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27.01.2005 · IWW-Abrufnummer 050212

Finanzgericht Köln: Beschluss vom 13.10.2004 – 2 V 4874/04

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Finanzgericht Köln

Az.: 2 V 4874/04

Beschluß des Senats vom 13.10.2004

Tenor:

1. Der Antragsgegner wird verpflichtet, es bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens 2 K 4875/04 zu unterlassen, eine Spontanauskunft an die US-amerikanische Finanzverwaltung über den Kauf und den Verkauf von Anteilen an der US-amerikanischen Gesellschaft AAA durch den Antragsteller zu erteilen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.

3. Die Beschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die Zulässigkeit einer Spontanauskunft des Antragsgegners an die US-amerikanische Finanzverwaltung über den Verkauf von Anteilen an einer US-amerikanischen Gesellschaft durch den Antragsteller; streitentscheidend ist u.a. der Umstand, dass der Antragsgegner eine Steuerpflicht dieses Vorganges sowohl in der Bundesrepublik Deutschland als gleichzeit auch in den USA annimmt.

Der Antragsteller war seit dem 00.00.0000 als Arbeitnehmer nichtselbständig für die C- AG in der Funktion eines Mitgliedes des Vorstandes mit der Verantwortlichkeit für das Ressort Finanzen/Konzernrechnungswesen/Controlling tätig. Das Dienstverhältnis endete zum 00.00.0000.

Eine ausdrückliche und formgerechte Kündigung und einen entsprechenden Aufsichtsratbeschluss zur Beendigung des Anstellungsvertrages konnte die Finanzverwaltung später nach eigenen Angaben nicht feststellen.

Aber auch nach dem 00.00.0000 war der Antragsteller für die C- AG tätig.
Zu den übertragenen Aufgaben gehörte unter anderem die Veräußerung von Anteilen an verschiedenen Gesellschaften, von denen sich die C- AG nach eigenen Angaben vergeblich zu trennen versuchte. Zu diesen Beteiligungen gehörten auch die Anteile an der US-amerikanischen Gesellschaft AAA, einer der deutschen Kommanditgesellschaft vergleichbare Personengesellschaft des amerikanischen Rechts.

Die C- AG hatte - wiederum nach eigener Darstellung - in der Vergangenheit vergeblich versucht, ihren Anteil an der AAA an die Mitgesellschafterin DD. zu verkaufen. Der erneute Versuch des Verkaufs Anfang 0000 scheiterte angeblich an dem für die C- AG zu geringen Kaufpreisangebot der Mitgesellschafterin in Höhe von US$ Mio. 1.
Der Antragsteller bot daraufhin der C- AG an, die Anteile selbst zu kaufen, um sie dann für eigene Rechnung weiter zu verkaufen. Da es für die C- AG - nach der Behauptung des Antragstellers - unerheblich war, an wen sie die Beteiligung an der AAA veräußerte, vereinbarte sie mit dem Antragsteller einen Kauf- und Übertragungsvertrag über die Anteile an der AAA, mit dem die Anteile mit Wirkung vom 00.00.0000 - 00.00.0000 verkauft und abgetreten wurden. Als Kaufpreis wurde ein Betrag von US$ Mio. 1,3 vereinbart. Der Kaufvertrag trägt das Datum 00.00.0000/ 00.00.0000.

Der Antragsteller nahm darauf hin erneut Verhandlungen mit der DD. über den Verkauf der Beteiligung in den USA auf. Mit Datum 00.00.0000 wurden drei Verträge abgeschlossen. Mit diesen drei Verträgen wurde die AAA-Beteiligung nunmehr von dem Antragsteller an die Mitgesellschafterin DD. verkauft.
Die Verträge führten zu Zahlungsansprüchen von insgesamt US$ Mio. 2,2. Der Antragsteller erhielt Zahlungen aus den drei Verträgen - offenbar bislang unstreitig in den Jahren 0000 und 0000 - und erzielte durch den An und Verkauf der AAA-Anteile eine Vermögensmehrung (Gewinn) von insgesamt US$ 900.000.

Über das Vermögen der C- AG wurde später ein Insolvenzverfahren eingeleitet. Im Rahmen der Abwicklung dieses Insolvenzverfahrens wurden strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen ehemalige Vorstandsmitglieder wegen Vermögens- und Insolvenzdelikten eingeleitet.
Gegen den Antragsteller wurde zusätzlich ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet, dessen Gegenstand auch der vorstehend beschriebene An und Verkauf der Anteile an der AAA ist. Das dieses Ermittlungsverfahren führende Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung G wertete die aus der Veräußerung vom Antragsteller erzielte Vermögensmehrung als eine von der C- AG gewährte verdeckte Abfindung wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Diese sei - so das Finanzamt - als Einnahme aus nichtselbstständiger Arbeit zu versteuern.
Dieser Auffassung schloss sich das für die Besteuerung des Antragstellers zuständige Wohnsitz-Finanzamt H an. Es erfasste die eingetretene Vermögensmehrung aus der Veräußerung im Rahmen der Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit der Jahre 0000 und 0000 beim Antragsteller als "Abfindung" und erließ entsprechende Einkommensteuerbescheide für 0000 und 0000.

Gegen diese Einkommensteuerbescheide 0000 und 0000 erhob der Antragsteller nach erfolgloser Durchführung des Einspruchsverfahrens beim Finanzgericht Düsseldorf unter dem 00.00.0000 Klage (Az.: 00 K 0000/00 E).
In diesem Verfahren wendet sich der Antragsteller gegen die Behandlung der Vermögensmehrung aus der Veräußerung der AAA-Anteile als Einnahmen aus nicht-selbstständiger Arbeit. Nach Auffassung des Antragstellers handelt es sich um Einkünfte aus Gewerbebetrieb, für welche - und dies ist zwischen den Beteiligten un-streitig - nach dem einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommen den USA das Be-steuerungsrecht zustehen würde.
Der Antragsgegner hatte nach eigenen Angaben zwar einen amerikanischen Steuerberater konsultiert; unstreitig hatte und hat der Antragsteller aber keine Steuererklärung in den USA abgegeben.

Im Weiteren, d.h. nach Erlass der Einkommensteuerbescheide, kündigte das Finanzamt H dem Antragsteller gegenüber - nicht zuletzt wegen der Nichtabgabe einer Steuererklärung in den USA - an, der US-amerikanischen Finanzverwaltung über die Veräußerung der Anteile eine Spontanauskunft zu erteilen. Das Finanzamt teilte dem Antragsteller in einem Schreiben vom 00.00.0000 im Zusammenhang mit den Einsprüchen des Antragstellers gegen die Einkommensteuer-Festsetzung mit:

" ? Ihr Einwand ?, wonach ein in den USA zu versteuernder Verkauf vorliege, ist so nicht mehr nachvollziehbar.
Ich bitte Sie, diesen Vortrag ? zu überprüfen und ggfs. ausdrücklich und verbindlich zu erklären, dass Sie nunmehr die bisherige Auffassung aufgeben und sich der von der Finanzverwaltung vertretenen Auffassung anschließen, dass die ? erhaltenen Vorteile ? als Abfindung und damit als Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit im Inland zu versteuern sind. ?
Falls Sie an Ihrem bisherigen Vortrag festhalten wollen, beabsichtige ich, diesen Sachverhalt ? im Rahmen einer Spontanauskunft kurzfristig den amerikanischen Steuerbehörenden zur Kenntnis zu bringen ?"

In einem Erwiderungsschreiben des Antragstellers - bzw. seiner Prozessbevollmächtigten - vom 00.00.0000 an das Finanzamt heißt es demgegemüber u.a.:

"? Unser Mandant hat keine Einwendungen dagegen, dass eine Spontanauskunft über den Vorgang AAA an die US-amerikanische Finanzverwaltung erteilt wird, sofern das Finanzamt seine Auffassung vom Vorliegen einer Abfindung und damit vom Vorliegen im Inland zu besteuernder Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit aufgibt und die durchgeführte Besteuerung des aus dem AAA-Geschäft erzielten Überschusses als steuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit zurücknimmt ? .
Es ist selbstverständlich, dass Herr B [der Antragsteller] die Besteuerung des aus dem AAA-Geschäft erzielten Überschusses in den USA selbst veranlassen wird, was wegen der ? vorgenommenen Besteuerung im Inland bislang unterblieben ist, aber nachgeholt wird ? "

Das Finanzamt H legte daraufhin den Vorgang zur Spontanauskunft dem Antragsgegner vor.
Mit Schreiben vom 00.00.0000 stellte auch der Antragsgegner die Erteilung der Spontanauskunft an die US-amerikanischen Finanzbehörden in Aussicht.
Der Antragsgegner teilte sinngemäß mit, nach seiner "Bewertung des Vorgangs" sprächen "Argumente für beide Standpunkte"; eine Spontanauskunft sei aber gerechtfertigt, weil der Antragsteller die Folgerungen aus seinem eigenen Standpunkt - gemeint ist offenbar die Abgabe einer Steuererklärung in den USA - "auch nicht" ziehe. In dem Schreiben heißt es weiter:

" ? Nach meiner Auffassung ist daher die Versendung der Spontanauskunft mit folgendem Inhalt zulässig:
a) zugrundeliegender Sachverhalt mit den beigefügten Verträgen
b) Hinweis auf die Rechtsauffassung des Finanzamts und Stand des Verfahrens
c) Information über Ihren Standpunkt und über noch nicht erfolgte Steuererklärung in den USA
d) Vorbehalt, dass Besteuerung in Deutschland nach Bestandskraft der Bescheide der Steuerfestsetzung in den USA vorgeht und daher kein Verständigungsverfahren erforderlich wird
Durch diese Mitteilung kann erreicht werden, dass trotz der Dauer des Verfahrens in Deutschland die amerikanische Steuerverwaltung ihr potentielles Besteuerungsrecht wahrnehmen kann. Insbesondere der ausdrücklich zuzufügende Vorbehalt macht aber dennoch das Rangverhältnis des Besteuerungsrechts mit Vorrang des inländischen Steueranspruchs deutlich. Insofern kann es nicht zu einer Doppelbesteuerung oder einem Verständigungs-verfahren kommen ? "

Auf eine formlose Anfrage des Antragsgegners am 00.00.0000 bei der US-Steuerbehörde (IRS) teilte diese sinngemäß mit, die Verjährungsfrist für die Einkommensteuer-Festsetzung betrage grundsätzlich drei Jahre ab Fälligkeit des Zuflusses. Erkundigungen nach einer Anlaufhemmung bei Nichtabgabe der Steuererklärung oder einer Verlängerung der Festsetzungsfrist bei Vorliegen einer Steuerhinterziehung waren nicht Gegenstand der Anfrage.

Dem Begehren des Antragstellers nach Zurückstellung der Spontanauskunft bis zu einer - aus der Sicht des Antragstellers positiven - Entscheidung des Rechtsstreits durch das FG Düsseldorf folgte der Antragsgegner in einem weiteren Schreiben vom 00.00.0000 nicht.
Nach seiner Auffassung waren die mit der Erteilung der Spontanauskunft einhergehende Beeinträchtigungen im eigenen steuerlichen Interesse des Antragstellers hinzunehmen. Der Antragsgegner begründete die Spontanauskunft damit, dass der Antragsteller noch immer keine Steuererklärung in den USA abgegeben habe und damit die Gefahr der Verjährung der Steueransprüche der USA bestehe.
In diesem Schreiben - und auch in einem den Akten des Antragsgegners beiliegenden Entwurf der tatsächlichen Spontanauskunft - ist die im Schreiben des Antragsgegners vom 00.00.0000 enthaltene Einschränkung "d)" nicht mehr enthalten. Der Antragsgegner verweist vielmehr ausdrücklich auf die Durchführung eines Verständigungsverfahrens.

Mit Schriftsatz vom 16.09.2004 - bei Gericht eingegangen am 17.09.2004 - hat der Antragsteller sowohl einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als auch eine Klage (Az.: 2 K 4875/04) gegen die Erteilung der Spontanauskunft anhängig gemacht.

Zu dem behaupteten Anspruch auf Erlass einer einstweiligen Anordnung trägt der Antragsteller vor, es fehle an den entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen für eine Auskunftserteilung.
Der Antragsgegner könne sich insbesondere nicht darauf berufen, die Auskunft sei wegen der Vermutung gerechtfertigt, dass der Antragsteller in den USA Steuern verkürze. Die deutsche Finanzverwaltung vertrete - unstreitig - die Auffassung, es lägen in der Bundesrepublik zu versteuernde Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit vor. Die Finanzverwaltung verhalte sich widersprüchlich, wenn es den Vorgang AAA als unter die Einkunftsart nichtselbständige Arbeit fallend beurteile - wie in den angefochtenen Einkommensteuerbescheiden 0000 und 0000 geschehen - und zugleich mit einer Spontanauskunft der US-amerikanischen Finanzverwaltung mitteile, es bestünden Anhaltspunkte dafür, dass ein aus dem An- und Verkauf von Anteilen an einer amerikanischen Personengesellschaft erzielter Gewinn in den Vereinigten Staaten der Besteuerung unterliege und dass möglicherweise Steuern der Vereinigten Staaten verkürzt werden.
Diese widersprüchliche Verhaltensweise sei nicht nur ermessensfehlerhaft, es sei rechtswidrig. Mit der Spontanauskunft werde ihm - dem Antragsteller - Schaden zu-gefügt, weil er durch das Verhalten der Finanzverwaltung Steueransprüchen der USA ausgesetzt werde, die nach Auffassung der deutschen Finanzverwaltung nicht berechtigt seien und die er deshalb zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung abwehren müsse. Selbst wenn dies gelinge, so habe er - der Antragsteller - erheblichen Aufwand zu tragen und entsprechende Kosten aufzuwenden. Demgegenüber sei es unvertretbar, die Spontanauskunft "gewissermaßen auf Vorrat" an die USA zu erteilen.
Auch die Verjährung von Steueransprüchen in den USA sei ausgeschlossen. Über die Steuererklärung der AAA - deren Anteile veräußert wurden - sei der US-Finanzverwaltung der Gesellschafterwechsel zwangsläufig bekannt.

Zu dem erforderlichen Anordnungsgrund trägt der Antragsteller vor, die Versendung der Spontanauskunft ohne Rechtsgrundlage stelle eine Verletzung des Steuergeheimnisses dar. Diese Verletzung könne - einmal durch die Erteilung der Spontanauskunft eingetreten - nicht mehr rückgängig gemacht werden. Jedenfalls entstünden erheblich Kosten für den Antragsteller, wenn dieser gezwungen sei, eine Rechtsverfolgung in den USA aufzunehmen.

Der Antragsteller beantragt,
dem Antragsgegner durch einstweilige Anordnung aufzugeben, es bis zum Abschluss des zu diesem Verfahren zu führenden Klageverfahrens zu unterlassen, eine Spontanauskunft an die US-amerikanische Finanzverwaltung über den Kauf und den Verkauf von Anteilen an der US-amerikanischen Gesellschaft AAA durch den Antragsteller zu erteilen.

Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzuweisen.

Der Antragsgegner sieht die gesetzlichen Voraussetzungen der Erteilung einer Spontanauskunft als erfüllt an. Anhaltspunkte für die Annahme einer Steuerverkürzung in den USA lägen vor. Die Kenntnis der entsprechenden Tatsachenfeststellungen sei "möglicherweise" - so der Antragsgegner im Schriftsatz vom 30.09.2004 - Voraussetzung der Durchsetzung des Besteuerungsrechts der USA. Auf das Steuergeheimnis könne sich der Antragsteller schon deshalb nicht berufen, weil die US-Steuerbehörden ihrerseits zur Geheimhaltung verpflichtet seien.
Es liege im Interesse des Steuerpflichtigen und der Steuerverwaltungen, dass ein vorgetragener steuerlicher Sachverhalt einer zutreffenden Besteuerung unterworfen werde. Im vorliegenden Fall führe die Auskunftserteilung gegebenenfalls dazu, dass es in der Auslegung des DBA-USA zu einem Qualifikationskonflikt zwischen Deutschland und den USA komme. Gerade für solche steuerlichen Sachverhalte seien die in den entsprechenden DBA vorgesehenen Maßnahmen der Verständigungs- und Konsultationsverfahren (hier: Artikel 25 DBA USA) vorgesehen.
Auch das Vorliegen eines Anordnungsgrundes stellt der Antragsgegner in Abrede: Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes müssten besonders gewichtige Gründe vorliegen, die gegen die Durchführung der internationalen Zusammenarbeit sprechen. Es müsse ein Nachteil drohen, der über die steuerlichen Folgen hinausgehe. Derartiges sei im vorliegenden Verfahren nicht vorgetragen worden. Nachteile durch eine mögliche Doppelbelastung könnten durch ein Verständigungsverfahren beseitigt werden. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei zudem auch unverständlich, wenn der Sachverhalt nach Darstellung des Antragstellers der amerikanischen Steuerverwaltung bereits bekannt sei.

II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig und begründet.

Nach § 114 Abs. 1 Satz 1 FGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Nach Satz 2 dieser Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint (Regelungsanordnung).
Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist, dass der im Haupt-verfahren geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer Regelung (Anordnungsgrund) bezeichnet und glaubhaft gemacht werden (§ 114 Abs. 3 FGO i.V.m. § 920 Abs. 1, 2 ZPO). Bezeichnung und Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs bedeuten, dass der Antragsteller den Anspruch rechtlich schlüssig darlegen und dessen tatsächliche Voraussetzungen glaubhaft machen muss (§ 155 FGO i.V.m. § 294 ZPO).
Vorliegend begehrt der Antragsteller den Erlass einer Regelungsanordnung, denn durch die gerichtliche Anordnung möchte er die Weiterleitung von Informationen über möglicherweise der Besteuerung unterliegende Vorgänge durch den Antragsgegner an die US-Steuerbehörden verhindern und damit die Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erreichen.

1. Der Antrag ist zulässig.
Das Rechtsschutzbedürfnis für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist nicht deshalb entfallen, weil sein Ziel nicht mehr erreicht werden kann.
Dies wäre dann der Fall, wenn die für die Besteuerung des Antragstellers zu-ständigen US-Steuerbehörden tatsächlich bereits über den Kauf und den Verkauf der Anteile unterrichtet werden.
Dass dies definitiv der Fall ist, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die diesbezüglichen Überlegungen des Antragstellers, die Aufzeichnungen des Gesellschafterwechsel betreffen, sind rein spekulativ.

2. Der Antrag ist auch begründet.

a) Dem Antragsteller steht ein Anordnungsanspruch zu.
Nach der höchstrichterlichen Finanzrechtsprechung - welcher sich der beschließende Senat anschließt - ist als Grundlage für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch § 1004 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB - in analoger Anwendung - i.V.m. § 30 Abgabenordungung - AO - anerkannt (BFH Beschluss vom 29. April 1992 - I B 12/92, BFHE 167, 11; BStBl II 1992, 645). Die Voraussetzungen dieser Vorschriften sind vorliegend erfüllt.
Der Antragsteller hat es nicht analog § 1004 Abs. 2 BGB zu dulden, dass die bezeichnete Spontanauskunft an die US-Finanzverwaltung erteilt wird. Denn der Antragsteller kann sich gegenüber dieser Mitteilung auf das Steuergeheimnis nach § 30 AO berufen.

Der Kauf und Verkauf der Anteile unterfällt dem insoweit umfassenden Schutzbereicht des § 30 Abs. 2 AO.
Nach § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO besteht die Befugnis zur Offenbarung nur, wenn diese durch Gesetz ausdrücklich zugelassen ist. Der Antragsgegner kann jedoch im vorliegenden Fall für sich keine Ermächtigungsgrundlage geltend machen. Dass die Angehörigen der US-Steuerverwaltung ggfls. ihrerseits zur Wahrung des Steuergeheimnisses verpflichtet sind, spielt keine Rolle, da dieser Umstand nicht geeignet ist, eine eigenständige Rechtfertigung für eine Offenbarung herbeizuführen.

Eine Ermächtigung für den Antragsgegner zur Erteilung der Spontanauskunft könnte sich nur aus § 117 Abs. 2 AO i.V.m. Art. 26 Abs. 1 Satz 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und einiger anderer Steuern vom 29. August 1989 (BGBl. II 1992 S. 355) - DBA USA - i.V.m. § 2 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Durchführung der EG-Richtlinie über die gegenseitige Amtshilfe im Bereich der direkten und indirekten Steuern vom 19. Dezember 1985 (BGBl. I 1985 S. 2436, 2441) - EG-AHG- ergeben.
Die Voraussetzungen dieser Ermächtigung liegen aber nicht vor, weil es sich bereits an den tatbestandlichen Erfordernissen der Auskunftsklausel im DBA fehlt.

(1) Nach § 117 Abs. 2 AO dürfen die Finanzbehörden zwischenstaatliche Amtshilfe u.a. aufgrund innerstaatlich anwendbarer völkerrechtlicher Verträge leisten. Ein derartiger Vertrag ist das DBA USA, dessen Art. 26 Abs. 1 aufgrund des Gesetzes vom 11. Januar 1991 (BGBl. II 1991, 354, in Kraft getreten am 21. August 1991, BGBl. 1992 II S. 235) innerstaatlich anwendbares Recht ist.
Nach Art. 26 Abs.1 Satz 1 DBA USA sind die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten berechtigt, die Auskünfte auszutauschen, die nach den Steuergesetzen der beiden Vertragsstaaten bereitgestellt werden können und erforderlich sind für die Durchführung der Vorschriften des Abkommens oder für die Verhütung von Hinterziehungen und dergleichen bei den unter das Abkommen fallenden Steuern. Art. 26 Abs.1 Satz 1 DBA USA gestattet - als "große Auskunftsklausel" (vgl. FinBeh Bremen Erlass vom 21. März 2000 S 1320 - 121; StEd 2000, 425) - u.a. auch Spontanauskünfte (vgl. BFH-Beschluss vom 29. April 1992 I B 12/92, BFHE 167, 11; BStBl II 1992, 645 zum DBA USA 1954/1965).
Bei der Durchführung des Auskunftsaustausches haben die Finanzbehörden nach allgemeinen rechtstaatlichen Grundsätzen insbesondere auch das Prinzip der Verhältnismäßigkeit zu wahren (vgl. auch vgl. auch Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen - BMF - vom 3. Februar 1999 "Merkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Auskunftsaustausch in Steuersachen", IV B 4 - S 1320 - 3/99, BStBl I 1999, 228, 229 Tz. 1.1); auch aus der ausdrücklichen Formulierung in Art. 26 Abs. 1 Satz 1 DBA USA folgt die Einschränkung auf "erforderliche" Auskünfte.

(2) Die vom Antragsgegner beabsichtigte Spontanauskunft ist nicht "erforderlich".
Die Erforderlichkeit ist aus der Sicht des Rechtsanwenders, der von einer Ermächtigungsgrundlage Gebrauch macht - hier also der deutschen Finanzverwaltung - zu beantworten. Da es um eine Mitteilung an die US-Steuerbehörde geht, sind die entsprechenden Informationen nur erforderlich, wenn ein Be-steuerungsrecht hinsichtlich der in Frage stehenden Beteiligungsveräußerung für den anderen Vertragsstaat - hier die USA - jedenfalls aus der Sicht der deutschen Finanzverwaltung gegeben ist.
Die deutsche Finanzverwaltung geht jedoch selbst mit Sicherheit nicht von einem Besteuerungsrecht der USA aus, wie die gegenüber dem Antragsteller vorgenommenen Einkommensteuerfestsetzungen zeigen. Denn nach dem im deutschen Steuerverfahrensrecht geltenden Legalitätsprinzip (vgl. § 85 Satz 1 AO) steht der Finanzverwaltung kein Beurteilungsspielraum oder Ermessen bei der Steuerfestsetzung zu, sieht man von hier nicht in Frage stehenden Billigkeitsregelungen ab.
Die Erforderlichkeit der Spontanauskunft daraus abzuleiten, dass entweder ein Besteuerungsrecht in den USA oder aber in Deutschland besteht und die Auskunft daher "auf Vorrat" erteilt werden kann, ist nach Auffassung des Senates nicht zulässig: Eine Rechtsgrundlage für eine solche, der "Wahlfeststellung" im Strafrecht (nicht eindeutige Tatsachengrundlage, vgl. z.B. BGH, Urteil vom 28. Oktober 1982 - 4 StR 480/82, NJW 1983, 239) entsprechende Vorgehensweise ist nicht ersichtlich.
Zudem bürdet die Finanzverwaltung durch diese Vorgehensweise dem Steuerpflichtigen das Risiko auf, einer Doppelbesteuerung unterworfen zu sein. Ausdrücklich verweist der Antragsgegner diesbezüglich auf ein Verständigungsverfahren. Die Zwangsläufigkeit dieser Risikozuweisung - im Gegensatz zum Risiko der Fisken, mit dem Besteuerungsrecht auszufallen - vermag der Senat nicht zu erkennen.

(3) Auf das Vorliegen der - nachgeschalteten - Tatbestandsvoraussetzungen des EG-AHG kommt es demnach nicht an.
Ebenso muss sich das Gericht nicht mit der Frage auseinandersetzen, ob in den USA tatsächlich eine "Festsetzungsverjährung" droht. Der Senat gibt allerdings zu bedenken, dass im Falle des Besteuerungsrechts der USA die Nichtabgabe der Steuererklärung und möglicherweise ein Steuerstraftatbestand zu beachten sind. Es liegen offenbar auch dem Antragsgegner keinerlei Erkenntnisse darüber vor, ob diese Umstände nicht zu einer Anlaufhemmung der Festsetzungsverjährung bzw. zu einer Verlängerung der Festsetzungsfrist führen.

b) Auch der erforderliche Anordnungsgrund liegt vor.
Es ist anerkannt, dass die geltend gemachten Nachteile über diejenigen hinausgehen müssen, die üblicherweise mit der Pflicht zur Zahlung der Steuern verbunden sind (BFH Beschluss vom 20. Januar 1988 1 B 72/87, BStBl II 1988, 412, 413); die für eine einstweilige Anordnung sprechenden Gründe müssen so schwerwiegend sein, dass sie ihren Erlass unabweisbar machen (BFH Beschluss vom 12. Mai 1992 VII B 173/91, BFH/NV 1994, 103).
Nach Auffassung des Senates ist dieses Erfordernis erfüllt.

(1) Der Antragsteller sieht sich in seinem subjektiven Recht auf Wahrung seiner steuerlichen Geheimnisse durch den Antragsgegner verletzt. Diese Anspruchsbegründung reicht nach Auffassung des beschließenden Senates angesichts des hohen Ranges des in Frage stehenden Rechtsgutes für sich genommen bereits aus, den Anordnungsgrund zu bejahen.
Denn ein Steuerpflichtiger in dieser Lage wäre in weitem Umfang rechts-schutzlos gestellt, wenn er diese angebliche Rechtsverletzung ohne die Möglichkeit vorläufigen Rechtsschutzes gegen das Vorgehen der Finanzverwaltung hinnehmen müsste. Eine anderweitige ähnlich effektive Rechtsschutzmöglichkeit wird sich für ihn beim Bruch des Steuergeheimnisses nicht ergeben. Denn die Verletzung des Steuergeheimnisses kann ihrer Natur nach nicht rückgängig gemacht werden (vgl. die Argumentation des BFH - welcher sich der erkennende Senat anschließt - zur Zulässigkeit einer Feststellungsklage gegen die Verletzung des Steuergeheimnisses, BFH, Urteil vom 29.07.2003 - VII R 39, 43/02, VII R 39/02, VII R 43/02, BFHE 202, 411; BStBl II 2003, 828).

(2) Die Ansicht, aus dem Gesetzeswortlaut folge fernerhin, dass die für den Anordnungsgrund geltend gemachten Beeinträchtigungen derart schwerwiegend sein müssen, dass die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Betroffenen durch die Ablehnung der beantragten Maßnahme unmittelbar bedroht ist (vgl. BFH-Beschluss vom 22. Januar 1991 VIII B 191/90, BFH/NV 1991, 693), teilt der beschließende Senat jedenfalls für Fälle der vorliegenden Art nicht.
Denn einerseits genießt das Steuergeheimnis, welches der Antragsgegner vorliegend bei Weitergabe der Spontanauskunft verletzen würde, insofern verfassungsrechtlichen Schutz, als es Ausfluss des von der Rechtsprechung des BVerfG anerkannten Rechts auf informationelle Selbstbestimmung ist (vgl. BFH, Urteil vom 29.07.2003 a.a.O. unter Bezugnahme auf BVerfG-Urteile vom 17. Juli 1984 2 BvE 11, 15/83, BVerfGE 67, 100, und vom 15. Dezember 1983 1 BvR 209/83 u.a., BVerfGE 65, 1).
Andererseits dürfte es für einen Antragsteller nur in absoluten Ausnahmefällen möglich sein, eine durch die Verletzung des Steuergeheimnisses herbeigeführte Existenzbedrohung auch nur darzulegen. Damit wäre dem aus Art.19 Abs.4 des Grundgesetzes - GG - hergeleiteten Gebot effektiven, d.h. lücken-losen und wirksamen Rechtsschutzes (vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 16.Januar 1980 1 BvR 127, 679/78, BVerfGE 53, 115, 127, und vom 17.März 1988 2 BvR 233/84, BVerfGE 78, 88, 99) in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise nur unvollständig genügt.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

IV.

Der Senat lässt gemäß § 128 Abs. 3 FGO die Beschwerde gegen die getroffene Entscheidung zu, denn der Rechtsstreit hat nach Auffassung des Senates grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

Eine Sache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn die für die Beurteilung des Streitfalles maßgebende Rechtsfrage das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. BFH vom 17. September 1974 VII B 112/73, BStBl II 1975, 196).
Die genannten Erfordernisse sind im Streitfall in zweifacher Weise erfüllt. Denn es erscheint im Interesse der Allgemeinheit klärungsbedürftig, ob
1. die Finanzverwaltung Spontanauskünfte nach den zitierten Vorschriften entgegen den Gründen des Beschlusses im Interesse einer möglichst effektiven Besteuerung dennoch "auf Vorrat" erteilen darf;
2. die Verletzung des Steuergeheimnisses unter erleichterten Voraussetzungen die Annahme eines Anordnungsgrundes rechtfertigt.

RechtsgebieteAO, BGB, FGO, DBA USA, GGVorschriften§ 30 Abs 2 AO, § 30 Abs 4 Nr 2 AO, § 117 Abs 2 AO § 1004 Abs 2 BGB Art 26 Abs 1 S 1 DBA USA § 114 Abs 1 S 1 FGO Art 19 Abs 4 GG

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