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21.04.2011

Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg: Urteil vom 23.07.2010 – 10 Sa 790/10


In Sachen

pp

hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, 10. Kammer,

auf die mündliche Verhandlung vom 23. Juli 2010

durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht W.-M. als Vorsitzenden

sowie die ehrenamtlichen Richter Herr L. und Herr K.

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 10. Februar 2010 - 29 Ca 19538/09 - abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 1.237,52 EUR netto zu zahlen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

III. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.237,52 EUR festgesetzt.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um abgerechnete Arbeitsvergütung für die Monate Juni und Juli 2009 sowie um vom Geschäftsführer der Beklagten abgetretene und aufgerechnete Schmerzensgeldansprüche.

Der Kläger ist 30 Jahre alt und war vom 1. Januar 2009 bis 31. Juli 2009 bei der Beklagten, die ein Transport- und Umzugsunternehmen betreibt, als Kraftfahrer mit einer Vergütung von 1.020,-- EUR brutto monatlich beschäftigt. Ausweislich der jeweiligen Abrechnungen betrug die Nettovergütung für den Monat Juni 2009 insgesamt 617,23 EUR, für den Monat Juli 2009 insgesamt 620,29 EUR.

Am 17. Juli 2009 trafen sich der Kläger und der heute 34jährige Geschäftsführer der Beklagten im Büro der Beklagten wegen der Vergütungszahlung. Während dieses Gespräches übergab der Geschäftsführer der Beklagten dem Kläger das Kündigungsschreiben vom 1. Juli 2009. An diesem Tag war auch die Büroangestellte Frau A. K. in den Büroräumen, allerdings während des Gespräches nicht im Geschäftsführerbüro, anwesend.

Am 21. Juli 2009 trafen der Kläger und der Geschäftsführer der Beklagten am Nachmittag gegen 15:40 Uhr erneut im Büro der Beklagten aufeinander. Während dieses Zusammentreffens kam es zu einer verbalen und körperlichen Auseinandersetzung zwischen beiden, wobei die Einzelheiten des Ablaufes streitig sind. Dabei nahm mindestens der Geschäftsführer der Beklagten den Kläger in den Schwitzkasten, wovon der Kläger nach einem Bericht der Rettungsstelle der E. E. Klinik vom 21. Juli 2009 um 18:34 Uhr eine Distorsion (Prellung, Verstauchung, Verrenkung bzw. Fasereinriss im Bandapparat) der Halswirbelsäule sowie eine oberflächliche Prellung der Jochbeinregion und der Kieferregion davon trug. Der Geschäftsführer der Beklagten erstattete Strafanzeige gegen der Kläger, der Kläger seinerseits gegen den Geschäftsführer der Beklagten. In dem Abschlussbericht des Polizeipräsidenten vom 10. September 2009 zur Strafanzeige gegen den Kläger ist ausgeführt, dass der Kläger mit einer auf dem Bürotisch liegenden Schere mehrmals in den Rücken des Geschäftsführers gestochen habe, dass die Klingen aber nicht in den Körper eingedrungen seien, sondern nur kleinere Schnittwunden/Kratzwunden verursacht hätten.

Der Kläger hat behauptet, er habe die Vergütung für Juni und Juli 2009 bislang nicht erhalten.

Die Beklagte hat erwidert, dass sie die Vergütung durch ihren Geschäftsführer in bar, jedoch ohne Quittung, an den Kläger ausbezahlt habe. Während dieses für die Juni-Vergütung nicht durch Zeugen belegt werden könne, könne die Büroangestellte K. bezeugen, dass der Kläger vom Geschäftsführer der Beklagten am 17. Juli 2009 den Betrag von 620,-- EUR in einem Umschlag überreicht bekommen habe. Der Geschäftsführer habe die Zeugin über das Erscheinen des Klägers am 17. Juli 2009 und einen auszuzahlenden Betrag von 620,-- EUR informiert. Bei dieser Höhe habe sich der Geschäftsführer der Beklagten an der Nettosumme des Monats Juni 2009 orientiert, da die extern erstellte Vergütungsabrechnung Juli 2009 noch nicht vorgelegen habe. Frau K. habe dem Geschäftsführer der Beklagten das Geld bereit gelegt. Von einem anderen Raum aus habe sie gesehen, dass der Kläger das Geld in einem Umschlag erhalten habe. Nach Erinnerung des Geschäftsführers der Beklagten habe es sich um 4 Scheine zu je 100,-- EUR, 4 Scheine zu je 50,-- EUR und einen Schein zu 20,-- EUR gehandelt. Da die vom Lohnbuchhaltungsbüro erstellte Abrechung und auch die dazugehörige Quittung noch nicht vorbereitet gewesen seien, habe er sich den Erhalt nicht quittieren lassen.

Bei dem Zusammentreffen am 21. Juli 2009 sei der Kläger gegen 15:20 Uhr erschienen. Obwohl eine Kundin anwesend gewesen sei und der Geschäftsführer der Beklagten den Kläger mehrfach aufgefordert habe, das Büro zu verlassen, sei er dieser Aufforderung nicht nachgekommen. Der Kläger habe sich vor dem Geschäftsführer aufgebaut und ihn beschimpft. Es sei dann zu einer Rangelei gekommen. Der Geschäftsführer habe dabei versucht, den Kläger aus dem Büro herauszuzerren. Darauf habe der Kläger ihm mit der Faust ins Gesicht geschlagen und in den Finger gebissen. Anschließend habe der Geschäftsführer erneut versucht, den Kläger aus den Betriebsräumen zu schaffen und habe ihn dazu in den Schwitzkasten genommen. Dabei habe der Kläger die auf dem Schreibtisch liegende Schere ergriffen und dem Beklagten in den Rücken gestochen. Danach sei der Kläger weggerannt. Der Geschäftsführer der Beklagten sei durch die Handlungen des Klägers erheblich verletzt worden. Er habe Schnittwunden im Rücken und Bisswunden am kleinen Finger der linken Hand erlitten. Letztere hätten ihn bei der Berufsausübung erheblich beeinträchtigt. Es sei ein Schmerzensgeld von 1.500,-- EUR angemessen. Mit diesem werde nach Abtretung an die Beklagte vom 26. Januar 2010 aufgerechnet.

Der Kläger bestreitet den Erhalt sowohl der Junivergütung wie auch der Julivergütung. Einen Umschlag mit Geld habe der Kläger am 17. Juli 2009 nicht erhalten. Er habe nur die Kündigung ausgehändigt bekommen. Hinsichtlich der körperlichen Auseinandersetzung am 21. Juli 2009 hat der Kläger sich erstinstanzlich darauf beschränkt vorzutragen, dass er bisher nicht rechtskräftig wegen der vom Geschäftsführer der Beklagten behaupteten Vorfälle verurteilt worden sei.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 10. Februar 2010 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Ansprüche des Klägers zwar nicht durch Erfüllung erloschen seien. Während der Vortrag zur Zahlung der Junivergütung völlig unsubstantiiert geblieben sei, sei auch dem Vortrag hinsichtlich der Zahlung der Julivergütung nicht weiter nachzugehen gewesen. Denn dem Vortrag der Beklagten habe nicht entnommen werden können, dass die Zeugin bestätigen könne, dass sich in dem nach dem Vortrag der Beklagten übergebenen Umschlag auch das Geld befunden habe. Genauso gut hätte sich darin auch ein beliebiges Schriftstück befinden können. Allerdings sei der Anspruch des Klägers durch Aufrechnung mit der abgetretenen Schmerzensgeldforderung des Geschäftsführers der Beklagten erloschen. Dem Vortrag der Beklagten, dass der Kläger dem Geschäftsführer mit der Faust ins Gesicht geschlagen, ihn in den Finger gebissen und mit einer Schere auf ihn eingestochen habe, sei der Kläger nicht erheblich entgegen getreten. Das nach Billigkeit festzusetzende Schmerzensgeld sei wegen der insgesamt drei Handlungen und der Gefährlichkeit der Schere mit 1.500,-- EUR angemessen und übersteige deshalb die Klageforderung.

Gegen dieses der Klägervertreterin am 12. März 2010 zugestellte Urteil legte diese am 12. April 2010 Berufung ein und begründete diese nach entsprechender Verlängerung der Begründungsfrist mit Schriftsatz vom 8. Juni 2010.

Zur Begründung hat der Kläger seinen erstinstanzlichen Vortrag bekräftigt, dass er weder seine Vergütung für Juni 2009 noch für Juli 2009 erhalten habe. Weiter hat er ausgeführt, dass er dem Geschäftsführer der Beklagten nicht mit der Faust ins Gesicht geschlagen habe. Falsch sei auch, dass er ihn ohne Not gebissen und mit einer Schere verletzt habe. Tatsächlich habe er sich am 21. Juli 2009 in das Büro der Beklagten begeben, um seine Arbeitspapiere abzuholen. Nachdem man zunächst am Schreibtisch Platz genommen habe, sei es zu Streitigkeiten zwischen dem Kläger und dem Geschäftsführer der Beklagten gekommen. In deren Verlauf habe der Geschäftsführer dem Kläger mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen. Anschließend habe er ihn mit den Worten: "Du Hurensohn, ich fick Deine Mutter und ich bringe Dich um" beleidigt. Der Geschäftsführer habe dann den Kläger von hinten angegriffen, seine Arme um diesen geschlungen und ihn am Hals gewürgt. Der Kläger habe kaum noch Luft bekommen und erfolglos versucht, sich zu wehren. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass der Kläger eher schmächtig sei, der Geschäftsführer der Beklagten jedoch ein gut trainierter Kraftsportler. Im Zuge der Auseinandersetzung habe der Kläger auf dem Schreibtisch eine Schere ertastet und ungezielt in Richtung des Rückens des Geschäftsführers gestochen. Da der Geschäftsführer dennoch nicht von ihm abgelassen habe, habe der Kläger dann dem Geschäftsführer in den kleinen Finger gebissen. Daraufhin habe der Geschäftsführer von dem Kläger abgelassen, so dass der Kläger die Räumlichkeiten habe verlassen können. Der Kläger habe sich dann sofort zur Polizei begeben und Strafanzeige gegen den Geschäftsführer erstattet. Eine erhebliche Beeinträchtigung der Berufsausübung infolge der Bisswunde werde bestritten.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 10. Februar 2010 - 29 Ca 19538/09 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 1.237,52 EUR netto zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte erwidert, dass er an seinem erstinstanzlichen Vortrag zur Erfüllung der streitigen Vergütungsansprüche festhalte. Bestritten werde, dass die körperliche Gewalt vom Geschäftsführer ausgegangen sei und dieser den Kläger wie behauptet beleidigt habe. Zur körperlichen Auseinandersetzung wiederholt die Beklagte ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Unter dem 24. Juni 2010 hat das Gericht die Parteien unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes etwa im Urteil vom 13. Oktober 1992 - VI ZR 201/91 - darauf hingewiesen, dass selbst dann, wenn ein Schmerzensgeldanspruch des Geschäftsführers der Beklagten festgestellt werden sollte, es sehr fraglich erscheine, ob dieser, wie vom Arbeitsgericht angenommen, in Höhe von 1.500,-- EUR festzusetzen wäre. Denn angesichts der Ausgleichsfunktion des Schmerzensgeldes seien Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, Leiden und Entstellungen die wesentlichen Kriterien bei der Bemessung des Schmerzensgeldes. Da nach den Angaben in der Strafanzeige gegen den Geschäftsführer der Beklagten dieser eine ärztliche Behandlung vor Ort abgelehnt habe und auch sonst keine näheren Angaben zu den Verletzungen und den damit verbundenen Schmerzen oder Leiden bislang vorgetragen seien, dürfe bislang wohl von einer Bagatellverletzung des Geschäftsführers der Beklagten auszugehen sein. Dafür erscheine derzeit allenfalls ein minimales Schmerzensgeld angemessen. Auch die Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes werde kaum zu einer anderen Höhe des etwaigen Anspruchs führen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den vorgetragenen Inhalt der Berufungsbegründung des Klägers vom 8. Juni 2010 und den Schriftsatz vom 15. Juli 2010 sowie auf die Berufungsbeantwortung der Beklagten vom 21. Juni 2010 sowie das Sitzungsprotokoll vom 23. Juli 2010 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht im Sinne der §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 Zivilprozessordnung (ZPO) eingelegt und begründet worden.

II. In der Sache hat die Berufung auch Erfolg, so dass das Urteil des Arbeitsgerichts entsprechend dem Antrag des Klägers abzuändern war.

1. Wie das Arbeitsgericht in der angefochtenen Entscheidung zutreffend festgestellt hat, kann eine Erfüllung der hinsichtlich ihrer Höhe unstreitigen Vergütungsansprüche des Klägers für die Monate Juni und Juli 2009 nicht angenommen werden. Hinsichtlich der Vergütungszahlung für Juni 2009 räumt die Beklagte selbst ein, dass sie diese nicht mehr nachvollziehbar vortragen könne. Aber auch hinsichtlich der Vergütungszahlung für Juli 2009 hat das Arbeitsgericht zutreffend die Nichterfüllung festgestellt. Zwar behauptet die Beklagte die Übergabe von 620,-- EUR in Scheinen in einem Umschlag, doch ist diese Behauptung zwischen den Parteien streitig. Insofern müsste aufgeklärt werden, ob die Darstellung der Beklagten zutrifft. Hierzu hat die darlegungs- und beweisbelastete Beklagte aber keine für einen Zivilprozess ausreichenden Tatsachen vorgetragen. Die Beklagte hat nur in das Zeugnis der Frau K. gestellt, dass sie gesehen habe, dass der Geschäftsführer der Beklagten dem Kläger einen Umschlag übergeben habe. Dass sie eine Aussage darüber treffen könnte, was sich in dem Umschlag befunden habe, hat die Beklagte erstinstanzlich nicht vorgetragen und trotz der entsprechenden Ausführungen im Urteil des Arbeitsgerichts auch in der Berufungsinstanz nicht ergänzt. Deshalb musste dem Beweisangebot der Beklagten nicht weiter nachgegangen werden. Es hätte sich um einen unzulässigen Ausforschungsbeweis gehandelt.

2. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts ist allerdings der Vergütungsanspruch des Klägers nicht durch die Aufrechnung der Beklagten mit den von ihrem Geschäftsführer an sie abgetretenen Schmerzensgeldansprüchen erloschen.

2.1 Bei der Auseinandersetzung am 21. Juli 2009 ist der Geschäftsführer der Beklagten unstreitig verletzt worden. Dafür kann er grundsätzlich auch ein Schmerzensgeld verlangen.

Die wesentliche Grundlage für die Höhe der Bemessung des Schmerzensgeldes bilden das Maß und die Dauer der Lebensbeeinträchtigung, die Größe, Heftigkeit und die Dauer der Schmerzen und Leiden sowie die Dauer der Behandlung und der Arbeitsunfähigkeit, Übersehbarkeit des weiteren Krankheitsverlaufes, die Fraglichkeit der endgültigen Heilung sowie ferner der Grad des Verschuldens und die Gesamtumstände des Falles (KG, Urteil vom 15. März 2004 - 12 U 103/01).

2.2 Nach den vom Geschäftsführer der Beklagten in der Berufungsverhandlung bestätigten Angaben in der Strafanzeige des Klägers lehnte der Geschäftsführer der Beklagten nach der Auseinandersetzung eine ärztliche Behandlung vor Ort ab. Nähere Angaben zu den mit den Verletzungen verbundenen Schmerzen oder Leiden wurden zunächst nicht vorgetragen. Der Vortrag der Beklagten beschränkte sich auf die Angabe von Schnittwunden im Rücken und Bisswunden am kleinen Finger der linken Hand, wobei insbesondere letztere den Geschäftsführer der Beklagten "erheblich in seiner Berufsausübung beeinträchtigt" habe.

In der Berufungsverhandlung hat der Geschäftsführer der Beklagten diesen Vortrag ergänzt. Er hat darauf hingewiesen, dass die Bisswunde bis auf den Knochen gereicht habe. Er sei mehrfach in ärztlicher Behandlung gewesen und es gebe auch verschiedene medizinische Unterlagen dazu. Er habe etwa drei Monate an der Verletzung des kleinen Fingers laboriert und habe für einen Monat nicht aktiv an den von der Beklagten durchgeführten Umzügen teilnehmen können.

2.3 Aufgrund des schriftsätzlichen Vortrags der Beklagten ging die Kammer von einer Bagatellverletzung des Geschäftsführers aus, die einen Schmerzensgeldanspruch nicht begründet.

Eine Bagatellverletzung ohne Schmerzensgeldanspruch ist gegeben, wenn es sich um geringfügige Einwirkungen ohne wesentliche Beeinträchtigung der Lebensführung handelt, wie sie etwa bei für das Alltagsleben typische und häufig auch aus anderen Gründen als einem besonderen Schadensfall entstehende Beeinträchtigungen des körperlichen und seelischen Wohlbefindens aufkommen können und die im Einzelfall weder unter dem Blickpunkt der Ausgleichs- noch der Genugtuungsfunktion ein Schmerzensgeld als billig erscheinen lassen (so zuletzt etwa BGH, Urteil vom 9. Juli 2009 - IX ZR 88/08; aber auch schon BGH, Urteil vom 14. Januar 1992 - VI ZR 120/91).

Der mündliche Vortrag des Geschäftsführers der Beklagten wäre geeignet gewesen, einen Schmerzensgeldanspruch zu begründen. Allerdings war die konkrete Art und der Grad der Verletzung sowie die Kausalität zwischen dem Biss des Klägers und der vorgetragenen Beeinträchtigung zwischen den Parteien streitig. Eine weitere Aufklärung durch Vernehmung der im Kammertermin anwesenden Zeugin K. war jedoch nicht geboten, weil die Zeugin K. allenfalls laienhaft den äußeren Schein der Verletzung des Geschäftsführers durch die Bisswunde hätte bestätigen können. Insoweit hat die Kammer den Vortrag der Beklagten als wahr unterstellt. Inwieweit die Zeugin zur Intensität der Verletzung, den daraus resultierenden Beeinträchtigungen sowie zur Kausalität zwischen der Bisswunde und der vorgetragenen Beeinträchtigung etwas hätte aussagen können, ergab sich aus dem Vortrag der Beklagten jedoch nicht.

2.4 Da somit schon nicht eine über die Bagatelle hinausgehende Verletzung des Geschäftsführers der Beklagten angenommen werden kann, kann auch dahinstehen, ob dem Geschäftsführer der Beklagten die Verletzungen durch den Kläger schuldhaft oder nur, wie vom Kläger behauptet und von der Amtsanwaltschaft in dem Einstellungsschreiben vom 2. Dezember 2009 zur Strafanzeige gegen den Kläger ausgeführt im Zuge einer offensichtlichen Notwehrsituation zugefügt worden sind. Selbst wenn sie nämlich schuldhaft zugefügt worden wären, ist auch die Genugtuungsfunktion für die Höhe des Schmerzensgeldes maßgeblich.

Bei der Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes ist nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 29. November 1994 - BGH VI ZR 93/94) der Grad des Verschuldens zu berücksichtigen. Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit wirken sich zu Lasten des Schädigers aus, leichte Fahrlässigkeit zu seinen Gunsten.

Hier hat der Kläger nach den - im Detail streitigen - Angaben dem Geschäftsführer der Beklagten während einer Rangelei einen Faustschlag ins Gesicht versetzt. Dass dieser zu einer Verletzung oder auch nur Beeinträchtigung des Geschäftsführers der Beklagten geführt hätte, hat die Beklagte nicht vorgetragen. Auch in der Berufungsverhandlung spielte der - behauptete - Faustschlag für den Geschäftsführer der Beklagten keine besondere Rolle. Die Schnitt- oder Kratzwunden am Rücken sowie die Bisswunde im Finger des Geschäftsführers erfolgten unstreitig, nachdem der Geschäftsführer der Beklagten den Kläger in den Schwitzkasten genommen hatte. Dabei trug der Kläger nach dem Bericht der Rettungsstelle der E. E. Klinik vom 21. Juli 2009 um 18:34 Uhr eine Distorsion der Halswirbelsäule sowie eine oberflächliche Prellung der Jochbeinregion und der Kieferregion davon.

Unabhängig davon, ob es sich beim Befinden des Klägers im Schwitzkasten um eine Notwehrlage oder auch nur um eine vermeintliche Notwehrlage handelte, konnte die Kammer nachvollziehen, dass der Kläger sich aus dieser Lage befreien wollte. Die Kammer hielt es in einer solchen Situation jedenfalls für unbillig, allein wegen der damit verbundenen Genugtuung ein Schmerzensgeld zu Gunsten des Geschäftsführers der Beklagten festzusetzen.

2.5 Auch bei einer Gesamtschau des Geschehens erscheint ein Schmerzensgeld für die Verletzungen des Geschäftsführers der Beklagten unbillig. Denn wenn weder der Entschädigungs- noch der Ausgleichsgedanke jeweils für sich ein Schmerzensgeld rechtfertigen, kann im Rahmen einer Gesamtschau auch nur ausnahmsweise noch ein Schmerzensgeld gerechtfertigt sein. Besondere Umstände für eine solche Ausnahme waren aber nicht ersichtlich, so dass auch insoweit ein Schmerzensgeld nicht festzusetzen war.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs.6 ArbGG in Verbindung mit § 91 ZPO. Die Beklagte hat als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Der Streitwert für das Berufungsverfahren entspricht dem Umfang des eingelegten Rechtsmittels.

Die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs.2 ArbGG kam nicht in Betracht, da die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorgelegen haben.

VorschriftenBGB § 253, BGB § 611

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