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02.03.2005 · IWW-Abrufnummer 050195

Finanzgericht München: Urteil vom 09.12.2003 – 13 K 5074/00

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Az.: 13 K 5074/00

Finanzgericht München

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In der Streitsache XXX

wegen Einkommensteuer 1998, 1999

hat das Finanzgericht München, 13. Senat, durch den Richter am Finanzgericht als Berichterstatter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 09. Dezember 2003 für Recht erkannt:

1. Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 12. Oktober 2000 und unter Änderung der Einkommensteuerbescheide vom 8. November 1999 und vom 19. September 2000 wird die Einkommensteuer für 1998 auf 27.355 DM = 13.986 ? und für 1999 auf 42.110 DM = 21.531 ? festgesetzt.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Rechtsmittelbelehrung XXX

Entscheidungsgründe:

I.

Die alleinstehende Klägerin erzielt als Diplom-Kauffrau Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Auf Veranlassung ihres Arbeitgebers, der Firma Computer, nahm sie in den Streitjahren an einer Kursreihe von insgesamt fünf Kursen, die je mit An- und Abreise fünf Tage dauerten, zur Ausbildung als NLP-Precticioner bei dem Fortbildungsinstitut - GmbH, Dr. K., W., teil. Der Arbeitgeber bezahlte mit Ausnahme des dritten Kurses die Kursgebühren in Höhe von 895 DM pro Kurs. Auf die Bestätigungen des Arbeitgebers vom 12. August 1999 und ohne Datum wird Bezug genommen (Bl. 18, 22 Einkommensteuerakte 1998 = Bl. 3, 19 der Rechtsbehelfsakte). Bezug genommen wird auch auf die Teilnahmebestätigungen des Fortbildungsinstituts vom 6. Juni 1998, vom 23. Oktober 1998, vom 14. Mai 1999, vom 8. Oktober 1999 und vom 30. November 1999 sowie auf das Teilnehmerverzeichnis des dritten Kurses (Bl. 8 ? 10 der Einkommensteuerakte 1999, Bl. 4, 17, 20, 21 der Rechtsbehelfsakte). Die Themenausrichtung der Kursreihe war im Wesentlichen die Verbesserung der Kommunikationsfähigkeit im Berufsleben (s. die Bestätigung des Fortbildungsinstituts vom 30. November 1999, Bl. 4 der Rechtsbehelfsakte, sowie zum Themeninhalt das Fax des Fortbildungsinstituts vom 25. September 2000, Bl. 15 der Rechtsbehelfsakte). An der Kursreihe nahmen ?zu einem hohen Prozentsatz? Berufstätige aus dem betriebswirtschaftlichen Tätigkeitsbereich teil (s. die Bestätigung des Fortbildungsinstituts vom 18. September 2000,Bl. 16 der Rechtsbehelfsakte).

In ihren Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre machte die Klägerin die vom Arbeitgeber nicht ersetzten Aufwendungen, in erster Linie die Fahrtkosten, Mehraufwendungen für Verpflegung und Übernachtungskosten in Höhe von 3.901 DM (1998) und 5.358 DM (1999) als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Auf die Aufstellung der Kosten wird Bezug genommen (Bl. 7 der Einkommensteuerakte 1998, Bl. 7 der Einkommensteuerakte 1999). Das beklagte Finanzamt ließ die Aufwendungen nicht zum Abzug zu. Die Einsprüche blieben ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 12. Oktober 2000).

Die Klägerin begründet die Klage im Wesentlichen wie folgt: Ihre berufliche Aufgabe, nämlich die verantwortliche Tätigkeit im leitenden Management für die strategische Planung und Zusammenstellung für den regionalen Bereich der europäischen Businessplanung und hierbei die Koordination und Zusammenführung der Planungsaktivitäten für alle europäischen

Standorte des Computer-Konzerns, habe es notwendig gemacht, an der NLP-Kursreihe teilzunehmen. Gesichtspunkte der privaten Lebensführung hätten zur Teilnahme keine, allenfalls eine ganz untergeordnete Rolle gespielt. Teilnehmerlisten könne sie ? soweit nicht vorgelegt ? vom Fortbildungsinstitut, das sich auf Datenschutz berufe, nicht erlangen. Auf die Zusammenfassung des Lehrinhalts des Fortbildungsinstituts vom 8. September 2003 wird Bezug genommen (Bl. 39 der FG-Akte).

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 12. Oktober 2000 und unter Änderung der Einkommensteuerbescheide für 1998 vom 8. November 1999 und für 1999 vom 19. September 2000 weitere Werbungskosten in Höhe von 3.901 DM für 1998 und 5.358 DM für 1999 zum Abzug zuzulassen und die Einkommensteuer für die Streitjahre entsprechend festzusetzen,
hilfsweise die Revision zuzulassen.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen,
hilfsweise die Revision zuzulassen.

Das Finanzamt ist der Ansicht, dass die von der Klägerin besuchte Kursreihe nicht auf ihre speziellen beruflichen Belange ausgerichtet gewesen sei, der Kurs auch dem persönlichen Lebensbereich gedient habe und der Teilnehmerkreis nicht homogen besetzt gewesen sei.

In der Streitsache hat mündliche Verhandlung vor dem Berichterstatter (§ 79 a Abs. 3 und 4 Finanzgerichtsordnung -FGO-) stattgefunden. Auf die Sitzungsniederschrift vom 9. Dezember 2003 wird Bezug genommen.

II.

Die Klage ist begründet.

Die geltend gemachten Aufwendungen sind als Fortbildungskosten und somit als Werbungskosten bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit anzuerkennen. Nach

§ 9 Abs. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Die Aufwendungen müssen objektiv durch die beruflichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen veranlasst sein und subjektiv zur Förderung seines Berufs getätigt werden. In Abgrenzung hierzu besteht gemäß § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG ein Abzugsverbot für solche Aufwendungen, die der Lebensführung des Steuerpflichtigen dienen, auch wenn sie zur Förderung des Berufs oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung sind deshalb Aufwendungen, die sowohl der Lebensführung dienen als auch den Beruf fördern, nur abziehbar, wenn die berufliche Veranlassung bei weitem überwiegt, private Gesichtspunkte also nur eine ganz untergeordnete Rolle spielen (vgl. Bundesfinanzhof-BFH-Beschluss vom 27. November 1978 GrS 8/77, Bundessteuerblatt -BStBl- II 1979, 213). Die Voraussetzungen für den Abzug als Werbungskosten liegen auch vor, wenn Aufwendungen zwar ihrem Anschein nach mit der privaten Lebensführung zusammenhängen, aber dennoch ausschließlich oder ganz überwiegend beruflich veranlasst sind. Dies ist dann der Fall, wenn sich private Anwendungsmöglichkeiten zwangsläufig und untrennbar aus den im beruflichen Interesse gewonnenen Erkenntnissen und Fertigkeiten ergeben. Es ist regelmäßig unvermeidlich, dass bei einer Unterrichtung und Übung, die die beruflich erforderliche Außenwirkung einer Person beeinflussen soll, zugleich persönliche Aspekte eine Rolle spielen. Dies gilt gleichermaßen für Ärzte, Rechtsanwälte, Sportlehrer, Reisebegleiter, Dolmetscher oder Künstler, auch für im betriebswirtschaftlichen Bereich Tätige (vgl. BFH-Urteil vom 17. Juli 1992 VI R 12/91, BStBl II 1992, 1036). Ist durch die Fortbildungsmaßnahme ein hinreichender Bezug zur beruflichen Tätigkeit gegeben, ist es nicht erforderlich, dass an einem derartigen Kurs ausschließlich Angehörige der gleichen Berufsgruppe teilnehmen (BFH-Urteil vom 24. August 2001 VI R 40/94, Entscheidungssammlung der amtlich nicht veröffentlichten Entscheidungen des BFH -BFH/NV- 2002, 182 unter II. 2. b, aa.). Um die geltend gemachten Aufwendungen als Werbungskosten anerkennen zu können, bedarf es konkreter Feststellungen zu den Lehrinhalten und dem Ablauf des Lehrgangs sowie den teilnehmenden Personen (BFH-Urteil vom 20. September 1996 VI R 40/96, BFH/NV 1997, 110).

Bei Anwendung dieser Grundsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung, denen der erkennende Richter folgt, auf die Streitsache ergibt sich:

1. a) Die von der Klägerin in den Streitjahren besuchten fünf Kurse hatten unter der Bezeichnung Neuro-Linguistik-Programmierung zum Ziel, die Kommunikationsfähigkeit im Berufsleben zu verbessern (s. Bestätigung der X Training Dr. K. vom 30. November 1999, Bl. 4 und 17 der Rechtsbehelfsakte). Zu diesem Zweck wurde in Gruppen das Erlernen folgender Fähigkeiten angeboten:

Erfolgreiches Erarbeiten und Festlegen von lang-, mittel- und kurzfristigen Zielen, Zielstrategien, Stukturierung von Projekten, Erlernen von Interviewtechniken, Teammoderation und Erfolgskontrollen (vgl. die Bestätigung des Fortbildungsinstituts vom 25. September 2000, Bl. 15 der Rechtsbehelfsakte und vom 08. September 2003, Bl. 39 der FG-Akte). Die zu erlernenden Fähigkeiten wurden in Theorie und Praxis (Rollenspiele) eingeübt (s. die Übersicht über Arbeitsplan für 2001, der offenbar für die Streitjahre bereits galt, Bl. 16, 17 der FG-Akte sowie die Bestätigung des Fortbildungsinstituts vom 08. September 2003, Bl. 39 der FGAkte).

b) Die in den Kursen vermittelten Fertigkeiten, die zur Berufsbezeichnung NLP-Precticioner berechtigen, dienten der Berufstätigkeit und dem beruflichen Fortkommen der Klägerin (s. Bestätigungen des Arbeitgebers der Klägerin vom 12. August 1999, Bl. 18 der Einkommensteuerakte 1998 und ohne Datum, beim Gericht eingereicht mit Schreiben vom 30. September 1999, Bl. 22 der Einkommensteuerakte 1998). Die Berufsbezogenheit der Kurse ergibt sich bereits daraus, dass es der Klägerin von ihrem Arbeitgeber nahe gelegt wurde, die Kurse zu besuchen (vgl. BFH-Urteil vom 17. Dezember 2002 ? VI R 60/00, BFH/NV 2003, 475 vorletzter Absatz). Auch dass der Arbeitgeber der Klägerin die Kursgebühren bezahlt hat, ist ein Indiz für die Berufsbezogenheit. Dass es sich bei den oben bezeichneten Arbeitgeberbescheinigungen, die die Berufsbezogenheit der Kurse herausstellen, um Gefälligkeitsbescheinigungen handelt, ist nicht ersichtlich.

Zwar berührt die Kommunikationsfähigkeit (verbal und sozial) auch den privaten Lebensbereich. Doch da sich die durchgeführte Fortbildung ausschließlich auf den beruflichen Bereich bezog, kann die private Veranlassung als von untergeordneter Bedeutung vernachlässigt werden, zumal die Verbesserung der Kommunikationsfähigkeit eher ein berufliches denn ein privates Anliegen ist. Aus den Lebensumständen der Klägerin, wie sie sich aus den Steuerakten ergeben ? alleinstehend, keine Vereinszugehörigkeit u.ä. ?, ist die Verbesserung der Kommunikationsfähigkeit auf die berufliche Sphäre zu beziehen.

c) Die neue Rechtsprechung des BFH zur Abgrenzung der Ausbildung von beruflicher Fortbildung bestärkt das Ergebnis, dass die besuchte Kursreihe als (fast) ausschließlich beruflich veranlasst zu behandeln ist. Der BFH betont, dass die Zuordnung von Maßnahmen, die das berufliche Fortkommen bewirken sollen, zu den Kosten der privaten Lebensführung die tief greifenden Veränderungen im Berufsleben, Bildungswesen und auf dem Arbeitsmarkt außer Acht lassen würden. Die Anforderungen an das dem allgemeinen Entwicklungsstand angepasste berufliche Spezialwissen steigt in einem Maße, dass die Fort- und Weiterbildung zunehmend wichtiger wird. Arbeitnehmer stehen heutzutage nach mehreren Jahren der Berufstätigkeit vor der Situation, ohne weitere Qualifikation eine verbesserte oder höher bezahlte Stellung nicht erreichen oder diese beibehalten zu können (BFH-Urteil vom 4. Dezember 2002 VI R 120/01, BStBl II 2003, 403 unter II. 3. d, S. 406, 407). Hieraus ist ersichtlich, dass im Grenzbereich der Berufsfortbildung zur privaten Lebenshaltung dem beruflichen Anlass der Vorrang gebührt, soweit ein konkreter Berufsbezug ? wie im Streitfall ? gegeben ist.

d) Die Art der Fortbildung, nämlich die Verbesserung der Kommunikationsfähigkeit im Berufsleben, bringt es mit sich, dass das Erfordernis eines homogenen Teilnehmerkreises im Sinn von Angehörigen einer im Wesentlichen gleichen Berufsgruppe (vgl. Finanzgericht
Köln, Urteil vom 13. Januar 1999 ? 4 K 9082/97, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 1999, 599) in den Hintergrund tritt. Das Fortbildungsinstitut hat bestätigt, dass die Teilnehmer ?zu einem hohen Prozentsatz? aus dem betriebswirtschaftlichen Tätigkeitsbereich stammen (s. Bestätigung vom 18. September 2000, Bl. 16 der Rechtsbehelfsakte). Die Kommunikationsfähigkeit und deren Verbesserung umfasst so unterschiedliche Berufe und Berufsgruppen, dass in der Streitsache dem Erfordernis der homogenen Teilnehmergruppe Genüge getan ist (vgl. Finanzgericht Nürnberg, Urteil vom 25. Juni 2001 ? III 164/98, Deutsches Steuerrecht-Entscheidungen -DStRE- 2001, 1334 unter 2. a). Daher ist eine Zeugeneinvernahme von Teilnehmern lt. Teilnehmerliste am Seminar vom 1. Februar 1999 bis 5. Februar 1999 entbehrlich. Im Übrigen war es der Klägerin aus Datenschutzgründen nicht möglich, die Teilnehmer aus den anderen Kursen zu benennen (s. Schreiben des Fortbildungsinstituts vom 18. September 2000, Bl. 16 der Rechtsbehelfsakte).

2. Die Art der geltend gemachten Kosten (in erster Linie Fahrtkosten, Verpflegungsmehraufwendungen und Übernachtungskosten) entspricht den Vorgaben der Finanzverwaltung (vgl. H 34 der Lohnsteuer-Richtlinien 1999 Stichwort ?Fortbildungskosten? und R 37 Abs. 1 Satz 1 der Lohnsteuer-Richtlinien 1999). Die Höhe der geltend gemachten Kosten ist zwischen den Beteiligten nicht streitig, so dass sie der Entscheidung zugrunde gelegt werden kann. Die Klägerin macht die Aufwendungen insoweit geltend, als sie ihr Arbeitgeber nicht ersetzt hat.

3. Dass die Kosten in einem EU-Ausland entstanden sind, steht dem Werbungskostenabzug nicht entgegen (BFH-Urteil vom 13. Juni 2002 VI R 168/00, BFH/NV 2002, 1517; Schreiben des Bundesfinanzministers vom 26. September 2003 ? IV A 5-S 2227-1/03, BStBl I 2003, 447).

4. Steuerberechnung:
1998 / 1999
bisher zu versteuerndes Einkommen 96.493 DM / 128.017 DM
anzuerkennende Werbungskosten 3.901 DM / 5.358 DM
zu versteuerndes Einkommen neu 92.592 DM / 122.659 DM
festzusetzende Einkommensteuer lt. Grundtabelle 27.355 DM / 42.110 DM.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und über den Vollstreckungsschutz folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.

6. Die Revision war im Sinn der Fortbildung des Rechts zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).

RechtsgebietEinkommensteuerVorschriften§ 9 Absatz 1 Satz 1 EStG

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