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01.02.2012

Finanzgericht München: Urteil vom 31.03.2011 – 5 K 2018/10

Dort, wo Eheleute hauptsächlich ihre Ehe leben, liegt – von Ausnahmefällen abgesehen – auch ihr Haupthausstand. Für das Vorliegen eines Ausnahmefalls ist im Streitfall nichts ersichtlich.


IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In der Streitsache

hat der 5. Senat des Finanzgerichts M. unter Mitwirkung des Richters am Finanzgericht … als Vorsitzender, der Richterin am Finanzgericht … und der Richterin am Finanzgericht … sowie der ehrenamtlichen Richter … und … aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 31. März 2011

für Recht erkannt:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.

Streitig ist, ob im Streitjahr 2008 Mehraufwendungen wegen einer doppelten Haushaltsführung steuermindernd zu berücksichtigen sind.

Die Klägerin war bis August 2004 beim Freistaat Sachsen im Schuldienst als Lehrerin beschäftigt. Ab September 2004 wurde sie vom Regionalschulamt … im Rahmen des Auslandsschuldienstes unter Fortzahlung der Bezüge zunächst für die Dauer von zwei Jahren der … Schule in M. (Bayern) zugewiesen; diese Zuweisung wurde in der Folgezeit erst um drei Jahre und schließlich um vier Jahre bis zum 31. August 2013 verlängert. Ab 1. September 2004 mietete die Klägerin gemeinsam mit ihrem Ehemann eine Doppelhaushälfte in O. bei M. an, die im Keller über drei Kellerräume und einen Hobbyraum mit 15,3 qm, im Erdgeschoss über ein Wohnzimmer mit 30,07 qm, eine Küche mit 6,75 qm, WC und Gang, im ersten Obergeschoss über ein Schlafzimmer mit 14,6 qm nebst Ankleideraum mit 5,35 qm, ein weiteres Zimmer mit 14,72 qm, Bad und Gang, sowie im Dachgeschoss über ein weiteres Bad, Gang sowie zwei Zimmer mit 16,23 qm bzw. 9,99 qm verfügt; der monatliche Mietzins betrug ab Januar 2007 1.560 EUR. Bereits im Jahr 1990 hatte die Klägerin gemeinsam mit ihrem Ehemann Wohneigentum an einem Haus in P. (Sachsen) erworben; nach den vorgelegten Grundrissen verfügt dieses Haus im Keller über einen Hobbyraum von ca. 30 qm sowie vier weitere Räume, im Erdgeschoss über eine Wohnung, die unentgeltlich der Tochter der Klägerin zur Nutzung überlassen ist, im ersten Obergeschoss über eine Wohnung mit einem Wohn- und einem Esszimmer von jeweils ca. 25 qm, einer Küche von ca. 16 qm, einem Arbeitszimmer von 16 qm sowie einem Bad, Abstellraum und Wohnungsflur, und im Dachgeschoss über eine Wohnung mit einem Schlaf- und einem Gästezimmer von jeweils ca. 25 qm, einem Arbeits- und Ankleidezimmer von jeweils ca. 16 qm, einer Küche von ca. 9 qm sowie einem Bad, Abstellraum und Wohnungsflur.

Der Ehemann der Klägerin löste zum 1. September 2005 sein mit dem Freistaat Sachsen bestehendes Arbeitsverhältnis, ist nun als Lehrer an der … Gesamtschule in M. tätig, und wohnt seitdem ebenfalls in O. Die gemeinsame Tochter wohnte ab September 2004 mit der Klägerin zunächst in O; seit dem Wintersemester 2006/2007 studiert sie in M. und ist seit Mai 2007 mit Hauptwohnsitz in M., mit Nebenwohnsitzen in P. sowie in O. gemeldet. In P. leben die Mutter der Klägerin sowie ihr Bruder samt Familie, die Großmütter der Klägerin und ihre Schwiegereltern.

In der am 4. Februar 2010 bei dem Beklagten (dem Finanzamt – FA –) eingegangenen Einkommensteuererklärung 2008 machte die Klägerin Fahrtkosten mit dem Pkw … für 225 Fahrten zwischen Ihrer Wohnung in O. und ihrer Arbeitsstätte mit einfacher Entfernung von 5 km und Aufwendungen für die Unterkunft in O. in Höhe von 10.548,60 EUR (50 v. H. der tatsächlichen Aufwendungen) als Werbungskosten bei der Ermittlung ihrer Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit geltend.

Die Klägerin wurde darauf hin vom FA mit Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit getrennt zur Einkommensteuer veranlagt. Die von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungen für die Unterkunft in O. in Höhe von 10.548,60 EUR erkannte das FA im Einkommensteuerbescheid 2008 vom 17. März 2010 nicht an, weil sich der Lebensmittelpunkt der Klägerin spätestens seit dem Umzug des Ehemannes im Jahr 2005 in O. befunden habe. Die ganze Familie lebe und arbeite in M.

Ihre nach erfolgloser Durchführung des Einspruchsverfahrens erhobene Klage begründet die Klägerin u. a. damit, dass sie im Streitjahr in P. einen eigenen Hausstand unterhalten und sich an dessen Bewirtschaftungskosten etwa zur Hälfte beteiligt habe. Bei diesem Hausstand handele es sich um ein im Jahr 1990 erworbenes sanierungsbedürftiges Haus mit einer Wohn-/Nutzfläche von 250 qm, das ihr und ihrem Ehemann gehöre. Mit Hilfe eines KfW-Darlehens von 93.500 DM habe sie das Anwesen sanieren lassen und in Eigenarbeit instandgesetzt. Angaben, an welchen Tagen sie sich am Beschäftigungsort und am Familienwohnsitz aufgehalten habe, werde sie noch nachreichen. Ihr Lebensmittelpunkt habe sich im Streitjahr in P. befunden. Ihre Zweitwohnung in O. sei auch im Streitjahr nicht zu ihrem Lebensmittelpunkt geworden. Sie habe in O. kein neues Beschäftigungsverhältnis angetreten, sondern komme lediglich befristet an der … Schule in M. zum Einsatz, nach Ablauf von neun Jahren müsse sie zu ihrem Dienstherrn nach Sachsen zurückkehren. Der Lebensmittelpunkt sei auch nicht durch den Nachzug des Ehemannes nach O. verlegt worden, da nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) anerkannt sei, dass eine doppelte Haushaltsführung auch dann vorliegen könne, wenn beide Ehegatten außerhalb des Ortes der Familienwohnung tätig seien und am Tätigkeitsort eine Wohnung angemietet hätten. Das Zusammenleben berufstätiger Ehegatten am Beschäftigungsort während der Woche führe für sich genommen noch nicht zu einer Verlagerung des Lebensmittelpunktes (BFH-Beschluss vom 9. Juli 2008 VI B 4/08, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH – BFH/NV – 2008, 2000). Den vom BFH in diesem Beschluss genannten Entscheidungen, die zu einem gegenteiligen Ergebnis gelangten, lägen jeweils andersgeartete Sachverhalte zugrunde als im Streitfall. Der Ehemann habe sein in Sachsen bestehendes Arbeitsverhältnis auch nicht freiwillig aufgegeben, sondern nur, weil sein neuer Arbeitgeber in M. dies verlangt habe. Bei einer dienstlichen Entsendung einer Auslandsdienstkraft in ein anderes Land reise in der Regel die gesamte Familie für die Zeitdauer des Einsatzes mit, ohne dass damit der Mittelpunkt der Lebensinteressen in ein anderes Land verlegt werde. Die unterbliebene Anerkennung der doppelten Haushaltsführung benachteilige sie gegenüber Lehrkräften, die z. B. befristet an eine … Schule in B. abgeordnet würden. Das Haus in P. sei nach Größe und Ausstattung höherwertiger als die in O. angemietete Doppelhaushälfte. Zudem unterhalte sie intensive soziale Kontakte zu den in P. wohnenden Verwandten. Schließlich habe auch das FA P., das wegen ihres Hauptwohnsitzes in P. eigentlich für die Veranlagung im Streitjahr zuständig gewesen sei, für den Veranlagungszeitraum 2006 die doppelte Haushaltsführung anerkannt.

Am 28. März 2011 wurde der Einkommensteuerbescheid für 2008 geändert. Hierbei berücksichtigte das FA weitere Werbungskosten für das häusliche Arbeitszimmer der Klägerin in Höhe von 1.250 EUR.

Die Klägerin beantragt,

den Einkommensteueränderungsbescheid für 2008 vom 28. März 2011 zu ändern und bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit weitere Werbungskosten in Höhe von 10.548,60 EUR zu berücksichtigen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist das FA darauf, dass sich der Lebensmittelpunkt der Klägerin im Streitjahr in O. und nicht in P. befunden habe; die Klägerin unterhalte seit Zuzug nach O. eine für die Familie auch der Größe nach geeignete Wohnung, die sie unbefristet gemietet habe, und in der sie seit September 2004 mit der Tochter und seit September 2005 auch mit dem Ehemann wohne. Auch wenn die Tochter seit April bzw. Mai 2007 eine eigene Wohnung in M. unterhalte, sei nach der Lebenserfahrung von weiterem Kontakt zwischen Mutter und Tochter auszugehen. Die Wohnung in P. werde nur in der Freizeit und hauptsächlich zu Verwandtentreffen aufgesucht. In der Steuererklärung habe die Klägerin keine Aufwendungen für Heimfahrten nach P. geltend gemacht. Auch in Anbetracht der vom Ehemann in dessen Einkommensteuererklärung 2008 erklärten Anzahl von 10 Heimfahrten bestünden erhebliche Zweifel an einem Lebensmittelpunkt am Heimatort. Die Klägerin verbrächte ihre Zeit überwiegend am Beschäftigungsort. Die zum Ehepartner unterhaltene Beziehung sei höher zu gewichten als die Beziehung zu anderen Personen oder Orten. Dort wo die Eheleute ihre Ehe hauptsächlich lebten, liege auch der Haupthausstand. Die zeitliche Begrenzung der Zuweisung an die … Schule in M. trete insoweit in den Hintergrund.

Das Gericht hat mit Aufklärungsanordnung vom 26. Januar 2011 unter Fristsetzung gemäß § 79 b Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bis 10. März 2011 Darlegungen und Nachweise über Umstände, die für den Lebensmittelpunkt in P. sprechen, angefordert. Dieser Anordnung ist die Klägerin unter Hinweis darauf, dass bereits ausreichend Beweismittel vorgelegt sowie Argumente vorgetragen worden seien, und die Beibringung weiterer Beweismittel das Verfahren unnötig und unzumutbar verzögern würde, zunächst nicht nachgekommen. Bis zum 10. März 2011 hat sie u.a. drei Kundendienstrechnungen für die Kraftfahrzeuge … vom 19. Dezember 2007 und 10. Dezember 2008 sowie … vom 25. Oktober 2008, Ansichten, Grundrisse, Fotos der Anwesen in O. und P. sowie Rechnungen über Erdgas- und Wasserverbrauch in O. und P. vorgelegt. Aus letzteren ergebe sich, dass sie sich mit ihrem Ehemann an mindestens 70 bis 75 Kalendertagen in P. aufgehalten habe. Wenn sie und/oder ihr Ehemann im Jahr 2008 nicht an Wochenenden oder in den Schulferien in P. gewesen seien, sei das Haus unbewohnt gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 31. März 2011, den Inhalt der Akten und die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Klage ist unbegründet, da die Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung im Streitjahr nicht vorlagen.

1. Notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen, sind gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) Werbungskosten. Eine doppelte Haushaltsführung liegt nach Nr. 5 Satz 2 der Vorschrift vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt. Danach ist zwischen dem Wohnen in einer Zweitwohnung am Beschäftigungsort und dem Unterhalten eines eigenen Hausstandes außerhalb dieses Ortes zu unterscheiden. Mit dem „Hausstand” ist der Ersthaushalt (Hauptwohnung) umschrieben, an dem sich der Arbeitnehmer – abgesehen von den Zeiten der Arbeitstätigkeit und ggf. Urlaubsfahrten – regelmäßig aufhält, den er fortwährend nutzt und von dem aus er sein Privatleben führt, d.h. wo er seinen Lebensmittelpunkt hat. Das Vorhalten einer Wohnung außerhalb des Beschäftigungsortes für gelegentliche Besuche oder für Ferienaufenthalte ist nicht als Unterhalten eines Hausstandes zu werten. Ob die außerhalb des Beschäftigungsortes belegene Wohnung des Arbeitnehmers als Mittelpunkt seiner Lebensinteressen anzusehen ist und deshalb seinen Hausstand darstellt, ist anhand einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls festzustellen. Bei einem verheirateten Arbeitnehmer liegt der Mittelpunkt der Lebensinteressen grundsätzlich an dem Ort, an dem auch sein Ehepartner und – wenn auch nicht notwendigerweise – auch seine minderjährigen Kinder wohnen. Gelegentliche Besuche des Ehepartners am Beschäftigungsort des Arbeitnehmers sowie das Zusammenleben berufstätiger Ehegatten an dem Beschäftigungsort während der Woche führen dabei für sich genommen noch nicht zu einer Verlagerung des Lebensmittelpunktes. Dagegen verlagert sich in der Regel der Mittelpunkt der Lebensinteressen an den Beschäftigungsort, wenn der Arbeitnehmer dort mit seinem Ehepartner in eine familiengerechte Wohnung einzieht, auch wenn die frühere Familienwohnung beibehalten und zeitweise noch genutzt wird (vgl. BFH-Beschluss vom 9. Juli 2008 VI B 4/08, a.a.O.).

2. Der erkennende Senat konnte sich bei einer Gesamtwürdigung der Umstände des Streitfalls sowie der von der Klägerin vorgelegten Beweismittel nicht davon überzeugen, dass sich der Lebensmittelpunkt der Klägerin im Streitjahr noch in P. und nicht in O. bei M. befunden hat. Dies geht nach der im Steuerrecht geltenden Beweislastregel (vgl. BFH-Urteile vom 10. August 1988 II R 252/83, Bundessteuerblatt – BStBl – II 1988, 987, und vom 19. Januar 1994 I R 40/92, BFH/NV 1995, 181; jeweils mit weiteren Nachweisen – m. w. N. –; ständige Rechtsprechung), wonach der Steuerpflichtige die objektive Beweislast (Feststellungslast) für die steuerentlastenden oder -mindernden Tatsachen trägt, d.h. für Tatsachen, die den Steueranspruch aufheben oder einschränken oder Steuerbefreiungen, – ermäßigungen oder (sonstige) Steuervergünstigungen begründen, zu Lasten der Klägerin.

a) Die Klägerin hat nach Auffassung des erkennenden Senats schon nicht vorgetragen, geschweige denn hinreichend nachgewiesen, wie oft und wie lange sie sich im Streitjahr überhaupt in ihrer Wohnung in P. aufgehalten hat.

Trotz der Ankündigung der Klägerin, im Klageverfahren noch Angaben dazu zu machen, an welchen Tagen sie sich am Beschäftigungsort und am Familienwohnsitz im Streitjahr aufgehalten hat, und trotz entsprechender Aufforderung durch das Gericht hat die Klägerin auch in der mündlichen Verhandlung nicht detailliert dargelegt, wann sie sich in ihrer Wohnung in P. im Streitjahr aufgehalten hat, mit welchem Verkehrsmittel sie in jedem Einzelfall nach P. im Streitjahr gefahren ist und wie lange sie sich in P. aufgehalten hat. In ihrer Steuererklärung hat sie keine Heimfahrten geltend gemacht. Aus den beigezogenen Akten des Ehemanns der Klägerin (Finanzgericht M., Az. 5 K 3327/09, Az. der Nichtzulassungsbeschwerde beim BFH VI B 58/11) ergibt sich, dass dieser 10 Heimfahrten in seiner Einkommensteuererklärung 2008 behauptet hat, ohne konkrete Angaben zu Aufenthaltstagen zu machen, und dass der Ehemann der Klägerin sich in der mündlichen Verhandlung seines Klageverfahrens an keine konkreten Aufenthaltstage hat erinnern können. In der mündlichen Verhandlung hat der Ehemann der Klägerin als Zeuge zu den Heimfahrten der Klägerin von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Die Klägerin hat zudem weder vor noch in der mündlichen Verhandlung Belege über Fahrten nach P. vorgelegt, wie etwa Zugfahrkarten oder Tank- und Kundendienstrechnungen zum Nachweis der Nutzung eines oder mehrerer Kfz für Fahrten nach P. Anhand der zwei Rechnungen für das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen …, aus denen sich für die Zeit vom 19. Dezember 2007 bis 10. Dezember 2008 eine Fahrleistung von 14.035 km ableiten lässt, sowie anhand der Rechnung für das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen … vom 25. Oktober 2008 mit Angabe des Kilometerstands von 9052 km, kann nicht auf die Anzahl der Heimfahrten der Klägerin nach P. geschlossen werden, da nicht vorgetragen und nachgewiesen ist, mit welchem Verkehrsmittel die Klägerin jeweils an welchen Tagen nach P. gelangt sein will und für welche Fahrten zu welchen Reisezielen die Fahrzeuge noch benutzt worden sind. Hinzu kommt, dass die Klägerin in ihrer Einkommensteuererklärung für 2008 angegeben hat, dass sie an „225 Tagen” von ihrer Wohnung in O. zu ihrer Arbeitsstätte jeweils 5 km (einfache Entfernung) mit dem Pkw … zurückgelegt habe.

Die Klägerin hat in Klageverfahren weder Kreditkartenabrechnungen noch Kontoauszüge eingereicht, aus denen Zahlungen oder Abhebungen von ihr in P. und Umgebung zu ersehen wären, die für entsprechende Aufenthalte in P. sprächen. Somit ist dem erkennenden Senat eine umfassende Gesamtwürdigung des Einzelfalls dahingehend, wo sich die sozialen und kulturellen Aktivitäten der Klägerin entfalten, wo sie ihre Einkäufe, Arztbesuche etc. tätigt und wie ggf. die behaupteten Aufenthalte in P. z.B. aus den Kontoauszügen durch Barabhebungen bei dortigen Geldautomaten etc. ersichtlich sein könnten, verwehrt geblieben. Auch die im o.a. Klageverfahren ihres Ehemanns nur auszugsweise von der Klägerin als Zeugin vorgelegten Kreditkartenabrechnungen und Kontoauszüge ersetzen die fehlenden Angaben der Klägerin und den Nachweis für Heimfahrten der Klägerin nach P. nicht. Denn die Angaben daraus und die Ausführungen der Klägerin als Zeugin im Klageverfahren ihres Ehemanns sind unvollständig, decken sich nur teilweise und ergeben Widersprüche. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die Begründung des Urteils vom gleichen Tag in o.a. Klageverfahren des Ehemanns der Klägerin Bezug genommen. Eine umfassende Gesamtwürdigung des Einzelfalls ist damit dem Senat auch insoweit verwehrt geblieben.

b) Nach § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 FGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Eine Verletzung der Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) durch die Klägerin führt insofern nicht nur zu einer Begrenzung der gerichtlichen Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO), sondern auch zu einer Minderung des in § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 FGO vorgesehenen Beweismaßes. Der Grad der grundsätzlich erforderlichen Gewissheit („Überzeugung”) reduziert sich in der Weise, dass der Sachverhalt aufgrund von Wahrscheinlichkeitserwägungen festgestellt werden darf (BFH-Urteil vom 15. Februar 1989 X R 16/86, BStBl II 1989, 462). Dies bedeutet, dass sich das Gericht über etwa gegebene Zweifel in tatsächlicher Hinsicht hinwegsetzen kann.

Das Gericht unterstellt als wahr, dass die Klägerin intensive soziale Kontakte zu ihren sowie zu den Verwandten ihres Ehemanns unterhält, die in P. wohnen. Eine Vernehmung der Zeugen zu dieser Behauptung konnte daher unterbleiben. Aus dem Umstand, dass die Klägerin intensive soziale Kontakte zu ihren Verwandten bzw. Verschwägerten unterhält, lässt sich jedoch nicht schließen, wann und wie oft sich die Klägerin im Streitjahr an ihrem Wohnsitz in P. aufgehalten hat und dass es sich nicht nur um reine Besuchsaufenthalte gehandelt hat. Detaillierte Angaben zum Umgang mit ihren oder sonstigen Verwandten vor Ort in P. hat die Klägerin trotz entsprechender Aufforderung hierzu in der Anordnung nach § 79b Abs. 2 FGO nicht gemacht.

Auch die vorgelegten Rechnungen über Wasser- und Erdgasverbrauch in dem Haus in P. lassen aus Sicht des erkennenden Senats keinen hinreichend sicheren Schluss auf die Häufigkeit und Dauer der Aufenthalte der Klägerin in P. zu. Zum einen differenzieren die Abrechnungen nicht zwischen den einzelnen Wohneinheiten (Erdgeschoss, 1. Obergeschoss bzw. Dachgeschoss), sodass nicht erkennbar ist, welcher Verbrauch auf die der Tochter überlassene Erdgeschosswohnung entfällt. Zum anderen lässt sich allein anhand des Ergasverbrauchs nicht darauf schließen, wann und wie oft die Klägerin in P. gewesen ist, weil u. a. nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Haus jedenfalls im Winter auch in Abwesenheit der Klägerin in gewissem Umfang geheizt wird. Der Wasserverbrauch gibt für sich gesehen ebenfalls keinen Aufschluss über die Anzahl der Familienheimfahrten der Klägerin, weil aus der Abrechnung nicht zu erkennen ist, wann die Wasserabnahme jeweils erfolgt ist.

c) Abgesehen davon, dass schon nicht hinreichend vorgetragen und nachgewiesen wurde, wie oft sich die Klägerin überhaupt in P. aufgehalten hat, hat die Klägerin auch nicht nachgewiesen, dass die Wohnverhältnisse in P. der Größe und Ausstattung nach im Vergleich zu denen in O. als höherwertig anzusehen wären.

Die Wohn- und Nutzfläche der Doppelhaushälfte in O. mag zwar die entsprechenden Flächen im 1. Obergeschoss und Dachgeschoss des Hauses in P. nicht ganz erreichen; in O. ist aber ein geräumiger Garten vorhanden, der den ohnehin hohen Mietwert weiter erhöht und nach der Erfahrung des Senats über den Nutzungswert des durch die Klägerin sanierten Altbaus in P. hebt. Zudem hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung selbst vorgetragen, dass die Vermietungssituation in P. sehr angespannt ist. Hieraus lässt sich ableiten, dass der Nutzungswert des Hauses in O. bedeutend höher anzusiedeln ist. Mangels Beschreibung bzw. lückenloser Vorlage von Fotos sämtlicher nutzbarer Räume in P. war der erkennende Senat allerdings nicht in der Lage zu beurteilen, welche Wohnung eine höherwertigere Ausstattung besitzt, bzw. ob überhaupt alle Räume des Hauses in P. bereits renoviert und bewohnbar sind. Auf den vom Haus in P. vorgelegten Fotos von Wohnräumen, Bädern und Küche sind mit Ausnahme der Fotos des Bades im 1. Obergeschoss und des Schlafzimmers im Dachgeschoss lediglich die in der an die Tochter überlassenen Wohnung im Erdgeschoss befindlichen Räume zu sehen.

Bei dieser Sachlage war der erkennende Senat nicht verpflichtet, die Frage der Höherwertigkeit des einzelnen Wohnobjekts durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu klären. Gemäß § 76 Abs. 1 FGO erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen. Die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Sie haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und wahrheitsgemäß abzugeben. Daraus folgt, dass Inhalt und Intensität der richterlichen Ermittlungen in einem zwingenden Zusammenhang mit dem Vorbringen der Beteiligten stehen. Je weniger die Beteiligten ihrer Mitwirkungspflicht nachkommen, umso weniger Möglichkeiten zur Sachverhaltsaufklärung hat in der Regel das Gericht und umso weniger ist dieses dementsprechend gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO zu weiterer Sachverhaltsaufklärung verpflichtet. Angesichts der unzureichenden Angaben der Klägerin sind keine hinreichenden tatsächlichen Grundlagen vorhanden, anhand derer ein Sachverständiger ein Gutachten hätte erstellen können. Die Klägerin verkennt, dass ein Sachverständigengutachten nicht dazu dienen kann, eine ausreichend substantiierte Klagebegründung zu ersetzen (vgl. auch BFH-Beschlüsse vom 2. Februar 2010 VI B 117/09, BFH/NV 2010, 879, und vom 7. Februar 2007 I B 131/06, BFH/NV 2007, 962, m. w. N.).

d) Dass eine umfassende Gesamtwürdigung des Einzelfalls nicht mit der erforderlichen Gewissheit möglich ist, aber stark überwiegend auf den Lebensmittelpunkt in O. hindeutet, geht zu Lasten der Klägerin. Denn somit ist von dem Grundsatz auszugehen, dass die Beziehungen von Eheleuten untereinander erheblich höher zu gewichten sind als die Beziehungen zu anderen Personen oder Orten. Dort, wo die Eheleute hauptsächlich ihre Ehe leben, liegt – von Ausnahmefällen abgesehen – auch ihr Haupthausstand. Für das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalls ist nichts ersichtlich. Vielmehr spricht die räumliche Nähe zur Tochter der Klägerin neben der zeitlich eindeutig überwiegenden Anwesenheit in O., die aufgrund der Angaben der Klägerin zu 225 Fahrten zwischen der Wohnung in O. und der Arbeitsstätte nicht auszuschließen ist, jedenfalls im Streitjahr für einen in O. befindlichen Lebensmittelpunkt. Dies gilt auch angesichts der Umstände, dass die Klägerin im Rahmen des sog. Auslandsschuldienstes und jeweils nur befristet für zunächst zwei, dann drei und schließlich vier Jahre bis zum 13. August 2013 der … Schule in M. zugewiesen ist. Die von der Klägerin behauptete Ungleichbehandlung gegenüber Lehrern im Auslandsschuldienst in B. liegt schon mangels Vergleichbarkeit der Sachverhalte nicht vor. Aus dem Anwendungserlass zur AO (AEAO) ergibt sich nichts Anderes. Die dortigen von der Klägerin in Bezug genommenen Ausführungen zu §§ 8 und 9 AO behandeln lediglich die Frage, wo sich ein Wohnsitz bzw. der gewöhnliche Aufenthalt einer Person befindet, besagen aber nichts über ihren Lebensmittelpunkt im Zusammenhang mit einer doppelten Haushaltsführung. Die vom Vertreter der Klägerin angesprochene etwaige Karenzzeit, vor deren Ablauf nicht von einer Verlegung des Lebensmittelpunktes auszugehen sein soll, ist schon in Anbetracht der Tatsache, dass sich die Klägerin im Streitjahr bereits das vierte bzw. fünfte Schuljahr im Auslandsschuldienst befand, nicht von Bedeutung.

3. Da es an dem Nachweis fehlt, dass sich der Lebensmittelpunkt der Klägerin im Streitjahr noch in P. befand, kommt es auf die von der Klägerin in ihren Schriftsätzen vom 3. Februar und 8. März 2011 für streiterheblich gehaltenen Gesichtspunkte nicht mehr an.

Der Umstand, dass das FA P. die Kosten der doppelten Haushaltsführung für den Veranlagungszeitraum 2006 noch anerkannt hat, ist im Hinblick auf den im Steuerrecht geltenden Grundsatz der Abschnittsbesteuerung unbeachtlich. Danach muss das FA vielmehr in jedem Veranlagungszeitraum den Sachverhalt erneut prüfen und rechtlich würdigen. Eine als falsch erkannte Rechtsauffassung muss es zum frühestmöglichen Zeitpunkt aufgeben, auch wenn der Steuerpflichtige auf sie vertraut haben sollte. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn die Finanzbehörde über einen längeren Zeitraum hinweg eine irrige, für den Steuerpflichtigen günstige Auffassung vertreten hat (BFH-Urteil vom 22. Oktober 1993 IX R 3/92, BFH/NV 1994, 698; vgl. auch BFH-Beschluss vom 10. Juni 2010 IX B 233/09, BFH/NV 2010, 1824).

Abgesehen davon, dass nach § 127 AO die Aufhebung eines Verwaltungsakts, der nicht nach § 125 AO nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden kann, weil er unter Verletzung von Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können, ist das beklagte FA und nicht etwa das FA P. nach § 19 Abs. 1 Satz 2 AO für den Erlass des streitgegenständlichen Einkommensteuerbescheids zuständig gewesen. Bei mehrfachem Wohnsitz ist derjenige maßgebend, an dem sich der Steuerpflichtige bzw. die unmittelbare Familie (Ehegatte und Kind) überwiegend aufhalten. Dies war im Streitfall bereits nach dem eigenen Sachvortrag der Klägerin in ihrer Steuererklärung zu den Fahrten zwischen der Wohnung in O. und ihrer Arbeitsstätte der Wohnsitz in O. und nicht der in P.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

VorschriftenEStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5

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