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28.10.2004 · IWW-Abrufnummer 042782

Landgericht Köln: Urteil vom 29.09.2004 – 23 S 42/04

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


In dem Rechtsstreit

XXX

hat die 23. Zivilkammer des Landgerichts Köln aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18.08.2004
durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht Dr. Ackermann-Trapp, den Richter am Landgericht Sturhahn und die Richterin Dr. Klein

für Recht erkannt:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 30.03.2004 verkündete Urteil des Amtsgerichts Köln ? 146 c 185/03 ? abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2726,85 ? nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2003 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert beträgt 2726,85 ?

Gründe:

I. Der Kläger, der bei der Beklagten eine Krankenversicherung unterhält, ist seit dem 01.07.1998 zu dem Tarif ECO 2500 versichert. Dieser Tarif sieht eine Erstattung zahnärztlicher Leistungen zu 90 % unter Zugrundelegung einer sogen. Sachkostenliste, auf deren Inhalt Bezug genommen wird (GA 8, 7), vor. Der Kläger unterzog sich im Jahre 2002 einer zahnärztlichen Behandlung, die ihm mit einem Gesamtbetrag von 12.135,46 ? in Rechnung gestellt wurde. Hierin enthalten war ein Laborkostenanteil von insgesamt 6.572,22 ?, auf den die Beklagte unter Zugrundelegung des tariflichen Erstattungssatzes und der Sachkostenliste einen Betrag von 2.726,85 ? nicht erstattete. Dieser Betrag ist Gegenstand der vorliegenden Klage, nachdem der Kläger die Beklagte vorprozessual mit anwaltlichem Schreiben vom 28.01.2003 vergeblich zur Zahlung aufgefordert hatte.

Der Kläger beruft sich auf die Unwirksamkeit der Sachkostenliste gemäß § 307 BGB.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Der Kläger beantragt,

wie erkannt ?

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte macht geltend, die Einbeziehung der Sachkostenliste sei auch unter dem Regelungsgehalt des § 307 BGB wirksam. Diese Liste bestimme abschließend die übliche und angemessene Vergütung von zahnlabortechnischen Leistungen.

Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 18.08.2004 einen Hinweis erteilt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II. Die in formeller Hinsicht unbedenkliche Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts war die Beklagte nicht berechtigt, die in Rede stehenden labortechnischen Leistungen unter Zugrundelegung der sogen. Sachkostenliste zu kürzen.

Die Sachkostenliste respektive der mit ihr verbundenen Regelungsinhalt ist intransparent im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

Die Sachkostenliste beruht auf dem zum 01.01.1998 weggefallenen und sodann am 01.01.1999 wieder eingeführten bundeseinheitlichen Leistungsverzeichnis zahntechnischer Leistungen (sogen. BEL-Liste), auf deren Grundlage nach der ständigen Rechtsprechung der Kammer nicht abgerechnet werden darf. Hierzu hatte die Kammer in der Sache folgende Erwägungen angestellt:

Dieses Leistungsverzeichnis ist nach § 88 SGB V für die gesetzliche Krankenversicherung geschaffen worden. Dementsprechend beruht es auf Gesichtspunkten, die mit den Maßstäben der Privatversicherung nicht einschränkungslos vereinbar sind. In der amtlichen Begründung zu § 9 GOZ wird zwar ausgeführt, dass davon auszugehen sei, dass auch bei Privatpatienten die in der gesetzlichen Krankenversicherung für gewerbliche Labors und Praxislabors unterschiedlich vereinbarten Höchstpreise für zahntechnische Leistungen nicht überschritten werden dürften, da dies nicht angemessen wäre. Doch entfaltet diese vereinzelte Auffassung keine Bindungswirkung. Sie hat zudem im Text des § 9 GOZ keinen Niederschlag gefunden. Ebenso wenig findet sie in den vereinbarten Tarifbedingungen einen Ansatz. Dort ist von den in Deutschland üblichen Preisen die Rede. Daraus kann ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer einer Privatversicherung nicht ohne weiteres ableiten, dass lediglich das bei gesetzlichen Krankenversicherungen geltende Qualitätsniveau von Laborleistungen im Sinne des BEL gelten soll. Dies gilt um so mehr, als Privatversicherungen, wie auch die Beklagte, in der Öffentlichkeit damit werben, dass sie eine bessere Versorgung als die der gesetzlichen Krankenversicherung ermöglichen wollen.
Die Auffassung, dass sich die Üblichkeit an den Maßstäben des BEL ausrichten müsse, ist schließlich nicht sachgerecht. Sie verkennt die Unterschiede zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung. Die Beiträge und Leistungen werden in der gesetzlichen und in der privaten Krankenversicherung nach jeweils unterschiedlichen Gesichtspunkten errechnet und erbracht. Das BEL gilt zudem bundeseinheitlich, so dass örtliche Abweichungen aufgrund kalkulatorischer Besonderheiten der Zahnlabors nicht berücksichtigt werden können. Das Argument, 90 % aller zahntechnischen Leistungen würden im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht und nach diesem Leistungsverzeichnis abgerechnet, verkennt, dass die Üblichkeit auf die jeweilige Leistung und Qualität des Produkts bezogen ist, und dass der Privatversicherte eine höhere Qualität der Leistung erwarten darf (OLG Köln VersR 88, 302).

Jene Erwägungen gelten entsprechend auch für die hier in Rede stehende Sachkostenliste der Beklagten, auch wenn die hierin festgeschriebenen Sätze 20 % über denen der BEL-Liste liegen sollten, wie die Beklagte vorbringt. Dass auch mit den in der Sachkostenliste bezeichneten Ansätzen erhebliche Kürzungen der Aufwendungen für zahntechnische Leistungen verbunden sind, wird dem durchschnittlichen, auch aufmerksamen Versicherungsnehmer bei der Lektüre nicht unmittelbar deutlich. Vielmehr ist der Hinweis, die Liste bezeichnet abschließend die Leistungen, die von einem zahntechnischen Labor gemäß § 9 GOZ erbracht werden und in diesem Rahmen erstattungsfähig sind (Nr. 1 der ?Informationen zur Sachkostenliste?), unklar im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, da suggeriert wird, dass es sich bei den bezeichneten Ansätzen um die tatsächlichen Ansätze der Labore handelt, während in Wirklichkeit diese Ansätze ? wie im vorliegenden Fall ? höher sein können und dann eben nicht erstattungsfähig sind. Dass auf einem gesonderten Blatt an anderer Stelle der Informationen darauf hingewiesen wird, dass die zahntechnischen Labore ihre Kosten nach unterschiedlichen Grundlagen abrechnen, verschafft dem mit der Sachkostenliste verbundenen Regelungsinhalt aus Sicht der Kammer nicht die notwendige Klarheit.

Vor diesem Hintergrund sind die Kürzungen der Beklagten unberechtigt und die in Rede stehenden, im übrigen nach Grund und Höhe unstreitigen Aufwendungen zu dem tariflichen Erstattungssatz zu ersetzen, wobei die zuerkannte Zinsforderung auf den §§ 286 Abs. 1 Satz 1, 288 Abs. 1 BGB beruht.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 709 i. V. m. § 108 Abs. 1 Satz 2 ZPO.

Die Zulassung der Revision beruht auf § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO. Die Rechtssache hat grundlegende Bedeutung. Die in Rede stehende Sachkostenliste und ihre Wirksamkeit unter AGB-rechtlichen Gesichtspunkten sind Gegenstand einer Vielzahl vor der Kammer anhängiger Verfahren, die allein von der Entscheidung der maßgeblichen Rechtsfrage abhängig sind.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 3 ZPO.

RechtsgebieteVersicherungsrecht, GebührenrechtVorschriftenSGB V GOZ BGB BEL ZPO

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