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25.01.2005 · IWW-Abrufnummer 042792

Finanzgericht Hamburg: Urteil vom 09.07.2004 – VII 52/02

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Rev. Az: IX R 33/04

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Nichtanerkennung von Spekulationsverlusten aus Wertpapiergeschäften.

Die Klägerin erzielte in 1998 Einkünfte aus Kapitalvermögen und aus Vermietung und Verpachtung sowie sonstige Einkünfte. Unter anderem tätigte sie eine Anzahl von Wertpapierankäufen und ?verkäufen, bei denen sie sowohl Gewinne als auch Verluste erzielte. Dabei erfolgten die folgenden Wertpapiergeschäfte, in dem am selben Tag Aufträge für den Verkauf und den Kauf der gleichen Anzahl von Wertpapieren erteilt wurden und in deren Folge die Wertpapiere zu identischen Kursen verkauft und gekauft wurden. Durch den Verkauf wurden jeweils Verluste erzielt.

Titel/WKN Stückzahl Verkauf am Rückerwerb am Verlust in DM
A / ... 5.000 25.09.1998 25.09.1998 34.739,99
B / ... 2.000 09.12.1998 09.12.1998 2.667,93
C / ... 1.000 09.12.1998 09.12.1998 30.500,70
D / ... 400 09.12.1998 09.12.1998 23.990,14
E / ... 1.000 09.12.1998 09.12.1998 6.662,00
F / ... 2.500 09.12.1998 09.12.1998 57.018,00
G / ... 1.500 09.12.1998 09.12.1998 39.965,80
Summe 195.544,56

Der Beklagte sah darin einen Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten und berücksichtigte die Verluste aus diesen Geschäften nicht. Nachdem der Beklagte die Einkommensteuer für 1998 zunächst mit Bescheid vom 7.7.2000 auf ... DM festgesetzt hatte, änderte er mit Bescheid vom 31.7.2000 die Einkommensteuer für 1998 unter Zugrundelegung eines zu versteuernden Einkommens von ... DM auf ... DM. Hierauf anzurechnen waren Kapitalertragsteuer in Höhe von 96.886 DM sowie Körperschaftsteuer in Höhe von ... DM. Der Beklagte hatte die Einkünfte aus Spekulationsgeschäften mit Wertpapieren mit 235.304 DM berechnet.

Mit Schreiben vom 1.8.2000 hatte die Klägerin gegen den Einkommensteuerbescheid für 1998 Einspruch eingelegt. Die Spekulationsgewinne seien um 195.544,56 DM zu hoch festgesetzt. Die Wertpapiere seien zwar am gleichen Tag verkauft und zurückgekauft worden. Da es jedoch auf die Beweggründe des Steuerpflichtigen nicht ankomme, seien die entstandenen Spekulationsverluste anzuerkennen. Mit Einspruchsentscheidung vom 24.1.2002 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück.

Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin mit Schreiben vom 15.2.2002, eingegangen am 18.2.2002, Klage erhoben. Der von ihr vorgenommene Verkauf und Kauf von Wertpapieren am gleichen Tag, um Veräußerungsverluste innerhalb der Spekulationsfrist zu erzielen, sei unstreitig. Entgegen der Auffassung des Beklagten liege darin jedoch keine missbräuchliche Gestaltung. Der § 23 Einkommensteuergesetz (EStG) erfasse die steuerpflichtigen privaten Veräußerungsgeschäfte ausschließlich nach objektiven Tatbeständen. Auch das Bundesverfassungsgericht (Urteil vom 9.7.1969, BStBl II 1970 S. 156) habe subjektive Tatbestandsmerkmale für die Steuerpflicht nach § 23 EStG ausdrücklich verneint. Dem Steuerpflichtigen werde die zeitliche Gestaltung des Kaufs und Verkaufs von Wertpapieren gerade zugebilligt. Um die Besteuerung von Gewinnen zu vermeiden, könne der Steuerpflichtige genau den im Gesetz angegebenen Zeitraum verstreichen lassen, ohne dass ihm missbräuchliche Gestaltung vorgeworfen werde. Daher könne demjenigen, der den Kauf und Verkauf genau innerhalb des gesetzlichen Zeitraums durchführe, um Verluste geltend zu machen, diese Gestaltungsmöglichkeit nicht abgesprochen werden. § 42 der Abgabenordnung (AO) werde dann angewandt, wenn das Steuergesetz etwas vorgebe und dies durch rechtliche Gestaltung umgangen werde. Eine solche Vorgabe fehle aber in § 23 EStG. Darüber hinaus werde der Annahme des Beklagten, dass die gewählte Gestaltung unangemessen sei, auch deshalb widersprochen, weil der Verkauf und Kauf der Wertpapiere am Börsenplatz Frankfurt durchgeführt worden sei und sie deshalb selbst bei taggleichen Geschäften ein durchaus realistisches Kursrisiko getragen habe. Dass Kursverluste realisiert würden, sei ebenfalls nicht unangemessen und werde auch von anderen verständigen Parteien täglich praktiziert und auch gerade aus steuerlichen Gründen.

Die Klägerin verzichtete auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Aus dem Vorbringen der Klägerin ergibt sich der Antrag,
den Einkommensteuerbescheid 1998 vom 31.7.2000 und die Einspruchsentscheidung vom 24.1.2002 in der Weise zu ändern, dass das zu versteuernde Einkommen um 195.544 DM auf ... DM herabgesetzt wird.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

In dem Verkauf und dem Kauf identischer Wertpapiere am selben Tag und zum gleichen Kurswert liege ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten, da eine erfolgte Maßnahme nach Erreichung des steuerlichen Vorteils sofort wieder rückgängig gemacht worden sei. Die von der Klägerin gewählte Gestaltung sei allein aus Gründen der Steuerersparnis gewählt worden.

Der Beklagte verzichtete ebenfalls auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Dem Gericht hat Band X der Einkommensteuerakten und Band I der Rechtsbehelfskaten zu der Steuernummer ... vorgelegen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Das Gericht konnte gem. § 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis gegeben haben.

Die zulässige Klage hatte keinen Erfolg. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 1998 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Beklagte hat zu Recht die Verluste aus den Verkäufen von Wertpapieren, die am selben Tag zu identischen Kursen zurückgekauft worden sind, bei der Festsetzung der Einkommensteuer nicht berücksichtigt, denn insoweit liegt ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten vor.

Die Verluste aus den hier streitigen Wertpapierverkäufen können nicht mit Gewinnen aus Wertpapierverkäufen verrechnet werden. Nach § 23 Abs. 3 Satz 4 EStG dürfen Verluste aus Spekulationsgeschäften nur bis zur Höhe des Spekulationsgewinns, den der Steuerpflichtige im gleichen Kalenderjahr erzielt hat, ausgeglichen werden; sie dürfen nicht nach § 10d EStG abgezogen werden.

Im Streitjahr 1998 hatte die Klägerin Spekulationsgewinne erzielt, die die geltend gemachten Spekulationsverluste übersteigen, sodass es in diesem Verfahren nicht darauf ankommt, ob das Abzugsverbot gemäß § 10d EStG verfassungsgemäß ist oder nicht. Die Spekulationsverluste aus den streitigen Wertpapierverkäufen sind jedoch nicht mit den Spekulationsgewinnen auszugleichen, weil insoweit ein Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten vorliegt.

Nach § 42 AO kann durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das Steuergesetz nicht umgangen werden. Liegt ein Missbrauch vor, so entsteht der Steueranspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht.

Ein Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten liegt nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die zur Erreichung des angestrebten wirtschaftlichen Ziels unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche außersteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist. Dem Tatbestand des § 42 AO liegt das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal zu Grunde, dass der Steuertatbestand entweder ausdrücklich an Gestaltungen des Rechts anknüpft oder solche Gestaltungen jedenfalls mittelbar in der Weise erfasst, dass es auf sie ankommt, weil das Gesetz eine bestimmte rechtliche Gestaltung zur Erreichung bestimmter wirtschaftlicher Ziele für typisch hält oder mit einer bestimmten rechtlichen Gestaltung einen begünstigten Zweck verfolgt (vgl. Tipke/Kruse, AO, Kommentar, § 42 Rn. 24 f. m.w.N.).

Zutreffend gehen die Beteiligten davon aus, dass es für die Anerkennung von Spekulationsverlusten nicht auf den Grund einer Veräußerung ankommt. Die Steuerpflicht nach § 23 EStG knüpft ausschließlich an das Vorliegen objektiver Umstände an und erfordert nicht das Vorliegen weiterer subjektiver Merkmale (vgl. BVerfG, Urteil vom 9.7.1969, BStBl II 1970 Seite 156). Dementsprechend kann es nicht darauf ankommen, mit welcher Absicht die Klägerin Wertpapiere verkauft hat. Dennoch setzt die Anerkennung des Spekulationsverlustes voraus, dass ein Veräußerungsvorgang vorliegt, denn Gewinn oder Verlust aus Spekulationsgeschäften ist der Unterschied zwischen dem Veräußerungspreis einerseits und den Anschaffungskosten und den Werbungskosten andererseits (§ 23 Abs. 3 Satz 1 EStG).

Die Berücksichtigung eines Spekulationsverlustes gemäß § 23 Abs. 3 Satz 4 EStG knüpft danach an den wirtschaftlichen Vorgang der Veräußerung von Wertpapieren in der Weise an, dass das Gesetz hierbei typischerweise davon ausgeht, dass eine Veräußerung tatsächlich erfolgen sollte und wirtschaftlich auch stattfindet. Im vorliegenden Fall ist die Veräußerung wirtschaftlich durch den Rückkauf der gleichen Wertpapiere negiert worden. Durch den gleichzeitig erteilten Kaufauftrag wird zum Ausdruck gebracht, dass die Klägerin die Aktien weiterhin halten wollte. Zwar hat sie einen Verkaufauftrag erteilt, jedoch durch den gleichzeitig erteilten Kaufauftrag sichergestellt, dass sie die Wertpapiere sogleich wieder erwirbt und in ihrem Bestand behält. Wirtschaftlich ging es ihr ? wie auch nicht bestritten wird ? allein darum, durch eine Veräußerung steuerlich wirksam Verluste zu erzielen ohne jedoch im Ergebnis die Wertpapiere abgeben zu wollen. Die rechtliche Gestaltung durch den hier streitgegenständlichen Verkauf und Kauf der gleichen Wertpapiere sollte danach nur steuerlichen Zwecken dienen ohne in wirtschaftlichen oder anderen außersteuerlichen Gründen eine Rechtfertigung zu haben.

Es ist im übrigen zweifelhaft, ob die Klägerin tatsächlich auch ein Kursrisiko eingegangen ist, denn durch einen gleichzeitig erteilten Verkaufs- und Kaufauftrag über jeweils denselben Börsenplatz kann dieses Risiko wenn nicht sogar buchungstechnisch gänzlich, so doch möglicherweise nahezu ausgeschlossen worden sein. Im vorliegenden Fall ist weder dargelegt oder sonst ersichtlich, dass tatsächlich ein Kursrisiko bestand. Allein aus dem erteilten Verkaufs- und Kaufauftrag für einen Handel über einen Börsenplatz folgt dieser noch nicht.

Diente die rechtliche Gestaltung der Wertpapierverkäufe nur dem Zweck in wirtschaftlich unangemessener Weise Spekulationsverluste realisieren zu können, so liegt darin ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten, mit der Folge, dass der Steueranspruch so entsteht, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen Gestaltung entsteht, also ein Verkauf und Rückkauf der betroffenen Wertpapiere nicht erfolgt ist.

Die Klägerin trägt gem. § 135 Abs. 1 FGO die Kosten des Verfahrens. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 FGO liegen vor.

RechtsgebietEStGVorschriften§ 23 EStG

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