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19.04.2011

BGH: Beschluss vom 09.03.2011 – 2 StR 629/10


Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat
nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts, zu Ziffer 3
auf dessen Antrag,
am 9. März 2011
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO
beschlossen:

Tenor:

1.

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 7. September 2010 mit den Feststellungen aufgehoben. Jedoch bleiben die Feststellungen zum äußeren Geschehensablauf aufrecht erhalten.

2.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Hiergegen richtet sich seine auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

2

Nach den Feststellungen des Landgerichts leidet der Angeklagte zumindest seit dem Jahr 2004 an einer schweren paranoidhalluzinatorischen Schizophrenie. Er wurde am 31. Januar 2010 gegen 04.00 Uhr von der Wirtin der Gaststätte C. in W. und deren Lebensgefährten sowie einem Bekannten vor die Tür gesetzt, nachdem er die Aufforderung zum Verlassen des Lokals nicht befolgt hatte. Er war darüber erbost, öffnete das mitgeführte Taschenmesser und kehrte in die Gaststätte zurück, wobei er "laute wütende Geräusche" von sich gab. Dem Stammgast M. , der die Wirtin schützen wollte, versetzte er mit dem Messer einen Schnitt in den Oberschenkel. Danach stach er dem Lebensgefährten der Wirtin A. mit dem Messer in den Hals, als dieser den Angeklagten mit einem Schlagstock abwehren wollte.

3

Das Landgericht ist der psychiatrischen Sachverständigen Dr. M. darin gefolgt, dass die Steuerungsfähigkeit des einsichtsfähigen Angeklagten erheblich vermindert, aber nicht aufgehoben gewesen sei. Er sei zwar bei der Begehung der Tat aufgrund seiner paranoidhalluzinatorischen Psychose "psychotisch" gewesen, habe aber den Vorfall nicht "in sein Wahnsystem eingebaut". Seine Denkabläufe seien gestört gewesen und es sei zu einer "Fehleinschätzung der Situation gekommen".

4

Das Urteil kann nicht bestehen bleiben, weil die Bejahung der Schuldfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet.

5

Die Annahme, dass es wegen einer Störung der Denkabläufe infolge der psychotischen Erkrankung des Angeklagten zu einer Fehleinschätzung der Situation durch ihn gekommen sei, spricht dafür, dass der Angeklagte zur Tatzeit nicht die erforderliche Einsicht in das Unrecht der Handlungen hatte. Schon eine erhebliche Verminderung der Unrechtseinsichtsfähigkeit führt zur Schuldunfähigkeit, wenn sie tatsächlich das Fehlen der Einsicht zur Folge hatte. In diesem Fall stellt sich die Frage der Steuerungsfähigkeit nicht mehr (BGH NStZ-RR 2006, 167, 168). Die Unfähigkeit des Angeklagten, das Unrecht seiner Handlungen einzusehen, hat das Landgericht aber nicht nachvollziehbar ausgeschlossen.

6

Der Schuldspruch und der Strafausspruch können deshalb keinen Bestand haben. Der Senat hebt auch den Maßregelausspruch auf. Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen und können aufrechterhalten werden. Ergänzende Feststellungen sind möglich.

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