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09.01.2004 · IWW-Abrufnummer 040111

Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern: Urteil vom 21.08.2002 – 3 K 284/00

1. Es ist unzulässig, die Vernehmung zu einer Straftat dazu zu verwenden, vom Beschuldigten eine Aussage über andere Straftaten zu erlangen, solange ihm zu jenen der Tatvorwurf nicht eröffnet worden ist.


2. Bei Vorermittlungen ist dem Betroffenen zu eröffnen, wozu er befragt werden soll, und er ist darüber zu belehren, dass er die Aussage verweigern kann, wenn er sich sonst der Gefahr einer Bestrafung aussetzen würde.


3. Die Freiheit der Willensentschließung und der Willensbestätigung eines Betroffenen ist grundlegend beeinträchtigt, wenn er zu Äußerungen über einen Sachverhalt dadurch veranlasst wird, dass ihm der eigentliche Gegenstand der Vernehmung systematisch verschwiegen und dass er ohne Vorwarnung überrumpelt wird.



4. Aussagen, die unter Verstoß gegen Art. l Abs. l und Art. 20 Abs. 3 GG erlangt worden sind, unterliegen in der gesamten Rechtsordnung, also auch im Besteuerungsverfahren einem absoluten Verwertungsverbot.



5. Der Grundsatz der steuerlichen Gleichheit der Belastung von Steuerehrlichen und Steuerunehrlichen hat keinen Vorrang vor dem Verwertungsverbot (zum BFH - Urteil vom 23. Januar 2002 XI R 10, 11/01 BStBl II 2002, 328) .


Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern

3 K 284/00
Verkündet am: 21.8.2002

In der Rechtsache XXX

wegen Zoll-Euro, Einfuhr-Umsatzsteuer und Tabaksteuer

hat das Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern, 3. Senat durch XXX

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21.8.2002 für Recht erkannt:

Der Steuerbescheid des Beklagten vom 12. April 1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. März 2000, geändert durch Bescheid vom 22. August 2000, wird aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Die Hinzuziehung eines Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert wird für die Zeit bis zum 29. August 2000 auf 4.685,04 Euro (9.163,14 DM), für die Zeit danach auf 4.490,51 Euro (8.782,68 DM) festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich dagegen, dass der Beklagte gegen ihn Einfuhrabgaben in Höhe von 8.782,68 DM wegen angeblicher Verbringung von Zigaretten aus Polen in den Jahren 1990 bis 1998 festgesetzt hat. Der Festsetzung liegen Angaben des Klägers bei einer Vernehmung durch Beamte der Zollfahndung vom II. Januar 1999 zugrunde. Der Kläger ist demgegenüber der Ansicht, seine bei jener Vernehmung gemachten Angaben dürften für die Festsetzung von Zollabgaben gegen ihn nicht verwertet werden.

Der Kläger ist ... in Polen geboren. Er lebt seit ... in Deutschland.

Die angefochtene Abgabenfestsetzung wurde ausgelöst durch einen Aufgriff des Klägers am II. Januar 1999, bei dem festgestellt wurde, dass er mit 3.600 Zigaretten einreiste. Vorher war der Kläger bei Einreisen aus Polen am 28. April 1996 mit 13.050 Zigaretten, am 26. Januar 1997 mit 7.450 Zigaretten, am 2. Juni 1997 mit 7.250 Zigaretten und am II. Mai 1998 mit 6.050 Zigaretten aufgegriffen worden. Später wurde er am 7. Juni 1999 mit 800 Zigaretten aufgegriffen. In allen diesen sechs Fällen sind bestandskräftige Steuerbescheide ergangen.

Am II. Januar 1999 um 10.00 Uhr forderte am Zollamt L der Zollsekretär L den Kläger auf, alle mitgebrachten Waren an zumelden. Dieser gab an, er führe eine Stange Zigaretten und Lebensmittel mit sich. Bei der anschließenden Kontrolle seines Personenkraftwagens wurden durch die Zollbeamten L und B weitere 3.400 Zigaretten festgestellt. Sie waren in der hinteren Stoßstange versteckt.

Der Kläger bekannte sich zu den Zigaretten. Um 10.30 Uhr wurde ihm die Einleitung des Steuerstrafverfahrens mitgeteilt. Er wurde darüber belehrt, daß es ihm freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern. Der Kläger erklärte ausweislich des Anzeigeformulars, er wolle nicht aussagen.

Der Kläger wurde dann ab 11.30 Uhr in L vom Zollfahndungsamt R - Ermittlungsgruppe P - vernommen. Verhandlungsleiter war Zollbetriebsinspektor Sch, das Protokoll führte Zollinspektor z. A. S. Die Vernehmung endete um 13.15 Uhr.

Ausweislich des Protokolls wurde dem Kläger eröffnet, dass gegen ihn "wegen Verdachts der Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO" ein Steuerstrafverfahren eingeleitet worden sei. Er wurde darauf hingewiesen, dass es ihm freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Der Kläger erklärte, er wolle aussagen.

Nach den Fragen zur Person befasste die Vernehmung sich zunächst mit dem Vorfall vom II. Januar 1999. Die Niederschrift lautet dann weiter:

?Frage: Wie oft fahren Sie nach Polen?
Antwort: Seit 1990 fahre ich regelmäßig alle 4 Wochen nach S zum Bekanntenbesuch.

Frage: Wie oft haben Sie dabei Zigaretten nach Deutschland eingeschmuggelt?
Antwort: Im Schnitt habe ich pro Jahr drei Mal eine Mehrmenge nach Deutschland eingeschmuggelt. Bei diesen Fahrten habe ich pro Fahrt eine Mehrmenge von 8 Stangen (1.600 Stück) Zigaretten mitgebracht: Sämtliche Zigaretten habe ich zum Selbstkosten preis an meine Bekannten in Deutschland verkauft.

Frage: Pro Jahr haben Sie insgesamt 27 Stangen Zigaretten, das heißt seit 1990 insgesamt 243 Stangen Zigaretten nach Deutschland verbracht und verkauft. Am 28.04.1996, 26.01.1997 und 11.06.1998 sind Sie an verschiedenen Zollämtern an der polnischen Grenze mit jeweils wenigstens 30 Stangen Zigaretten pro Fahrt aufgegriffen worden. Könnte es nicht möglich sein, dass Sie bei den 27 Schmuggelfahrten seit 1990 nicht doch eine größere Menge an Zigaretten nach Deutschland verbracht haben?
Antwort: Ich möchte zum gesamten Sachverhalt nichts mehr sagen. Ich weiß, wenn ich jetzt weitere Aussagen mache, dass ich mir selbst ins eigene Fleisch schneide. Das einzige was ich noch sage, ist, dass ich ab dem heutigen Tage nie wieder schmuggeln werde. Mehr möchte ich nicht mehr hinzufügen.

Der Kläger verweigerte die Unterschrift unter die mit der ersten zitierten Antwort beginnende Seite 2 der Vernehmungsniederschrift. Mit Bescheid vom 12. April 1999 setzte der Beklagte die Abgabenschuld hinsichtlich der am II. Januar 1999 verbrachten 3.600 Zigaretten fest. Dieser Bescheid ist, wie gesagt, bestandskräftig .

Mit dem weiteren - im vorliegenden Verfahren angefochtenen Bescheid vom 12. April 1999 setzte der Beklagte für in den Jahren 1990 bis 1998 aus Polen eingeführte Zigaretten Einfuhrabgaben von 9.163,14 DM fest; sie gliedern sich auf in 2.962,66 DM Zoll, 4.590,-- DM Tabaksteuer und 1.610,48 DM Umsatzsteuer. Dem lag die Annahme zugrunde, der Kläger habe von 1990 bis 1995 jeweils 5.400 Stück Zigaretten (27 Stangen) ohne Entrichtung von Abgaben eingeführt. Für die Jahre 1996 bis 1998 wurden jeweils 3.600 Stück Zigaretten (18 Stangen) angenommen, unter Berücksichtigung von jeweils einem Aufgriff des Klägers in diesen Jahren.

Am 13. April 1999 rief der Kläger bei einer Sachbearbeiterin des Beklagten an. Nach deren Vermerk hat der Kläger in dem Telefonat von psychischem, geistigem und seelischem Druck gesprochen, nicht aber von einer Krankheit am Tage seiner Vernehmung.

Am 30. April 1999 erhob der Kläger mit anwaltlicher Vertretung Einspruch. In der Begründung des Rechtsbehelfs gab der Bevollmächtigte sinngemäß eine Einlassung des Klägers zu den Vorgängen vom II. Januar 1999 wieder. Darin heißt es:
"Ich wusste überhaupt nicht, was diese weitere Vernehmung sollte, da ich bereits ausweislich Blatt 3 der Akten klar zum Ausdruck gebracht hatte, von meinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen zu wollen und nicht weiter aussagen zu wollen. Ungeachtet dessen drang in der weiteren Vernehmung der Vernehmungsbeamte tiefer in mich und drängte mich zu einer Aussage, ich fühlte mich in dieser Vernehmungssituation psychisch unter Druck gesetzt, zumal der Verhandlungsleiter mir wiederholt sagte, dass er mir noch einmal helfen werde, wenn ich aussagen würde. Das würde sich auch strafmildernd für mich auswirken. Ich musste nach alledem den Eindruck gewinnen, dass es lediglich um den gerade stattgefundenen Aufgriff vom 11.01.1999 gehen sollte.
Diesen Tatbestand habe ich dann auch nochmals wie schon bereits unmittelbar anlässlich des Aufgriffs selber und der Fahrzeuguntersuchung eingeräumt. Dabei bleibe ich auch. Zu keinem Zeitpunkt war mir bei der Vernehmung durch den Verhandlungsleiter ... jedoch klar bzw. wurde mir von diesem oder einer anderen Person erläutert, dass es in der Verhandlung nicht nur um den Vorfall vom 11.01.1999 gehen sollte, sondern ich auch nach vermeintlichen Vorfällen aus der Vergangenheit befragt werden sollte, die überhaupt nicht aktenkundig sind und hinsichtlich derer überhaupt nichts gegen mich vorlag. Auch ist mir zu keinem Zeitpunkt klargemacht worden, daß meine Aussagen in irgendeiner Hinsicht auch zu Steuernachforderungen unabhängig vom laufenden Strafverfahren und den Nachforderungen ausschließlich wegen des Vorfalls vom 11.01.1999 führen könnten.
Als ich dann feststellen musste, dass mich der Verhandlungsleiter entgegen den einleitenden Beteuerungen nach meiner Auffassung täuschen und in eine Falle locken wollte, indem er mich zur Selbstbezichtigung hinsichtlich vermeintlicher Vorfälle aus den Jahren seit 1990 veranlassen wollte, habe ich die Vernehmung abgebrochen und die entsprechende Seite des Protokolls auch nicht unterschrieben. Vorsorglich widerrufe ich hiermit ausdrücklich meine von mir nicht autorisierten Aussagen aus der Vernehmung mit dem Verhandlungsleiter Sch vom 11.01.1999 ab Seite 2 dieser Niederschrift (Bl. II d. A.)."

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers würdigte den Sachverhalt dahin, dass die Eingaben des Klägers zu früheren Ereignissen nicht verwertbar seien. Die Aussage sei nicht autorisiert und ausdrücklich widerrufen worden. Sie sei unter Verstoß gegen die Grundsätze eines fairen Verfahrens unter Ausnutzung einer psychischen Notlage des Klägers zu Stande gekommen. Er habe sich am II. Januar 1999 keinesfalls zu Vorfällen außerhalb des konkreten Aufgriffs von jenem Tage äußern wollen. Ihm sei nicht bekannt gewesen und auch nicht durch einprägsame und unmissverständliche Formulierungen deutlich gemacht worden, dass Aussagen außerhalb dieses Vorfalls möglicherweise gegen ihn verwendet werden könnten. Verstärkt würden die Übervorteilungen und die mangelhafte Belehrung dadurch, dass der Kläger am II. Januar 1999 krank gewesen sei. Er habe unter starken Kopfschmerzen, Fieber und einem schweren grippalen Infekt gelitten. Diese Symptome seien durch die Aufregung anlässlich des Aufgriffs verstärkt worden. Er sei in der konkreten Situation nicht vernehmungsfähig gewesen, so dass seine Aussage auch insoweit nicht verwendet werden dürfe. Am folgenden Tag habe ihm sein Hausarzt ein Antibiotikum verschrieben, das er auch vorher schon genommen habe. Angesichts der Unverwertbarkeit der Aussage lasse sich der Nachweis der von dem Beklagten angenommenen Schmuggelfahrten zwischen 1990 und 1998 nicht führen. Es gebe keine aktenkundigen Aufgriffe und Nachweise für diese behaupteten Fahrten. Der Kläger bestreite sie nachdrücklich.

Nach seiner dokumentierten Verweigerung der Aussage gegenüber den aufgreifenden Beamten sei ihm der Sinn der neuerlichen Vernehmung bei der Zollfahndung nicht verständlich gewesen. Hätte er gewusst, daß Äußerungen gegenüber dem Fahndungsbeamten gegen ihn verwendet würden, hätte er entsprechend seiner vorher bekundeten Absicht keine weiteren Angaben gemacht. Hinzu komme, daß der Beamte Sch die Vernehmung so geschickt in ein harmloses informelles Gespräch gekleidet habe, dass ihm, der an diesem Tag krank gewesen sei und die Zusammen hänge nicht durchschaut habe, nicht bewusst gewesen sei, dass es sich um eine verantwortliche Vernehmung gehandelt habe, die gegen ihn verwendet werden könnte.

Der Kläger wurde unter dem 3. Dezember 1999 angeklagt wegen fünfzehn zwischen 1992 und 1999 begangenen selbständigen Handlungen der Steuerverkürzung. Dabei wurden (Nr. l - 12) jeweils drei Fälle der Einreise aus Polen ohne Entrichtung von Abgaben für die Jahr 1992 bis 1995 angenommen. Nummer 13 betraf den oben erwähnten Aufgriff vom II. Mai 1998 in P. Nr. 14 betraf die am II. Januar 1999 entdeckten Zigaretten. Nr. 15 betraf den ebenfalls bereits genannten Vorfall vom 7. Juni 1999 in P. Das Amtsgericht N stellte hinsichtlich der Taten l bis 12 das Verfahren gem. § 154 SIPO ein, da diese zeitlich und mengenmäßig nicht konkret genug bestimmt werden könnten; der Kläger habe seine am II. Januar 1999 gemachte Aussage widerrufen und bleibe dabei. Mit Urteil vom 13. März 2000 verurteilte das Amtsgericht N den Kläger wegen versuchter Steuerhinterziehung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 6 Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Einsatzstrafe für die Tat vom II. Januar 1999 belief sich auf 3 Monate Freiheitsstrafe.

Nach Abschluss des Strafverfahrens wies der Beklagte den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 29. März 2000 zurück. Dort ist zu den Vorgängen um die Vernehmung vom II. Januar 1999 ausgeführt:

Nach § 88 AO ermittle die Finanzbehörde den Sachverhalt von Amts wegen. Sie habe alle im Einzelfall bedeutsamen Umstände zu berücksichtigen. Der Beteiligte müsse eigene Angaben gegen sich gelten lassen, bis er das Gegenteil glaubwürdig dar gelegt habe, da im allgemeinen zu vermuten sei, daß niemand in eigener Sache unvorteilhafte Behauptungen aufstelle.

Der vom Kläger erklärte Widerruf führe nicht zu einem Verwertungsverbot im Besteuerungsverfahren. Ein Verwertungsverbot nach den strafprozessualen Vorschriften betreffe das Steuerstrafverfahren. Das Besteuerungs- und das Steuerstrafverfahren seien jedoch voneinander unabhängige, auf unter schiedlichen Rechtsgrundlagen basierende Verfahren. Einfuhr abgaben seien unabhängig von einem Steuerstrafverfahren zu fordern.

Die Angaben des Klägers in der Vernehmung unterlägen auch keinem Verwertungsverbot aufgrund eines eventuellen Verstoßes gegen die §§ 136, 136 a oder 163 a StPO. Die in § 136 Abs. l StPO vorgeschriebene Belehrung sei nachweislich Bestandteil der in Rede stehenden Vernehmungsniederschrift. Sowohl gegen über den aufgreifenden Abfertigungsbeamten als auch gegenüber den Beamten des Zollfahndungsamtes habe der Kläger jeweils mit seiner Unterschrift bestätigt, belehrt worden zu sein. Durch die Belehrung habe er sehr wohl um den Sinn und Zweck der Vernehmung durch die Beamten der Zollfahndung gewusst. Auf gesundheitliche Probleme habe der Kläger bei der Vernehmung nicht hingewiesen. Er habe im Gegenteil seine Aussagen zügig und äußerst ausführlich abgegeben, ohne dass Nachfragen nötig gewesen wären. Zudem habe er auch noch die lange Autofahrt auf sich nehmen können.

Der Kläger hat am 2. Mai 2000 Klage erhoben.

Während des gerichtlichen Verfahrens hat der Beklagte einen Steueränderungsbescheid vom 22. August 2000 erlassen. Darin hat er die Festsetzung betreffend das Berechnungsjahr 1997 um einen Fall reduziert. Das beruht darauf, dass er im ursprünglichen Bescheid für jenes Jahr nur einen Aufgriff berücksichtigt hatte; es hatte aber zwei Aufgriffe gegeben. Damit entfielen die Einfuhrabgaben für 1.800 Zigaretten in Höhe von insgesamt 380,46 DM. Es verbleibt für den gesamten Zeitraum 1990 bis 1998 die Festsetzung von 8.782,68 DM. Den Änderungsbescheid hat der Kläger am 29. August 2000 zum Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens gemacht.

Der Kläger wiederholt in der Klage sein Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren und ergänzt es in einigen Punkten:

Er habe, wie nie bestritten, die im Vernehmungsprotokoll vom II. Januar 1999 festgehaltenen Aussagen gemacht. Diese dürften jedoch gegen ihn nicht verwendet werden.

Der Zollfahndungsbeamte Sch habe ihn zu einer Aussage gedrängt unter Vorspiegelung der falschen Behauptung, dass er ihm doch nur helfen wolle. Das könne er aber nur tun, wenn er - der Kläger - aussage. Eine Aussage würde sich strafmildernd auswirken. Er habe sich dadurch psychisch unter Druck gesetzt gefühlt. Er habe wegen des Hinweises auf die mögliche Strafmilderung angenommen, dass es lediglich um den soeben stattgefundenen Aufgriff gehen solle. Da er diesen Vorwurf ohnehin bereits eingeräumt hatte, habe er sich angesichts der Versprechungen insofern für aussagebereit erklärt. Zu keinem Zeitpunkt sei ihm klar geworden oder erläutert worden, dass der Beamte offenbar die Absicht gehabt habe, ihn auch nach vermeintlichen weiteren Vorfällen aus der Vergangenheit zu befragen. Weiter sei ihm nicht bewusst gewesen, daß seine Angaben in irgendeiner Hinsicht zu weiteren Steuernachforderungen über den Vorfall vom II. Januar 1999 hinaus führen könnten. Da er den Beteuerungen des Beamten zunächst Glauben geschenkt habe und die Tragweite seines Handelns nicht habe erkennen können, habe er auch Aussagen dazu gemacht, wie oft er angeblich seit 1990 nach Polen gefahren sei und wie oft er dabei angeblich Zigaretten ohne ordnungsgemäße Anmeldung nach Deutschland verbracht habe. Erst als der Beamte dann wegen dieser Fahrten insistiert habe und weitere Einzelheiten habe wissen wollen, habe er - der Kläger - bemerkt, daß der Beamte ihn durch die Beteuerungen über Hilfe habe täuschen und in eine Falle locken wollen. Daraufhin habe er - der Kläger - die Vernehmung abgebrochen und die Unterschrift unter Blatt 2 des Vernehmungsprotokolls verweigert. Er sei an starken Kopfschmerzen, Fieber und einem schweren grippalen Infekt erkrankt gewesen. Der hochfiebrige Infekt sei am Vernehmungstag durch die Aufregung anläßlich des Aufgriffs erheblich verstärkt worden. Er sei daher nicht vernehmungsfähig gewesen, zumal er unter der Wirkung starker Antibiotika gestanden habe.

Die ihm zur Last gelegten Schmuggelfahrten in den Jahren 1990 bis 1998 seien nicht bewiesen. Es lasse sich nicht feststellen, wann, mit welchem Fahrzeug und an welchem Ort die angeblichen drei Fahrten jährlich gewesen sein sollten. Bestehe aber kein hinreichend konkretisierter Lebenssachverhalt für jede einzelne angebliche Tat, so bleibe kein Raum für eine Sanktionierung; das gelte sowohl für das Strafrecht als auch für das Steuerrecht.

Die rechtskräftige Einstellung des Strafverfahrens durch das Amtsgericht N am 13. März 2000 hinsichtlich der hier in Rede stehenden angeblichen Taten entfalte Bindungswirkung für das vorliegende Verfahren. Ferner lasse sich die Aussage in der Vernehmung auch deshalb nicht verwerten, weil er - der Kläger - sie nicht autorisiert und nicht unterschrieben sowie inzwischen ausdrücklich widerrufen habe.

Die Angaben aus dem Protokoll der Vernehmung gegenüber dem Zollbeamten Sch könnten auch deshalb nicht verwertet werden, weil sie unter Verstoß gegen die Grundsätze eines fairen Verfahrens und unter Ausnutzung einer psychischen Notlage zustande gekommen seien. Er - der Kläger - sei nicht vernehmungsfähig gewesen. Der Beamte Sch habe ihn durch Vorspiegelung falscher Tatsachen und Täuschung zu seiner Aus sage gebracht. Den Verlockungen einer Strafmilderung und den Vernehmungsmethoden sei er aufgrund mangelnder Rechtskenntnisse, seiner Erkrankung und der allgemeinen Nervosität nicht gewachsen gewesen. Er habe nicht durchschauen können, dass es den Beamten offenbar nur darauf angekommen sei, ihn zu weiteren Selbstbezichtigungen außerhalb der Tat vom II. Januar 1999 zu verleiten. Dem Beamten hätte sich die Rechtswidrigkeit aufdrängen müssen, weil er gewußt habe, dass der Kläger diesen Vorfall bestätigt hatte, ansonsten aber keine weiteren Angaben habe machen wollen. Unter Berücksichtigung dieser Umstände könne auch von einer ordnungsgemäßen Belehrung keine Rede sein, so dass unter diesem Aspekt eben falls ein Verwertungsverbot bestehe.

Zur Höhe macht der Kläger vorsorglich geltend, daß von den neun Stangen jeweils eine Stange als Freimenge abzuziehen sei; er habe nicht etwa eingeräumt, die Freimengen ebenfalls in Deutschland verkauft zu haben.

Der Kläger beantragt,
den Steuerbescheid des Beklagten vom 12. April 1999 ... - in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. März 2000, geändert durch Bescheid vom 22. August 2000, aufzuheben,
die Hinzuziehung eines Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Er tritt auf der Grundlage der Einspruchsentscheidung und in deren Ergänzung dem Vorbringen des Klägers entgegen:

Die - teilweise - Einstellung des Strafverfahrens nach § 154 StPO sei für die Besteuerung ohne Belang.

Zu den einzelnen Taten bestehe ein hinreichend konkretisierter Lebenssachverhalt. Der Kläger habe alle für die Steuerbegründung erforderlichen Angaben (Menge der in das Zollgebiet verbrachten Zigaretten, Zeitraum des Verbringens, Person des Verbringers) in seiner Vernehmung vom II. Januar 1999 detailliert zu Protokoll gegeben.

Sofern der Kläger sich über die erneute Vernehmung verwundert zeige, sei diese angesichts seiner einschlägigen Vortaten als - wie sich in der Folge gezeigt habe - zweckmäßig erschienen und habe im pflichtgemäßen Ermessen der Finanzbehörde gelegen.

Der Kläger sei ordnungsgemäß belehrt worden, was er auch unterschriftlich bestätigt habe. Soweit ihm für den Fall eines Geständnisses eine Strafmilderung in Aussicht gestellt worden sei, sei dieser Strafrechtsgrundsatz auf das Be steuerungsverfahren nicht übertragbar, da die Steuer immer in der gesetzlich geschuldeten Höhe entstehe.

Ohne Zweifel bestehe auch für die Zollfahndung das strenge Gesetzmäßigkeitsprinzip. Insofern sei dem Kläger zuzustimmen, dass Aussagen, die unter Verletzung des Beweismethodenverbots des § 136 a StPO zustande gekommen seien, nicht verwendet werden dürften. Das könne hier jedoch dahingestellt bleiben, da gegen ihn am II. Januar 1999 keine verbotenen Vernehmungsmethoden angewendet worden seien. Nach der raffinierten Schmuggelmethode an jenem Tage und der Überprüfung der bereits gespeicherten Straftaten sei -dem Beklagten klar gewesen, dass es sich beim Kläger um einen notorischen Schmuggler handle. Danach hätten aus der Erfahrung des Beklagten resultierende Anhaltspunkte dafür bestanden, dass der Kläger gegebenenfalls nicht nur an den Tagen der Aufgriffe Steuer fälle verwirklicht habe. Der Beklagte habe somit das örtlich zuständige Zollfahndungsamt gemäß § 208 AO mit der Ermittlung der gegebenenfalls verwirklichten, aber noch unbekannten Steuerfälle beauftragen dürfen. In einem Strafverfahren könne es mehrere Vernehmungen geben. Der Kläger hätte vor der zweiten Vernehmung dabei bleiben können, nicht auszusagen. Wenn er sich aber zur Aussage entschlossen habe, sei es Pflicht der Beamten gewesen, alle relevanten straf- und steuerrechtlichen Umstände zu erfragen. Regelmäßig belasteten Beschuldigte sich in solchen Fällen selbst. Im Strafverfahren könnten freiwillige Angaben bzw. Geständnisse strafmildernd wirken.

Zur Höhe hält der Beklagte eine Gewährung von Freimengen nicht für geboten. Die Einfuhren hätten sich nicht aus schliesslich aus Waren zusammengesetzt, die zum persönlichen Gebrauch bestimmt gewesen seien.

Die Festsetzungsverjährung sei, da es sich um Fälle der Steuerhinterziehung handele, noch nicht eingetreten.

Der Senat hat eine Auskunft des Hausarztes des Klägers über dessen Gesundheitszustand am II. Januar 1999 eingeholt.

Ferner haben sich auf Anfrage des Senats die beiden Beamten der Zollfahndung in einer gemeinsamen Stellungnahme zum Ablauf der Vernehmung geäußert (Bl. 78 f. d. A.). Der Kläger hat hierzu Stellung genommen (Bl. 81-83 d. A.).

In der mündlichen Verhandlung hat der Senat den Kläger informatorisch angehört und gemäß den Beschlüssen vom 26. September 2001 und 15. August 2002 Beweis erhoben über den Ablauf und den Inhalt der Vernehmung des Klägers durch das Zollfahndungsamt R - Ermittlungsgruppe P - am 11. Januar 1999. Er hat zum Beweisthema den Zollbetriebsinspektor Sch und den Zollinspektor S als Zeugen vernommen (Bl. 151 161 d. A.).

Gegenstand der mündlichen Verhandlung sind außer der Gerichtsakte die Verwaltungsvorgänge betreffend den II. Januar 1999 gewesen.

Entscheidungsgründe

Gegenstand der Klage ist der Änderungsbescheid vom 22. August 2000. Der Kläger hat diesen Bescheid am 29. August 2000 zum Gegenstand der Klage gemacht. Damit ist dem § 68 Finanz gerichtsordnung (FGO) in der damals geltenden Fassung genügt.

Die zulässige Klage ist begründet. Der gegen den Kläger ergangene Bescheid ist rechtswidrig; daher verletzt er ihn in seinen Rechten, § 100 Abs. l Satz l FGO.

Die Beamten der Zollfahndung haben bei der Vernehmung des Klägers am II. Januar 1999 zu dessen Nachteil gegen zwingende Vorschriften der Strafprozessordnung (StPO) - nämlich gegen § 136 und insbesondere §136 a- verstoßen. Daraus folgte ein Verwertungsverbot im Strafverfahren. Das Verwertungsverbot besteht auch im Besteuerungsverfahren.

Die Festsetzung der Einfuhrabgaben im angefochtenen Bescheid wäre nur dann rechtmäßig, wenn nachgewiesen wäre, dass der Kläger in den Jahren 1990 bis 1998 auch in anderen Fällen als denjenigen, in denen er an der Grenze aufgegriffen worden ist, unerlaubt Zigaretten aus Polen nach Deutschland eingeführt hat. Stünde dies fest, könnten gegebenenfalls die Besteuerungsgrundlagen nach § 162 AO geschätzt werden, soweit der Kläger seiner Mitwirkungspflicht aus § 90 Abs. l AO nicht nachkäme.

Dieser Nachweis ließe sich hier nur dadurch führen, dass der Kläger selbst sich - glaubhaft - dazu bekennen würde, in diesen Jahren weitere grenzüberschreitende Fahrten unter illegaler Mitnahme von Zigaretten, auf denen eine Abgabenfestsetzung aufbauen könnte, durchgeführt zu haben. Angaben über solche Fahrten hat der Kläger am II. Januar 1999 bei der Vernehmung durch zwei Beamte des Zollfahndungsamtes geliefert. Werden diese hinweg gedacht, so fehlt aber eine hinreichende tatsächliche Grundlage für die Festsetzung von Einfuhrabgaben.

Dann lässt sich nur festhalten: Der Kläger ist von 1990 bis 1995 nicht vom Zoll aufgegriffen worden; jedenfalls sind Aufgriffe nicht dokumentiert. Dann kam es 1996 zu einem Aufgriff, 1997 zu zwei Aufgriffen, 1998 zu einem Aufgriff und 1999 nach dem II. Januar jenes Jahres zu einem Aufgriff. Aus der Art des vom Kläger am II. Januar 1999 gewählten Verstecks kann die Einschätzung hergeleitet werden, dass er mit einer gewissen Raffinesse zu Werke ging. Das mag für Erfahrung beim Schmuggeln sprechen. Die einschlägige Erfahrung belegen bereits die Aufgriffe, zu denen es zuvor gekommen war. Diese Aufgriffe genügen aber nicht, über eine Vermutung hinaus Gewissheit darüber zu gewinnen, dass und in welcher Anzahl ? der Kläger in den Jahren der Aufgriffe weitere Straftaten nach § 370 Abgabenordnung (AO) begangen hat. Erst recht geben die Aufgriffe ab 1996 keine Grundlage für eine die Festsetzung von Abgaben tragende Überzeugung dahin, dass der Kläger bereits vor 1996, dem Jahr seines ersten Aufgriffs, unerlaubt Zigaretten in das Bundesgebiet verbracht hat.

Nach Lage der Dinge hängt somit die Entscheidung des Rechtsstreits davon ab, ob die Aussage des Klägers über weitere illegale Einfuhren von Zigaretten, die er in der Vernehmung vom II. Januar 1999 gemacht hat, für die Besteuerung verwertbar ist. Würde dies bejaht, würde sich die weitere Frage stellen, ob die diesbezüglichen Angaben des Klägers in jener Vernehmung glaubhaft sind. Insofern hat der Kläger darauf hingewiesen, daß er wegen der Einnahme von Medikamenten nicht vernehmungsfähig gewesen sei. Darauf braucht der Senat indessen nicht einzugehen. Denn - unabhängig von eventuellen gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers - ist seine Aussage deshalb nicht verwertbar ist, weil bei seiner Vernehmung ihm zustehende grundlegende Verfahrensrechte nicht beachten worden sind.

Aus sonstigen Umständen lässt sich eine Gewissheit über weitere Fälle der unerlaubten Einfuhr von Zigaretten durch den Kläger nicht gewinnen. Weder im Einspruchsverfahren noch im Klageverfahren hat er jemals zugegeben, die ihm angelasteten Straftaten, welche die Grundlage des angefochtenen Bescheides bilden, begangen zu haben.

Die Aussagen des Klägers, die über seine Äußerungen zu der Straftat vom II. Januar 1999 hinausgehen, sind nicht verwertbar, weil ihm gegenüber elementare Rechte, die einem Beschuldigten im Strafverfahren zustehen, nicht beachtet worden sind. Es ist grundlegend zu beanstanden, dass die Vernehmung vom II. Januar 1999 als eine sich auf den Vorfall von jenem Tage beziehende Vernehmung deklariert worden ist, sich tatsächlich jedoch im Schwerpunkt auf - angebliche Straftaten zu anderen Zeiten bezogen hat, ohne dass dies dem Kläger offenbart worden wäre. In Bezug auf diesen weiteren Gegenstand der Vernehmung sind die Beamten der Zollfahndung über die prozessualen Rechte des Klägers hinweggegangen. Sie haben seine elementaren Rechte durch eine rechtlich unzulässige Vernehmung überspielt. Sie haben hinsichtlich der weiteren dem Kläger angelasteten Straftaten gegen § 404 Satz l AO in Verbindung mit § 163 a Abs. 4 Sätze l und 2 sowie §136 a Abs. l Sätze l und 3 StPO verstoßen. Daraus folgt ein Verbot, die diesbezüglichen Aussagen im Strafverfahren und im Besteuerungsverfahren zu verwerten.

Hinsichtlich jener weiteren - angeblichen - Straftaten haben die Beamten der Zollfahndung versäumt, den Tatvorwurf zu eröffnen. Sie hätten dem Kläger vor seiner Vernehmung über andere Straftaten als diejenige vom II. Januar 1999 eröffnen müssen, dass ihm diese Taten vorgeworfen werden. Nach der Befugnisnorm des § 404 Satz l AO haben die Zollfahndungsämter und ihre Beamten im Strafverfahren wegen Steuerstraftaten dieselben Rechte und Pflichten wie die Behörden und Beamten des Polizeidienstes nach den Vorschriften der Strafprozessordnung. Den Beamten des Polizeidienstes schreibt § 163 a Abs. 4 Satz l StPO vor, dass sie den Beschuldigten bei seiner ersten Vernehmung zu eröffnen haben, welche Tat ihm zur Last gelegt wird. Dies stimmt mit der entsprechenden Pflicht des Gerichts und der Staatsanwaltschaft aus § 136 Abs. l Satz l StPO überein, mit der Abweichung, dass die Polizeibeamten und ebenso die Beamten der Zollfahndung nicht auch die in Be tracht kommende Strafvorschriften zu eröffnen brauchen, was vorliegend allerdings geschehen ist. Auch für sie gilt jedoch, dass sie dem Beschuldigten zu eröffnen haben, "welche Tat ihm zur Last gelegt wird".

Die Eröffnung des Tatvorwurfs dient dem Schutz des Beschuldigten. Mit der zwingenden Regelung des § 136 Abs. l Satz l StPO hat der Gesetzgeber - bewusst in Kauf nehmend, dass dies kriminalistisch oft unzweckmäßig ist - sich für eine Vernehmungsmethode entschieden, bei der aus rechtsstaatlichen Gründen das volle rechtliche Gehör für den Beschuldigten dadurch gesichert wird, dass er von vornherein weiß, was ihm vorgeworfen wird (Hanack in Löwe/Rosenberg, StPO, 25. Aufl. 1997, § 136 Rdnr 16). Deshalb muss der Sachverhalt mindestens in groben Zügen soweit mitgeteilt werden, dass der Beschuldigte sich sachgerecht verteidigen kann (Pfeiffer, StPO und GVG, 3. Aufl. 2001, § 136 StPO Rdnr 3). Die Eröffnung des Tatvorwurfs muss so bestimmt sein, dass der Beschuldigte keinen Zweifel über den Gegenstand der Vernehmung haben kann; er muss den Tatvorwurf so genau kennen, dass er sich gegen ihn verteidigen, insbesondere entscheiden kann, ob es für ihn günstiger ist zu reden oder zu schweigen (Hanack aaO. Rdnr 17).

Aus der Schutzfunktion, den die Eröffnung des Tatvorwurfs hat, folgt, dass es unzulässig ist, die Vernehmung zu der einen Tat dazu zu verwenden, vom Beschuldigten Äußerungen über eine andere Tat zu erlangen, solange ihm zu jener der Tatvorwurf noch nicht eröffnet worden ist. Hanack (aaO. Rdnr 18, m.w.N.) bezeichnet dies zu Recht als "selbstverständlich" .

Gerade dies ist bei der Vernehmung des Klägers bewusst außer Acht gelassen worden. Der Vernehmungsbeamte Sch hat als Zeuge in der mündlichen Verhandlung des Senats auf gerichtliche Fragen bekundet, er habe dem Kläger gesagt, dass er mit ihm "über den Tatbestand, der am Tage dort passiert ist," sprechen wolle; die Erörterung weiterer Fahrten des Klägers zwischen Polen und Deutschland sei "das, was sich dann während der Vernehmung ergeben hat - "

Ausweislich der Vernehmungsniederschrift hat der Beamte, nachdem der Kläger die Frage zu dem Vorfall vom II. Januar 1999 beantwortet hatte, mit der Frage "Wie oft fahren sie nach S ?" auf Sachverhalte jenseits des eröffneten Tatvorwurfs übergeleitet. An die Antwort des Klägers, er fahre regelmäßig alle vier Wochen nach S, schloss er sofort die weitere Schmuggeltätigkeit des Klägers von vornherein annehmend - Suggestivfrage an: "Wie oft haben sie dabei Zigaretten nach Deutschland eingeschmuggelt?" Unmittelbar auf diese Frage offenbarte der Kläger angebliche weitere Schmuggelfahrten.

Um den § 163 a Abs. 4 Satz l StPO Genüge zu tun, hätte der Beamte spätestens nach der Mitteilung des Klägers, er reise regelmäßig nach Polen, diesen darauf hinweisen müssen, dass er nunmehr darüber vernommen werden solle, ob er auch auf früheren Fahrten in bisher nicht aufgedeckten Fällen illegal Zigaretten in die Bundesrepublik Deutschland verbracht habe.

§ 163 a Abs. 4 Satz l StPO schreibt die Belehrung über den den Tatvorwurf in einem Strafverfahren vor. Die Belehrungspflicht besteht mithin, sobald hinsichtlich des Tatvorwurfs ein Strafverfahren eingeleitet wird.

Hier dürften bereits vor den Äußerungen des Klägers zu weiteren gleichartigen Straftaten die Voraussetzungen für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens vorgelegen haben. Gemäß § 404 Satz l AO in Verbindung mit § 152 Abs. 2 StPO besteht für die Ermittlungsbehörden eine Pflicht zum Einschreiten gegen alle verfolgbaren Straftaten, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorhanden sind (sogenannter Anfangsverdacht).

Wann ein Anfangsverdacht vorliegt, lässt sich allgemein kaum definieren. Es müssen auf Tatsachen beruhende Anhaltspunkte gegeben sein. Das bedeutet, dass konkrete, hinsichtlich eines Beschuldigten festgestellte Tatsachen den Schluss zulassen, i dass eine weitere Straftat in Betracht kommt. Die tatsächlichen Anhaltspunkte müssen hinreichend sein. Das bedeutet, dass es nach kriminalistischer Erfahrung gerechtfertigt sein muss, aus ihnen mit einem gewissen Grad von Wahrscheinlichkeit auf das Vorliegen einer Straftat zu schließen. Dabei steht der Strafverfolgungsbehörde ein gewisser Beurteilungsspielraum zu (vgl. zum Ganzen Gast-de Haan in Franzen/Gast/ Joecks, Steuerstrafrecht, 5. Aufl. 2001, § 397 AO Rdnr 39 f).

Vorliegend konnten die hinsichtlich des Klägers schon vor Beginn der Vernehmung durch die Zollfahndung festgestellten Tatsachen die Annahme nahe legen, dass er noch weitere gleichartige Straftaten begangen habe. Die Art des gewählten Verstecks sprach nach kriminalistischer Erfahrung dafür, dass es sich beim Kläger um einen erfahrenen Schmuggler handelte. Ferner war durch Datenabfrage vor der Vernehmung bekannt, dass Zollbeamte ihn mehrfach bei der unerlaubten Einfuhr von Zigaretten aufgegriffen hatten. Dies durfte bei Berücksich tigung auch des ihnen zustehenden Beurteilungsspielraums die Beamten der Zollfahndung zu der Einschätzung führen, dass ein Anfangsverdacht gegeben war und sie deshalb in der Pflicht standen, gemäß § 160 StPO den Sachverhalt zu erforschen. Rechtswidrig war aber die Art und Weise, wie die Beamten das Ermittlungsverfahren geführt haben. Sie haben es als Teil des die Straftat vom II. Januar 1999 betreffenden Ermittlungsverfahrens behandelt und nicht dem Umstand Rechnung getragen, dass dem Kläger ein im Verhältnis zu jener Tat gänzlich neuer Vorwurf gemacht wurde. Die Ermittlungen zu einem Sachverhalt durften nicht einfach in Ermittlungen zu anderen Sachverhalten übergehen.

Die Beamten haben auch nicht dem Sinn und Zweck des § 397 Abs. l AO Rechnung getragen. Nach dieser Vorschrift ist ein Steuerstrafverfahren eingeleitet, sobald das zuständige Strafverfolgungsorgan eine Maßnahme trifft, die erkennbar darauf abzielt, gegen jemanden wegen einer Steuerstraftat strafrechtlich vorzugehen. Vorliegend bleibt durchaus unbestimmt, durch welches Ereignis das Strafverfahren wegen der angeblichen weiteren Schmuggelfahrten eingeleitet worden sein soll. Die Maßnahme muss nach dem Gesetz "erkennbar" auf strafrechtliches Vorgehen abzielen. Dass weitere Straftaten ermittelt werden sollten, ist objektiv erkennbar mit der Frage der Zollfahndung nach der Zahl der Reisen nach Polen. Jedoch könnte dies auch bereits mit dem Beginn der Vernehmung objektiv erkennbar gewesen sein. Denn nachdem es hinsichtlich der Tat vom II. Januar 1999 nichts mehr aufzuklären gab, machte die Vernehmung objektiv nur Sinn, wenn sie zur Aufklärung weiterer Straftaten führen sollte. Die Rechtsklarheit, die das Gesetz im Interesse auch des Beschuldigten fordert, wurde verfehlt.

Auch wenn angenommen würde, dass der Vernehmungsbeamte die Frage betreffend weitere Reisen nach Polen zunächst nur bei Gelegenheit der Vernehmung zu Straftat vom II. Januar 1999 gestellt habe und dass es wegen weiterer Straftaten noch keinen Anfangsverdacht gegeben habe, wäre der Kläger vor dem Übergang auf andere Sachverhalte zu belehren gewesen, dass er dazu befragt werden solle, ob er sich noch weiterer Straf taten schuldig gemacht habe.

Denn auch bei sogenannten Vorermittlungen hat der Betroffene ein Recht darauf, durch eine förmliche Mitteilung des Vernehmenden zu erfahren, was Gegenstand der Erörterungen sein soll. Das strafrechtliche Vorermittlungsverfahren ist in der Strafprozessordnung nicht geregelt,. Im Rechtsstaat besteht aber ein unabweisbares Bedürfnis, dass nicht nur einzuschreiten ist, wenn ein Anfangsverdacht im Sinne von § 152 Abs. l StPO vorliegt, sondern dass auch in einer Stufe davor geprüft werden darf, ob sich tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer verfolgbaren Straftat feststellen lassen (Pfeiffer aa0.,§ 152 Rdnr l c). Daher hat der Gesetzgeber der Steuerfahndung (Zollfahndung) in § 208 Abs. l Nr. 3 die Aufgabe zugewiesen, unbekannte Steuerfälle aufzudecken und zu ermitteln. Diese Aufgabe ist sowohl auf Besteuerung als auch auf eventuelle künftige Strafverfolgung ausgerichtet (Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 208 AO, Rdnr 26, 27; Joecks Steuer strafrecht a.a.O., § 404 AO Rdnr 32). Bei Vorermittlungen ist es geboten, entsprechend § 163 a Abs. 4 Satz l StPO dem Betroffenen, der noch nicht Beschuldigter ist, zu eröffnen, welcher Sachverhalt im Hinblick darauf, ob ein Anfangsverdacht gegen ihn gegeben ist, geprüft werden soll. Eine Unsicherheit darüber, ob ein Anfangsverdacht bereits vorliegt oder nicht, kann nicht dazu führen, den Schutz, den ein Beschuldigter über § 163 a Abs. 4 Satz l StPO bei Annahme eines Anfangsverdachts hätte, auszuhebeln. Die Sicherungen der Strafprozessordnung dürfen nicht dadurch umgangen werden, dass anstatt einer Vernehmung über eine Straftat eine informatorische Befragung zu dem Zweck stattfindet, hinreichende Anhaltspunkte für eine verfolgbare Straftat zu ermitteln (vgl. Hanack aaO., § 136 Rdnr 7).

Die Vernehmung des Klägers zu Sachverhalten, die über den Vorfall vom II. Januar 1999 hinausreichen, war ferner in sofern rechtswidrig, als ihr nicht eine spezifisch auf diese Sachverhalte bezogene Belehrung über das Recht, Angaben zur Sache zu verweigern, voranging.

Nachdem gemäß § 404 Satz l AO i. V. m. § 163 a Abs. 4 Satz 2 StPO anzuwendenden § 136 Abs. l Satz 2 StPO ist nach der Eröffnung des Tatvorwurfs der Beschuldigte darauf hinzu weisen, dass es ihm freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Die Belehrung ist dem Kläger erteilt worden, hinsichtlich der Straftat vom 11. Januar 1999, nicht aber hinsichtlich der weiteren - möglichen Straftaten, die den Gegenstand der erweiterten Vernehmung bildeten.

In § 163 Abs. l Satz 2 StPO drückt sich der elementare rechtsstaatliche Grundsatz aus, dass von Rechts wegen niemand gehalten ist, zu seiner eigenen Überführung als Straftäter beizutragen (nemo tenetur ipsum accusare). Er ist der selbst verständliche Ausdruck einer rechtsstaatlichen Grundhaltung, die auf dem Leitgedanken der Achtung vor der Menschenwürde beruht; der Beschuldigte muss selbst frei darüber entscheiden i können, ob er als Werkzeug zur Überführung seiner selbst benutzt werden darf (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Januar 1981 l BvR 116/77, BVerfGE 56, 37, 43 m.w.N.).

Sollte anzunehmen sein, dass beim Übergang auf den zweiten Komplex der Vernehmung hinsichtlich der weiteren Straftaten noch keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für das Vorliegen einer erfolgbaren Straftat vorhanden gewesen seien (§ 152 Abs. l StPO), so wäre der Kläger entsprechend § 55 Abs. 2 StPO auf sein Auskunftsverweigerungsrecht entsprechend Abs. l dieser Vorschrift hinzuweisen gewesen. Danach kann ein Zeuge die Aussage verweigern, wenn er sich sonst der Gefahr einer Bestrafung aussetzen würde.

Eine derartige Belehrung ist geboten, da - gleichermaßen wie im Strafverfahren der Zeuge - bei Vorermittlungen der Betroffene davor geschützt sein muss, unbedacht Äußerungen zu tun, die ihn der Gefahr einer Strafverfolgung aussetzen. Es besteht gleichermaßen die Pflicht zur Belehrung über die Aussagefreiheit. Die Stellung des im Vorermittlungsverfahren Betroffenen kommt inhaltlich derjenigen des "gefährdeten Zeugen" nach § 55 StPO gleich (Joecks aaO. § 393 AO Rdnr 16), das heißt eines Zeugen, der gewärtigen muss, durch seine Aussage in den Status eines Beschuldigten zu geraten. Der mögliche - Straftäter hat in einem Vorermittlungsverfahren die Stellung eines Zeugen im formellrechtlichen Sinne (Pfeiffer aaO. § 152 StPO Rdnr l c).

Es spricht viel dafür, dass schon die Verstöße gegen § 163 a Abs. 4 Satz l StPO und gegen § 163 a Abs. 4 Satz 2 StPO in Verbindung mit § 136 Abs. l Satz 2 StPO für sich betrachtet also ohne das noch darzustellende Täuschungskonzept des vernehmenden Beamten - zu einem Verwertungsverbot führten. Nach der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 27.02.1992 5 StR 190/91, BGHSt 38, 214 = NJW 1992 S. 1463) dürfen Aussagen, die der Beschuldigte in einer Vernehmung gemacht hat, nicht verwertet werden, wenn diesen nicht der Hinweis durch einen Beamten des Polizeidienstes vorangegangen ist, dass es dem Beschuldigten freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache aus zusagen. Die Entscheidung bezieht sich nur auf den jeweiligen Satz 2, nicht auch auf den jeweiligen Satz l dieser Vorschriften. Ob Aussagen, die erlangt worden sind, ohne dass zuvor der Tatvorwurf mitgeteilt worden war, ebenfalls hätte nicht verwertet werde dürfen, ist für das Strafprozess recht offenbar noch nicht geklärt. Die Frage wird in Kommentierungen zu § 136 a StPO regelmäßig überhaupt nicht behandelt. Ein Grund dafür mag sein, dass das Unterlassen der Mitteilung es möglicherweise selten vorkommt und noch viel seltener anzunehmen ist, dass es für die Aussagen eines Beschuldigten ursächlich gewesen ist. Außerdem dürfte es insoweit grundsätzlich auf die Umstände des Einzelfalles ankommen .

Der Bundesgerichtshof hat a.a.O. ausgesprochen, dass bei zwei Sachverhalten das Verwertungsverbot nicht greift. So verhält es sich zum einen, wenn der verteidigte Angeklagte der Verwertung zugestimmt oder ihr nicht widersprochen hat; darum geht es vorliegend nicht. Ferner darf die Aussage verwertet werden, wenn feststeht, daß der Beschuldigte sein Recht zu schweigen ohne Belehrung gekannt hat. Es ist anzunehmen, dass der Kläger sein Recht gekannt hat, auch bei anderen Tatvorwürfen als demjenigen der Straftat vom II. Januar 1999 zu schweigen. Indessen kann daraus nach den besonderen Umständen des Falles nicht gefolgert werden, dass seine Aussagen (die noch zu erörternde zielgerichtete Täuschung hinweggedacht) verwertet werden dürften.

Wie der Bundesgerichtshof a.a.O. unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 8. Oktober 1974, 2 BvR 747/73 u. a. BVerfG 38, 105, 113) hervorgehoben hat, wurzelt das Schweigerecht des Beschuldigten grundrechtlich in der Menschenwürde (Art. l Abs. l GG) und rechtsstaatlich (Art. 20 Abs. 3 GG), im Prinzip des fairen Verfahrens. Der Sinn des Hinweises auf die Aussagefreiheit besteht insbesondere auch darin, den Beschuldigten davor zu schützen, dass er unbedachte Äußerungen macht. Der Bundesgerichtshof hat a.a.O. überzeugend herausgestellt, dass diese Gefahr im gesteigertem Maße bei einer ersten polizeilichen Vernehmung besteht. Der Hinweis hat mithin die Funktion einer Warnung an den Beschuldigten. Die ausdrückliche und unmissverständliche Warnung, dass ein Zeitpunkt gekommen ist, von dem ab der Beschuldigte sich durch seine Aussage selbst belasten könnte, gehört zu den unverrückbaren Fundamenten eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens. An der Warnung hat es hier aber in jeder Hinsicht gefehlt. Der Beamte hätte daher, wenn er den Hinweis zur Aussagefreiheit nicht wiederholte, jedenfalls vor dem Übergang der Vernehmung auf weitere Straftaten den Kläger in der Weise warnen müssen, dass er ihm unmissverständlich bedeutet hätte, nunmehr solle er zu anderen Sachverhalten vernommen werden.

Der Senat sieht davon ab, die Fragen zu entscheiden, ob schon hieraus ein Verwertungsverbot im Strafverfahren folgte und ob dieses auch im Besteuerungsverfahren zugunsten des Klägers wirken würde. Denn jedenfalls hat die Klage Erfolg, weil seine Aussage unter Verstoß gegen § 136 a Abs. l Sätze l und 3 StPO erlangt worden ist. Daher darf sie weder im Straf verfahren (§ 136 a Abs. 3 StPO) noch im Besteuerungsverfahren verwendet werden.

Mit den dargestellten Verstößen gegen die Gebote, den Tatvorwurf zu eröffnen und. über das Recht zur Verweigerung der Aussage zu belehren, sind nur Teilbereiche dessen erfasst, was an der Vernehmung des Klägers rechtlich zu beanstanden ist. Es handelt sich bei diesen Verstößen nicht um Unterlassungen, wie sie zwar nicht unterlaufen dürfen, dennoch aber einmal unterlaufen können. Vielmehr wurden die Eröffnung des Tatvorwurf s und die Belehrung über das Recht, die Aussage zu verweigern, bewusst nur hinsichtlich der Straftat vom II. Januar 1999 gegeben und ebenso bewusst und absichtlich bezüglich sonstiger Straftaten nicht gegeben. Dies war notwendiger Bestandteil einer von vornherein durch den Vernehmungsbeamten verfolgten Strategie. Sie ging von Beginn an gerade nicht dahin, den Kläger nur zu dieser Tat zu vernehmen. Der Vernehmungsbeamte hatte vielmehr die feste Absicht, über die Vernehmung zu dem an jenem Tag geschehenen Vorfall auf die Ermittlung weiterer eventueller Straftaten des Klägers zuzusteuern. Dabei war die Vorspiegelung, dass es nur um diesen Vorfall gehe, das Mittel, um das eigentliche Ziel in der Weise zu erreichen, dass es vor dem Kläger verdeckt wurde.

Zur Aufklärung der Straftat vom 11. Januar 1999 war eine Einschaltung der Zollfahndung offensichtlich überflüssig. Für diesen Vorfall lagen alle Beweismittel auf der Hand. Der Kläger verweigerte die Aussage. Es bestand hinsichtlich des Vorfalls keine Veranlassung, sich dennoch um seine Aussage zu bemühen.

Demgemäß zog der Beklagte - wie er es selbst im gerichtlichen Verfahren dargestellt hat - die Zollfahndung einzig zu dem Zweck heran, zu ermitteln, ob dem Kläger noch weitere Straftaten anzulasten seien. Anzeichen dafür, dass es sich bei ihm so verhalten könnte, ergaben sich aus der Art des Verstecks und aus dem Umstand, dass er Wiederholungstäter war.

Die Vernehmungsbeamten haben dann in Erfüllung der Aufgabe der Zollfahndung aus § 208 Abs. l AO gehandelt. Der Zeuge Sch. hat als Sinn seiner Tätigkeit beschrieben, dass zu ermitteln sei, ob noch weitere Straftaten begangen worden seien, oder zu den jeweiligen Straftaten weitere Informationen, etwa über Abnehmer und Hintermänner zu bekommen. Im vorliegenden Fall bestimmte die Aufgabe, Kenntnis von eventuellen weiteren Straftaten eines aufgegriffenen Straftäters zu erlangen und ihn weiterer Straftaten zu überführen sowie zugleich hierzu die Besteuerungsunterlagen zu ermitteln, das Handeln der Vernehmungsbeamten. Indessen ist dieses Ziel unter Verstoß gegen den gemäß § 404 Abs. l AO i. V. m. § 163 Abs. 4 Satz 2 StPO anzuwendenden § 136 a Abs. l Sätze l und 3 StPO auf dem Wege der Täuschung über den wahren Zweck der Vernehmung, verbunden mit dem Versprechen von Strafmilderung, angestrebt und erreicht worden.

Um dahin zu gelangen, dass der Kläger über weitere eventuelle Straftaten aussagte, musste der vernehmende Beamte nach der von ihm gewählten Strategie eben dieses Ziel vor dem Kläger verbergen. Deshalb achtete er sorgfältig darauf, dass beim Kläger kein Zweifel daran aufkommen konnte, die Vernehmung werde sich nur auf den Vorfall vom II. Januar 1999 beziehen. Dementsprechend wurde ihm nur insoweit ein Tatvorwurf eröffnet .

Der Vernehmung stellte sich allerdings ein Hindernis entgegen. Dem Kläger war, wie er geschildert hat, durchaus nicht einsichtig, welchen Sinn die Vernehmung haben sollte. Denn die aufgreifende Beamten hatten die für die Überführung des Klägers wegen der Straftat vom II. Januar 1999 notwendigen Feststellungen bereits getroffen. Außerdem hatte der Kläger vor ihnen, nachdem ihm der Tatvorwurf eröffnet und er über seine Aussagefreiheit belehrt worden war, erklärt, er wolle nicht aussagen. Es galt also, den Kläger davon zu überzeugen, dass es dennoch in seinem Interesse sei, sich vor der Zollfahndung zu der an jenem Tag geschehenen Tat zu äußern.

Das Mittel dazu war, ihm vorzuspiegeln, dass er im Falle eines Geständnisses mit Strafmilderung rechnen könne. Indessen konnte ein Geständnis dem Kläger schwerlich eine Milderung bei der Bestrafung dieser Tat bringen. Deren Sachverhalt war klar und unbestreitbar festgestellt.

Darüber war sich auch der Beamte Sch. im klaren. Er hat in der mündlichen Verhandlung auf die wiederholte Frage des Senats, welche Aussicht auf Strafmilderung ein Geständnis des Klägers für die Aburteilung der konkreten Straftat vom II. Januar 1999 hätte bringen können, erklärt:
"Ich verstehe ihre Frage nicht, es geht doch darum, dass für den Fall, wenn vorher Schmuggelfahrten durch geführt worden sind und daher weitere Steuerstraftaten aufgedeckt worden sind, das Geständnis gewürdigt wird, wenn es deswegen zu einer Gerichtsverhandlung kommt. "

Nach der Erinnerung des Klägers, wie er sie in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt hat, soll der Beamte mehr auf die Aus sicht von Strafmilderung als Folge nicht eines Geständnisses, sondern einer Erklärung, künftig nicht mehr schmuggeln zu wollen, abgehoben haben. Auch unter diesem Aspekt handelt es sich ebenso um ein Täuschungsmanöver zur Erlangung der Aussagebereitschaft des Klägers. Dass ein Straftäter Wohlverhalten nicht erst vor dem Richter, sondern bereits vor dem Vernehmungsbeamten verspricht, ist grundsätzlich kein Umstand, der zur Milderung einer Strafe führt.

Als der Beamte in dieser Weise die Aussagebereitschaft des Klägers hervorgerufen hatte, belehrte er ihn über seine Aussagefreiheit . Auch diese Belehrung war nur auf den Vorfall vom II. Januar 1999 bezogen.

Bei der Erlangung der Aussagebereitschaft spielte offenbar auch eine Rolle, dass die Unterhaltung in freundlicher Atmosphäre geführt wurde. Insbesondere der Zeuge S, der das Protokoll führte, hat dies als ein übliches Vorgehen, das auch ermittlungstaktisch bedingt sei, dargestellt. In diesem Rahmen hat darüber hinaus der Beamte Sch. entgegen seinen wahren Absichten dem Kläger eingeredet, er wolle ihm helfen.

In der von ihm herbeigeführten Arglosigkeit hat der vernehmende Beamte den Kläger während der Vernehmung zu der Straftat vom II. Januar 1999 gehalten. Der Senat ist auch überzeugt, dass der Beamte in diesem Stadium der Vernehmung seine Kenntnis von den Vortaten dem Kläger nicht offenbart hat. Der Zeuge Sch. erklärte auf die gerichtliche Frage, wann er dem Kläger gesagt habe, dass ihm - dem Zeugen - dessen frühere Verurteilungen bekannt seien, das könne er nicht mehr genau sagen. Als ihm daraufhin seine letzte Frage aus der Verhandlungsniederschrift vom II. Januar 1999 vorgelesen wurde, erklärte er:
"Ja, es ist so gewesen, dass ich die früheren Aufgriffe im Zusammenhang mit den Mengen angesprochen habe. Wenn es im Protokoll so steht, dann ist es richtig. Ob ich die vorangegangenen Aufgriffe auch schon früher in der Vernehmung angesprochen habe, weiß ich nicht mehr."

Der Zeuge S und der informatorisch angehörte Kläger erklär ten, sie könnten sich nicht genau an den Zeitpunkt erinnern.

Für den Senat steht fest, dass die Vortaten nicht angesprochen worden sind, bevor der Kläger ausgesagt hatte, er habe weitere Schmuggelfahrten unternommen. Zum einen macht es Sinn, dass die Vortaten dem Kläger vorgehalten worden sind, als es um die jeweils illegal eingeführten Mengen von Zigaretten ging; denn bei den früheren Aufgriffen hatte er größere Mengen bei sich geführt. Dass die Vortaten bereits angesprochen worden sein könnten, bevor der Kläger sich zu weiteren Taten geäußert hatte, hält der Senat für ausgeschlossen. Denn solch ein Vorhalt hätte offensichtlich die greifbare "Gefahr" gebracht, dass der Kläger seine Arglosigkeit verloren hätte. Gerade deren Aufrechterhaltung und Ausnutzung war aber für den Beamten nach seinem Konzept das unerlässliche Mittel, um den Kläger zu unbedachtem Reden zu bringen.

Nach der Vernehmungsschrift zu urteilen, hat der Beamte Sch seinem Plan folgend - den Kläger überrumpelt. Er hat, nachdem der Kläger gesagt hatte, er fahre seit 1990 regelmäßig alle vier Wochen nach S zum Bekanntenbesuch, unvermittelt gefragt, wie oft er dabei Zigaretten nach Deutschland eingeschmuggelt habe. Daraufhin hat der Kläger angegeben, er habe durchschnittlich dreimal jährlich jeweils Mengen von 1.600 Zigaretten mitgebracht.

Die Niederschrift enthält nur eine stark komprimierte Wiedergabe der Vernehmung. Diese hat immerhin eindreiviertel Stunden gedauert. Die Einwirkungen auf den Kläger, um dessen Aussagebereitschaft zu erreichen, sind dort nicht dokumentiert. Der Kläger hat in seiner informatorischen Anhörung angegeben, zunächst sei über den Vorgang vom II. Januar 1999 und in privater Art über Polen, etwa über günstige Einkaufsmöglichkeiten, gesprochen worden. Bei der weiteren Unterhaltung habe er manchmal einiges nicht mehr ganz richtig verstanden. Dann sei auch die Frage aufgetaucht, ob er weitere Male Zigaretten aus Polen mitgebracht habe. Er hat weiter ausgeführt:
"Das ganze war dann so eine Art Kreuzverhör, bei dem ich gar nicht mehr wusste, worum es geht. Irgendwann wusste ich auch nicht mehr, was ich genau sagte, bis hin zu den Angaben über die Verbringung von Zigaretten in früheren Jahren."

Der Senat ist danach - unter Würdigung der Umstände des Sachverhalts, insbesondere der Bekundungen der beiden Fahndungsbeamten als Zeugen - überzeugt, dass der Beamte Schäfer die Vernehmung planmäßig nach einem durchgängigen Konzept geführt hat. Dies bestand darin, dem Kläger vorzuspiegeln, es gehe nur um den Vorfall vom II. Januar 1999, ihn während der Vernehmung arglos zu halten, ihm systematisch das angestrebte Ziel zu verschweigen, ihn gegebenenfalls zu verwirren und ihn schließlich ohne Vorwarnung zu überrumpeln, so dass er unbedachte Äußerungen tat.

Für die in der beschriebenen Weise erlangten Aussagen des Klägers über andere Straftaten, als diejenige vom II. Januar 1999 gilt im Strafverfahren das absolute Verwertungsverbot des § 136 a Abs. 3 StPO. Denn sie sind dadurch erlangt worden, dass der vernehmende Beamte entgegen dem Verbot in § 136 a Abs. l Satz l StPO die Freiheit der Willenserschließung und der Willensbetätigung des Klägers durch Täuschung beeinträchtigt hat.

§ 136 a StPO ist in Art. l Abs. l Grundgesetz (GG) und in Art. 20 Abs. 3 GG verankert, also in Grundsätzen von so hohem Rang, dass sie nach Art. 79 Abs. 3 GG sogar den verfassungsändernden Gesetzgeber binden. Daraus folgt für die Rechtsanwendung nicht nur im Strafverfahren, sondern ebenso im Besteuerungsverfahren, dass mit den Mitteln des § 136 a StPO herbeigeführte Aussagen nicht verwertet werden dürfen.

Nach Art. l Abs. l GG hat alle staatliche Gewalt die unantastbare Würde des Menschen zu achten und zu schützen. Die Würde des Menschen ist im Grundgesetz der oberste Wert (BVerfG-Urteil vom 16. Januar 1957 l BvR 253/56, BVerfGE 6, 32, 41; vom 7. Dezember 1999 2 BvR 1533/94, BVerfGE 101, 275, 287). Für alle Rechtsgebiete gilt uneingeschränkt, dass "der Mensch immer Zweck an sich selbst bleiben muss" (BVerfG Urteil vom 21. Juni 1977 l BvL 14/76, BVerfGE 45, 187, 228). Es widerspricht der menschlichen Würde, den Menschen zum bloßen Objekt im Staat zu machen (BVerfG-Beschluss vom 16. Juli 1969 l BvL 19/63, BVerfGE 27, l, 6). Er darf nicht zum bloßen Objekt der Verbrechensbekämpfung unter Verletzung seines verfassungsrechtlich geschützten sozialen Wert- und Achtungsanspruchs gemacht werden (BVfGE 45, 187, 228 unter Bezugnahme auf BVerfG-Beschluss vom 9. Juni 1970 l BvL 24/69, BVerfGE 28, 386, 391). Das Recht auf Achtung seiner Würde kann dem Straftäter selbst dann nicht abgesprochen werden, wenn er sich in schwerer und unerträglicher Weise gegen das vergangen hat, was die Wertordnung der Verfassung unter ihren Schutz stellt (BVerfG-Beschluss vom 28. Juni 1983 eBvR 539, 612/80, BVerfGE 64, 261, 284).

Das Rechtsstaatsprinzip gewährleistet in Verbindung mit dem allgemeinen Freiheitsrecht des Art. 2 Abs. l GG dem Beschuldigten das Recht auf ein rechtsstaatliches, faires Strafverfahren. Er darf im Rechtsstaat des Grundgesetzes nicht bloß Objekt des Verfahrens sein. Ihm muss die Möglichkeit gegeben sein, zur Wahrung seiner Rechte auf den Gang und das Ergebnis des Strafverfahrens Einfluss zu nehmen (BVerfG-Beschluss vom 28. März 1984 2 BvR BVerfGE 66, 313, 318).

Nach zutreffender, ganz herrschender Meinung ist §136 a SIPO eine prozessrechtliche Ausformung des Grundrechts auf Achtung der Menschenwürde (Hanack in Löwe Rosenberg aaO. §136 a StPO Rdnr 3 m.w.N.). Die Vorschrift stellt die prozessrechtliche Ausformung des Leitgedankens der Rechtsstaatlichkeit dar (Pfeiffer aaO. § 136 a StPO m.w.N.). Der Beschuldigte ist Beteiligter, nicht bloßes Objekt des Strafverfahrens (Hanack aaO. Rdnr l; Kleinknecht/Meyer Goßner aaO. § 136 a StPO, Rdnr l).

Geschützt ist durch § 136 a StPO die Freiheit der Willensentschließung und der Willensbetätigung, wie es in Abs. l Satz l ausdrücklich formuliert ist. Auf die Entschließungsfreiheit des Beschuldigten darf niemals mit dem Ziel ein gewirkt werden, ihn durch Manipulation zu einer Aussage zu veranlassen; es darf nichts geschehen, was seine Freiheit hinsichtlich des Ob und des Wie seiner Aussage aufheben oder gezielt beeinträchtigen könnte (Hanack aaO. § 136 a StPO Rdnr l). Die Mittel, die diese Freiheit beeinträchtigen können, sind in der Vorschrift lediglich beispielhaft, nicht ab schließend genannt. Entscheidend ist jeweils, ob eine Methode angewendet worden ist, durch die der Beschuldigte nicht als Subjekt und Persönlichkeit, sondern als Objekt behandelt worden ist (Hanack aaO. §136 a StPO Rdnr 17).

Oben ist ausgeführt, dass die gesamte Vernehmung des Klägers durch eine Täuschung über die wahren Absichten der vernehmenden Beamten geprägt war. Es besteht Einigkeit darüber, dass in § 136 a Abs. l Satz l StPO das Merkmal der Täuschung eng auszulegen ist (Hanack aaO. § 136 StPO Rdnr 33; leinknecht/Meyer Goßner aaO. § 136 a StPO Rdnr 12 unter Bezugnahme auf BGHSt 42, 139, 149; Pfeiffer aaO. § 136 a StPO Rdnr 8). So ist durch die Vorschrift nicht jegliche kriminalistische List verboten (Hanack aaO. Rdnr 35) . Es ist da rauf abzustellen, ob die Täuschung bei einem Vergleich mit den anderen durch die Vorschrift verbotenen Methoden in einer diesen entsprechenden Weise die Freiheit der Willensentschließung und der Willensbetätigung beeinträchtigt hat (Hanack aaO. Rdnr 33) .

Der Kläger ist in der Weise irregeführt worden, dass die Vernehmungsbeamten ihn über die Absicht, weitere Straftaten als diejenige vom II. Januar 1999 aufzuklären, getäuscht haben. Die Täuschung über die Absicht, die ein Beamter mit der Vernehmung erfolgt, fällt unter § 136 a Abs. l Satz l StPO (Hanack aaO. Rdnr 34)

Vorliegend hatte die Täuschung die Dimension einer grundlegenden Beeinträchtigung der Freiheit der Willensentschließung und der Willensbetätigung des Klägers. Bei der Vernehmung sind schon im Ansatz und dann weiter bei der Durchführung durchweg die grundlegenden Erfordernisse eines rechtsstaatlichen, die Menschenwürde achtenden Strafverfahrens verfehlt worden. Die Aussagefreiheit des Beschuldigten ist Ausdruck einer rechtsstaatlichen Grundhaltung, die ihrerseits auf der Achtung des Rechtsstaats vor der Menschenwürde beruht (Reiß, Besteuerungsverfahren und Strafverfahren, 1987, S. 157). Die Freiheit, eigenverantwortlich darüber zu entscheiden, ob er sich zu einer Beschuldigung äußern will, ist dem Kläger systematisch genommen worden. Er ist, wie oben im einzelnen dargestellt, nicht als eine Persönlichkeit respektiert worden, die von Verfassungs wegen in eigener Abwägung darüber muss entscheiden können, ob sie sich auf eine Aussage zu einer über den Vorfall vom 11. Januar 1999 hinausgehenden Straftat einlässt. Vielmehr war die gesamte Vernehmung darauf angelegt, mit einer überlegenen Strategie des vernehmenden Beamten, die dem Kläger nicht einsichtig war und nicht ein sichtig werden sollte, dessen verfassungskräftig gesichertes Recht auf freie Entscheidung, ob er sich äußern wolle oder nicht, zu überspielen.

Als einzelnes Element innerhalb dieser umfassenden Täuschung verstieß überdies gegen § 136 a Abs. l StPO, dass dem Kläger Strafmilderung in Aussicht gestellt wurde. Dieses Vorgehen ist unter Satz 3 der Vorschrift zu fassen; denn die Kehrseite der in Aussicht gestellten Vergünstigung besteht darin, dass für den Fall, dass ein Geständnis nicht abgelegt würde, eine schwerere Bestrafung angedroht wurde. Ist es schon allgemein problematisch, eine Strafmilderung in Aussicht zu stellen (Hanack aaO., Rdnr 48 f.), so kommt vorliegend - wie dargestellt - hinzu, dass eine Strafmilderung durch ein Geständnis hinsichtlich des Vorfalls vom II. Januar 1999 nach Lage der Dinge schwerlich in Betracht kam und der vernehmende Beamte die Strafmilderung nur in Aussicht stellte, um die Aussagebereitschaft des Klägers zu erlangen und dann unter Verletzung von dessen verfassungskräftig gesicherten Rechten seine Aussage zu anderen Sachverhalten zu erlangen.

Aus dem Verwertungsverbot im Strafverfahren ergibt sich vor liegend ein Verwertungsverbot zugleich im Besteuerungsverfahren .

Um dieses Ergebnis zu gewinnen, braucht der Senat sich nicht allgemein mit der Frage zu befassen, in welchem Verhältnis zueinander strafrechtliche und steuerrechtliche Verwertungsverbote stehen. Die Problematik ergibt sich daraus, dass das Besteuerungsverfahren und das Strafverfahren hinsichtlich der Offenbarungspflichten des Betroffenen von verschiedenen Prinzipien ausgehen (Joecks aaO. § 393 AO Rdnr 3). Einen Teil der Konflikte, die aus den unterschiedlichen Offenbarungspflichten entstehen können, hat der Gesetzgeber in § 393 AO behandelt (vgl. dazu BVerfG-Beschluss vom 13. Januar 1991 l BvR 116/77 BVerfGE 56, 37, 47). Dort ist in Abs. l Satz 2 geregelt, dass im Besteuerungsverfahren Zwangsmittel gegen den Steuerpflichtigen unzulässig sind, wenn er dadurch gezwungen würde, sich selbst wegen einer von ihm begangenen Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit zu belasten. Nach Abs. l Satz 4 ist der Steuerpflichtige hierüber zu belehren, so weit dazu Anlass besteht. Der BFH (Urteil vom 23. Januar 2002 XI R 10, 11/01, BStBl II S. 328) hat entschieden, dass eine Verletzung dieser Belehrungspflicht im Besteuerungsverfahren grundsätzlich zu keinem Verwertungsverbot führe, wobei das Wort "grundsätzlich" in den Entscheidungsgründen, nicht auch im Leitsatz verwendet ist. Der BFH hat dabei den § 393 AO in erster Linie als eine Vorschrift des Strafverfahrens, nicht des Besteuerungsverfahrens angesehen; nur das Zwangsmittel verbot in § 393 Abs. l Satz 2 AO sei eine das Besteuerungsverfahren betreffende Regelung. Auch diese diene jedoch aus schließlich dem Strafprozessgrundsatz, dass ein Beschuldigter sich nicht selbst einer Straftat zu bezichtigen brauche. Wegen dieses Bezuges zum Strafprozess hat der BFH es als für die Verwertung im Besteuerungsverfahren nicht hinderlich erachtet, dass eine ordnungsgemäße Belehrung nach § 393 Abs. l Satz 4 AO nicht stattgefunden hat. Der Senat hat Zweifel, ob er dieser Argumentation folgen könnte. Denn in § 393 Abs. l Sätze 2 bis 4 wird ein Recht des Steuerpflichtigen und eine Pflicht der Finanzbehörde im Besteuerungsverfahren festgelegt. Hier soll ein Konflikt zwischen Steuerstrafverfahren und Besteuerungsverfahren gelöst werden. Es erscheint daher problematisch, die im Besteuerungsverfahren stattfindende Pflichtverletzung im allgemeinen sanktionslos zu lassen, weil damit - lediglich - ein strafprozessualer Grundsatz gewahrt werden solle. Das braucht jedoch nicht weiter vertieft zu werden, weil § 393 AO für den vorliegenden Fall die Lösung nicht hergibt.

Vorliegend ist vielmehr im Strafverfahren die grundrechtlich und rechtsstaatlich verankerte Fundamentalnorm des §136 a StPO verletzt worden. Der Bundesfinanzhof hat in seinem er wähnten Urteil zu § 393 AO dahingestellt sein lassen, ob bei Verletzung des §136 a StPO ein Verwertungsverbot anzunehmen sei. Diese Frage ist zu bejahen.

Das Verbot, die Freiheit der Willensentschließung und der Willensbetätigung mit Mitteln, die eines Rechtsstaats nicht würdig sind, zu beeinträchtigen, gilt auch dann, wenn es nicht ausdrücklich gesetzlich festgelegt ist. Was in § 136 a StPO geregelt ist, war als ungeschriebenes Recht bereits Bestandteil der Reichsstrafprozessordnung von 1877. Die Erfahrung, dass in der Zeit des Nationalsozialismus die Beschuldigten als Objekte, die mit allen Mitteln überführt werden durften, behandelt worden waren, hat den Gesetzgeber veranlasst im Jahre 1950 in die Strafprozessordnung den § 136 a einzufügen (vgl. Reiß, Besteuerungsverfahren und Strafverfahren, 1987, S. 144 ff.).

Danach hat §136 a StPO Bedeutung nicht nur für den Strafprozess, sondern für das gesamte staatliche Handeln gegenüber dem Einzelnen. Sei es im Wege der Analogie oder unmittelbar aus der Verfassung hergeleitet (Joecks aaO., § 393 AO Rdnr 47), ist es auch in anderen Rechtsbereichen verboten, Informationen von Betroffenen mit den durch §136 a StPO verbotenen Mitteln zu erlangen und Informationen, die dennoch durch solche im auf die Menschenwürde verpflichteten Rechtsstaat geächteten Mittel gewonnen worden sind, zu verwerten.

Ausnahmen hiervon mögen in extremen Fällen denkbar sein, etwa wenn Gewalt abgewendet werden muss, die eine Gefahr für Leib und Leben oder für das Gemeinwesen darstellt. Sonst aber gibt es keine Rechtfertigung dafür, die Mittel des § 136 a StPO anzuwenden und auf diese Weise erlangte Erkenntnisse zu verwerten. Das gilt selbstverständlich auch für das Steuerrecht.

Wird unterstellt, die Aussage des Klägers über weitere Straf taten als diejenige vom 11. Januar 1999 sei richtig gewesen, so führt dies freilich dazu, dass gegen ihn ein materieller Steueranspruch nicht durchgesetzt werden kann. Das ist angesichts der schwerwiegenden Nichtbeachtung der Schutzrechte des Klägers hinzunehmen. Formelle Schutzrechte bedeuten immer, dass gegebenenfalls das materielle Recht zurückzustehen hat. Das ist ein notwendiger Preis des Rechtsstaats.

Wegen der Schwere des Eingriffs kann auch der a.a.O. vom Bundesfinanzhof hervorgehobene verfassungsrechtliche Grundsatz der steuerlichen Belastungsgleichheit keinen Vorrang vor dem Verwertungsverbot wegen Verletzung elementarer Schutzrechte haben.

Im übrigen hat der Senat Zweifel, ob dass vom Bundesfinanzhof für die Verneinung eines Verwertungsverbots nach Verletzung von § 393 Abs. 4 Satz l AO verwendete Argument aus dem all gemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. l GG hinreichend tragfähig ist. Der BFH meint, es widerspreche dem Grundsatz der steuerlichen Belastungsgleichheit, einerseits Auskünfte eines Steuerehrlichen uneingeschränkt der Besteuerung zu Grunde zu legen, andererseits Auskünfte eines einer Steuer straftatverdächtigten, nicht ordnungsgemäß belehrten Steuer pflichtigen steuerlich unberücksichtigt zu lassen. Die Sicht des Bundesfinanzhof erscheint verkürzt, weil er in den Vergleich nicht auch den steuerunehrlichen Steuerpflichtigen einbezieht, der nach Belehrung die Aussage verweigert hat. Das Ergebnis, dass dieser, weil er die Aussage verweigert hat, möglicherweise nicht wie der Steuerehrliche zur Besteuerung herangezogen werden kann, widerstreitet gleicher maßen den Grundsatz der steuerlichen Belastungsgleichheit. Dass dies dennoch vor dem Hintergrund von in der Verfassung verankerten formellen Schutzrechten verfassungsmäßig ist, unterliegt keinem Zweifel. Gleichermaßen ist es dann verfassungsrechtlich unbedenklich, den Steuerpflichtigen, der wegen fehlender Belehrung eine Aussage gemacht hat, ebenso zu behandeln wie denjenigen Steuerpflichtigen, der nach Belehrung die Aussage verweigert hat.

Schließlich ist in diesem Zusammenhang auch von Bedeutung, dass - wie der Bundesfinanzhof am angegebenen Ort hervorhebt - der Steuerpflichtige, der einer Straftat verdächtig ist, im Besteuerungsverfahren zur Mitwirkung verpflichtet bleibt. Wenn auch nach § 393 Abs. l Satz 2 AO die Mitwirkungspflicht nicht mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden darf, so kann doch (wenn die Steuerpflicht als solche feststeht) gegebener falls die Steuer nach § 162 AO geschätzt und so die Abweichung vom materiellen Recht verringert werden.

Nach alledem ist die gegen den Kläger ergangene Steuerfestsetzung aufzuheben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. l FGO, hinsichtlich des erledigten Teils aus § 138 Abs. 2 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. l FGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10 ZPO. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig im Sinne von § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO.

Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. l FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 13, 25 Gerichtskostengesetz (GKG).

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Revision zu.

Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof schriftlich einzulegen. Die Revisionsschrift muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Eine Abschrift oder Ausfertigung des Urteils soll ihr beigefügt werden. Die Revision ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Auch die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. Die Begründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit das Urteil angefochten und seine Aufhebung beantragt wird. Sie muss ferner die bestimmte Bezeichnung der Umstände enthalten, aus denen sich eine Rechtsverletzung durch das Urteil ergibt; soweit Verfahrensmängel gerügt werden, muss sie auch die Tatsachen angeben, aus denen sich der Mangel ergibt.
Bei der Einlegung und Begründung der Revision sowie in dem weiteren Verfahren vor dem Bundesfinanzhof muss sich jeder Beteiligte durch einen Steuerberater, einen Steuerbevollmächtigten, einen Rechtsanwalt, einen niedergelassenen europäischen Rechtsanwalt, einen Wirtschaftsprüfer oder einen ?vereidigten Buchprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen Zur Vertretung berechtigt sind auch Steuerberatungsgesellschaften, Rechtsanwaltsgesellschaften, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften sowie Partnerschaftsgesellschaften, die durch einen der in dem vorherigen Satz aufgeführten Berufsangehörigen tätig werden. Juristisch* Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie durch Diplomjuristen im höheren Dienst vertrete] lassen. Der Bundesfinanzhof hat die Postanschrift: Postfach 86 02 40, 81629 München, und die Hausanschrift: Ismaninger Straße 109, 81675 München, sowie den Telefax-Anschluss: 089/92 31-201

RechtsgebieteGG, AO, StPOVorschriftenGG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3, Art. 79 Abs. 3; AO § 404 Satz 1, § 397 Abs. 1, § 208 Abs. 1, § 393 Abs. 1, § 162; StPO § 163 a Abs. 4 Sätze 1 und 2, § 136 Abs. 1 Sätze 1 und 3, § 136 a Abs. 1 Sätze 1 und 3, Abs. 3, § 152 Abs. 1, 2, § 160, § 55

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