkw im Bürogebäude zu hinterlegen. In diesem Gebäude befände sich ein Schlüsselkasten, in dem sämtliche Schlüssel der Firmenfahrzeuge, also auch der Lieferwagen verwahrt würden. Den beiden Arbeitnehmern stünden wie auch allen anderen Arbeitnehmern auf dem Betriebsgelände Parkplätze zur Verfügung, auf denen sie ihre privaten Fahrzeuge abstellen würden. Das Bürogebäude sei werktäglich bis 19.30 Uhr besetzt. Der Geschäftsführer kontrolliere bei Betriebsschluss an Hand der Schlüssel, ob auch alle betrieblichen Fahrzeuge sich auf dem Gelände befänden.

Der Vertreter des Beklagten äußerte hierzu, dass er an dieser Darstellung Zweifel habe. Die Klägerin habe nicht erklären können, warum auf den Namen der beiden Arbeitnehmer keine Fahrzeuge zugelassen worden seien. Gegebenenfalls müsse durch eine Einvernahme diverser Zeugen der Sachverhalt aufgeklärt werden.

Entscheidungsgründe

Gemäß § 100 Abs. 3 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) werden die Einspruchsentscheidung und der Haftungs- und Nachforderungsbescheid ohne Entscheidung in der Sache selbst aufgehoben.

Nach § 100 Abs. 3 Satz 1 FGO kann das Finanzgericht, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den angefochtenen Verwaltungsakt und die Einspruchsentscheidung aufheben, wenn es eine weitere Sachaufklärung für erforderlich hält, soweit nach Art und Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Der Anwendbarkeit dieser Ausnahmevorschrift ist im Streitfall nicht durch § 100 Abs. 3 Satz 2 FGO ausgeschlossen, weil die angefochtenen Steuerverwaltungsakte nicht auf einer Schätzung von Besteuerungsgrundlagen beruhen (Bundesfinanzhof ? BFH , Urteil vom 18. Mai 1999 I R 102/98, BFH/NV 1999, 1492). Die Frist des § 100 Abs. 3 Satz 5 FGO ist gewahrt, weil die Steuerakten vom Beklagten dem Gericht erst mit Schriftsatz vom 21. September 2004 übersandt worden sind.

Die Voraussetzungen des § 100 Abs. 3 Satz 1 FGO liegen vor, weil der Beklagte die Rechtslage verkannt hat. Die Norm setzt nicht voraus, dass dem Finanzamt während des Verwaltungsverfahrens ein wesentlicher Verfahrensfehler unterlaufen ist, ausreichend ist vielmehr, dass das Gericht die Rechtslage anders beurteilt als die Behörde und dadurch weitere Ermittlungen notwendig werden (BFH, Urteile vom 14. März 1996 IV R 9/95, BStBl II 1996, 310, 312 und vom 22. April 1997 IX R 74/95, BStBl II 1997, 541, 542).

Der Beklagte hat fälschlicherweise angenommen, dass ein geldwerter Vorteil für die unentgeltliche Überlassung eines betrieblichen Pkw an den Arbeitnehmer bereits dann als Arbeitslohn dem Lohnsteuerabzug zu unterwerfen ist, wenn ein im Arbeitsvertrag verankertes ausdrückliches Nutzungsverbot durch den Arbeitgeber nicht fortlaufend überwacht wird und entsprechende Unterlagen ? also ein Fahrtenbuch , die diese Überwachung dokumentieren, zum Lohnkonto genommen worden sind. Er hat seine Auffassung offenbar auf Abschnitt I Nr. 5 des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen ? BMF vom 28. Mai 1996 (BStBl I 1996, 654, 655; vgl. ferner H 31 [9-10] Stichwort ?Nutzungsverbot? Lohnsteuerrichtlinien 2004) gestützt und deshalb weitere Feststellungen im konkreten Fall, die für eine private Nutzung der überlassenen Fahrzeuge durch S und K sprechen könnten, nicht getroffen.

Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gehören zu den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit neben Gehältern, Löhnen, Gratifikationen und Tantiemen auch andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentliche oder privaten Dienst gewährt werden. Darunter fallen auch geldwerte Vorteile, die mit der Nutzung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs zu privaten Zwecken verbunden sind. Nach § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG sind diese in entsprechender Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG für jeden Kalendermonat mit 1 v.H. des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattungen einschließlich der Umsatzsteuer anzusetzen. Statt dieses Betrages kann nach § 8 Abs. 2 Satz 4 EStG der auf die private Nutzung entfallende Teil der gesamten Kraftfahrzeugaufwendungen angesetzt werden, wenn die durch das Kraftfahrzeug insgesamt entstehenden Aufwendungen durch Belege und das Verhältnis der privaten Fahrten und der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu den übrigen Fahrten durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen werden.

Daraus, dass die Arbeitnehmer der Klägerin ein solches Fahrtenbuch für die streitigen Zeiträume nicht geführt haben, folgt zunächst nicht, dass sie in den streitbefangenen Zeiträumen wegen einer privaten Nutzung der betrieblichen Fahrzeuge geldwerte Vorteile in der sich aus § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG ergebenden Höhe erhalten haben. Bei dieser Vorschrift handelt es sich lediglich um eine Bewertungsregel. Ihre Anwendung setzt die vorherige Feststellung voraus, dass eine private Nutzung tatsächlich stattgefunden hat (vgl. FG Sachsen, Urteil vom 28. August 2002 3 K 2099/01, JURIS STRE 200371495, rkr.; FG Niedersachsen, Urteile vom 25. November 2003 1 K 354/01, JURIS STRE 200471111 und 1 K 191/02, JURIS STRE 200471110, nrkr.). Diese Feststellung vermag der Senat nach dem derzeitigen Ermittlungsstand nicht zu treffen.

Das Finanzamt trägt die Feststellungslast dafür, dass ein Arbeitnehmer einen betrieblichen Pkw, der ihm von seinem Arbeitgeber überlassen worden ist, auch zu privaten Zwecken benutzt hat, denn es handelt sich bei der Frage des Zuflusses eines geldwerten Vorteils an einen Arbeitnehmer um einen steuerbegründenden Tatbestand (FG Thüringen, Urteil vom 4. März 1998 1 K 84/98, EFG 1998, 1321; FG Köln, Urteil vom 22. September 2000 12 K 4477/98, EFG 2000, 1375; FG Sachsen, Urteil vom 28. August 2002 3 K 2099/01, JURIS STRE 200371495). Eine Entscheidung nach der Feststellungslast kommt jedoch nur dann in Frage, wenn das zu beweisende Tatbestandsmerkmal im Streitfall nicht erwiesen ist. Zuvor ist im Rahmen der Beweiswürdigung jedoch zu prüfen, ob die Regeln des Anscheinsbeweises eingreifen. Ein solcher Beweis des ersten Anscheins trägt der allgemeinen Lebenserfahrung Rechnung. Er beruht auf der Erfahrung, dass gewisse typische Sachverhalte bestimmte Folgen auslösen oder umgekehrt bestimmte Folgen auf einen gewissen typischen Geschehensablauf hindeuten. Der zu Grunde liegende Erfahrungssatz muss geeignet sein, die volle Überzeugung des Gerichts vom Vorhandensein oder Nichtvorhandensein einer Tatsache zu begründen. Der Anscheinsbeweis greift nur bei formelhaften, typischen Geschehensabläufen ein, also in den Fällen, in denen ein gewisser Sachverhalt feststeht, der nach der Lebenserfahrung auf nur einen bestimmten Ablauf hinweist. Liegt ein solcher Erfahrungssatz vor und sind seine Voraussetzungen erwiesen, so ist es Sache des nicht beweisbelasteten Beteiligten, einen vom gewöhnlichen Verlauf abweichenden Gang des Geschehens substantiiert darzulegen und zu beweisen.

Im Bereich der Nutzung eines betrieblichen Pkw durch einen Arbeitnehmer hat der Bundesfinanzhof die Ansicht vertreten, dass ein Anscheinsbeweis für eine private Mitbenutzung des überlassenen Fahrzeugs sprechen könne (BFH, Beschluss vom 14. Mai 1999 VI B 258/98, BFH/NV 1999, 1330). Ein arbeitsvertragliches Verbot einer privaten Nutzung stehe diesem Ergebnis nicht entgegen, wenn es weder vom Arbeitgeber überwacht worden sei noch Fahrtenbücher vorlägen (BFH, Beschlüsse vom 19. Dezember 2003 VI B 281/01, BFH/NV 2004, 488 und vom 4. Juni 2004 VI B 256/01, JURIS STRE 200450801). Die finanzgerichtliche Rechtsprechung hat diese Ansicht ohne Weiteres insbesondere auf die Fälle übertragen, in denen einem Gesellschafter-Geschäftsführer ein Firmenfahrzeug überlassen worden war (FG Hamburg, Urteil vom 16. Mai 2002 V 146/01, JURIS STRE 200271714; FG Sachsen, Urteil vom 28. August 2002, JURIS STRE 200371495). Soweit die Arbeitnehmer diesem Personenkreis nicht angehörten, hat die Rechtsprechung den Anscheinsbeweis nur dann angewendet, wenn weitere Umstände hinzutraten, die für eine private Nutzung sprechen, insbesondere dann, wenn das betriebliche Fahrzeug am Ende des Arbeitstages und an den Wochenenden nicht beim Arbeitgeber abzustellen war (vgl. FG Thüringen, Urteil vom 28. Juni 2000 I 1030/99, JURIS STRE 200370332; FG Sachsen, Beschluss vom 26. Februar 2003 6 V 2181/02, JURIS STRE 200371154). Diese einschränkende Anwendung des aufgestellten Beweissatzes ist zur Überzeugung des Senats geboten.

Von einer privaten Mitbenutzung eines betrieblichen Fahrzeugs kann bei einem ausdrücklich vereinbarten Nutzungsverbot nur dann ohne Weiteres ausgegangen werden, wenn feststeht oder nach den Umständen anzunehmen ist, dass das entsprechende Verbot nach dem übereinstimmenden Willen der Beteiligten nur zum Schein ausgesprochen wurde, der Arbeitgeber tatsächlich also mit der privaten Nutzung einverstanden ist und dies gegenüber dem Arbeitnehmer auch zum Ausdruck gebracht hat. Nach der Rechtsprechung des BFH kann sich ein Arbeitgeber nicht auf ein ausdrückliches Nutzungsverbot berufen, wenn er Anhaltspunkte für eine vertragswidrige Nutzung bei einzelnen Arbeitnehmern hat und nicht ernsthaft gegen diese Vertragsverletzungen vorgehe (BFH, Urteil vom 26. Januar 1968 VI R 122/66, BStBl II 1968, 361). Eine derartige Scheinvereinbarung liegt zur Überzeugung des Senats nahe, wenn eine Arbeitgeberin ihren Gesellschafter-Geschäftsführern einen betrieblichen Pkw zur Verfügung stellt, denn diese Arbeitnehmer sind auf Grund ihrer gesellschaftsrechtlichen Stellung wirtschaftlich mit ihrem Arbeitgeber derart verbunden, dass sie arbeitsrechtliche Konsequenzen bei einem Verstoß gegen ein Nutzungsverbot mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit nicht zu befürchten haben. Andere Arbeitnehmer müssen dagegen regelmäßig arbeitsrechtliche Konsequenzen fürchten, wenn die vertragswidrige Privatnutzung des überlassenen Pkw z.B. anlässlich eines Unfalls auf einer Privatfahrt entdeckt wird (vgl. FG Niedersachsen, Urteile vom 25. November 2003 1 K 191/02, JURIS STRE 200471110 und 1 K 354/01, JURIS STRE 200471111). Der Anscheinsbeweis einer vertragswidrigen privaten Mitbenutzung des Pkw greift in derartigen Fällen nur dann ein, wenn über eine fehlende nachgewiesene Überwachung durch den Arbeitgeber weitere Umstände hinzutreten.

Auf Grund einer summarischen richterlichen Beurteilung hält der Senat bei Berücksichtigung dieser rechtlichen Grundlagen eine weitere Sachaufklärung für erforderlich.

Nach dem Vortrag der Klägerin im Einspruchs- und im Klageverfahren waren die beiden überlassenen Fahrzeuge von S und K nach Dienstschluss auf dem Betriebsgelände der Klägerin zu deponieren und der Schlüssel im Bürogebäude abzugeben. Zur Aufbewahrung befand sich dort ein Schlüsselkasten, in dem sämtliche Schlüssel der Firmenfahrzeuge aufbewahrt wurden. Nach Geschäftsschluss hat der Geschäftsführer der Klägerin kontrolliert, ob sich auch alle Schlüssel im Kasten befunden haben. Den beiden Arbeitnehmern standen Parkplätze auf dem Firmengelände zur Verfügung, auf denen sie tagsüber ihre Privatfahrzeuge abstellen konnten. Zur Aufklärung dieses vom Beklagten lediglich bestrittenen Sachverhalts ist die Befragung des damaligen Außenprüfers über seine vor Ort getroffenen Feststellungen über die Räumlichkeiten, gegebenenfalls eine Ortsbesichtigung und auch eine Befragung des Geschäftsführers der Klägerin und der übrigen im Büro tätigen Personen erforderlich. Durch die weiteren Ermittlungen ist zu klären, ob die Klägerin das vertragliche Nutzungsverbot tatsächlich durchgesetzt und überwacht hat. Schriftliche Unterlagen, die die Kontrolle der Schlüsselabgabe dokumentieren würden, sind zur Überzeugung des Senats nicht erforderlich, sofern der Klägerin auf andere Weise ein entsprechender Nachweis gelingt.

Weiterhin hat die Klägerin im Einspruchs- und Klageverfahren vorgetragen, dass den beiden Arbeitnehmern gleichwertige Privatfahrzeuge zur Verfügung gestanden hätten. Auch dieser vom Beklagten lediglich bestrittene Einwand ist streiterheblich (vgl. BFH, Beschluss vom 14. Mai 1999 VI B 258/98, BFH/NV 1999, 1330; FG Sachsen, Urteil vom 28. August 2002 3 K 2099/01, JURIS STRE 200371495; FG Hamburg, Urteil vom 16. Mai 2002 V 146/01, JURIS STRE 200271714; FG Niedersachsen, Urteile vom 25. November 2003 1 K 354/01, JURIS 200471111 und 1 K 191/02, JURIS STRE 200471110), muss daher durch Einvernahme der betroffenen Arbeitnehmer als Zeugen, gegebenenfalls auch ihrer Angehörigen oder durch Vorführung der entsprechenden Fahrzeuge geklärt werden.

Die hiernach erforderlichen Befragungen und gegebenenfalls durchzuführenden Besichtigungen sind von ihrem Umfang her erheblich im Sinne des § 100 Abs. 3 Satz 1 FGO, weil sie nach Einschätzung des Senats in besonderem Maße arbeits- und zeitaufwendig sind. Zur Überzeugung des Senats ist mit der Aufhebung der streitbefangenen Verwaltungsakte eine erhebliche Entlastung des Gerichts verbunden, weil davon auszugehen ist, dass nach Durchführung der Befragungen und gegebenenfalls der Ortsbesichtigung der Sachverhalt zwischen den Beteiligten unstreitig sein und sich damit eine umfangreiche gerichtliche Beweisaufnahme erübrigen wird.

Die Aufhebung des Haftungs- und Nachforderungsbescheids und der Einspruchsentscheidung ist unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich (§ 100 Abs. 3 Satz 1 FGO). Grundsätzlich ist eine Aufhebung der behördlichen Entscheidungen durch das Gericht ohne Sachentscheidung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten nicht sachdienlich, weil den Beteiligten eine abschließende Sachentscheidung versagt wird. Allerdings kann die Sachdienlichkeit zu bejahen sein, wenn die vom Gericht nach seiner materiellen Rechtsauffassung für erheblich und erforderlich gehaltenen Ermittlungen von der Finanzbehörde nach ihrer sachlichen und personellen Ausstattung besser durchgeführt werden können als vom Gericht (BFH, Urteil vom 25. Juli 2000 VIII R 32/99, BFH/NV 2001, 253). Zur Überzeugung des Gerichts ist die erforderliche Befragung des damaligen Lohnsteuer-Außenprüfers zu seinen Feststellungen hinsichtlich der örtlichen Gegebenheiten auf dem Betriebsgelände der Klägerin und dem Betriebsablauf ohne Weiteres möglich. Der Befragung des Geschäftsführers der Klägerin stehen ebenfalls keine Hindernisse entgegen, zumal das Gericht nach dem Eindruck in der mündlichen Verhandlung davon ausgeht, dass die Beteiligten während des folgenden Verwaltungsverfahrens in einen Diskussionsprozess eintreten werden, der in eine einvernehmliche Lösung münden kann. Sollten die Beteiligten zur Aufklärung des Sachverhalts dann eine Ortsbesichtigung oder eine Befragung der Arbeitnehmer der Klägerin S und K und gegebenenfalls ihrer Angehörigen noch für erforderlich erachten, sind diese Auskünfte vom Beklagten wegen der örtlichen Nähe leichter durchführbar als für das Gericht.

Dieser Einschätzung der Sachdienlichkeit durch das Gericht steht nicht die Rechtsprechung des BFH entgegen, wonach das Vernehmungsrecht des Beklagten bei Dritten gegenüber dem des Gerichts eingeschränkt ist und zudem bei der Ermessensentscheidung auch der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweiserhebung zu berücksichtigen ist (BFH, Urteile vom 17. September 1997 II R 44/95, BFH/NV 1998, 590 und vom 25. Juli 2000 VIII R 32/99, BFH/NV 2001, 178). Die Klägerin ist im Verwaltungs- und im Einspruchsverfahren ihren Mitwirkungspflichten in vollem Umfang nachgekommen, es ist daher anzunehmen, dass sie ihren Mitwirkungspflichten auch in einem neuen behördlichen Verfahren erfüllen wird. Zudem ist nach dem Vorbringen des Vertreters des Beklagten und des Prozessbevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung davon auszugehen, dass der Beklagte oder die Klägerin die Richtigkeit der einzuholenden Auskünfte nicht anzweifeln werden und es damit nicht zu einem erneuten Klageverfahren kommen wird.

Schließlich entspricht die Aufhebung der Verwaltungsentscheidungen auch den Belangen der Klägerin. Ihr bleibt das kostenlose Vorverfahren erhalten. Der Beklagte wird die notwendige Ermittlungsarbeit leisten, ohne dass ihr dadurch ? anders als bei der Sachverhaltsermittlung durch das Gericht ? ein zusätzliches Kostenrisiko entsteht (vgl. FG Baden-Württemberg, Urteil vom 16. Februar 1996 6 K 151/95, EFG 1996, 874).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 151 Abs. 1 und 3 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.

RechtsgebietEinkommensteuer/LohnsteuerVorschriften§ 8 Abs. 2 Satz 2 EStG; § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG

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