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06.03.2003 · IWW-Abrufnummer 030534

Oberlandesgericht Düsseldorf: Urteil vom 04.06.1998 – 24 U 194/96

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Oberlandesgericht Düsseldorf
Im Namen des Volkes
Urteil
24 U 194/96
3 O 84/96
LG Kleve
Verkündet am 4. Juni 1998 xxxxxx Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit
hat der 24. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 12. Mai 1998 durch seine Richter E, T und S
für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kleve vom 09. Juli 1996 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.287,98 DM nebst 4 % Zinsen aus 1.200 DM seit dem 25.08.1995, weiteren 800 DM seit dem 02.02.1996 und weiteren 287,98 DM seit dem 03.05.1997 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen zu 86 % die Klägerin, zu 14 % die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten hat zum überwiegenden Teil Erfolg.

I.
Der Klägerin stehen vertragliche Mietzinsansprüche für den Zeitraum ab Juli 1995 nicht zu, denn die Beklagte hat den Mietvertrag wirksam zum 01.07.1995 gekündigt.

2. Ein ordentliches Kündigungsrecht stand der Beklagten nach dem Vertrag vor dem Jahre 2001 allerdings nicht zu.

Ein Kündigungsrecht konnte sich auch nicht aus § 542 BGB ergeben, da es nach §§ 543, 539 BGB ausgeschlossen ist. Insoweit ist dem landgerichtlichen Urteil dahingehend zu folgen, dass ein etwaiges Kündigungsrecht wegen des Mangels (Aufheizung des Ladenlokals im Sommer, Gerüche) verwirkt ist.

In entsprechender Anwendung des § 539 BGB verliert der Mieter grundsätzlich seine Gewährleistungsansprüche, wenn er die ihm bekannten oder grob fahrlässig unbekannt gebliebenen Mängel nicht rügt und den Mietzins voll - ohne Vorbehalt - zahlt (vgl. Wolf/Eckert, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 7. Aufl., Rdnr. 328 ff.; BGH NJW 1997, 2674). Diese Voraussetzungen lagen vor.

Die Beklagte hat nach eigenem Vorbringen bereits 1987 die durch die Abluftleitung entstehenden Probleme erkannt. Sie will - insoweit bestritten - über ihren Vater den damaligen Vermieter darauf aufmerksam gemacht, ihn zur Abhilfe aufgefordert und eine Mietminderung vorbehalten haben. Obwohl nach dem Vorbringen der Beklagten der Vermieter nichts unternahm, 1989 sowie in den Folgejahren diese Probleme erneut auftraten und der Vermieter auch nach erneuten Vorstellungen spätestens 1992 letztlich eine Verpflichtung zur Beseitigung des Zustandes leugnete, hat sie den Mietzins bis Anfang 1994 immer in voller Höhe geleistet. Spätestens ab diesem Zeitraum kann sie daher nicht mehr damit gehört werden, sie habe mit einer alsbaldigen Beseitigung des Mangels durch den Vermieter gerechnet und habe nur im Vertrauen darauf den Mietzins in voller Höhe gezahlt; dieses Vertrauen war spätestens 1992 zerstört.

3. Die Beklagte konnte jedoch den Mietvertrag auf Grund des § 544 BGB kündigen. Nach dieser Vorschrift kann der Mieter kündigen, wenn ein zum Aufenthalt von Menschen bestimmter Raum so beschaffen ist, dass die Benutzung mit einer erheblichen Gefährdung der Gesundheit verbunden ist. Das ist hier der Fall gewesen. Dabei ist die Kenntnis des Mieters von diesem Zustand unerheblich.

a ) Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 15. Januar 1998, welches er im Termin vom 19. März 1998 näher mündlich erläutert hat, ausgeführt, dass auch bei erfahrungsgemäß durchschnittlichen Sommern über eine längere Zeit allein infolge der Sonneneinstrahlung in dem Ladenlokal unerträgliche Temperaturen vorfindbar waren. Wie der Sachverständige im Termin vom 19. März 1998 dargelegt hat, beruhen seine Berechnungen auf der VDI-Regel 2078 (Stand: Oktober 1994) in Verbindung mit der DIN 4108 Teil 2. Dabei hat er die Größe und Möblierung der Räume, deren zu erwartende Besetzung mit Waren und Kunden, den Sonnenwinkel, den Fensteranteil und das Material der Fenster und Wände berücksichtigt. Dies entspricht 4.3.2. der DIN 4108 Teil 2. Entgegen der Rüge der Klägerin ist unerheblich, dass der Sachverständige bei seiner Berechnung von "Standardsommern", nicht dagegen von tatsächlich gemessenen Temperaturen ausgegangen ist. Zum einen ist allgemein bekannt, dass in den neunziger Jahren die Außentemperaturen, von denen der Sachverständige ausgegangen ist, in jedem Sommer zumindestens zeitweise aufgetreten sind, weil wenigstens einige Wochen die Sonne ohne Wolkenabschirmung die Erdoberfläche erwärmen konnte. Zum andere verlangt das Kündigungsrecht des § 544 BGB eine länger andauernde, nicht nur ganz kurzfristig auftretende Gesundheitsgefährdung; diesem Gesichtspunkt wird durch einen "Standardsommer" als Ausgangspunkt besser Rechnung getragen als bei konkret zu einem bestimmten Zeitpunkt gemessenen Temperaturen, die nur einen Augenblickzustand wiedergeben. Der Mieter musste nämlich unter Zugrundelegung dieser Standardzahlen davon ausgehen, dass es immer wieder über einen längeren Zeitraum zu den errechneten Innenraumtemperaturen kommen werde.

b ) Der Sachverständige hat für den Monat Juli Innentemperaturen zwischen 31,9 °C und 41,8 °C errechnet, wobei sich die Temperaturen innerhalb der Geschäftszeit (9.00 Uhr bis 18.30 Uhr) über 40 °C bewegten. Noch im September überstiegen sie während der Geschäftszeit 35 °C. Dabei ist der Einfluss der warmen Abluft aus dem in der Nähe der Eingangstür befindlichen Abluftschacht nicht berücksichtigt. Daraus gibt sich, dass der Mieter in einem "gewöhnlichen" Sommer für mehrere Monate mit Innenraumtemperaturen von - teilweise weit - mehr als 35 °C rechnen musste.

c ) Der Senat kann auch ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens beurteilen, dass dies eine Gesundheitsgefährdung zumindestens für das Personal darstellt. Nach § 6 Abs. 1 S. 1 der Arbeitsschutzverordnung "muss während der Arbeitszeit eine unter Berücksichtigung der Arbeitsverfahren und der körperlichen Beanspruchung der Arbeitnehmer gesundheitlich zuträgliche Raumtemperatur vorhanden sein". Nach Nr. 2.4 der Arbeitsschutzrichtlinie 6/1,3 Raumtemperaturen sollen Raumtemperaturen in Arbeitsräumen 26 °C nicht überschreiten. Diese Arbeitsschutzrichtlinie beruht u.a. auf Erfahrungen, die ihren Niederschlag in der DIN 1946 Teil 2 gefunden haben. Diese sieht in Bild 1 als empfohlene operative Raumtemperatur bei Außentemperaturen bis zu 26 °C solche zwischen 22 °C und 25 °C und danach mit der Außentemperatur ansteigend bei 29 °C Außentemperatur solche zwischen 23 °C und 26 °C und bei 32 °C Außentemperatur zwischen 24 °C und 27°C vor. Dabei ist entsprechend den Definitionen in Tabelle 1 von einer Aktivitätsstufe I bzw. Aktivitätsstufe II und leichter bis mittlerer Bekleidung auszugehen. Diese Werte beruhen darauf, dass einerseits eine konzentrierte Tätigkeit lediglich in einem gewissen behaglichen Temperaturbereich möglich ist, andererseits die Innentemperatur die Außentemperatur nicht derart weit unterschreiten sollte, dass bei Betreten bzw. Verlassen des Ladenlokals ein "Kälteschock" eintritt.

Dementsprechend ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass die Werte der ASR 6/1,3 und der DIN 1946 Teil 2 bei der Bewertung einer Überhitzung von Räumen als Mangel (§ 537 BGB) herangegangen werden können (vgl. OLG Köln NJW-RR 1993, 466; OLG Hamm - RR 1995, 143).

Ebenfalls bei einer derart krassen und langandauernden Überschreitung der empfohlenen Werte ist auch von einer Gesundheitsgefährdung des Personals auszugeben. Angesicht der errechneten Werte sind auch die Aussagen der Zeugen und ..... nachvollziehbar, die einen längeren Aufenthalt in dem Ladenlokal in heißen Sommern als unzumutbar bezeichnet haben.

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5. Auf § 557 BGB können Ansprüche auf Fortzahlung des Mietzinses, wie die Beklagte zu Recht ausführt, nicht gestützt werden. Sie hat der Klägerin die Mieträume nicht entgegen ihrem Willen vorenthalten, da letztere die Wirksamkeit der Kündigung der Beklagten leugnete und von einer Fortdauer des Mietvertrages ausging (vgl. BGH WM 1963, 172).

6. Für den Folgezeitraum bis zur Herausgabe der Schlüssel kann die Klägerin nur die Herausgabe der Nutzungen nach den Vorschriften über das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis, faktisch also einen angemessenen Mietzins, verlangen. Diese schätzt der Senat auf 600,00 DM monatlich. Dabei sind einerseits die erheblichen Beeinträchtigungen der Gebrauchstauglichkeit des Ladenlokals (§ 539 BGB gilt für diesen Zeitraum nicht mehr), andererseits die Tatsache der langandauernden Besitzes durch die Beklagte zu berücksichtigen, was dafür spricht, dass sie das ladenlokal dennoch gewinnbringend nutzen konnte.

II.
1. Die Klägerin stehen dazu auch noch Ansprüche aus den Nebenkostenabrechnungen zu. Eine Minderung der Nebenkostenforderungen wegen Mangels kommt schon aus den I.1. genannten Gründen nicht in Betracht.

a ) Die Nebenkostenabrechnung für das Jahr 1993 ist auf 67,98 DM zu kürzen. Das von der Klägerin in die Abrechnung eingestellte Umlageausfallwagnis stellt keine Nebenkosten im Sinne des § 4 Nr. 2 MV dar.

b ) Das gleiche gilt für die Nebenkostenabrechnung 1994. Das Guthaben der Beklagten erhöht sich um 10,78 DM auf 337,20 DM.

c ) Auch in der Nebenkostenabrechnung 1995 ist die entsprechend Position zu streichen, so dass sich der Nachforderungsbetrag zunächst um 22,56 DM auf 1.150,50 DM verringert. Für den Zeitraum nach Wirksamwerden der Kündigung können keine Nebenkosten mehr verlangt werden, so dass der Klägerin insoweit noch 575,20 DM zustehen. Für den Zeitraum ab dem 01.07.1995 fließen die Nebenkosten in die Nutzungsentschädigung (vgl. oben I.6.) ein.

2. Damit stehen der Klägerin zu:
Nutzungsentschädigung für Juli 1995 bis
10.10.1995 3 1/3 x 600 DM = 2.000,00 DM
Nebenkosten 1993 67,98 DM
Nebenkosten 1994 ./. 337,20 DM
Nebenosten 1995 557,20 DM
Gesamt 2.287,98 DM

3. Ein Verzug der Beklagten mit der Zahlung der Nutzungsentschädigung kann erst mit Zustellung des Mahnbescheides am 25.08.1995 bzw. des Schriftsatzes vom 28.12.1995 festgestellt werden. Die Fälligkeitsregelung des § 5 Nr. 1 MV gilt nur für den Mietzinsanspruch und etwaige Ansprüche auf dessen Fortzahlung nach § 557 BGB, nicht dagegen auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung.

Mit der Zahlung der Ansprüche aus der Nebenkostenabrechnung 1995 ist die Beklagte erst durch die Einführung des Abrechnungsschreibens vom 01.07.1996 mit Schriftsatz vom 02.05.1997 in Verzug geraten.

Einen höheren Verzugszinsschaden als 4 % hat die Klägerin nicht nachgewiesen. Eine Zinsbescheinigung ist nicht eingereicht worden, § 420 ZPO.

III.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Beschwerde beider Parteien übersteigt 60.000 DM nicht. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich, § 546 Abs. 1 ZPO.

Streitwert für die Berufung: 6.207,70 DM

RechtsgebietMietrecht

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